LVwG-601344/6/KLi/CG

Linz, 24.05.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Dr. Lidauer über die Beschwerde vom 15. April 2016 des B G L, geb. x 1978, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 18. März 2016, GZ: VerkR96-7000-2014-Vku, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung (StVO),

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.          Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und die verhängte Geldstrafe auf 50,00 Euro sowie die Ersatzfreiheitsstrafe auf 15 Stunden herabgesetzt.

 

II.      Der Kostenbeitrag zum Verfahren vor der belangten Behörde in Höhe von 10,00 Euro wird bestätigt. Im Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich fallen gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG keine Kosten an.

 

III.        Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 18. März 2016,
GZ: VerkR96-7000-2014-Vku wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe in Folge nicht richtig gewählter Fahrgeschwindigkeit einen Verkehrsunfall verursacht. Er sei auf ein stehendes Fahrzeug aufgefahren. Er habe als Lenker des Fahrzeuges Ford Focus, grau/silberfarbig, Kennzeichen: x in der Gemeinde und im Ortsgebiet Moosdorf, von Lamprechtshausen kommend, in Richtung Eggelsberg fahrend, auf der B 156 bei km 34.676 am 19.02.2014 um 15.35 Uhr gegen § 20 Abs. 1 StVO verstoßen.

 

Über ihn werde gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO eine Geldstrafe von 90,00 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden verhängt. Ferner habe er einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 10,00 Euro zu bezahlen.

 

Begründend führte die belangte Behörde aus, dem Beschwerdeführer sei mit Strafverfügung vom 10.10.2014 eine Übertretung nach § 20 Abs. 1 StVO vorgeworfen worden und über ihn eine Geldstrafe von 200 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 96 Stunden verhängt worden. Gegen diese Strafverfügung habe er innerhalb offener Frist Einspruch erhoben und diesen im Wesentlichen dahingehend begründet, dass er die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h gefahren sei, zumal keine unübersichtliche Stelle vorhanden gewesen sei und dass er auf Grund eines Lkw's, der ziemlich weit über die Fahrbahnmitte gekommen sei, dazu gezwungen gewesen sei, sein  Fahrzeug nach rechts abzulenken und abzubremsen, wodurch er das plötzliche Abbremsen des vorausfahrenden Fahrzeuges zu spät bemerkt habe und daher sein Fahrzeug nicht mehr rechtzeitig abbremsen habe können.

 

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 26.3.2015 sei der Beschwerdeführer daraufhin aufgefordert worden, sich binnen 14 Tagen ab Zustellung zu rechtfertigen. Im Telefonat vom 7.4.2015 habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen seine Einspruchsangaben wiederholt. Zudem habe er mitgeteilt, dass ein Lkw in einer unübersichtlichen Kurve ca. ½ Meter über die Fahrbahnmitte gekommen sei, sodass er sein Fahrzeug nach rechts ablenken habe müssen, um eine Kollision zu vermeiden. Aus der Tatsache, dass der Lkw nicht mit dem abbiegenden Fahrzeug kollidiert sei, gehe hervor, dass er zum vorausfahrenden Fahrzeug einen ausreichenden Abstand gehabt habe.

 

Im Zuge des Ermittlungsverfahrens wurde die Zweitbeteiligte, S F, am 14.4.2015 als Zeugin einvernommen. Diese habe zusammenfassend ausgeführt, dass sie links zu blinken begonnen habe, noch bevor sie vom Gas gegangen sei, sich im Gegenverkehr ein Lkw und einige Fahrzeuge dahinter befunden hätten, sie, um abbiegen zu können, den Gegenverkehr passieren habe lassen müssen und schon einige Zeit gestanden sei, als es plötzlich gekracht habe, sie zu dem Fahrverhalten des Lkw's nach dem er sie passiert gehabt habe, keine Angaben machen könne.

