LVwG-400129/14/FP

Linz, 10.03.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Pohl über die Beschwerde von W R, x, D, vertreten durch Dr. K R, Rechtsanwalt, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 11. Juni 2015 (versehentlich datiert mit 9. Oktober 2014, zugestellt am 3. September 2015), GZ. VerkR96-4753-2015, wegen einer Übertretung des Bundesstraßenmaut­gesetzes, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der letzte Satz des Textteiles des Spruchs des bekämpften Straferkenntnisses dahingehend korrigiert wird, dass er zu lauten hat: „Es war am Fahrzeug keine gültige Mautvignette angebracht“.

 

 

II.      Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 60 Euro  zu leisten.

 

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1.       Die belangte Behörde warf dem Beschwerdeführer (Bf) im bekämpften Straferkenntnis vor, sein KFZ auf dem mautpflichtigen Straßennetz gelenkt, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben. Die Mautvignette sei am Fahrzeug nicht ordnungsgemäß angebracht gewesen, weil sie nicht vollständig von der Trägerfolie abgelöst worden sei.

Zusammengefasst führte die belangte Behörde in ihrer Begründung aus, die Vignette sei nach vollständigem Ablösen von der Trägerfolie unbeschädigt und direkt so auf der Windschutzscheibe anzubringen, dass sie von außen gut sicht- und kontrollierbar ist. Bei Nichtbeachtung der Anbringungsvorschriften werde der Tatbestand der Mautprellerei verwirklicht.

Der Bf hätte im Hinblick auf sein Verschulden glaubhaft machen müssen, dass ihn an der Verletzung der Mautpflicht kein Verschulden getroffen habe, weil ihm die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen nicht möglich gewesen wäre. Der Bf habe keine Umstände vorgebracht, die sein Verschulden an der Verletzung der ggst. Verwaltungsvorschrift ausschließen würde. Da die Vignette samt Trägerfolie an der Windschutzscheibe angebracht worden sei, sei von zumindest fahr­lässigem Handeln auszugehen.

Ein Irrtum als Schuldausschließungsgrund liege nicht vor, zumal die Form der Anbringung gesetzlich festgelegt sei und sich auf der Vignette entsprechende Anweisungen befänden.

 

I.2.       Mit Schreiben vom 1. Oktober 2015 erhob der Bf rechtzeitig Beschwerde. Diese stützte er auf einen Verfahrensmangel und stellte dar, dass gegen das Verfahrensrecht auf Akteneinsicht verstoßen worden sei, zumal dem Bf Beweisbilder nicht zur Verfügung gestellt worden seien.

Vorsorglich beantragte er eine öffentliche mündliche Verhandlung.

 

I.3.       Das Landesverwaltungsgericht beraumte für 12. Jänner 2016 eine öffentliche mündliche Verhandlung an und schloss der Ladung eine Stellung­nahme der ASFINAG vom 19. März 2015 sowie die zugehörigen Lichtbilder der automatischen Mautüberwachung an (ON 17 – 19).

 

I.4.       Am Tag vor der Verhandlung langte bei Gericht eine Stellungnahme ein, in welcher der Bf seiner Verwunderung Ausdruck verlieh, dass auf den Lichtbildern das schwarze aufgedruckte X der Trägerfolie sichtbar sei.

Er könne dies nicht nachvollziehen.

An einer Tankstelle vor P habe man getankt und eine 10-Tages-Vignette erworben. Diese sei von der Lebensgefährtin des Bf nach Entfernen einer Folie an die Windschutzscheibe geklebt worden. Sie habe von alleine geklebt, d.h. mittels des originären Klebers, ohne, dass etwaige Hilfsmittel Verwendung gefunden hätten. Der Bf verwehre sich vehement gegen den Vorwurf, die Vignette etwa in einen Parkscheinhalter geschoben zu haben. Der Bf und seine Lebensgefährtin könnten sich nicht erklären, dass das schwarze X zu sehen sei.

2 Wochen vor Erhalt des Schreibens der belangten Behörde vom 4. Februar 2015 habe die Lebensgefährtin des Bf die Vignette unter Verwendung eines Nagellackentferners von der Windschutzscheibe entfernt.

