LVwG-600839/11/MB/BD

Linz, 19.01.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Dr. Markus Brandstetter über die Beschwerde des H K, vertreten durch MMag. J P, R, L,  gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Kirchdorf vom 13. März 2015, GZ. VerkR96-12358-2014,

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Im Hinblick auf Spruchpunkt 1) des Straferkenntnisses der belangten Behörde wird der Beschwerde gemäß § 50 VwGVG stattgegeben und das Strafverfahren eingestellt.


Im Hinblick auf Spruchpunkt 2) des Straferkenntnisses der belangten Behörde wird die Beschwerde abgewiesen.

Im Hinblick auf Spruchpunkt 3) des Straferkenntnisses der belangten Behörde wird das Verfahren mittels Beschluss eingestellt.

 

II.         Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer zu Spruchpunkt 2) zusätzlich zu den behördlichen Verfahrenskosten einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von 11,60 Euro zu leisten.

 

Betreffend Tatvorwurf 1 und 3) hat der Beschwerdeführer weder einen Beitrag zu den Kosten des behördlichen Verfahrens (§ 66 Abs. 1 VStG) noch einen Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren zu leisten (§ 52 Abs. 9 VwGVG).

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

 

1. Mit Straferkenntnis vom 13. März 2015 zur Zahl GZ. VerkR96-12358-2014 erkannte der Bezirkshauptmann des Bezirks Kirchdorf (in der Folge: belangte Behörde) den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) für schuldig, am
14. November 2014 in der Gemeinde Klaus an der Pyhrnbahn, Autobahn Freiland, Richtung: Graz, Nr. x bei km 28.550 1) das Fahrzeug mit dem Kennzeichen KI-x, PKW, KIA SORENTO/CRDI/2,2/ACT, grau/silberfarbig jäh und für den Lenker eines nachfolgenden Fahrzeuges überraschend abgebremst zu haben, obwohl es die Verkehrssicherheit nicht erfordert hätte, wodurch andere Straßenbenützer behindert oder gefährdet wurden, 2) auf der Autobahn außerhalb einer durch Hinweiszeichen gekennzeichneten Stelle gehalten zu haben und 3) eine Autobahn benützt zu haben, obwohl dies für Fußgeher ausdrücklich verboten ist.

 

Der Bf habe dadurch 1) § 21 Abs. 1 StVO, 2) § 46 Abs. 4 lit. e StVO und 3) § 46 Abs. 2 StVO verletzt und ist gem. § 99 Abs. 3 lit. a StVO mit einer Geldstrafe von 1) 40,- Euro (EFS: 24 Stunden), 2) 58,- Euro (EFS: 24 Stunden) und 3) 80,- Euro (36 Stunden) zuzüglich eines Verfahrenskostenbeitrages idHv. je 10,- Euro (= gesamt: 208,- Euro) zu bestrafen.

 

Begründend führt die belangte Behörde wie folgt aus:

 

Die im Spruch angeführten Verwaltungsübertretungen sind durch das Ergebnis des durchgeführten Ermittlungsverfahrens als erwiesen anzusehen.

Im gegenständlichen Verfahren rechtfertigten sich im wesentlichen dahingehend, dass eine überraschende Abbremsung des Fahrzeuges nicht stattfand jedoch aufgrund des gefährlichen Fahrverhaltens des LKW Fahrers eine Anhaltung zwecks Kontaktaufnahme geboten erschien. Es hätte sich hiebei um eine Ausnahmesituation gehandelt um einen möglichen Unfall zu vermeiden.

 

Hierüber hat die Behörde nachstehendes erwogen:

 

Die Ihnen zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen wurden von einem Beamten der Autobahnpolizei Klaus mit Datum des 17.11.2014 der Bezirkshauptmannschaft angezeigt.

 

In seiner Zeugenniederschrift vom 7.1.2015 gibt der beteiligte LKW-Lenker, Herr M M, zusammenfassend an, dass der von Ihnen am Beschleunigungsstreifen überholt wurde und Sie das Fahrzeug auf der Hauptfahrbahn direkt vor dem Tunnel mit Gegenverkehr abrupt bis zum Stillstand abgebremst hätten.