 

Zur Frage, ob es aufgrund angepasster Geschwindigkeit zur Kollision gekommen sei, habe die Behörde ein Sachverständigengutachten des Amtssachverständigen Dipl.-HTL-Ing. R H eingeholt. Der Amtssachverständige habe in seinem Gutachten vom 30.11.2015 zusammenfassend ausgeführt, dass laut Angaben der abbiegenden Lenkerin, sie wegen Gegenverkehr, der aus einem Lkw und zumindest zwei Pkw bestanden habe, anhalten hätte müssen und sich somit bei Einhaltung eines Tiefenabstandes von 1 Sekunde eine Länge der Fahrzeugkolonne von ca. 46 Meter ergebe; bei Einhaltung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h die Fahrzeugkolonne ca. 3 Sekunden benötigt habe, um die Linksabbiegerin zu passieren; im Hinblick auf die Sichtverhältnisse des Beschwerdeführers auf die stehende Linksabbiegerin eine Sichtweite von ca. 130 Metern bestanden habe und diese Strecke bei einer Fahrgeschwindigkeit von 50 km/h in 9 Sekunden zurückgelegt werde; die Überschreitung der Fahrbahnmitte von ½ Meter durch den Gegenverkehr aus fahrdynamischen Gründen nicht nachvollziehbar sei; die Gesamtfahrbahnbreite 10 Meter betrage und selbst wenn der Lkw, wie behauptet ½ Meter über die Fahrbahn gefahren sei, eine Fahrstreifenrestbreite von ca. 4,5 Metern verblieben sei und es auf Grund der geringen Überdeckung von nur ½ Meter und der praktisch gerade verlaufenden Fahrbahn zu keiner maßgeblichen Sichteinschränkung auf die stehende Linksabbiegerin gekommen sei; die Linksabbiegerin für das von 50 km/h bis zum Zumstillstandbringen mit einer normalen Betriebsbremsung und das Passierenlassen des Gegenverkehrs bis zur Möglichkeit des Abbiegens ca. 7 Sekunden benötigt habe, sich für den Beschwerdeführer als Annäherungsverkehr aufgrund des Fahrbahnverlaufes bis zum Unfallort bei einer Sichtstrecke von rund 130 Metern eine Zeitspanne von
9 Sekunden ergebe; der Beschwerdeführer als Annäherungsverkehr bei einer Schrecksekunde und einer anschließenden Reaktionszeit von einer Sekunde bei einem verbleibenden Bremsweg von 20 Metern mit einer stärkeren Bremsung den Auffahrunfall verhindern hätten können.

 

Das Ergebnis dieser Beweisaufnahme sei mit Schreiben vom 3.12.2015 dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht und ihm die Möglichkeit eingeräumt worden, sich hiezu binnen einer Frist von 14 Tagen ab Zustellung zu äußern. Der Beschwerdeführer habe keine Äußerung erstattet.

 

In rechtlicher Würdigung führte die belangte Behörde unter Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmung des § 20 Abs. 1 StVO aus, dass eine Überschreitung nach § 20 Abs. 1 StVO die ziffernmäßige Festsetzung der eingehaltenen Geschwindigkeit nicht erfordere. „Den gegebenen Umständen angepasst“ heiße, der Lenker dürfe nur eine solche Geschwindigkeit wählen, die es ihm unter Berücksichtigung seines Fahrkönnens ermögliche, das Fahrzeug jederzeit zu beherrschen. Ein Kraftfahrer habe eine für ihn nicht eindeutig als unbedenklich erkennbare Verkehrssituation im ungünstigsten Sinn auszulegen und seine Geschwindigkeit zu verringern. Das Anpassen der Geschwindigkeit umfasse auch die Verpflichtung zur rechtzeitigen Geschwindigkeitsverringerung.