Die Vignette sei weder weitergegeben noch verkauft worden.

Der Bf benannte seine Lebensgefährtin als Zeugin und bot eine eidesstattliche Versicherung an.

Der Bf habe weder gegen die Mautordnung verstoßen, noch wäre ein Verstoß subjektiv vorwerfbar.

Er habe nicht die Absicht gehabt, Mautprellerei zu begehen. Auch habe keine Absicht bestanden, die Vignette weiter zu geben. Er habe im Gültigkeitszeitraum 5 Tage in Wien geurlaubt. Es sei kein Schaden entstanden, da die Maut bezahlt worden sei. Das Verwaltungsstrafverfahren sei einzustellen. Es lägen die Voraussetzungen für das Absehen von der Fortführung des Strafverfahrens bzw. für eine Ermahnung vor. Aufgrund der Geringfügigkeit des Verschuldens und Überwiegen von Milderungsgründen lägen die Voraussetzungen für ein Unterschreiten der Mindeststrafe um die Hälfte nach § 20 VStG vor.

 

Der Bf beantragte, das angefochtene Straferkenntnis möge aufgehoben, in eventu eine Ermahnung, in eventu eine die Mindeststrafe um die Hälfte unterschreitende Strafe ausgesprochen werden.

 

I.5.       Das Gericht verlegte sodann die Verhandlung zur Ladung der Lebens­gefährtin des Bf auf den 11. Februar 2016 und trug diesem ergänzend auf, die Zeugin stellig zu machen.

 

I.6.       Am 26. Jänner 2016 langte bei Gericht ein Schreiben der Arbeitgeberin der Zeugin ein, in welchem ohne weitere Begründung mitgeteilt wurde, dass es aus innerbetrieblichen Gründen nicht möglich sei, die Zeugin am Verhandlungstag von der Arbeit freizustellen, da bereits die Planungen des ersten Quartals abgeschlossen seien und die Anwesenheit der Zeugin unabdingbar sei.

 

I.7.       Am 1. Februar 2016 teilte der Bf-Vertreter telefonisch mit, dass zur Verhandlung niemand erscheinen werde.

 

 

II.1.      Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht und öffentliche mündliche Verhandlung. Zu dieser erschien eine vom Bf-Vertreter entsandte Substitutin sowie ein informierter Vertreter der ASFINAG.

 

 

 

II.2.      Nachstehender entscheidungswesentlicher   S A C H V E R H A L T   steht fest:

 

Der Bf hat am 12. Oktober 2014 um 13.34 Uhr den PKW Audi (< 3,5 t) mit dem d Kennzeichen x auf der mautpflichtigen A1 bei A, Mautabschnitt, Richtungsfahrbahn Staatsgrenze W, bei Straßen­kilometer 172,020 gelenkt (unbestrittener Sachverhalt, Anzeige Asfinag).

Hinter der Windschutzscheibe war eine 10-Tages-Vignette angebracht. Diese war im Bereich der Monatsleiste bei 10, im Bereich der Tagesleiste bei 8 gelocht. Die Vignette wies in ihrem, von vorne aus gesehen, rechten oberen Bereich ein schwarzes X auf (Foto autom. Mautüberwachung).

Dieses X ist bei allen 10-Tages-Vignetten auf der Außenseite der Trägerfolie, asymmetrisch im rechten oberen Bereich aufgedruckt. Bei Abziehen der Vignette von der Folie verbleibt das X außen auf dieser.

Das X trägt die Aufschrift  „Folie abziehen, Vignette vollständig aufkleben – sonst ungültig“. 10-Tages-Vignetten sehen wie folgt aus und tragen die ersichtlichen Informationen:  

 

 

 

 

 

Das im Akt befindliche Foto der automatischen Vignettenüberwachung zeigt das genannte X, welches sich auf der Außenseite der Trägerfolie befindet, im linken oberen Eck der Vignette. Wäre die Vignette von der Folie abgelöst worden und etwa verkehrt, also auf die Außenseite der Vignettenfolie aufgeklebt worden und hätte sich das X durch das im Kleber befindliche Lösungsmittel abgelöst, würde sich das X an einer anderen Stelle der Vignette und jedenfalls seitenverkehrt zeigen (Aussage informierter Vertreter, gerichtsbekannte Tatsache).