Daraufhin wären Sie aus dem Fahrzeug gesprungen und hätten mit den Händen auf die Fahrertür des LKWs eingeschlagen. Nach einem Wortwechsel wäre vereinbart worden bis zur Autobahnraststätte St. Pankraz weiter zu fahren um den Sachverhalt klären zu können. Dort wäre auch dann die verständigte Polizei eingetroffen.

In der Zeugenniederschrift vom 2.3.2015 (Verwaltungsstrafverfahren gegen den LKW-Fahrer M) gaben Sie unter anderem an, dass Sie Ihr Fahrzeug auf der Autobahn angehalten hätten und auch aus diesem ausgestiegen wären. Es wäre ein Fehler gewesen auf der Autobahn stehen zu bleiben.

 

Bei erwiesenem Tatbestand der Ihnen zur Last gelegten Zuwiderhandlungen war sohin spruchgemäß zu entscheiden und die zu verhängenden Geldstrafen unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 19 VStG 1991 festzusetzen.

 

Bezüglich des Strafausmaßes ist auszuführen:

 

Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO ist für die gegenständlichen Verwaltungsübertretungen jeweils eine Geldstrafe von bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Arreststrafe von bis zu zwei Wochen vorgesehen.

 

Gemäß § 19 VStG 1991 ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjeniger Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Nach Abs. 2 dieser Norm sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- u. Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen gegeneinander abzuwägen und auf das Ausmaß des Verschuldens Bedacht zu nehmen.

 

Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32-35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden und die Einkommens-Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Im konkreten Fall wurden bei der Strafbemessung das Ausmaß Ihres Verschuldens und das Nichtvorliegen von Vormerkungen bei der hiesigen Behörde gewertet und somit die Erschwerungs u. Milderungsgründe gegeneinander abgewogen, sowie Ihre Einkommens-Vermögens- und Familienverhältnisse (ca. 780 Euro Notstandshilfe, kein Vermögen, Sorgepflichten für die Gattin und ein Kind) berücksichtigt.

Die verhängte Geldstrafe erscheint aus den angeführten Gründen dem Erfordernis des § 19 VStG entsprechend.

Gegen eine niedere Straffestsetzung sprechen auch general- und spezialpräventive Erwägungen; es soll nämlich die Strafe als spürbares Übel sowohl den Täter als auch andere Personen von der Begehung gleichartiger Verwaltungsübertretungen abhalten.

 

Die Entscheidung über die Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Auf die Möglichkeit einer zu beantragenden monatlichen Teilzahlung der Verwaltungsstrafe darf hingewiesen werden.

Die Punkte 1. und 2. unserer Strafverfügung vom 19.11.2014 wurde gemäß § 45 VStG eingestellt.

 

2. Mit Schreiben vom 10. April 2015 erhob der Bf rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde und führte darin wie folgt aus:

 

In umseitiger Rechtssache gibt Herr H K die Vertretung durch den umseits ausgewiesenen Rechtsvertreter bekannt und erhebt die

 

BESCHWERDE

 

gegen das Straferkenntnis der BH Kirchdorf, GZ: VerkR96-12358-2014 vom 13. März 2015, ho. eingegangen am 16. März 2015. Das Straferkenntnis wird in den Punkt 1. bis 3. gefolgten Punkt angefochten bleibt, die Einstellung der Punkte 1. und 2. der Strafverfügung der BH Kirchdorf vom 19.11.2014. bleibt unangefochten.

 

BEGRÜNDUNG:

Das Vorbringen des Beschwerdeführers im bisherigen Verfahren wird aufrechterhalten und folgen-des ergänzend ausgeführt:

 

 

1. Es wird bestritten, dass der Beschwerdeführer sein Fahrzeug „jäh und für den Lenker des nachfolgenden Fahrzeuges überraschend abgebremst hat, obwohl es die Verkehrssicherheit nicht erfordert hätte, wodurch andere Straßenbenützer behindert und gefährdet wurden." Wie vom Beschwerdeführer bereits vorgebracht, hatte der nachfolgende LKW-Fahrer den Beschwerdeführer durch seine Fahrweise gefährdet und irritiert, sodass der Beschwerdeführer es nicht mehr wagte, hier weiter vor dem nachfolgenden LKW in den Tunnel hineinzufahren. Dies auch deshalb, da der nachfolgende LKW-Fahrer hier offensichtlich den erforderlichen Abstand nicht einhielt.