 

Für das von 50 km/h bis zum Zumstillstandbringen mit einer normalen Betriebsbremsung und das Passierenlassen des Gegenverkehrs nach dem Anhalten habe die Linksabbiegerin eine Zeitspanne von ca. 7 Sekunden benötigt. Aus dem Gutachten gehe zusammenfassend hervor, dass auch dann, wenn man davon ausgehe, dass der Lkw die Fahrbahnbreite um ½ Meter überfahren habe, auf Grund der Gesamtstraßenbreite von 10 Metern auf dem Fahrstreifen des Beschwerdeführers noch eine Restbreite von ca. 4,5 Meter verblieben sei und es auf Grund der geringen Überdeckung von nur ½ Meter und der praktisch gerade verlaufenden Fahrbahn zu keiner maßgeblichen Sichteinschränkung auf den stehenden Linksabbieger gekommen sei.

 

In dieser Zeit habe der Beschwerdeführer laut Sachverständigengutachten Sicht auf das verkehrsbedingt zum Stillstand gekommene Fahrzeug gehabt und hätte er bei entsprechender Aufmerksamkeit den Auffahrunfall mit einer geringen Bremsverzögerung vermeiden können. Zudem sei laut Sachverständigengutachten eine Irritation durch den Gegenverkehr der ca. die Fahrbahnmitte mit ½ Meter überragt habe, nicht plausibel nachvollziehbar.

 

Wenn der Beschwerdeführer vom Gegenverkehr so irritiert gewesen sei, dass er die Vorgänge, die sich vor seinem Fahrzeug abgespielt hätten – die laut Sachverständigengutachten bei gehöriger Aufmerksamkeit rechtzeitig wahrnehmbar gewesen wären – nicht wahrnehmen habe können, so habe er als Kraftfahrer eine für ihn nicht eindeutig als unbedenklich erkennbare Verkehrssituation im ungünstigen Sinn auslegen müssen und seine Fahrgeschwindigkeit derart reduzieren müssen, dass er auf ein vor ihm liegendes Hindernis rechtzeitig reagieren hätte können. Nötigenfalls hätte er sein Fahrzeug anhalten müssen.

 

Der Beschwerdeführer habe im Hinblick auf die Einschätzung seiner Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse keine Angaben gemacht, so dass diese geschätzt werden hätten müssen. Die belangte Behörde sei laut Schätzung davon ausgegangen, dass er kein eigenes Einkommen habe, über kein Vermögen verfüge und Sorgepflichten habe. Strafmildernd sei gewertet worden, dass keine einschlägigen Verwaltungsvormerkungen aufscheinen, sowie dass er bloß fahrlässig gehandelt habe; ebenso sei die lange Bearbeitungsdauer gewertet worden.

 

Insofern sei die verhängte Strafe daher tat- und schuldangemessen.

 

 

I.2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die Beschwerde vom 15. April 2016. Zusammengefasst bringt der Beschwerdeführer vor, er habe schon zwei Stellungnahmen abgegeben und habe deshalb nach dem letzten, ihm zugesandten Dokument, das die gesamte Akte zum Fall beinhalte, keine weitere Stellungnahme mehr abgegeben. Er habe gedacht, hiezu würden die vormaligen Stellungnahmen reichen.

 

Nachdem dies nicht so sei, werde er die Unfallursache noch einmal kurz schildern. Es stimme erstens nicht, dass die Breite der Fahrbahn an der Unfallstelle 5 Meter betrage, sondern nur 4,5 Meter, welche er nachgemessen habe. Komme der LKW also einen halben Meter auf seine Spur (was er auch nur schätzen habe können), es könne auch mehr gewesen sein, so habe er noch

4 Meter Platz. Da sich zu seiner Rechten ein Randstein befunden habe, habe er schon sehr genau aufpassen müssen, um nicht den LKW oder den Randstein zu touchieren. Er habe ja auch nicht gewusst, wie weit der LKW noch rüber kommen würde, also habe er seinen Blick nach links gerichtet, um genau das zu beobachten und er habe sein Fahrzeug zusätzlich etwas abgebremst. Er könne ja nicht hoffen, dass der LKW nicht weiter rüber komme und einfach nach vorne schauen.