Der Bf befuhr das mautpflichtige Bundesstraßennetz sohin mit einer Vignette, welche das genannte schwarze X mit der Aufschrift „ungültig“ trug.

Der Bf wurde am 14. November 2014 zur Zahlung der Ersatzmaut aufgefordert. Der Aufforderung wurde nicht entsprochen (Anzeige und Stellungnahme ASFINAG).

 

II.3.      Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem abgeführten Beweisverfahren, insbesondere aus den in Klammern angegebenen Beweismitteln, dem ggst. Verfahrensakt und den schlüssigen und wider­spruchsfreien Angaben des informierten Vertreters, die sich mit den Kenntnissen des Gerichtes decken.

Es betrifft dies insbesondere den technischen Aufbau der Vignette und den Umstand, dass das auf der Folie aufgedruckte X, mit welchem der Zweck verfolgt wird, leicht erkennen zu können, ob eine Vignette von der Folie abgelöst wurde oder nicht, auf der Außenseite angebracht ist. Die Notwendigkeit des Aufdruckens auf der Außenseite ergibt sich auch dadurch, dass der auf der Vignette angebrachte Kleber, wie alle Klebstoffe, Lösungsmittel enthält, die zu einem Ablösen des X führen würden, wenn es auf der Innenseite der Folie aufgedruckt wäre. Aufgrund dieser gerichtsbekannten Tatsachen und der Darstellung der von der ASFINAG entsandten Auskunftsperson ist für das Gericht erwiesen, dass die Folie von der Vignette nicht abgezogen wurde. Eine andere Erklärung ist aus technischen Gründen ausgeschlossen. Insofern kann der Einlassung des Bf, die Vignette sei gesetzgemäß angebracht worden, nicht gefolgt werden. Der Bf hat im Übrigen in diesem Zusammenhang keinerlei Erklärung geboten. Er hat lediglich auf Tatsachenebene bestritten und behauptet, die Vignette sei ordnungsgemäß angebracht worden.   

Wie in der rechtlichen Beurteilung auszuführen sein wird, ist diese Frage für die Beurteilung des Falles aber letztlich nicht von Relevanz, weil es vorliegend alleine darauf ankommt, dass die Vignette durch das schwarze X, welches für den Bf deutlich erkennbar auf der Vignette sichtbar war, ungültig war. Es kommt insofern nicht primär darauf an, in welcher Weise die Vignette von einer anderen Person angebracht wurde, sondern, dass sie erwiesenermaßen ungültig war und das mautpflichtige Bundesstraßennetz dennoch mit ihr befahren wurde.

Auf eine Einvernahme der Zeugin konnte insofern verzichtet werden, zumal aufgrund der vorhandenen Beweismittel zweifelsfrei feststeht, dass eine ungültige Vignette an der Windschutzscheibe des Fahrzeuges angebracht war und die Frage, wer, auf welche Weise die Vignette angebracht hat, sekundär ist. Die Aussage der Zeugin ist demnach nicht geeignet den Beweis zu machen, dass der Bf mit einer gültigen Vignette unterwegs war und die technischen Umstände, nämlich insbesondere, dass das schwarze X außen auf der Schutzfolie aufgedruckt ist und diese insofern auf der Vignette vorhanden gewesen sein muss, zu widerlegen (vgl. VwGH vom 9. Oktober 2013, Zl. 2012/08/0250, mwN), weshalb auf ihre Einvernahme letztlich verzichtet werden konnte.

 

 

III.        Rechtliche Beurteilung

 

III.1.     Rechtliche Grundlagen:

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 (BStMG) unterliegt die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehr­spurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, der zeitabhängigen Maut.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 BStMG ist die zeitabhängige Maut vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette zu entrichten.

 

Gemäß § 20 Abs. 1 BStMG ("Mautprellerei") begehen Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 10 geschuldete zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe von 300 Euro bis zu 3.000 Euro zu bestrafen.

