LVwG-650603/7/Zo

Linz, 17.05.2016

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter          Mag. Gottfried Zöbl über den Antrag des K M, geb. 1939, vertreten durch W & Partner Rechtsanwälte GmbH, vom 27.4.2016, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie über die Beschwerde dieses Beschwerdeführers, ebenfalls vertreten durch dieselben Rechtsanwälte vom 30.3.2016 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes der BH Linz-Land vom 3.3.2016, GZ: VerkR21-69-2016 wegen Entziehung der Lenkberechtigung

folgende

B E S C H L Ü S S E

gefasst:

 

 

I.          Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 33 Abs 1 VwGVG abgewiesen.

 

II. Die Beschwerde wird gemäß § 31 Abs 1 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.

 

III. Gegen diese Beschlüsse sind gemäß § 25a VwGG ordentliche Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I.            1. Die BH Linz-Land hat dem Beschwerdeführer (im folgenden Bf) mit dem angefochtenen Bescheid die Lenkberechtigung für die Dauer von 8 Monaten entzogen sowie begleitende Maßnahmen angeordnet. Die Behörde ging in ihrer Begründung davon aus, dass der Bf in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand einen Verkehrsunfall verschuldet habe. Dieser Bescheid wurde durch Hinterlegung am 8.3.2016 zugestellt.

 

2. Der Bf hat gegen diesen Bescheid durch seinen Rechtsvertreter am 31.3.2016 eine Beschwerde zur Post gegeben. Diese Beschwerde war an das „Landesverwaltungsgericht Oberösterreich, Einbringungsstelle Bezirkshaupt-mannschaft Linz-Land, Volksgartenstraße 14, 4021 Linz, gerichtet. Die Beschwerde langte am 1.4.2016 beim LVwG Oberösterreich ein und wurde von dort am 11.4.2016 an die BH Linz-Land als gemäß § 12 VwGVG zuständige Einbringungsstelle weitergeleitet. Von dieser wurde der Akt mit Schreiben vom 15.4.2016 an das LVwG Oberösterreich vorgelegt.

 

3. Die Rechtsvertreter des Bf wurden vom LVwG Oberösterreich mit Schreiben vom 21.4.2016 darauf hingewiesen, dass die Beschwerde wegen der unrichtigen Einbringung an die BH Linz-Land weitergeleitet werden musste und wegen der bis zur Weiterleitung verstrichenen Zeit als verspätet anzusehen ist. Der Vertreter hat daraufhin am 27.4.2016 einen Antrag auf Wiedereinsetzung eingebracht und diesen zusammengefasst wie folgt begründet:

 

Der Beschwerdeschriftsatz enthalte zwar die oben in Punkt 2 angeführte Adresse, der zuständige RAA habe der Kanzleikraft jedoch den ausdrücklichen Auftrag erteilt, das Schriftstück postalisch per Einschreiben an die BH Linz-Land zu richten. Wegen der sonstigen Kanzleitätigkeiten sei die Kuvertierung und Etikettierung nicht sofort sondern erst am späten Nachmittag erfolgt. Die Kanzleikraft habe wegen der sonstigen Arbeitsüberlastung die Anweisung, das Schriftstück an die BH Linz-Land zu versenden, unbeabsichtigt vergessen, weshalb es versehentlich direkt an das LVwG Oberösterreich gesendet worden sei.

 

Die Kanzleikraft habe vorher bei zwei Notaren gearbeitet und sei im Dezember 2015 in die Kanzlei eingetreten. Sie habe sich seit ihrer intensiven Einarbeitung durch gewissenhafte und fleißige Arbeit Vertrauen verdient und werde daher bezüglich ihrer jeweiligen Arbeitsschritte nur stichprobenartig überprüft. Sie trage zu großen Teilen zum Funktionieren des Kanzleibetriebes im Speziellen auch bezüglich der Abwicklung des Schriftverkehrs im postalischen Weg bei.

 

Unter Verweis auf entsprechende Judikatur führte der Bf weiter aus, dass es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handle, wenn einer zuverlässigen Kanzleikraft nach Unterfertigen eines Schriftstückes durch den Rechtsanwalt beim Abfertigen des Schriftstückes Fehler unterlaufen. Die Beschwerde sei ursprünglich rechtzeitig eingebracht worden, zur Fristversäumnis sei es nur wegen des irrtümlich falschen Etikettierens des Kuverts gekommen. Es sei klar gewesen, dass die Beschwerde an die BH Linz-Land zu senden sei, was sich auch aus dem Wortlaut „Einbringungsstelle BH Linz-Land“ klar ergebe. Die Adressierung im Rubrum habe den Irrtum nicht begründet und stelle kein Verschulden dar. Die Wendung „Einbringungsstelle BH Linz-Land“ sei gerade deswegen verwendet worden, um den Versand an die richtige Adresse zu generieren. Die Vertreter des Bf würde daher an der Verspätung kein Verschulden treffen, das den minderen Grad des Versehens übersteigt.