 

Außerdem stehe im Straferkenntnis, dass die Geschädigte mit ihrem Fahrzeug einige Sekunden im Stillstand gewesen sei, bis er aufgefahren sei. Es seien, soviel er wisse, auch kaum bis gar keine Bremsspuren vorhanden gewesen. Diese beiden Faktoren würden beweisen, dass er nicht einfach zu schnell unterwegs gewesen sei, sondern dass sein Blick nicht auf den Vordermann gerichtet gewesen sei (aus einem sehr guten Grund). Vielleicht habe er auch anders reagieren können, aber in der Situation reagiere, soviel er wisse, das Unterbewusstsein. Es sei einfach ein Unfall gewesen. Deshalb bitte er höflich darum, ihm keine Fahrlässigkeit zuzuschreiben und ihm die Strafe zu erlassen.

 

 

I.3. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich beraumte daraufhin für den 23. Mai 2016 eine öffentliche mündliche Verhandlung an. Mit Eingabe vom
13. Mai 2016 erklärte der Beschwerdeführer auf eine Verhandlung zu verzichten. Die belangte Behörde hat bereits in ihrem Vorlageschreiben vom 15. April 2016 auf eine Verhandlung verzichtet. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte insofern unterbleiben.

 

 

 

 

II. Nachfolgender Sachverhalt steht fest:

 

II.1. Am 19.02.2014 um 15.35 Uhr verursachte der Beschwerdeführer als Lenker des KFZ, Ford Focus, grau/silberfarbig, Kennzeichen: x  in der Gemeinde und im Ortsgebiet  von Moosdorf, von Lamprechtshausen kommend, in Richtung Eggelsberg fahrend, auf der B 156 bei km 34.676 einen Verkehrsunfall. Der Beschwerdeführer fuhr auf das vor ihm befindliche und von der Zeugin S F gehaltene KFZ, VW Golf, rot, Kennzeichen: x  auf.

 

II.2. Sowohl der Beschwerdeführer als auch die Zeugin wurden bei gegenständlichem Verkehrsunfall leicht verletzt. Ein über 3 Tage dauernder Personenschaden trat allerdings nicht ein. Das gerichtliche Strafverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis mit Benachrichtigung vom 5. Mai 2014, GZ: 31 BAZ 370/14v eingestellt.

 

II.3. Daraufhin wurde dem Beschwerdeführer mit Strafverfügung von der belangten Behörde vom 10. Oktober 2014 die zu Punkt I.1. dargestellte Verwaltungsübertretung vorgeworfen und eine Geldstrafe von 200,00 Euro verhängt. Der Beschwerdeführer erhob daraufhin Einspruch mit Schreiben vom 14. Oktober 2014.

 

II.4. Kurz vor der beschriebenen Kollision fuhr im Begegnungsverkehr des Beschwerdeführers ein LKW. Dieser überschritt ca. um ½ Meter die Fahrbahnmitte. Geht man von den Ausführungen des Sachverständigen aus, dass die dem Beschwerdeführer zur Verfügung stehende Fahrbahnhälfte 5 m breit ist, so verblieb für den Beschwerdeführer eine Fahrbahnbreite von 4,5 m, welche jedenfalls ausreichend ist, um ohne Irritationen den LKW passieren zu können. Geht man von den Ausführungen des Beschwerdeführers aus, dass der ihm zur Verfügung stehende Fahrbahnteil lediglich 4,5 Meter breit war, so würde dem Beschwerdeführer eine Breite von 4 Metern zur Verfügung stehen. Auch diese Breite ist jedenfalls für ein irritationsloses Passieren des LKW ausreichend, zumal nach Ausführung des Sachverständigen viele Fahrstreifen nur 3 Meter breit sind.

