LVwG-300891/11/Kl/SH
Linz, 02.03.2016
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch die Richterin Dr. Ilse Klempt über die Beschwerde des Herrn Dipl. Ing. Z R T, M, vertreten durch S S W Rechtsanwälte OG, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 10. November 2015, GZ: SanRB96-Ge-61-2015, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 25. Februar 2016, folgenden
B E S C H L U S S
gefasst:
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG entfällt ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 10. November 2015, GZ: SanRB96-Ge-61-2015, wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von 122.000 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Wochen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 7d Abs. 1 und 2 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) verhängt. Folgende Tat wurde vorgeworfen:
2. Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht und die ersatzlose Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens beantragt.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass am Tag der Kontrolle am Gewerbestandort der E X & X GmbH in x sämtliche Lohnunterlagen ordnungsgemäß direkt an den jeweiligen Einsatzorten der Dienstnehmer vorhanden gewesen seien. Die Lohnunterlagen aller Dienstnehmer würden sich nämlich stets direkt an den jeweiligen Baustellen befinden, nämlich wie im § 7d Abs. 1 AVRAG vorgesehen sei, am Einsatzort der jeweiligen Dienstnehmer. Hätten die Organe der Finanzpolizei die Kontrolle direkt auf den Baustellen vorgenommen, hätten diese sämtliche Lohnunterlagen vorgefunden. Schon bei wiederholten Kontrollen auf den Baustellen der Firma E hätten sich Organe der Finanzpolizei davon überzeugen können, dass sämtliche Lohnunterlagen stets direkt an den jeweiligen Baustellen bereitgehalten worden seien. Den Kontrollorganen seien am 18.06.2015 bei der Kontrolle entsprechende Musterunterlagen vorgewiesen worden und auch ausdrücklich angegeben worden, dass diese stets an den Baustellen bereitgehalten werden. Davon befinde sich nichts in der Niederschrift der Organe der Finanzpolizei. Auch sei von den Kontrollorganen aufgefordert worden, die Lohnunterlagen bis zum 02.07.2015 nachträglich zu übermitteln, welcher Aufforderung auch zeitgerecht und vollständig nachgekommen worden sei. Da die Lohnunterlagen rechtzeitig nachgereicht worden seien, sei man davon ausgegangen, dass sich damit die Aufforderung zur Rechtfertigung erübrigt habe. Sollte der angefochtene Bescheid nicht aufgehoben werden, werde ersucht, bei der Strafzumessung die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers als mildernd zu berücksichtigen und von der Möglichkeit nach § 20 VStG Gebrauch zu machen.
3. Die Bezirkshauptmannschaft Perg als belangte Behörde hat die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Oö. Landesverwaltungsgericht vorgelegt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 25. Februar 2016, zu welcher die Verfahrensparteien geladen wurden und mit Ausnahme der belangten Behörde erschienen sind. Die belangte Behörde hat sich entschuldigt. Weiters wurden die Zeugen J S, Finanzamt L, sowie B E geladen und einvernommen. Weiters wurde der Zeuge S M vom Beschwerdeführer stellig gemacht und einvernommen.