 

Auch aus der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses geht nicht hervor, welcher andere Straßenbenützer nunmehr behindert und gefährdet worden sei. Falls es sich dabei um den nachfolgenden LKW-Fahrer handeln würde, ist dazu festzuhalten, dass der Beschwerdeführer hier keine Vollbremsung durchführte, sondern sein Automatikfahrzeug einfach ausrollen ließ. Der Beschwerdeführer betätigte bei diesem Ausrollmanöver auch nicht die Bremse, erst als das Fahrzeug bereits fast stand, und nur mehr 2 bis 3 m fuhr.

 

Bei einem vorgeworfenen überraschenden Abbremsmanöver wäre es jedenfalls zu einem Auffahrunfall gekommen.

 

Nach ständiger Rechtssprechung gilt auch das Ausrollen des Fahrzeuges durch den Beschuldigten nicht als jähes Abbremsen (ZVR 1967/63).

 

Aus diesem Grund ist der Tatvorwurf zu Punkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses unberechtigt.

 

 

2. Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, dass er auf der Autobahn außerhalb einer durch Hinweiszeichen gekennzeichneten Stelle gehalten hätte.

 

Auch hier hat der Beschwerdeführer bereits vorgebracht, dass dieses Anhaltemanöver deswegen erforderlich war, da er zurecht befürchtete, durch den nachfolgenden LKW-Fahrer bedrängt zu werden, zumal hier in weiterer Folge ein Tunnel war. Das Halten auf der Autobahn außerhalb einer durch Hinweiszeichen gekennzeichneten Stelle war daher gerechtfertigt, da der Beschwerdeführer sich nicht mehr in der Lage sah, aufgrund der vorhergehenden Vorfälle das Fahrzeug zu lenken und zurecht befürchtete, hier wiederum durch den nachfolgenden LKW-Fahrer bedrängt bzw. genötigt zu werden.

 

 

3. Zum Punkt 3. des Straferkenntnisses wird wiederum ausgeführt, dass der Beschwerdeführer hier in einer Ausnahmesituation war, da er zurecht eine weitere Belästigung bzw. Nötigung durch den LKW-Fahrer befürchtete. Durch das Aussteigen zum Zwecke des Fotografierens des LKWs wollte er nur Beweise sichern bzw. hier auch mit dem nachfolgenden LKW-Fahrer klären, dass hier keine weiteren Nötigungen und Bedrohungen durch diesen LKW-Fahrer ausgeübt werden.

 

Es liegt also ein rechtsfertigender Notstand hinsichtlich des Beschwerdeführers vor.

 

Die belangte Behörde hat daher einerseits den Sachverhalt unrichtig festgestellt, nämlich dass ein angebliches überraschendes Abbremsen vorliegt, weiters den festgestellten Sach-verhalt unrichtig rechtlich beurteilt, da hier sehr wohl Gründe für den Beschwerdeführer vorlagen, abzubremsen, das Fahrzeug zu halten und auszusteigen, um hier die Situation mit dem nachfolgenden LKW-Fahrer zu klären.

 

Des Weiteren hat die belangte Behörde nicht berücksichtigt, dass hinsichtlich der Delikte 1. und 2. eine Scheinkonkurrenz vorliegt, nämlich, dass durch das vorgeworfene Halten auf der Autobahn auch das Delikt 1. des überraschenden Abbremsens konsumiert wurde, zumal das überraschende Abbremsen nur dazu dienen sollte, hier das Fahrzeug anzuhalten.

