LVwG-750351/2/BP/HG
Linz, 13.05.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des E K,
geb. x, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Dr. H B, X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 21. März 2016, GZ: Pol18-5381, mit dem ein Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ abgewiesen wurde,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm. § 47 Abs. 2 und § 20 Abs. 1 NAG wird der Beschwerde stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und dem Beschwerdeführer die Aufenthaltsbewilligung "Familienangehöriger" für zwölf Monate erteilt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
1. Mit Bescheid vom 21. März 2016, GZ: Pol18-5381, wies die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (im Folgenden: belangte Behörde) den Erstantrag des Beschwerdeführers (im Folgenden: Bf) auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 11 Abs. 2 Z. 1 iVm Abs. 4 Z. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (im Folgenden: NAG) als unbegründet ab.
Begründend führt die belangte Behörde zunächst Folgendes aus:
Sie haben am 29.02.2016 bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger" eingebracht.
Mit Schreiben vom 1. März 2016 wurden Sie vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und Ihnen mitgeteilt, dass die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land beabsichtige, Ihren Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ abzuweisen.
Am 07.03.2016 wurde durch Sie persönlich die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft Wels, dass das Ermittlungsverfahren wegen §§ 127, 128 Abs. 1 Z 5 und § 129 Abs. 1 Z 1 StGB, gegen Sie eingestellt wurde, da keine Anhaltspunkte für eine Tatbeteiligung vorliegen, bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land abgegeben. Im Zuge dessen haben Sie auch darauf hingewiesen, dass die strafrechtlichen Verurteilungen die aufscheinen, bereits Jahre zurückliegen.
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem durchgeführten Ermittlungsverfahren, insbesondere aus den, Ihrem Antrag beigefügten Unterlagen.
In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
Gemäß § 47 Abs: 2 NAG ist Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden sind, ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger" zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen.
Gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet.
Gemäß § 11 Abs. 4 Z 1 NAG wiederstreitet der Aufenthalt eines Fremden dem öffentlichen Interesse (Abs. 2 Z 1), wenn sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.
In dem von Ihnen vorgelegten Strafregisterauszug der Polizeiverwaltung in S scheinen folgende Verurteilungen auf:
1. Gemeindegericht in Z, ZI. 43 0 K 015292 08 Kl vom 07.05.2009, Art. 239 Abs. 3 des Strafgesetzes der Föderation Bosnien und Herzegowina, Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten, bedingt auf 3 Jahre
2. Gemeindegericht in T, ZI. 51 0 K 001353 07 K, vom 02.07.2009, Art. 239 Abs. 3 des Strafgesetzes der Föderation Bosnien und Herzegowina, Freiheitsstrafe von 3 Monaten, bedingt auf 1 Jahr
Clan 239. des bosnisch-herzegowinischen Strafgesetzes regelt den Besitz und den Handel mit Betäubungsmitteln/Opiaten. Im Konkreten wird in stav. 3 der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln/Opiaten unter Strafe gestellt.
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffes „sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde" im § 11 Abs. 4 Z 1 NAG eine das Gesamtverhalten des Fremden berücksichtigende Prognosebeurteilung geboten. Dabei hat die Behörde im Fall von strafgerichtlichen Verurteilungen gestützt auf das diesen zu Grunde liegende Fehlverhalten eine Gefährdungsprognose zu treffen. Die damit erforderliche, auf den konkreten Fall abstellende individuelle Prognosebeurteilung ist jeweils, an Hand der Umstände des Einzelfalles vorzunehmen (vgl. ua. VwGH 27.09.2010, 2009/22/0044).
Die Verurteilungen liegen bereits über 6 Jahre zurück, jedoch kann auf Grund des verhängten Strafausmaßes nicht von einem geringfügigen Drogendelikt ausgegangen werden. Des Weiteren kam es innerhalb kurzer Zeit zu zwei Verurteilungen. Aus diesem Grund kann die von Ihnen ausgehende Gefahr zum jetzigen Zeitpunkt nicht als weggefallen oder entscheidend gemindert angesehen werden.
Aus den oben genannten Gründen ist daher davon auszugehen, dass Ihr Aufenthalt im Bundesgebiet der Republik Österreich die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
Art. 8 Abs. 2 EMRK normiert, dass eine Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen darf, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.
Sie haben - bis auf einige Besuche in Österreich - ihr ganzes Leben in Ihrem Heimatland verbracht und auch die Schulbildung dort absolviert. Ihre Ehe mit F K wurde am x.2015 in T geschlossen.