4.1. Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest und wird der Entscheidung zugrunde gelegt:
Der Beschwerdeführer ist einer der beiden handelsrechtlichen Geschäftsführer der Firma E X & X GmbH mit Sitz in x, x. Dabei handelt es sich auch um den Wohnsitz des weiteren Geschäftsführers. Danach wurde der eigentliche Betriebsstandort in x, x gegründet, wo nunmehr sich das Büro und der Geschäftsbetrieb befinden. Dort sind mehrere Gewerbe angemeldet, wie Malerei, Spachtelarbeiten, Forstarbeiten und das Handelsgewerbe. Die Aufgabenerledigung wurde zwischen den beiden Geschäftsführern dahingehend aufgeteilt, dass der Beschwerdeführer für den technischen Betrieb zuständig ist, für den kaufmännischen Betrieb und die Organisation ist der weitere handelsrechtliche Geschäftsführer Mag. Dr. S T zuständig. Bei der Kontrolle der Finanzpolizei am 18.06.2015 war der Beschwerdeführer nicht anwesend, es war der weitere, für den kaufmännischen Betrieb zuständige Geschäftsführer anwesend und wurde mit diesem das Protokoll aufgenommen. Die Firma E hat ca. 50 bis 60 eigene Mitarbeiter in Österreich angemeldet. Darüber hinaus bedient sie sich zur Abdeckung des Mehrbedarfs bzw. zur Spitzenabdeckung zweier Leasingfirmen aus U, von denen sie die weiteren Arbeitnehmer anfordert. Im fraglichen Zeitraum von Anfang 2015 bis Juni 2015 wurde lediglich mit der Leasingfirma E B Kft. in Budapest zusammengearbeitet und wurde auch anlässlich der Kontrolle ein entsprechender Subunternehmer-Vertrag bzw. Werkvertrag vorgelegt. Sämtliche im Straferkenntnis genannten 61 Arbeiter waren Arbeitnehmer der Firma E. Sie kommen mit dem Bus zur Firma des Beschwerdeführers, bekommen dort Kleidung, Werkzeug und Firmenbus der Firma E sowie eine Mappe, worin sich alle erforderlichen Papiere wie A1-Sozialversicherungsblatt und Lohnzettel und dergleichen befinden. Die Arbeitnehmer nehmen diese Mappe mit auf die Baustelle. Sämtliche Arbeitnehmer waren zum Kontrollzeitpunkt auswärts auf Baustellen tätig. Die Arbeitsverträge und Lohnzettel bzw. Auszahlungsbelege sowie A1-Sozialversicherungsblatt konnten daher am Standort in x nicht vorgewiesen und ausgehändigt werden. Es war aber eine Stundenabrechnung der Arbeitnehmer im Büro vorhanden und wurde übergeben. Auch wurde eine Liste der Namen der Leasingarbeitnehmer übergeben. Der Aufforderung zur Nachreichung der Arbeitsverträge und Lohnzettel bzw. Lohnunterlagen wurde auch fristgerecht nachgekommen. Eine Entsendemeldung für die Arbeitnehmer gab es nicht zu dem Kontrollzeitpunkt und konnten daher auch keine diesbezüglichen Bestätigungen vorgelegt werden.
5. Hierüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erwogen:
5.1. Gemäß § 7d Abs. 1 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz – AVRAG, BGBl. Nr. 459/1993 idF BGBl. I Nr. 94/2014 (zum Tatzeitpunkt geltende Fassung), haben Arbeitgeber/innen im Sinne der §§ 7, 7a Abs. 1 oder 7b Abs. 1 und 9 während des Zeitraumes der Entsendung insgesamt (§ 7b Abs. 4 Z.6) den Arbeitsvertrag oder Dienstzettel (§ 7b Abs. 1 Z.4), Lohnzettel, Lohnzahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege, Lohnaufzeichnungen, Arbeitszeitaufzeichnungen und Unterlagen betreffend die Lohneinstufung zur Überprüfung des/dem/der entsandten Arbeitnehmers/in für die Dauer der Beschäftigung nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts in deutscher Sprache am Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten, auch wenn die Beschäftigung des/der einzelnen Arbeitnehmers/in in Österreich früher geendet hat. Bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten sind die Lohnunterlagen am ersten Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten.
Gemäß § 7d Abs. 2 AVRAG trifft bei einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung die Verpflichtung zur Bereithaltung der Lohnunterlagen den/die inländische/n Beschäftiger/in.
Gemäß § 7i Abs. 4 Z.3 AVRAG begeht, wer als Beschäftiger/in im Falle einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung entgegen § 7d Abs. 2 die Lohnunterlagen nicht bereithält, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jede/n Arbeitnehmer/in mit einer Geldstrafe von 1.000 Euro bis 10.000 Euro, im Wiederholungsfall von 2.000 Euro bis 20.000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer/innen betroffen, für jede/n Arbeitnehmer/in von 2.000 Euro bis 20.000 Euro, im Wiederholungsfall von 4.000 Euro bis 50.000 Euro zu bestrafen.
