LVwG-300812/6/BMa

Linz, 15.03.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag.a Gerda Bergmayr-Mann über die Beschwerde der K I GmbH, x, gegen den Bescheid des Magistrats der Landeshauptstadt Linz, vom 8. Juli 2015, 0034783/2015, wegen Sicher­heitsleistung nach dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz – AVRAG

 

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

 

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1. Mit Bescheid des Magistrats der Landeshauptstadt Linz vom 8. Juli 2015, 0034783/2015, wurde der Beschwerdeführerin der Auftrag zum Erlag einer Sicher­heitsleistung in Höhe von 8.000 Euro erteilt. Wegen des begründeten Verdachts einer Übertretung durch die s Firma I s.r.o., D, (im Folgenden: I s.r.o.), gemäß § 7m Abs. 3 iVm §§ 7d und 7i Abs. 4 AVRAG wurde von dem Finanzamt Linz, Finanzpolizei Team 40, ein Zahlungsstopp in Höhe von 16.000 Euro erlassen, weil durch den Auftragnehmer, die Firma I s.r.o., Lohnunterlagen nicht bereitge­halten wurden (in vier Fällen).

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht und die Aufhebung des Bescheides beantragt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die auferlegte Sicherheitsleistung in Höhe von 16.000 Euro zu Unrecht erfolgt sei, weil es sich um den ersten Arbeitstag für die Mitarbeiter der Firma I gehandelt habe und die Mitarbeiter die Gegebenheiten vor Ort nicht gekannt hätten und nicht gewusst hätten, ob es sichere Möglichkeiten der Aufbewahrung der Lohnunterlagen gäbe, weshalb sie diese nicht mitgeführt hätten. Die Lohnunterlagen seien vorhanden gewesen und noch am selben Tag von der Firma I s.r.o. übermittelt worden.

 

3. Der Magistrat der Landeshauptstadt Linz legte die Beschwerde samt dem angefochtenen Bescheid und der Verfügung eines Zahlungsstopps und weiteren Unterlagen dem Oö. Landesverwaltungsgericht vor.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme.

Dem Finanzamt Linz, Finanzpolizei Team 40, als am Verfahren beteiligter Organpartei, wurde mit Schreiben vom 18. Jänner 2016 Gelegenheit gegeben, eine Stellungnahme zum Beschwerdevorbringen abzugeben und darzulegen, welche Erhebungsergebnisse bei Antragstellung auf Erlag einer Sicherheits­leistung über die Höhe des noch zu leistenden Werklohns vorlagen und welche bestimmte Tatsachen darauf schließen lassen, dass die Strafverfolgung unmöglich oder wesentlich erschwert sein wird.

Dazu wurde mit Schreiben der Finanzpolizei Team 40, für das Finanzamt Linz, vom 28. Jänner 2016 eine Stellungnahme abgegeben, mit der auf die erschwerte Strafverfolgung im Ausland im Allgemeinen hingewiesen wurde. Angaben über Erhebungen zur Höhe des bei der Antragstellung auf Erlag einer Sicherheits­leistung noch aushaftenden Werklohns wurden nicht gemacht.

 

Eine öffentliche mündliche Verhandlung entfällt, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 44 Abs. 2 VwGVG).

 

4.1. Aufgrund der Aktenlage steht folgender Sachverhalt fest und wird der Ent­scheidung zugrunde gelegt:

 

Bei einer Kontrolle am 7. Juli 2015 wurde vom Finanzamt Linz, Finanzpolizei Team 40, festgestellt, dass vier näher bezeichnete Arbeitnehmer der Firma I s.r.o., in Öster­reich für die Firma K I GmbH, beschäftigt waren, ohne dass Lohnunterlagen, welche zur Überprüfung des nach österreichischem Recht gebührenden Entgelts not­wendig sind, bereitge­halten und vorgelegt wurden.

Am 7. Juli 2015 wurde durch die Abgabenbehörde ein Zahlungsstopp im Gesamtbetrag von 16.000 Euro gegen die Beschwerdeführerin verfügt, weil be­gründeter Verdacht einer Verwaltungsübertretung durch die Auftragnehmerin wegen Nichtbereithaltung von Lohnunterlagen nach § 7i Abs. 4 Z 1 und § 7d Abs. 1 AVRAG vorliegt; eine vorläufige Sicherheit gemäß § 7l AVRAG konnte nicht eingehoben werden; es ist von einer Höchststrafe von 20.000 Euro je Arbeitnehmer auszugehen.

Mit Schreiben vom 7. Juli 2015 wurde von der Abgabenbehörde ein Antrag auf Erlag einer Sicherheit in Höhe von 16.000 Euro gestellt.

 

5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 7d Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz – AVRAG haben Arbeitgeber/innen im Sinn des § 7b Abs. 1 (Arbeitgeber/in mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirt­schafts­raumes als Österreich) während des Zeitraumes der Entsendung insgesamt den Arbeitsvertrag oder Dienstzettel (§ 7b Abs. 1 Z 4), Lohnzettel, Lohnzahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege, Lohnaufzeichnungen, Arbeitszeitaufzeichnungen und Unterlagen betreffend die Lohneinstufung zur Überprüfung des/der entsandten Arbeitnehmers/in für die Dauer der Beschäftigung nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Ent­gelts in deutscher Sprache am Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten.

