LVwG-601079/4/EW

Linz, 02.05.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin            Dr. Elisabeth Wiesbauer über die Beschwerde der C W Z, vertreten durch RAe Dr. S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, vom 04.08.2015, GZ: VerkR96-4221-2015-pac/p-Akt SE, wegen einer Übertretung der StVO nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 31.03.2016

                                                  

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungs-strafverfahren eingestellt.

 

 

II.      Gemäß § 52 Abs. 9 VwGVG hat die Beschwerdeführerin keine Beiträge zu den Kosten des Verfahrens zu leisten.

 

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision der Beschwerdeführerin an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat der Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf) im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen, dass sie am 26.12.2014 um 12:23 Uhr als Lenkerin des PKW mit dem Kennzeichen x (D) in Ansfelden, Autobahn, Ansfelden Nr. 1 bei km 170.000 in Fahrtrichtung Wien, die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 23 km/h überschritten habe. Die Beschwerdeführerin habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 52 lit.a    Z 10a StVO begangen, weshalb über sie gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO eine Geldstrafe in Höhe von 60 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt wurde. Weiters wurde sie zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von 10 Euro verpflichtet.

 

 

II. Gegen diesen Bescheid erhob die Bf durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde.

 

In ihrer Beschwerde führt die Bf – soweit für dieses Verfahren von Relevanz – aus: Sie habe keine Kenntnis davon, wer genau der Fahrer im Tatzeitpunkt war. Sie selbst sei nicht gefahren. Mehrere Personen hätten das Fahrzeug benutzt. Wer genau gefahren sei, sei ihr nicht bekannt. Es sei ihr auch kein Foto überreicht worden, auf dem dann der potentielle Fahrer ersichtlich gewesen und damit dann einen Identifizierung möglich gewesen wäre.

 

 

III.a) Die belangte Behörde hat die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsstrafaktes, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin.

 

b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt sowie die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 31.3.2016. Die belangte Behörde ist der Verhandlung entschuldigt ferngeblieben.

 

 

 

 

 

c) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:

 

Die bislang unbescholtene Bf lenkte am 26.12.2014 um 12:23 Uhr das Fahrzeug mit dem Kennzeichen x in der Gemeinde Ansfelden, Autobahn, Ansfelden Nr. 1 bei km 170.000 in Fahrtrichtung Wien, mit einer Geschwindigkeit von 123 km/h. Die Bf ist Zulassungsbesitzerin des gegenständlichen Fahrzeuges.

 

Kurz davor, nämlich am 26.12.2014 um 12:19 Uhr, lenkte die Bf das Fahrzeug mit dem Kennzeichen x in der Gemeinde Pucking, A 25, Rampe 3 bei km 0,400 in Fahrtrichtung Linz, mit einer Geschwindigkeit von 112 km/h (siehe dazu das Erkenntnis des LVwG vom 2. Mai 2016, LVwG-601086/5/EW).

 

d) Beweiswürdigung:

Die Bf bestreitet die Lenkereigenschaft, da sie zum fraglichen Zeitpunkt bei einem Familienfest zu Hause in  L gewesen sei, zu welchem sie mit ihrem Lebensgefährten und dessen Auto gefahren sei. Sie behauptet, dass ihr Fahrzeug von mehreren Familienmitgliedern gefahren werde (Geschwister, Schwager), welche zur Nutzung nicht um Erlaubnis fragen müssten.

 

Die Bf hat sich während des gesamten Verfahrens lediglich dahingehend geäußert, dass sie bestritten hat, das Fahrzeug zur Tatzeit gelenkt zu haben. Die Bf hat keinerlei nachprüfbare Angaben dahingehend gemacht, wer konkret sonst den PKW gelenkt haben könnte. Die Behauptung, dass die Bf nicht wisse, wer sich ihr Fahrzeug für eine Strecke von ca. 200 km (von Grafentraubach bis Ansfelden) – und sehr wahrscheinlich wieder zurück – benutzt habe, erscheint nur sehr schwer nachvollziehbar. Auch ist nicht verständlich warum von der Bf nicht mehr ermittelt werden konnte, welcher Familienangehörige an einem Weihnachtsfeiertag damals eine Fahrt nach Österreich unternommen hatte.