Gemäß § 7i Abs. 9 AVRAG gilt bei grenzüberschreitender Entsendung oder Arbeitskräfteüberlassung die Verwaltungsübertretung als in dem Sprengel der Bezirksverwaltungsbehörde begangen, in dem der Arbeits(Einsatz)ort der nach Österreich entsandten oder überlassenen Arbeitnehmer/innen liegt, bei wechselnden Arbeits(Einsatz)orten am Ort der Kontrolle.
5.2. Im Grunde des als erwiesen festgestellten Sachverhaltes fand die Kontrolle am 18.06.2015 am Betriebsstandort statt. Am Betriebsstandort konnten die geforderten Lohnunterlagen für die 61 angegebenen Leasingarbeiter, die von einer ungarischen Leasingfirma überlassen wurden, nicht vorgelegt werden. Eine Kontrolle an den jeweiligen Baustellen fand an diesem Tage nicht statt.
Es konnte daher nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit als erwiesen festgestellt werden, dass die erforderlichen Lohnunterlagen nicht am Arbeits(Einsatz)ort bereitgehalten wurden. Eine Bereithaltung am Betriebssitz hingegen ist nach dem AVRAG nicht gefordert. Vielmehr gehen die gesetzlichen Grundlagen davon aus, dass die Lohnunterlagen an der jeweiligen Baustelle zur Kontrolle der an der Baustelle arbeitenden Arbeitnehmer vor Ort vorgewiesen werden. Dafür spricht nicht nur der eindeutige Wortlaut der Bestimmung des § 7d Abs. 1 AVRAG. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass § 7d Abs. 1 AVRAG auch darauf Rücksicht nimmt, dass nicht den ganzen Tag auf einem Arbeits(Einsatz)ort gearbeitet wird, sondern dieser wechselt und dann die Unterlagen auf dem ersten Arbeitsort bereitzuhalten sind. Daraus geht eindeutig hervor, dass als Arbeits(Einsatz)ort die jeweilige Baustelle anzusehen ist, auf der die entsandten bzw. überlassenen Arbeitskräfte arbeiten. Nichts anderes geht auch aus § 7i Abs. 9 AVRAG hervor, welcher ebenfalls hinsichtlich des Tatortes auf die Baustelle als Arbeits(Einsatz)ort abstellt. Der Betriebsstandort kommt hingegen in keiner der Bestimmungen vor. Es ist daher auch die anzuwendende Vorschrift des § 7d Abs. 2 AVRAG hinsichtlich der Bereithaltungspflicht des inländischen Beschäftigers bei grenzüberschreitender Arbeitskräfteüberlassung dahingehend in Zusammenhang mit § 7d Abs. 1 AVRAG zu lesen, dass bei grenzüberschreitender Arbeitskräfteüberlassung – wie im § 6 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz vorgesehen – der inländische Beschäftiger an die Stelle des Arbeitgebers tritt und daher anstelle des Arbeitgebers (nach Abs. 1) die Pflicht zur Bereithaltung der Unterlagen hat. Diese Pflicht besteht daher – wie für den Arbeitgeber – am Arbeits(Einsatz)ort, also auf der jeweiligen Baustelle.
Nach dem gesicherten Beweisergebnis fand aber nur eine Kontrolle am Betriebsstandort statt, eine Kontrolle und Wahrnehmung auf einer Baustelle hinsichtlich der überlassenen Arbeitskräfte wurde nicht gemacht. Es kann daher nicht mit erforderlicher Sicherheit von einem strafbaren Verhalten ausgegangen werden. Es war daher gemäß § 45 Abs. 1 Z.1 VStG das Straferkenntnis im Zweifel aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
6. Weil die Beschwerde Erfolg hatte, entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG.
7. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Ilse Klempt