 

§ 19 BStMG ("Ersatzmaut") bestimmt, dass in der Mautordnung für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut eine Ersatzmaut festzusetzen ist, die den Betrag von 250 Euro einschließlich Umsatzsteuer nicht übersteigen darf (Abs. 1).

 

Kommt es bei einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 zu keiner Betretung, so ist die ASFINAG ermächtigt, im Falle einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 1 den Zulassungsbesitzer schriftlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzu­fordern, sofern der Verdacht auf automatischer Überwachung beruht. Die Auf­forderung hat eine Identifikationsnummer und eine Kontonummer zu enthalten. Ihr wird entsprochen, wenn die Ersatzmaut binnen vier Wochen ab Ausfertigung der Aufforderung dem angegebenen Konto gutgeschrieben wird und der Über­weisungsauftrag die automationsunterstützt lesbare, vollständige und richtige Identifikationsnummer enthält (Abs. 4).

Subjektive Rechte des Lenkers und des Zulassungsbesitzers auf mündliche oder schriftliche Aufforderungen zur Zahlung einer Ersatzmaut bestehen nicht
(Abs. 6).

 

Punkt 7.1 der Mautordnung (hier in der Fassung V 39), Teil A, besagt u.a., dass auf jedem mautpflichtigen Kraftfahrzeug vor Benützung des mautpflichtigen Straßennetzes eine gültige, der jeweiligen Fahrzeugkategorie entsprechende Vignette ordnungsgemäß (unter Verwendung des originären Vignettenklebers) anzubringen ist. Jede andere Art der Anbringung [z.B. durch (zusätzliche) Klebestreifen, andere Arten von Fixierungen oder ein Überkleben der Vignette mit einer zusätzlichen Schutzfolie] ist nicht gestattet, verwirkt den Nachweis der ordnungsgemäßen Mautentrichtung und verwirklicht den Tatbestand der Mautprellerei.

 

Punkt 10.1 der Mautordnung konkretisiert § 20 BStMG und stellt dar, dass die Benützung des mautpflichtigen Straßennetzes mit mautpflichtigen Kraftfahrzeugen im Sinne dieser Mautordnung, ohne eine gültige Vignette ordnungsgemäß angebracht bzw. gemäß Punkt 7.2 Mautordnung Teil A I ordnungsgemäß mitgeführt zu haben, verboten ist.

 

III.2.     Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

Zum Tatzeitpunkt war an der Windschutzscheibe des vom Bf benutzten PKW eine 10-Tages-Vignette angebracht, die ein schwarzes X aufwies. Gültigkeit erlangt die Vignette naturgemäß erst dann, wenn sie von der Schutzfolie abgezogen wird und den Bestimmungen der Mautordnung gemäß, also etwa außerhalb eines Tönungsstreifens, mit dem originären Kleber, angebracht wird. Solange die Vignette also das schwarze X trägt, ist sie nicht gültig, zumal diesfalls die Sicherheitsmerkmale der Vignette (z.B. Selbstzerstörungseffekt) nicht wirksam werden. Die vorliegende Vignette war damit ungültig und hat der Bf das mautpflichtige Straßennetz benützt, ohne eine gültige Vignette an seinem Fahrzeug angebracht zu haben. Dem Bf musste dieser Umstand auffallen, zumal das schwarze X den festgestellten Hinweis im Hinblick auf die Ungültigkeit enthielt.

Das Vorbringen des Bf, seine Lebensgefährtin habe die Vignette mit dem originären Kleber angebracht und könne sie sich das sichtbare X nicht erklären, ist aber von vorneherein nicht geeignet den Bf zu entlasten, zumal nicht das allfällige (fehlerhafte) Anbringen einer Vignette an sich den nach dem BStMG inkriminierten Tatbestand bildet, sondern sich die Strafbarkeit aus der Benützung des mautpflichtigen Straßennetzes ergibt, wenn dieses ohne gültige Vignette geschieht. Dies ist aber aufgrund der vorliegenden Fotos erwiesen.  

 

Zumal die Vignette nach den Feststellungen ungültig war, hätte der Bf das mautpflichtige Straßennetz nicht benützen dürfen und hat er den objektiven Tatbestand des § 20 BStMG iVm Punkt 10.1. der Mautordnung in der Fassung 39 erfüllt.

