LVwG-300608/4/Py/SK

Linz, 03.02.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Drin. Andrea Panny über die Beschwerde des Herrn G L, x, V, gegen die im Straferkenntnis der Bezirks­hauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom
19. Jänner 2015, GZ: SV96-21-2014 verhängte Strafhöhe wegen Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG)

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde insofern Folge gegeben, als der Strafausspruch behoben und dem Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 4 VStG eine Ermahnung erteilt wird.

 

 

II.      Gemäß § 52 Abs. 8 und 9 VwGVG entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.

 

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 25a VwGG nach Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.            
1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 19. Jänner 2015, GZ: SV96-21-2014, wurden über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) wegen Verwaltungsübertretungen nach § 33 Abs. 1 iVm § 111 Abs. 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG, BGBl. Nr. 189/1995 i.d.g.F. zwei Geldstrafen in Höhe von je 2.180 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen in Höhe von je 6 Tagen verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 436 Euro vorge-schrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

„Sie haben nachstehende Personen, bei welcher es sich um eine in der Krankenversicherung (vollversicherte) pflichtversicherte Personen handelt, am 01.12.2013 ab 09:30 Uhr (Person 1) bzw. ab 10:00 Uhr (Person 2) beschäftigt, obwohl diese nicht vor Arbeitsantritt bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse Krankenkasse zur Pflichtversicherung als vollversicherte Person angemeldet wurden. Sie wären als Dienstgeber verpflichtet gewesen, die Beschäftigten vor Arbeitsantritt anzumelden und wurde die Meldung erst am 01.12.2013 um 20:43 Uhr (Person 1} bzw. um 20:40 Uhr (Person 2) und damit nicht rechtzeitig erstattet.

 

1.      Name: C K, geb. x, Arbeitsantritt: 01.12.2013, 09:30 Uhr.
Beschäftigungsort: x, H

Tatort: Gemeinde H, x
Kontrollzeit: 10.03.2014, 10:50 Uhr

 

2.     Name: E S, geb. x, Arbeitsantritt: 01.12.2013, 10:00 Uhr.
Beschäftigungsort: x, H

Tatort: Gemeinde H, x
Kontrollzeit: 10.03.2014, 10:50 Uhr“

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtsgrundlagen aus, dass die angelastete Übertretung in objektiver Hinsicht als erwiesen anzusehen ist. Gegenteiliges wurde auch durch die Rechtfertigung nicht behauptet.

 

Zur verhängten Strafhöhe wird ausgeführt, dass die Begehung fahrlässig erfolgte und die Beschäftigung als relativ kurz anzusehen ist und die Anmeldung zur Sozialversicherung am Tag des Arbeitsantritts erstattet wurde, ein Absehen von der Strafe scheidet jedoch aus, da der Beschuldigte bereits im Jahr 2011 wegen einer einschlägigen Verwaltungsübertretung rechtskräftig bestraft wurde. Im Anbetracht der geschilderten Umstände und unter Berücksichtigung der Vermögens-, Einkommens- und Familienverhältnisse war die Strafe für Wiederholungsfälle in Höhe der gesetzlichen Mindeststrafe festzusetzen.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde vom
9. Februar 2015, in der zusammengefasst vorgebracht wird, dass die Strafe unverhältnismäßig ist, da kein Cent an Abgaben hinterzogen wurde. Die Höhe bedroht die wirtschaftliche und private Existenz des Beschwerdeführers, für den der Strafbetrag sehr viel Geld ist, die er aufgrund seiner Verbindlichkeiten in Höhe von 600.000 Euro nicht aufbringen kann, da er unter dem Existenz-minimum ist. Der Beschwerdeführer bekennt sich nach wie vor schuldig, die Anmeldung um einige Stunden zu spät gemacht zu haben, ein Schaden ist jedoch nicht entstanden und sollte im Gesetz diesbezüglich ein Unterschied gemacht werden.

 

3. Mit Schreiben vom 12. Februar 2015 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Oö. Landes-verwaltungsgericht vor, dass gemäß § 2 VwGVG zur Entscheidung durch seine nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin berufen ist.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Die Anberaumung und Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte – trotz Antrag des Beschwerdeführers – gemäß § 44 Abs. 2 Z 2 VwGVG entfallen, da sich die Beschwerde nur gegen die verhängte Strafhöhe richtet, der entscheidungswesentliche Sachverhalt unbestritten ist und eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt.

 

Der Finanzpolizei Team 43 für das Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr wurde mit Schreiben vom 14. Jänner 2016 Gelegenheit gegeben, eine Stellungnahme zur Beschwerde abzugeben. Mit Schreiben vom 25. Jänner 2016 wies die Organpartei darauf hin, dass gemäß § 111 Abs. 4 ASVG die Abgabenbehörden des Bundes, deren Prüforgane Personen betreten haben, verpflichtet sind, alle ihnen aufgrund der Betretung zur Kenntnis gelangenden Ordnungswidrigkeiten nach § 111
Abs. 1 ASVG bei der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen. Es handelt sich unbestritten um einen Wiederholungsfall und kam die Strafbehörde in ihrem Bescheid der gesetzlichen Verpflichtung gemäß § 111 Abs. 1 ASVG nach.