 

II.5. Der Beschwerdeführer fühlte sich durch den im Begegnungsverkehr herannahenden LKW irritiert und schenkte ihm daher mehr Aufmerksamkeit als dem vorausfahrenden Verkehr.

 

Der Beschwerdeführer hielt eine Geschwindigkeit von ca. 50 km/h ein. Geht man davon aus, dass der Beschwerdeführer durch den LKW nicht irritiert war bzw. eine Irritation nicht plausibel ist, so wäre diese Geschwindigkeit angemessen gewesen.

 

Geht man allerdings von den Ausführungen des Beschwerdeführers aus, dass er durch den LKW irritiert wurde, war die Geschwindigkeit mit 50 km/h nicht mehr angemessen. Der Beschwerdeführer hätte daher seine Geschwindigkeit noch weiter reduzieren oder sein Fahrzeug anhalten müssen.

 

II.6. Die belangte Behörde holte ein Sachverständigengutachten des Amtssachverständigen Dipl-HTL-Ing. R H ein. Dieser führte in seinem Gutachten Nachfolgendes aus:

 

Zur Fragestellung der Behörde, ob auf Grund der Aktenlage aus technischer Sicht festgestellt werden kann, dass es auf Grund nicht angepasster Geschwindigkeit zur Kollision kam, ergeht aus technischer Sicht nachstehendes

 

Gutachten

 

Im Hinblick auf das Ortofoto ist festzuhalten, dass der Lkw aus seiner Sicht eine Linkskurve mit sehr großem Kurvenradius fuhr. Die Fahrbahn verläuft auf Grund der sehr langgezogenen Kurve fast schon gerade. Dass die Kurve auf Grund des hohen Kurvenradius maßgeblich ist, dass der Lkw aus seiner Fahrtrichtung die Fahrbahnmitte überfuhr, ist im Hinblick auf den Kurvenverlauf aus fahrdynamischen Gründen und technischen Gründen kaum nachvollziehbar.

 

Die Lenkerin des abbiegenden Pkw gibt an, dass sie wegen des Gegenverkehrs anhalten musste. Der Gegenverkehr zumindest aus einem Lkw und zwei folgenden Pkw's. Geht man davon aus, dass diese Fahrzeuge zueinander einen Sekundenabstand eingehalten haben und unterstellt man den Lkw eine Länge von 10 Meter und für die Pkw eine Länge von jeweils 4 Meter so hat diese Fahrzeugkolonne von ca. 46 Metern gehabt. Bei einer Fahrgeschwindigkeit von rund 50 km/h braucht die Fahrzeugkolonne ca. 3 Sekunden um den Linksabbieger zu passieren.

 

Im Hinblick auf die Sichtverhältnisse des Beschuldigten ergibt sich auf den stehenden Linksabbieger eine Sichtweite von ca. 130 Metern. Bei 50 km/h Fahrgeschwindigkeit legt er diese Strecke in ca. 9 Sekunden zurück.

 

Weiters ist festzuhalten, dass eine Fahrstreifenbreite ca. 5 Meter beträgt und dies Gesamtfahrbahnbreite daher 10 Meter beträgt.

Wenn man den Schilderungen des Beschuldigten folgt, kam er entgegenkommende Lkw ca. ½ Meter über Fahrbahnmitte. D.h. dem Beschuldigten stand noch eine Fahrbahnbreite in seiner Fahrtrichtung von ca. 4,5 Metern zur Verfügung.

 

Im Hinblick auf die vorliegenden Breitenverhältnisse ist es daher nicht nachvollziehbar, dass der Beschuldigte bei einer verfügbaren Fahrbahnbreite von ca. 4,5 Metern durch den Lkw irritiert wurde, da übliche Fahrstreifen oft nur 3 Meter breit sind.

 

Auf Grund der geringen Überdeckung von nur ½ Meter und der praktisch gerade verlaufenden Fahrbahn lag keine maßgebliche Sichteinschränkung im Hinblick auf den stehenden Linksabieger vor.