 

Der in der öffentlichen mündlichen Verhandlung von der Rechtsvertreterin des Bf vertretenen Ansicht, es liege keine Mautprellerei vor, weil die Maut entrichtet worden sei, ist zu entgegnen, dass der Tatbestand der Mautprellerei dann erfüllt ist, wenn das mautpflichtige Straßennetz benutzt wird, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben. Wird aber eine an sich gültige Vignette nicht ordnungsgemäß angebracht bzw. wird, wie hier, eine (noch) ungültige Vignette verwendet und das mautpflichtige Bundesstraßennetz benutzt, ist der Tatbestand in objektiver Hinsicht erfüllt. Dies ist vorliegend schon deshalb der Fall, als der Bf erwiesenermaßen keine gültige Vignette, sondern eine durch das deutlich sichtbare X ungültige Vignette verwendete. Es kommt sohin auf die Frage des Anklebens und der Bezahlung nicht mehr an.

 

Insofern war der Spruch aber dahingehend zu berichtigen, dass der Bf keine gültige Vignette am Fahrzeug angebracht hatte. Zumal die belangte Behörde dem Bf diesen Vorwurf innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist gemacht hat (Strafverfügung vom 17. Februar 2015), konnte das Verwaltungsgericht eine Korrektur vornehmen.

 

Was das Vorbringen des Bf zu Verfahrensfehlern betrifft, ist der darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht in der Sache selbst (meritorisch) und nicht kassatorisch entscheidet. Es hat also den Sachverhalt selbständig zu beurteilen und ein eigenes Beweisverfahren abzuführen. Dem Bf wurde vom Verwaltungsgericht die bezughabenden Beweisunterlagen übermittelt und hat es zudem eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. Sollten der belangten Behörde sohin Verfahrensfehler unterlaufen sein, wurden diese im verwaltungsgerichtlichen Verfahren saniert.  

 

III.3.     Zum Verschulden

 

Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

§ 5 Abs. 1 S 2 VStG ordnet der Sache nach an, dass bei fahrlässigen Ungehor-samsdelikten der Verstoß gegen den entsprechenden verwaltungsstrafrechtlichen Rechtsbefehl grundsätzlich Fahrlässigkeit indiziert; der Täter muss diesfalls glaubhaft machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift „kein Verschulden trifft“ (Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG § 5 Rz 5).

 

Bei der Bestimmung des § 20 Abs. 1 BStMG handelt es sich um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG.

 

Zur Entkräftung der gesetzlichen Vermutung seines fahrlässigen Handelns hätte der Bf im Sinne der stRsp des Verwaltungsgerichtshofs initiativ alles darzulegen gehabt, was für seine Entlastung spricht.

Der Bf gab im Rahmen des Verfahrens lediglich an, die Vignette sei von seiner Lebensgefährtin mit dem originären Vignettenkleber angebracht worden und man könne sich das Aufscheinen des X nicht erklären.

Damit ist dem Bf nicht gelungen, iSd § 5 Abs. 1 VStG glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft, zumal das X auf den Beweisfotos der automatischen Mautüberwachung eindeutig erkennbar ist und der Bf keinen Sachverhalt glaubhaft machen konnte, dass er das mautpflichtige Bundesstraßennetz mit einer gültigen Vignette befahren hat.

 

Wie bereits ausgeführt erlaubt das Gesetz ein Befahren des mautpflichtigen Straßennetzes nur, wenn eine gültige Vignette am Fahrzeug angebracht ist. Das Gesetz verlangt insofern vom Lenker eines Fahrzeuges auch, dass er sich vergewissert, ob die Vignette, die er an seinem Fahrzeug anbringt, gültig ist.

Der Bf hätte daher nach Anbringen der Vignette am Fahrzeug durch seine Lebensgefährtin kontrollieren müssen, ob die Vignette gültig war. Zumal die Vignette jedoch zweifellos ein schwarzes X aufwies, das noch dazu den festgestellten Schriftzug enthielt, hätte dem Bf jedenfalls auffallen müssen, dass die angebrachte Vignette ungültig war. Er hätte sohin das mautpflichtige Straßennetz mit dieser Vignette nicht befahren dürfen.