 

5. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

5.1. Der Bf bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten objektiven Sachverhalt nicht, sondern spricht sich in seiner Beschwerde gegen die von der belangten Behörde verhängten Strafhöhen aus. Der Schuldspruch ist somit in Rechtskraft erwachsen und ist es dem Oö. Landesverwaltungsgericht verwehrt, sich inhaltlich mit der Entscheidung der belangten Behörde auseinanderzusetzen.

 

5.2. Die für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten:

 

Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG, haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

 

Gemäß § 33 Abs. 2 ASVG gilt Abs.1 für die nur in der Unfall- und Pensionsversicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z 3 lit.a Pflichtversicherten mit der Maßgabe, dass die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind.

 

Gemäß § 111 Abs. 1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs. 3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

  1. Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder
  2. Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder
  3. Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder
  4. gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

§ 111 Abs. 2 ASVG besagt: Die Ordnungswidrigkeit nach Abs. 1 ist von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar

-      mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

-      bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungs-strafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs.1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Nach § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungs-strafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind; Anstatt die Einstellung zu verfügen kann die Behörde den Beschuldigten unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.

 

5.3. Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung der Entscheidung so weit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist. § 19 Abs. 1 VStG enthält somit jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafbemessung sind. Darüber hinaus normiert Abs. 2 für das ordentliche Verfahren eine Reihe weiterer subjektiver Umstände.

 

Grundsätzlich ist bei der gegenständlichen Fallkonstruktion davon auszugehen, dass zwar objektiv ein Verstoß gegen eine Gebotsnorm vorliegt, jedoch kann nicht von einer typischen Deliktsverwirklichung, wie sie der Gesetzgeber anlässlich der Novelle des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes in der Fassung des Sozialrechtsänderungsgesetzes 2007, BGBl. I. Nr. 37/2007 als gesetzliche Maßnahme zur Bekämpfung der Schwarzarbeit im Auge hatte (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 77BlgNR. XXVIII. GP, 3, wonach wesentlicher Zweck der – vor Arbeitsantritt zu erfüllenden – Meldepflicht gemäß § 33 ASVG die Bekämpfung der Schwarzarbeit ist), gesprochen werden. Anlässlich einer im April 2014 im Betrieb des Bf von der Finanzpolizei durchgeführten Arbeitnehmer/innenkontrolle wurde festgestellt, dass die beiden im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses genannten Arbeitnehmer zwar am ersten Tag ihres Arbeitsantritts, nämlich am 1. Dezember 2013, beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet wurden, diese Anmeldung jedoch nicht bereits vor der tatsächlichen Arbeitsaufnahme, sondern erst am Abend des ersten Arbeitstages erfolgte. Somit wurde im vorliegenden Fall die Anmeldung der Dienstnehmer zweifelsfrei verspätet durchgeführt. Im Rahmen der Strafbemessung ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese Anmeldung nicht erst aus Anlass einer Kontrolle durch Organe der Finanzbehörde bzw. im Rahmen einer sonstigen Beanstandung erfolgte und zudem innerhalb des ersten Arbeitstages durchgeführt wurde. Der Umstand, dass die (wenn auch objektiv verspätete) Meldung an den zuständigen Sozialversicherungsträger aus freien Stücken am Tag des Dienstantrittes erfolgte, entspricht nicht jenem typisierten Unrechtsgehalt, den der Gesetzgeber bei der Gesetzesnovelle im Jahr 2007 pönalisierte, um die Schwarzarbeit einzudämmen und die Pflichtversicherung für die Beschäftigten  sicherzustellen.

 

Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des gegenständlichen Falles ergibt sich daher, dass das Verschulden des Bf sowie die Intensität der Beeinträchtigung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes durch die Tat in der vorliegenden Fallkonstellation als gering anzusehen sind. Es lag für den Arbeitstag ein Versicherungsschutz vor und war unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhaltes nie beabsichtigt, die angeführten Dienstnehmer ohne Abführung der entsprechenden Beiträge und Abgaben „schwarz“ zu beschäftigen. Da somit der wesentliche Schutzzweck der gegenständlichen Norm nicht beeinträchtigt wurde, sind – trotz der bereits vorliegenden einschlägigen Bestrafung nach dem ASVG – die Voraussetzungen für eine Anwendung des
§ 45 Abs. 1 Z 4 VStG gegeben und kann mit einer Ermahnung das Auslangen gefunden werden. Gleichzeitig wird der Bf jedoch ausdrücklich aufgefordert, der Einhaltung der sozialversicherungsrechtlichen Meldevorschriften künftig höheres Augenmerk zu schenken.

 

 

II. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten ist in den zitierten gesetzlichen Bestimmungen begründet.

 

 

III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Drin. Andrea Panny