LVwG-601158/4/FP
Linz, 01.03.2016
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Pohl über die Beschwerde von J M, geb. x, U, B, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, Hammersteinplatz 1, 5080 Braunau am Inn vom 28. Juli 2015 GZ. VerkR96-3696-2015-Wid, den
B E S C H L U S S
gefasst:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 7 Abs. 4 iVm § 31 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.
II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1. Mit Straferkenntnis vom 28. Juli 2015 warf die belangte Behörde dem Beschwerdeführer (Bf) in drei Spruchpunkten vor, (1) ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand und (3) ohne im Besitz einer gültigen Lenkberechtigung gewesen zu sein, gelenkt zu haben und sich weiters, (2) nicht davon überzeugt zu haben, dass das Fahrzeug dem KFG entspricht zumal die Gültigkeit der Begutachtungsplakette abgelaufen gewesen sei.
Laut dem im Akt befindlichen Rückschein sollte das Straferkenntnis dem Bf am 3. August 2015 zugestellt werden. Es wurde, mangels Zustellbarkeit, bei der Poststelle 5282 hinterlegt und lag dort ab dem 3. August 2015 zur Abholung bereit.
Das Schriftstück wurde nicht behoben und an die belangte Behörde retourniert.
I.2. Mit Schreiben vom 26. November 2015 erhob der Bf Beschwerde und brachte Nachstehendes vor:
„[...]
Ich erhebe hiermit Beschwerde gegen den oben angeführten Strafbescheid.
Grund:
Ich habe erstmalig am Freitag 13. November 2015 von diesem Strafbescheid erfahren und konnte daher bis Dato keine Sachverhaltsdarstellung abgegeben bzw. gegen den Bescheid berufen. In den letzten Monaten kam es immer wieder zu Problemen bei der Postzustellung. Es gab auch keine Hinweise für mich das ein Behördenbrief bei der Post hinterlegt wäre.
Aus diesen Gründe richte ich an das Landesverwaltungsgericht Linz den Antrag den Strafbescheid ersatzlos zu beheben und das Verfahren einzustellen bzw. eine mündliche Verhandlung durchzuführen. [...]
I.3. Mit Schreiben vom 16. Februar 2016 wies das Landesverwaltungsgericht den Bf darauf hin, dass der Akt einen Rückschein enthalte, der die Hinterlegung der Sendung beim Postpartner 5…. ausweise und die Information enthalte, dass eine Verständigung über die Hinterlegung in die Abgabevorrichtung eingelegt worden sei. Es klärte den Bf über die Wirkungen einer öffentlichen Urkunde und die Möglichkeit der Widerlegung des „vollen Beweises“ auf. Das Landesverwaltungsgericht forderte den Bf (auch im Hinblick auf eine dann allenfalls anzuberaumende mündliche Verhandlung auf), binnen einer Woche ein entsprechendes Vorbringen zu erstatten und Beweise zu nennen.
I.4. Bis zum Entscheidungszeitpunkt äußerte sich der Bf nicht.