Nach Prüfung Ihres Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK kommt die hs. Niederlassungsbehörde zum Ergebnis, dass durch die Abweisung Ihres Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger" zwar von einem Eingriff in Ihr Privatleben auszugehen ist, dieser aber zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dringend geboten und somit zulässig ist.
Aus den oben genannten Gründen war Ihr Antrag auch abzuweisen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde des rechtsfreundlich vertretenen Bf vom 18. April 2016, worin zunächst folgende Anträge gestellt werden:
Das Verwaltungsgericht möge:
a. eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen und durchführen; sowie
b. den hier angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, vom 21.3.2016, GZ. Poll8-5381, dahingehend abändern, dass meinem Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Familienangehöriger" stattgegeben wird; in eventu
c. den hier angefochtenen Bescheid der Erstbehörde aufheben und dieser die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftragen.
Die Beschwerde wird ua. wie folgt begründet:
Mein Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" wird abgewiesen, da mein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde. Dies deshalb, da ich im Jahr 2009 vom Gemeindegericht in Z bzw. vom Gemeindegericht in T zu bedingten Freiheitsstrafen verurteilt wurde. Wie die Erstbehörde richtig ausführt, ist eine Prognosebeurteilung anhand des Gesamtverhaltens des Fremden geboten, um zu beurteilen, ob eine öffentliche Ordnung- und Sicherheitsgefährdung vorliegt. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Verurteilungen bereits mehr als 6 Jahre zurückliegen, dass die Verurteilungen bedingt erfolgt sind, sohin auch das Strafgericht von günstigen Zukunftsprognosen ausging, insbesondere aber auch der Umstand, dass die der Verurteilung zu Grunde liegende Straftat im Jahr 2006 bzw. 2007 begangen wurde, sohin nun bereits 10 Jahre zurückliegt. Seit dieser Zeit habe ich mich ständig wohl verhalten, sodass eine Prognoseentscheidung zu meinen Gunsten vorgenommen werden hätte müssen. Hinzu kommt, dass meine Ehegattin ein Kind erwartet, der Geburtstermin ist am x.2016, sodass auch vor dem Hintergrund meiner Verantwortung für meine Familie sichergestellt ist, dass ich keinerlei weitere strafbare Handlungen mehr begehen werde. Die Verweigerung des Aufenthaltstitels stellt im Hinblick auf mein Familienleben auch einen unzulässigen Eingriff in mein Privat- und Familienleben dar und hätte auch aus diesem Grund mir der Aufenthaltstitel „Familienangehöriger" erteilt werden müssen.
Weiteres Vorbringen im Zuge des Beschwerdeverfahrens behalte ich mir ausdrücklich vor.
3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Schreiben vom 21. März 2016 zur Entscheidung vor. Eine Beschwerdevorentscheidung wurde nicht erlassen.
4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:
Der Bf ist Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina und hat am 29. Februar 2016 bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 47 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) eingebracht.
Der Bf ist seit x.2015 mit F K, Geburtsname K, verheiratet. Frau K ist in Bosnien und Herzegowina geboren und mittlerweile im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft. Sie erwartete ein Kind, wobei der errechnete Geburtstermin der x war.
Der Bf hielt sich seit dem Jahr 2011 fallweise in Österreich auf (im Ausmaß von etwa 2 Monate pro Jahr) und wohnt seit 14. Oktober 2015 – mit Unterbrechungen - bei seiner nunmehrigen Ehefrau.
Die Wohnung hat eine Gesamtfläche von 43,46 m² und verfügt laut Mietvertrag über 2 Zimmer, 1 Küche, 1 Bad, 1 WC und 1 Abstellraum sowie 1 Loggia sowie 1 Balkon. Die monatliche Miete beträgt (inkl. Betriebskosten) € 254,66.
Frau K konnte – zumindest vor der Geburt – ein monatliches Einkommen von etwa € 2.000.- netto (unter Berücksichtigung des 13. und 14. Monatsgehalts) vorweisen.
Der Bf ist im Besitz eines Deutsch-Zertifikats Niveau A1, ausgestellt am 4. Februar 2016 vom G-Institut Bosnien und Herzegowina in Sarajevo.
Der Bf wurde mit Urteil des Gemeindegerichts in Z, Bosnien und Herzegowina, vom 7. Mai 2009 zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten, bedingt auf 3 Jahre, und mit Urteil des Gemeindegerichts in T, Bosnien und Herzegowina, vom 2. Juli 2009 zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten, bedingt auf 1 Jahr, jeweils wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln/Opiaten verurteilt. Die Straftaten selbst wurden in den Jahren 2006 bzw. 2007 begangen, wobei der maximale Strafrahmen für eine einzelne Tat 1 Jahr Freiheitsstrafe beträgt.