 

Dem Wiedereinsetzungsantrag sind eidesstättige Erklärungen der betreffenden Kanzleikraft und des Rechtsanwaltsanwärters beigelegt, welche dieses Vorbringen bestätigen. Weiters wurde die Bescheidbeschwerde im Wesentlichen wiederholt.

 

4. Der Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus dem Vorbringen und kann der Entscheidung zugrunde gelegt werden.

 

5. Darüber hat das LVwG Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 33 Abs 1 VwGVG ist einer Partei ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dann zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt hat und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

 

Gemäß § 33 Abs 4 VwGVG hat bis zur Vorlage der Beschwerde über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

 

5.2. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn es die Partei tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht (von dieser Partei) nicht erwartet werden konnte (VwSlg 9024 A/1976 verst Sen). Ob ein Ereignis als „unvorhergesehen“ einzustufen ist, richtet sich nach den subjektiven Verhältnissen der Partei, nach den tatsächlichen Umständen und dem konkreten Ablauf der Ereignisse und nicht nach dem „objektiven Durchschnittsablauf“ (VwSlg 9024 A/1976 verst Sen; VwGH 24.11.1986, 86/10/0169). Das im Begriff der „Unvorhergesehenheit“ gelegene Zumutbarkeitsmoment ist dahin gehend zu verstehen, dass die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit dann noch gewahrt ist, wenn die Partei an der Versäumung der Prozesshandlung kein Verschulden bzw nur ein minderer Grad des Versehens trifft (VwGH 2.9.1998, 98/12/0173; 11.6.2003, 2003/10/0114).

 

Im gegenständlichen Fall hat die zuständige Rechtsanwältin ein Schriftstück unterfertigt, das entsprechend dem Rubrum an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich, „Einbringungsstelle BH Linz-Land“, Volksgartenstraße 14, 4021 Linz zu senden war. Der Rechtsanwaltsanwärter hat zwar der Sekretärin mündlich den Auftrag erteilt, die Beschwerde an die BH Linz-Land zu adressieren, dies hat die Sekretärin jedoch letztlich vergessen und das zum Versenden fertig gemachte Schriftstück wurde nicht mehr kontrolliert. Dazu ist anzuführen, dass im Rubrum der Beschwerde nicht die Adresse der BH Linz-Land sondern jene des LVwG Oberösterreich angeführt ist, die Adresse der BH Linz-Land scheint auf dem Schriftstück überhaupt nicht auf. Unter diesen Umständen ist es nur natürlich, dass die Sekretärin das Kuvert mit der Adresse des LVwG und nicht mit jener der BH Linz-Land beschriftet hat. Der Rechtsvertreter hätte in diesem Fall, in dem er mündlich die Adressierung an eine andere Adresse als die im Schriftstück aufscheinende angeordnet hatte, jedenfalls die Adresse auf dem Kuvert überprüfen müssen. Bei einem derartigen Widerspruch zwischen dem Schriftstück und dem mündlichen Auftrag ist ein Fehler bei der Beschriftung des Kuverts geradezu zu erwarten. Das Verschulden des Vertreters des Bf übersteigt daher nach Ansicht des LVwG Oberösterreich den Grad des minderen Versehens deutlich.

 

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher abzuweisen.

 

 

II. 1. Der die Beschwerdefrist und deren Lauf regelnde § 7 Abs 4 Z 1 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG lautet:

 

„Beschwerderecht und Beschwerdefrist

§ 7. (4) Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG, gegen Weisungen gemäß Art. 130 Abs 1 Z 4 B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs 2 Z 1 B-VG beträgt vier Wochen. …

 

 

 

 

Sie beginnt

1.

in den Fällen des Art. 132 Abs 1 Z 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung, …“

 

Gemäß § 12 VwGVG sind die Schriftstücke bis zur Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht bei der belangten Behörde einzubringen. Dies gilt nicht in Rechtssachen gemäß Art. 130 Abs 1 Z 2 B-VG.

 

Gemäß § 6 AVG, welcher gemäß § 17 VwGVG auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anzuwenden ist, hat die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu verweisen.

 

2. Die an das LVwG Oberösterreich adressierte Beschwerde wurde von diesem am 11.4.2016 an die BH Linz-Land als zuständige Einbringungsbehörde weiter geleitet. Aus § 6 AVG ergibt sich, dass diese Weiterleitung auf Gefahr des Einschreiters erfolgte und es für die Fristwahrung auf das Datum der Weiterleitung an die zuständige Behörde ankommt (sh zB VwGH 18.10.2000, 95/08/0330). Die vierwöchige Beschwerdefrist ist bereits am 5.4.2016 abgelaufen, die Weiterleitung an die BH Linz-Land erfolgte jedoch erst am 11.4.2016. Da auch der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist abgewiesen wurde, war die Beschwerde als verspätet zurück zu weisen.

 

 

III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da weder hinsichtlich der Frage der Wiedereinsetzung, der Einbringungsbehörde noch des Fristenlaufes bei Weiterleitung gemäß § 6 AVG Rechtsfragen im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen waren, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu diesen Themen ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Beschlüsse besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Gottfried Zöbl