 

Geht man davon aus, dass der Linksabbieger ursprünglich mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit (50 km/h) gefahren ist und sein Fahrzeug im Zuge einer Betriebsbremsung (3m/s2) angehalten hat, so beträgt die Bremszeit dafür etwas mehr als 4 Sekunden. Berücksichtigt man, dass das Fahrzeug auf Grund des Gegenverkehrs nach dem Anhalten weitere 3 Sekunden stehen bleiben musste, so ergibt sich vom Beginn der Betriebsbremsung bis zur Möglichkeit nach links abzubiegen eine Zeitspanne von rund 7 Sekunden.

Auf Grund des Fahrbahnverlaufes ergibt sich für den Beschuldigten bis zum Unfallort bei einer Sichtstrecke von rund 130 Meter eine Zeitspanne von rund 9 Sekunden.

 

Unterstellt man den Beschuldigten eine Schrecksekunde, anschließend eine Sekunde Reaktionszeit, dann hätte er bei einem verbleibenden Bremsweg von 22 Meter mit einer Bremsverzögerung von ca. 4,5 m/s2 rechtzeitig anhalten können. Die erforderliche Bremsverzögerung ist als starke Bremsung aber bei weitem nicht als Notbremsung einzustufen. Es wurde davon ausgegangen, dass der Linksabbieger mit einer Betriebsbremsung (3 m/s2) einen Anhalteweg von 32 Meter/t = 4 Sekunden benötigt hat. Die Fahrzeuglänge für das Beschuldigtenfahrzeug wurde mit 4 Meter unterstellt.

(Unterstellt man, dass der Beschuldigte hinter dem späteren Linksabbieger in einem Sekundenabstand nachgefahren ist (ca. 14 Meter) so ergibt sich für den Beschuldigten eine Gesamte Anhaltestrecke von ca. 50 Meter.

Eine Schrecksekunde plus eine Sekunde Reaktionszeit ergeben 28 Meter und bei 50 Meter Gesamtanhalteweg ergibt sich ein verfügbarer Bremsweg von ca. 22 Meter. Bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 50 km/h ergibt sich daraus eine erforderliche Bremsverzögerung von ca. 4,5 m/s2.)

 

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass unter den vorstehenden Ausgangsbedingungen der Auffahrunfall bei entsprechender Aufmerksamkeit als vermeidbar einzustufen ist. Im Hinblick auf die große Fahrbahnbreite ist eine Irritation durch den Gegenverkehr der ca. die Fahrbahnmitte mit ½ Meter überragt hat nicht plausibel nachvollziehbar.

Wenn man davon ausgeht, dass der Beschuldigte in einem Tiefenabstand von mehr als 1 Sekunde nachgefahren ist, so wäre für das rechtzeitige Anhalten eine geringer Bremsverzögerung erforderlich, als vorstehend berechnet.

 

 

II.7. Der Beschwerdeführer verfügt über ein Einkommen von 1.450,00 Euro monatlich. Er hat keine Schulden und kein Vermögen sowie keine Sorgepflichten. Der Beschwerdeführer ist unbescholten.

 

 

III.        Beweiswürdigung:

 

III.1. Die generellen Feststellungen zum verfahrensgegenständlichen Verkehrsunfall ergeben sich aus dem vorliegenden Akt der belangten Behörde, ebenso die Daten des Beschwerdeführers und der Zeugin.

 

III.2. Ferner geht aus dem Akteninhalt hervor, dass gegenständliche ein Auffahrunfall eingetreten ist und beide Unfallbeteiligte leicht verletzt wurden. Dass diese Verletzung nicht weiter gerichtlich verfolgt wurde, geht aus der Einstellung des Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis hervor.

 

III.3. Der weitere Verfahrensverlauf zur Strafverfügung und zum Einspruch ergeben sich ebenfalls aus dem Akteninhalt. Diesbezüglich waren somit keine Erhebungen erforderlich.