 

Die Bf benennt zu keinem Zeitpunkt eine Person, die als Lenker in Betracht kommen könnte, um es der Behörde bzw. dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zu ermöglichen den Wahrheitsgehalt einer derartigen bloßen Behauptung zu überprüfen, sodass dieser letztlich nur der Charakter einer Schutzbehauptung zugemessen werden kann.

 

Es ist daher davon auszugehen, dass die Bf den ihr selbst gehörenden PKW zur Tatzeit auch tatsächlich selbst gelenkt hat.

 

 

 

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

a) Die maßgeblichen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), BGBl 1960/159 in der im Tatzeitpunkt geltenden Fassung lauten:

 

§ 52 lit a Z 10a:

„Die Vorschriftszeichen sind

a) Verbots- oder Beschränkungszeichen,

[...]

10a.“GESCHWINDIGKEITSBESCHRÄNKUNG(ERLAUBTE HÖCHSTGESCHWINDIGKEIT)“

 

http://www.ris.bka.gv.at/~/Dokumente/Bundesnormen/NOR40128461/image029.png

 

Dieses Zeichen zeigt an, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist. Ob und in welcher Entfernung es vor schienengleichen Eisenbahnübergängen anzubringen ist, ergibt sich aus den eisenbahnrechtlichen Vorschriften.“

 

§ 99 Abs. 3 lit.a:

„Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist“.

 

b) Wie sich aus den Ausführungen zur Beweiswürdigung ergibt, hat die Bf den PKW selbst gelenkt. Sie hat die durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h entsprechend der Messung mit einem Radargerät um 23 km/h überschritten, wobei das Messergebnis auch in keiner Weise bekämpft wurde.

 

Jedoch hat die Bf bereits kurz zuvor, nämlich am 26.12.2014, um 12:19 Uhr, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 12 km/h überschritten. Auch wenn die erste Geschwindigkeitsübertretung noch auf der A 25, Rampe 3, (Auffahrt zur A1) passiert ist, handelt es sich bis zur Stelle km 170.000 auf der A1, an welcher die zweite Geschwindigkeitsübertretung erfolgt ist, um einen Straßenzug, auf welchem durchgängig die Höchstgeschwindigkeit mit 100 km/h verordnet wurde. Beide Handlungen stellen daher die Verwirklichung eines Tatbestandes, nämlich § 52 lit.a Z 10a StVO dar.

 

Das fortgesetzte Delikt ist dadurch gekennzeichnet, dass eine Reihe von Einzelhandlungen aufgrund der Gleichartigkeit der Begehungsform, der Ähnlichkeit der äußeren Begleitumstände und der zeitlichen Kontinuität zu einer Einheit zusammentreten. Alle Einzelhandlungen sind von einem einheitlichen Entschluss des Täters, sich fortgesetzt in bestimmter Weise rechtswidrig zu verhalten, erfasst. Wie groß der Zeitraum zwischen den einzelnen Tathandlungen sein darf, um noch von einem fortgesetzten Delikt sprechen zu können, wird von Delikt zu Delikt verschieden sein und hängt im besonderen Maße von den Umständen des Einzelfalles ab. Entscheidend ist, dass die einzelnen Tathandlungen von einem einheitlichen Vorheriger Willensentschluss getragen werden (VwGH 15.9.2006, 2004/04/0185).

 

Da nicht mit der im Verwaltungsstrafverfahren notwendigen Sicherheit erwiesen werden kann, dass die Bf bei der zweiten Übertretung am 26.12.2014 um 12:23 Uhr einen neuen Tatenschluss gefasst hat, ist von einem einheitlichen Willensentschluss auszugehen. Die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit am 26.12.2014, um 12:23 Uhr, stellt somit ein fortgesetztes Delikt zur Übertretung am 26.12.2014 um 12:19 Uhr dar und war das bekämpfte Straferkenntnis der belangten Behörde aus diesem Grund zu beheben und das Verfahren einzustellen.

 

 

Zu II. Die Entscheidung über die Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens ergibt sich aus § 52 VwGVG.

 

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei:

 

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche, dh über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde der revisionslegitimierten Formalpartei  die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Elisabeth Wiesbauer