II.1. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht. Es konnte gem. § 44 Abs 4 VwGVG, ungeachtet des Parteiantrages, von einer öffentlichen mündlichen Verhandlung absehen, da es einen Beschluss zu fassen hat und die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt. Die bloße Behauptung des Bf, dass er keinen Hinweis auf die Hinterlegung eines behördlichen Schriftstückes vorgefunden habe, welches Vorbringen er dadurch glaubhaft machen will, dass es bereits in der Vergangenheit zu Problemen mit der Zustellung gekommen sei, ist nicht geeignet, einen Zustellmangel zu beweisen und lässt es insbesondere den Schluss nicht zu, dass auch im vorliegenden Fall ein solches Problem aufgetreten ist, sodass auch dann, wenn man das Vorbringen als wahr unterstellt, für den Bf nichts gewonnen wäre. Dem ist hinzuzufügen, dass im Falle der Beschädigung oder des Entfernens einer Hinterlegungsanzeige gem. § 17 Abs 4 ZustellG die Wirksamkeit der Hinterlegung nicht gehindert ist. Der Umstand des Einlegens der Hinterlegungsanzeige in die Abgabeeinrichtung ist aufgrund des vorliegenden unbedenklichen Rückscheines erwiesen. Angesichts des, vollen Beweis machenden, Rückscheines wäre es demnach erforderlich gewesen, dass der Bf seiner Beweislast, die öffentliche Urkunde zu entkräften, nachkommt und ein geeignetes Vorbringen erstattet und Beweise benennt, die ein vernünftiges Beweisverfahren, im Rahmen einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, ermöglichen. Der diesbezüglichen Aufforderung des Verwaltungsgerichtes ist der Bf jedoch nicht nachgekommen, sodass kein weiteres klärbares Sachverhaltssubstrat vorliegt und auch im Hinblick auf die Beweislast des Bf eine weitere Klärung der Sachlage durch eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht zu erwarten ist.
Eine zurückweisende Entscheidung, in der nur darüber abgesprochen wird, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, nicht aber über die Sache selbst, ist zudem aus Sicht des Art. 6 EMRK keine (inhaltliche) Entscheidung "über eine strafrechtliche Anklage" oder "über zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen". Die Verfahrensgarantie des "fair hearing" iSd Art. 6 Abs. 1 EMRK kommt nicht zur Anwendung, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozesshindernisse - wie etwa die Versäumung der Rechtsmittelfrist - entgegenstehen (ständige Rechtspr. vgl. VwGH v. 11. Oktober 2011, 2010/05/0115 und das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. November 2003, B 1019/03, mwN), sodass das Landesverwaltungsgericht nicht gehalten war eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen.
II.2. Nachstehender entscheidungswesentlicher S A C H V E R H A L T steht fest:
Die belangte Behörde hat am 31. Juli 2015 das bekämpfte Straferkenntnis an den Bf abgesendet (Stempel Straferkenntnis).
Am 3. August 2015 fand an der Meldeadresse des Bf (ZMR-Auszug) ein Zustellversuch statt. Der Bf hat an dieser Adresse eine Abgabestelle (Beschwerde, ZMR). Das Straferkenntnis konnte dem Bf an seinem Wohnsitz nicht zugestellt werden, sodass der Zusteller eine Verständigung über die Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung einlegte und das Poststück am 3. August 2015 beim Postpartner 5282 hinterlegte (Rückschein). Die Abholfrist begann am gleichen Tag zu laufen. Das Poststück wurde vom Bf nicht abgeholt und am 24. August 2015 an die belangte Behörde retourniert.
Der Bf erhob mit Schreiben vom 26. November 2015, bei der belangten Behörde eingelangt am 27. November 2015, Beschwerde.
II.3. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem vorliegenden Verwaltungsakt insbesondere den in Klammern angegebenen Beweismitteln und, im Hinblick auf die Zustellung des bezughabenden Straferkenntnisses, aus dem vollständig ausgefüllten Rückschein. Der Postrückschein ist als Zustellnachweis eine öffentliche Urkunde, die nach § 47 AVG iVm § 292 ZPO die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich hat (zu den rechtlichen Folgen weiter unten). Der Rückschein macht insofern vollen Beweis und führt zu einer Umkehr der Beweislast im Hinblick auf den Nachweis der Unrichtigkeit des durch die Urkunde bezeugten Vorganges (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, § 47 AVG, S 553 ff; VwGH 21. Oktober 1994, 94/11/0132).
Der Bf hat in seiner Beschwerde behauptet, keinen Hinweis auf eine Hinterlegung vorgefunden und bislang keine Möglichkeit zur Stellungnahme gehabt zu haben.
Die bloße Behauptung in der Beschwerde, ein Schriftstück der belangten Behörde – entgegen einem den Verwaltungsstrafakten angeschlossenen Rückschein – nicht erhalten zu haben, genügt als Gegenbeweis zur Widerlegung der Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit nicht (aaO E 6a).