 

III.4. Das eingeholte Kfz-technische Sachverständigengutachten und dessen Inhalt ergeben sich aus demselben. Das Gutachten des Sachverständigen ist in sich schlüssig und kann ohne weiteres nachvollzogen werden. Daher können auch die Ausführungen im Gutachten den Sachverhaltsfeststellungen zu Grunde gelegt werden.

 

III.5. Die Ausführungen zur Irritation des Beschwerdeführers durch den LKW ergeben sich aus dessen eigenen Vorbringen im Einspruch bzw. in der Beschwerde.

 

Alleine aus den Ausführungen des Beschwerdeführers, er sei durch den LKW irritiert worden (wenngleich dies vom Sachverständigen nicht plausibel nachvollzogen werden konnte), ergibt sich daher, dass die von ihm gewählte Geschwindigkeit unangepasst war. Der Beschwerdeführer hat insofern mit seinem eigenen Vorbringen bewirkt, dass seine Geschwindigkeit (welche grundsätzlich nicht unzulässig war) im konkreten Fall doch als überhöht bzw. unangepasst bewertet werden musste. Unterstellt man nämlich das Vorbringen des Beschwerdeführers, der LKW hätte eine Irritation hervorgerufen, so hätte er sein Fahrzeug noch weiter abbremsen oder sogar anhalten müssen.

 

Letztendlich ergibt sich daher aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers selbst, dass die von ihm eingehaltene Geschwindigkeit nicht mehr als angepasst gewertet werden kann.

 

III.6. Die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben.

 

 

IV.         Rechtslage

 

IV.1. Gemäß § 20 Abs. 1 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrgeschwindigkeit den gegebenen oder durch Straßenverkehrszeichen angekündigten Umständen, insbesondere den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen, sowie den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen. Er darf auch nicht so schnell fahren, dass er andere Straßenbenützer oder an der Straße gelegene Sachen beschmutzt oder Vieh verletzt, wenn dies vermeidbar ist. Er darf auch nicht ohne zwingenden Grund so langsam fahren, dass er den übrigen Verkehr behindert.

 

IV.2. § 99 Abs. 3 lit. a StVO regelt das Strafausmaß: Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist.

 

 

V.           Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat hiezu erwogen:

 

V.1. Gegenständlich steht somit aufgrund des vorliegenden Kfz-technischen Sachverständigengutachtens und des Vorbringens des Beschwerdeführers fest, dass zwar grundsätzlich eine Geschwindigkeit von 50 km/h angemessen wäre, aber aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers, er sei durch einen im Gegenverkehr herannahenden LKW irritiert (bzw. bedrängt) worden, diese Geschwindigkeit nicht mehr als angemessen betrachtet werden kann.

 

V.2. Zu diesen Erwägungen gelangte die belangte Behörde richtigerweise in ihrem Straferkenntnis, so dass der Beschwerdeführer diesen nicht mit Erfolg entgegentreten kann.

 

V.3. Allerdings ist auch die Strafhöhe, welche in der Strafverfügung noch mit 200,00 Euro festgesetzt war und im Straferkenntnis auf 90,00 Euro herabgesetzt wurde, einer Beurteilung zu unterziehen.

 

V.4. Im gegenständlichen Fall dauerte es von dem dem Beschwerdeführer angelasteten Zeitpunkt am 19.2.2014 bis zur Erlassung des in Beschwerde gezogenen Straferkenntnisses bis zum 18. März 2016. Das Verfahren nahm insofern über zwei Jahre in Anspruch. Auch wenn man bedenkt, dass zunächst aufgrund der eingetretenen Körperverletzungen das gerichtliche Strafverfahren bzw. die Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft abzuwarten war, erfolgte die Einstellung durch die Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis relativ rasch, nämlich bereits am 5. Mai 2014.