 

Dem Bf ist es damit aber nicht gelungen einen alternativen Sachverhalt glaubhaft zu machen, bzw. sich zu entlasten, zumal er lediglich auf Sachverhaltsebene pauschal bestreitet, jedoch nicht einmal darstellt, wie er das auf der Vignette vorhandene schwarze X erklärt und nur pauschal darstellt, sich die Umstände nicht erklären zu können.

 

Es ist deshalb von Fahrlässigkeit auszugehen.

 

Einen Rechtsirrtum iSd § 5 Abs. 2 VStG hat der Bf nicht geltend gemacht.

 

Da keine Entschuldigungsgründe vorliegen, ist dem Bf die Tat daher auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen.

 

III.4.     Bei der Bemessung der Strafhöhe ging die belangte Behörde davon aus, dass der Bf unbescholten ist und wertete diesen Umstand als Milderungsgrund. Unter Berücksichtigung der von der Behörde angenommenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse setzte sie die Mindeststrafe fest, nachdem der Bf Angaben über seine Einkommensverhältnisse verweigert hatte. Bei Verhängung der Mindeststrafe sind die konkreten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Bf aber ohne Belang.

 

Die Anwendung der Bestimmung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG (Absehen von der Fortführung des Strafverfahrens/Erteilung einer Ermahnung) setzt voraus, dass die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Identität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind. Diese Voraussetzungen haben kumulativ vorzulegen. Das Verschulden ist geringfügig, wenn - unabhängig von der Schuldform (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) - das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl. z.B. VwGH v. 12. September 2001, 2001/03/0175). Eine Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG ist insofern ausgeschlossen, weil das Verwenden einer durch das vorhandene X ungültigen Vignette gerade ein typischer Fall eines nach der Strafbestimmung des § 20 Abs. 1 BStMG 2002 verpönten Verhaltens ist.

 

Was den Eventualantrag des Bf, die gesetzliche Mindeststrafe unter Anwendung des § 20 VStG zu unterschreiten, betrifft, fehlt jegliches Vorbringen zu allfälligen Milderungsgründen. Aktenkundig ist lediglich die Unbescholtenheit. Im Übrigen bestreitet der Bf die Tat auf Sachverhaltsebene. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung hat er lediglich dargestellt, dass keine Mautprellerei vorliege, zumal die Vignette bezahlt worden sei. Der Umstand, dass die Vignette bezahlt wurde, kommt gerade im vorliegenden Fall als Milderungsgrund nicht in Betracht, zumal das Gesetz den Unwert der Tat in der Benützung einer ungültigen Vignette sieht und gerade nicht auf die Entrichtung des Kaufpreises abstellt.

Vorliegend war die Ungültigkeit für den Bf augenscheinlich.

Eine Anwendung des § 20 VStG (ao. Milderungsrecht) kam deshalb mangels beträchtlichen Überwiegens von Milderungsgründen nicht in Betracht.

 

III.5.     Nur am Rande sei die belangte Behörde auf Art. 10 Abs. 3 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen (BGBl. Nr. 526/1990) hingewiesen, der im Hinblick auf eine (Ersatz)freiheitsstrafe ein gesetzliches Zustellhindernis normiert, sodass der Ausspruch einer solchen, bei Zustellung nach Deutschland, nicht in Geltung treten kann (vgl. VwGH v. 15. Dezember 2011, 2008/03/0098).

Der Spruchabschnitt über die Ersatzfreiheitsstrafe kann daher nicht als zugestellt und damit nicht als erlassen gelten. Eine Abänderung durch das Verwaltungsgericht ist daher nicht angezeigt (vgl. VwGH v. 15. Dezember 2011, 2008/03/0098).  

 

 

VI.       Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bf zusätzlich zu den vorge­schriebenen Verfahrenskosten (§ 64 VStG) der Behörde gem. § 52 Abs. 2 VwGVG ein weiterer Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Landesver­waltungsgericht in der Höhe von 20 % vorzuschreiben.

 

 

V.        Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. P o h l