Andere strafrechtliche Verurteilungen scheinen nicht auf. Ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Wels wegen des Verdachts auf Diebstahl durch Einbruch am 2. November 2015 wurde im Februar 2016 eingestellt, da keine Anhaltspunkte für eine Tatbeteiligung vorlagen.
Der hier in Rede stehende Antrag des Bf wurde von der belangten Behörde unter Bezugnahme der oa Verurteilungen mit Bescheid vom 21. März 2016 wegen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit abgewiesen.
II.
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde. Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem vorgelegten Akt.
Die Straftaten liegen mittlerweile 9 bis 10 Jahre und nicht wie von der belangten Behörde angenommen erst 6 bis 7 Jahre zurück. Zudem kann auf Grund der Strafhöhe nicht darauf geschlossen werden, dass es sich um schwere Vergehen gehandelt hat. Der vorgesehene Strafrahmen für das einzelne Delikt würde die verhängte Strafhöhe nämlich nicht ermöglichen, weshalb mehrere Taten kumuliert wurden.
Gemäß § 24 Abs.4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, sofern durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrages von der Durchführung einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art.6 Abs.1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt bereits nach der Aktenlage hinreichend geklärt war und in der Beschwerde ausschließlich Rechtsfragen aufgeworfen wurden, zu deren Lösung auch im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist, konnte von der Durchführung der beantragten öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
III.
1.1 Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B VG erkennen ab 1. Jänner 2014 die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 2 VwGVG entscheidet das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter, soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch einen Senat vorsehen.
1.2 Gemäß § 47 Abs. 2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2005 – NAG, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 122/2015, ist Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden sind, ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen.
1.3 Gemäß § 11 Abs. 2 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn
1. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;
2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine
vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;
3. der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;
4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;
5. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden, und
6. der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a rechtzeitig erfüllt hat.
Gemäß § 11 Abs. 4 NAG widerstreitet der Aufenthalt eines Fremden dem öffentlichen Interesse (Abs. 2 Z 1), wenn
1. sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde oder
2. der Fremde ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können.
Gemäß § 11 Abs. 5 NAG führt der Aufenthalt eines Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15), ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.
Gemäß § 11 Abs. 3 NAG kann ein Aufenthaltstitel trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist.
1.4 § 293 Abs. 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) lautet:
(1) Der Richtsatz beträgt unbeschadet des Abs. 2
a) |
für Pensionsberechtigte aus eigener Pensionsversicherung, |
||||||
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aa) |
wenn sie mit dem Ehegatten (der Ehegattin) oder dem/der eingetragenen PartnerIn im gemeinsamen Haushalt leben |
1 323,58 €, |
||||
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bb) |
wenn die Voraussetzungen nach aa) nicht zutreffen |
882,78 €, |
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b) |
für Pensionsberechtigte auf Witwen(Witwer)pension oder Pension nach § 259 |
882,78 €, |
|||||
c) |
für Pensionsberechtigte auf Waisenpension: |
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aa) |
bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres |
324,69 €, |
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|
falls beide Elternteile verstorben sind |
487,53 €, |
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|
bb) |
nach Vollendung des 24. Lebensjahres |
576,98 €, |
||||
|
falls beide Elternteile verstorben sind |
882,78 €. |
|||||
§ 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG lautet auszugsweise:
[…] Für die Bewertung der Sachbezüge gilt, soweit nicht Abs. 8 anzuwenden ist, die Bewertung für Zwecke der Lohnsteuer mit der Maßgabe, daß als Wert der vollen freien Station der Betrag von 282,06 € heranzuziehen ist; an die Stelle dieses Betrages tritt ab 1. Jänner eines jeden Jahres, erstmals ab 1. Jänner 1994, der unter Bedachtnahme auf § 108 Abs. 6 mit dem Anpassungsfaktor (§ 108f) vervielfachte Betrag. […]
1.5 Gemäß § 21a Abs. 1 NAG haben Drittstaatsangehörige mit der Stellung eines Erstantrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 2, 4, 5, 6 oder 8 Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen. Dieser Nachweis hat mittels eines allgemein anerkannten Sprachdiploms oder Kurszeugnisses einer durch Verordnung gemäß Abs. 6 oder 7 bestimmten Einrichtung zu erfolgen, in welchem diese schriftlich bestätigt, dass der Drittstaatsangehörige über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau verfügt. Das Sprachdiplom oder das Kurszeugnis darf zum Zeitpunkt der Vorlage nicht älter als ein Jahr sein.