 

V.5. Diesbezüglich hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 26.6.2008, Zl. B 304/07 ausgesprochen, dass die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach der Rechtsprechung des EGMR nicht abstrakt, sondern im Lichte der besonderen Umstände jedes einzelnen Falles zu beurteilen ist. Die besonderen Umstände des Einzelfalles ergeben sich aus dem Verhältnis und der Wechselwirkung verschiedener Faktoren. Neben Faktoren, welche die Verfahrensdauer beeinflussen, nämlich die Schwierigkeit des Falles, das Verhalten des Beschwerdeführers und das Verhalten der staatlichen Behörden in den bemängelten Verfahren, ist auch die Bedeutung der Sache für den Beschwerdeführer relevant (vgl. VfSlg. 17.307/2004; 17.582/2005; 17.644/2005). Nicht eine lange Verfahrensdauer schlechthin führt zu einer Verletzung, sondern nur eine Verzögerung, die auf Versäumnis der staatlichen Organe zurückzuführen ist. Der Rechtsprechung des EGMR ist daher keine fixe Obergrenze für die Angemessenheit der Verfahrensdauer zu entnehmen, ab deren Überschreitung jedenfalls eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK anzunehmen wäre (vgl. VfSlg. 16.385/2001 mH auf die Rechtsprechung des EGMR).

 

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 17.308/2004) und des EGMR (EGMR 27.02.1992, Casciaroli v Italy, A 229-C, Appl. 11.973/83; EGMR 27.02.1992, Cifola v Italy, A/231-A, Appl. 13.216/87) ist die Konventionsverletzung nicht nur festzustellen, sondern ist eine Wiedergutmachung derselben zwingend geboten.

 

Diesem verfassungsrechtlichen Gebot wird durch § 34 Abs. 2 StGB entsprochen. Die Bestimmung normiert einen Strafmilderungsgrund für den Fall, dass ein gegen den Täter geführtes Verfahren aus einem nicht von ihm oder seinem Verteidiger zu vertretenden Grund unverhältnismäßig lange dauerte. Im Verwaltungsstrafverfahren ist eine überlange Verfahrensdauer somit im Rahmen der Strafzumessung zu beachten. Vom Umfang her wird „eine spürbare und maßgebliche Milderung der ursprünglich verhängten Strafe“ verlangt (VwGH 26.04.2010, 2004/10/0024; 31.03.2011, 2010/10/0138).

 

V.6. Darüber hinaus ist im gegenständlichen Fall zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer unbescholten ist. Der von ihm verursachte Verkehrsunfall ist auch nicht durch eine besonders rücksichtslose oder gefährliche Fahrweise verursacht worden, sondern durch eine unrichtige Einschätzung der Verkehrslage, sodass dem Beschwerdeführer lediglich leichte Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann.

 

V.7. Unter Abwägung aller zuvor genannten Strafmilderungsgründe war daher die verhängte Geldstrafe auf 50,00 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf
15 Stunden herabzusetzen. Im Hinblick auf den Kostenbeitrag zum Strafverfahren ergibt sich, dass diese im Verfahren vor der belangten Behörde weiterhin mit 10,00 Euro zu bemessen war, im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich fallen keine Kosten an.

 

 

VI.         Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

VI.1. Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Für den Beschwerdeführer ist die Möglichkeit zur Revisionserhebung gemäß
§ 25a Abs.4 VwGG ex lege ausgeschlossen.

 

VI.2. Darüber hinaus stellt sich gegenständlich lediglich eine Frage der Strafzumessung, welche jeweils in Hinblick auf den konkreten Beschwerdeführer zu erfolgen hat und somit jeweils eine Entscheidung im Einzelfall und einer Verallgemeinerung nicht zugänglich ist. Auch aus diesem Grund ist eine Revision nicht zulässig.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde / der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

 

H i n w e i s

 

Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Entscheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig. Sie erhalten von der genannten Behörde einen aktualisierten Zahlschein zugesandt.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Dr. Lidauer