Gemäß § 7i Abs. 4 Z 1 AVRAG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jede/n Arbeitnehmer/in mit einer Geldstrafe von 1.000 Euro bis 10.000 Euro, im Wiederholungsfall von 2.000 Euro bis 20.000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer/innen betroffen, für jede/n Arbeit­nehmer/in von 2.000 Euro bis 20.000 Euro, im Wiederholungsfall von 4.000 Euro bis 50.000 Euro zu bestrafen, wer als Arbeitgeber/in im Sinne der §§7, 7a Abs. 1 oder 7b Abs. 1 und 9 entgegen § 7d die Lohnunterlagen nicht bereithält.

Wie aus der Sachverhaltsdarstellung im Zusammenhang mit der beigefügten Niederschrift und den Unterlagen hervorgeht, bestand begründeter Verdacht einer Verwaltungsübertretung der Firma I s.r.o., als Arbeitgeberin der vier Arbeitnehmer nach § 7d Abs. 1 und § 7i Abs. 4 Z 1 AVRAG.

 

5.2. Gemäß § 7m Abs. 3 AVRAG kann, wenn der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach den §§ 7b Abs. 8, 7i oder 7k Abs. 4 vorliegt und aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers oder der Arbeit­geberin (Auftragnehmer/in) oder in der Person des Überlassers oder der Über­lasserin liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein werde, die Bezirksver­waltungsbehörde den/der Auftraggeber/in, bei einer Überlassung dem/der Beschäftiger/in durch Bescheid auftragen, den noch zu leistenden Werklohn oder das noch zu leistende Überlassungsentgelt oder einen Teil davon als Sicherheit binnen einer angemessenen Frist zu erlegen. Mit Erlassung dieses Bescheides fällt der Zahlungsstopp weg. Die Sicherheitsleistung darf nicht höher sein als das Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe (§ 7m Abs. 6 leg.cit).

Beschwerden gegen Bescheide nach Abs. 3 haben keine aufschiebende Wirkung (Abs. 7).

 

Liegt zwar im vorliegenden Fall ein begründeter Verdacht einer Verwaltungs­übertretung gemäß § 7i Abs. 4 Z 1 AVRAG vor, so ist doch die kumulative weitere Voraussetzung erforder­lich, dass aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Auftrag­nehmers oder Überlassers liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein werde. Diese Voraussetzung ist hingegen nicht gegeben. Im Grunde der Verlautbarung des Bundeskanzleramtes auf der Internetseite „BKA–Wiki – Internationale Rechtshilfe“, welche umfassende Informationen zur inter­nationalen Rechtshilfe in Verwaltungs(straf)sachen zur Verfügung stellt, ist eine Strafverfolgung und Strafvollstreckung hinsichtlich der Slowakei uneingeschränkt möglich. Die Slowakei ist dem Rahmenbeschluss 2005/214/JI beigetreten und hat ihn umgesetzt. Es fehlt daher die zitierte kumulativ erforderliche Voraussetzung einer/eines unmöglichen bzw. wesentlich erschwerten Strafverfolgung bzw. Strafvoll­zuges.

Im Gegensatz zu der vorläufigen Sicherheit nach § 7l AVRAG und einem Zahlungsstopp nach § 7m AVRAG als vorläufige Sofortmaßnahmen ohne ein behördliches Verfahren und ohne Bescheidform setzt die Sicherheitsleistung durch die Behörde – wenn auch in eingeschränktem Ausmaß – ein Verfahren voraus (sh. z.B. Erhebungen über Höhe und Fälligkeit des Werklohnes/Über­lassungsentgeltes in § 7m Abs. 6 AVRAG).

In diesem Zusammenhang ist es der Behörde auch möglich und zumutbar zu erheben, ob eine Strafverfolgung oder ein Strafvollzug möglich oder erschwert sein wird. Dies insbesondere im Hinblick auf die oben angeführte allgemein zugängliche Information zur internationalen Rechtshilfe. Treten daher zum Merkmal des ausländischen Wohnsitzes/Sitzes des Auftragnehmers/Überlassers keine zusätzlichen (bestimmten) Tatsachen für eine wesentliche Erschwernis hervor, ist daher die Annahme einer/s unmöglichen oder wesentlich erschwerten Strafverfolgung/Strafvollzuges nicht gerechtfertigt (vgl. auch die analog heranzuziehende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 37 Abs. 1 Z 2 lit.a VStG bzw. § 37a Abs. 1 Z 2 lit.a VStG).

Dem steht auch die Stellungnahme des Finanzamts Linz vom 28. Jänner 2016 nicht entgegen, wonach aufgrund der allgemeinen Erfahrungen im Zusammenhang mit der Durchführung von derartigen Verwaltungsstrafverfahren im Ausland sowohl bei der Strafverfolgung und auch bei etwaigem Strafvollzug im Allgemeinen mit einer längeren Verfahrensdauer bzw. mit wesentlichen Erschwernissen zu rechnen sei, denn bei dieser Aussage handelt es sich um eine generelle Äußerung, die sich nicht mit den speziellen Gegebenheiten dieses Falls auseinandersetzt.

 

Bereits mangels dieser Voraussetzungen durfte der Magistrat der Landes­hauptstadt Linz keinen bescheidmäßigen Auftrag zum Erlag einer Sicherheits­leistung erteilen. Aus diesem Grunde war daher der Beschwerde stattzugeben und der ange­fochtene Bescheid aufzu­heben.

 

6. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungs­gerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag.a Gerda Bergmayr-Mann