1.6 Gemäß § 20. Abs. 1 NAG sind befristete Aufenthaltstitel für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen, es sei denn, es wurde eine kürzere Dauer der Aufenthaltstitel beantragt oder das Reisedokument weist nicht die entsprechende Gültigkeitsdauer auf.
2.1 Im hier zu beurteilenden Fall war der Bf wegen des Besitzes vom Betäubungsmitteln/Opiaten zu bedingten Haftstrafen von 1 Jahr und 2 Monaten bzw. zu 3 Monaten verurteilt worden. Wie die belangte Behörde zutreffend festgestellt hat, ist nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei der Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffes "sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde" im § 11 Abs. 4 Z 1 NAG eine das Gesamtverhalten des Fremden berücksichtigende Prognosebeurteilung geboten. Dabei hat die Behörde im Fall von strafgerichtlichen Verurteilungen gestützt auf das diesen zu Grunde liegende Fehlverhalten eine Gefährdungsprognose zu treffen. Die damit erforderliche, auf den konkreten Fall abstellende individuelle Prognosebeurteilung ist jeweils an Hand der Umstände des Einzelfalles vorzunehmen (vgl. ua. VwGH 27.09.2010, 2009/22/0044).
Da sich der Bf jedoch bereits über einen Zeitraum von immerhin 9 bzw. 10 Jahren wohlverhalten hat (länger als von der belangten Behörde in ihrer Beurteilung angenommen), sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, inwieweit durch den Aufenthalt des Bf im Bundesgebiet von einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ausgegangen werden kann. Bei der Prognose durch die belangte Behörde ist auch zu berücksichtigen, dass diese von einem schwereren Delikt ausgegangen war, weil sie die Möglichkeit der Kumulation verschiedener gleichartiger Delikte – wie sie in Österreich nicht vorgesehen ist - nicht berücksichtigte. Außer den knapp 10 Jahre zurückliegenden Straftaten liegen keine Verurteilungen vor. Der Aufenthalt des Bf widerstreitet daher nicht den öffentlichen Interessen.
2.2. Nach den Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 11 Abs. 2 Z. 2 NAG muss der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweisen, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird. Die Wohnung von Frau F K, in welcher der Bf bereits jetzt zeitweilig wohnt, verfügt über zwei Zimmer und ist – zumindest so lange das Kind noch klein ist – als ausreichend groß zu qualifizieren.
2.3 Damit der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen kann, muss gemäß § 293 Abs. 1 ASVG für den gemeinsamen Haushalt ein monatliches Mindesteinkommen von € 1.323,58 vorhanden sein. Nachdem der Mietaufwand in der Höhe von € 254,66 geringer ausfällt als der Wert der freien Station, ist dieser nicht zu berücksichtigen. Auf Grund des Einkommens von Frau F K von etwa € 2.000,- monatlich (unter Einberechnung des 13. und 14. Monatsgehalts) ist die Voraussetzung derzeit klar erfüllt.
Selbst wenn das Mindesteinkommen wegen der Karenz von Frau K kurzfristig nicht ausreichend sein sollte, ist - insbesondere durch die Geburt des gemeinsamen Kindes - anzunehmen, dass sich der Bf im Rahmen einer Interessensabwägung nach § 11 Abs. 3 NAG wohl zielführend auf die Anwendung der dort normierten Ausnahmebestimmungen berufen könnte.
2.4 Das vorgelegte Sprachdiplom stammt von einem anerkannten Sprachinstitut und wurde am 4. Februar 2016 ausgestellt. Es ist somit auch ausreichend aktuell.
2.5 Der Reisepass des Bf ist bis zum 28. Dezember 2025 gültig, weshalb ihm gemäß § 20 Abs. 1 die Bewilligung auf die Dauer von zwölf Monaten zu befristen war.
3. Es war also im Ergebnis der Beschwerde mit der Maßgabe stattzugeben, als die Aufenthaltsbewilligung als Familienangehöriger auf die Dauer von zwölf Monaten zu erteilen und spruchgemäß zu entscheiden war.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Bernhard Pree
Beachte:
Die Revision wurde zurückgewiesen.
VwGH vom 13. September 2016, Zl.: Ra 2016/22/0070-3