Das Verwaltungsgericht hat den Bf aufgefordert ein entsprechendes Vorbringen zu erstatten und Beweise zu benennen. Auf das Schreiben des Verwaltungsgerichtes, welches dem Bf am 18. Februar 2016 zugestellt wurde, reagierte dieser nicht.
Insofern ist es dem Bf nicht gelungen den Beweis zu erbringen, dass der im Rückschein bezeugte Vorgang anders abgelaufen ist, bzw. dieser unrichtig beurkundet wurde.
III. Rechtliche Beurteilung
III.1. Rechtliche Grundlagen:
§ 7 Abs. 1 VwGVG lautet:
§ 17 Zustellgesetz lautet:
III.2. Für den vorliegenden Fall ergibt sich Folgendes:
Das ggst. Straferkenntnis konnte dem Bf am 3. August 2015 an seinem Wohnsitz nicht zugestellt werden, sodass das Poststück bei der zuständigen Geschäftsstelle der Post, dem Postpartner 5…, hinterlegt wurde. Die Abholfrist begann am gleichen Tag zu laufen. Dass der Zusteller davon ausging, dass der Bf sich regelmäßig an der Abgabestelle aufhält ergibt sich schon aus dem vorliegenden Rückschein, der diesen Umstand bezeugt. Es gibt keine Hinweise im Akt, und hat dies der Bf auch nicht vorgebracht, dass er sich im relevanten Zeitraum nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufgehalten hätte. Der Bf holte das Poststück nicht ab und wurde es deshalb nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist an die belangte Behörde retourniert.
Der vollen Beweis liefernde Rückschein ergibt, dass der Zusteller einen Verständigungsnachweis in die Abgabeeinrichtung bei der Wohnung des Bf (Abgabestelle im Sinne des § 2 Z 4 ZustG) einlegte.
Der Zustellvorgang lief daher gesetzgemäß ab und liegt kein Zustellmangel vor.
Der Bf brachte in seiner Beschwerde vor, er habe erstmalig am Freitag den 13. November 2015 vom Straferkenntis erfahren und habe bislang keinerlei Sachverhaltsdarstellung abgeben bzw. gegen den Bescheid berufen können. Es sei in den letzten Monaten immer wieder zu Problemen mit der Zustellung gekommen. Es habe auch keinen Hinweis gegeben, dass ein Behördenbrief bei der Post hinterlegt gewesen sei.
Der Bf stellt damit keinen Sachverhalt dar, der geeignet wäre eine fehlerhafte Zustellung zu bescheinigen, zumal der Verlust einer Hinterlegungsanzeige schon von Gesetzes wegen keine Unwirksamkeit der Zustellung bewirken würde und der Zustellvorgang nach den Feststellungen korrekt abgelaufen ist. Das Vorbringen des Bf reicht nach der Judikatur des VwGH als Gegenbeweis zur Widerlegung der Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit des Rückscheines nicht hin (VwGH 9. September 1981, 81/03/0065; 21. März 1982, 3635/80; 30. Juli 1992, 88/17/0107).
Auf die Aufforderung des Verwaltungsgerichtes ein geeignetes Vorbringen zu erstatten und Beweise zu benennen, hat der Bf nicht reagiert. Er hat sohin den erforderlichen Gegenbeweis nicht erbracht.
Es ergibt sich daher, dass die Zustellung gemäß § 17 Abs. 3 ZustellG am
3. August 2015 bewirkt war und die nicht verlängerbare, gesetzliche Beschwerdefrist von 4 Wochen mit Ablauf des 31. August 2015 endete.
Die am 27. November 2015 bei der Behörde eingelangte Beschwerde vom 26. November 2015 war sohin jedenfalls verspätet eingebracht.
IV. Die vorliegende Beschwerde war deshalb gemäß § 7 Abs. 4 iVm § 31 VwGVG wegen Verspätung zurückzuweisen.
V. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Pohl