 

Das Anhalten und Abstellen des Fahrzeuges bzw. das Aussteigen aus dem Fahrzeug um den nachfolgenden LKW Lenker zur Rede zu stellen, war daher nicht rechtswidrig, da beim Beschuldigten ein rechtfertigender Notstand vorliegt. Ob objektiv gesehen ein wichtiger Grund für das zum Stillstandbringen des Fahrzeuges vorliegt, ist nicht ex post, sondern ex ante zu beurteilen (OGH 20.01.2000, 2 Ob 359/99). Aufgrund des vorherigen Verhaltens des LKW Lenkers war der Beschuldigte daher in gerechtfertigter Sorge, dass er bei einer Weiterfahrt wieder vom LKW Lenker bedrängt werden würde und damit wiederum eine gefährliche Verkehrssituation eintreten würde. Dazu kommt, dass der Beschuldigte ja nicht alleine im Fahrzeug war, sondern seine schwangere Lebensgefährtin mitfuhr.

 

BEWEIS:

Einvernahme Beschwerdeführer

Einvernahme C L, p. A. Beschwerdeführer

 

Es wird daher beantragt, eine mündliche Verhandlung über diese Beschwerde durchzuführen und das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos zu beheben.

 

3. Mit Schreiben vom 17. April 2015 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

 

 

II.

 

1. Gem. Art. 130 Abs. 1 Z 1 und 131 B-VG iVm § 2 VwGVG iVm StVO ist das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung durch seinen Einzelrichter zuständig.

 

2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsicht in die Akten der belangten Behörde bzw. die erstatteten Schriftsätze. Zusätzlich dazu wurde am 10. Dezember 2015 eine öffentliche mündliche Verhandlung abgehalten. Über den sich aus den Akten bzw. den unter Pkt. I dargestellten Schriftsätzen ergebenden unstrittigen Sachverhalt wird zusätzlich festgestellt:

 

Im Hinblick auf Spruchpunkt 1) der belangten Behörde vermag das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich den Sachverhalt nicht mit der für das Strafverfahren notwendigen Wahrscheinlichkeit feststellen. Insofern ist in dubio pro reo davon auszugehen, dass der Bf das Fahrzeug nicht jäh und für den Lenker eines nachfolgenden Fahrzeuges überraschend abgebremst hat. Beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich entstanden einerseits aus dem Grund der Verantwortung des Bf in der öffentlichen mündlichen Verhandlung und andererseits aus der durchgehenden Einlassung des Bf im Verfahren (Geständnis: Aussteigen + Fahrzeug anhalten – in Übereinstimmung mit der Aussage des Zeugen; kein Geständnis: abruptes Anhalten) Zweifel am diesbezüglichen Sachverhaltskomplex. Im Hinblick auf Spruchpunkt 2) bestreitet der Bf den Sachverhalt nicht. Der Bf hat auf der Autobahn außerhalb einer durch Hinweiszeichen gekennzeichneten Stelle am 14.11.2014 um 10.42 Uhr bei Km 28,580 auf der A 9 sein KfZ gehalten. Im Hinblick auf Spruchpunkt 3) zieht der Bf in der öffentlichen mündlichen Verhandlung seine Beschwerde zurück.

 

3. Gem. § 27 VwGVG hat das Landesverwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) zu überprüfen. Aus
§ 27 VwGVG 2014 kann sich insofern eine Einschränkung des Prüfungsauftrages für das VwG, nicht aber eine solche seiner Entscheidungsbefugnis ergeben
(s dazu VwGH vom 27. Jänner 2015, Zl. Ra 2014/22/0087).

 

 

III.

 

1. Gem. § 21 Abs. 1 Straßenverkehrsordnung, BGBl 159/1960 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung (in der Folge: StVO), darf der Lenker das Fahrzeug nicht jäh und für den Lenker eines nachfolgenden Fahrzeuges überraschend abbremsen, wenn andere Straßenbenützer dadurch gefährdet oder behindert werden, es sei denn, dass es die Verkehrssicherheit erfordert.

 

1.1. Die wesentlichen Sachverhaltselemente bei der Übertretung des § 21 Abs 1 StVO sind 1) das jähe und für den nachfolgenden Lenker überraschende Abbremsen, 2) die Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer durch dieses Manöver und 3), dass dieses Manöver aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht erforderlich gewesen ist. Diese drei wesentlichen Sachverhaltselemente müssen einerseits eine Verfolgungshandlung enthalten, um die Verjährung zu unterbrechen, andererseits - im Hinblick auf § 44a lit a VStG - der Spruch des Straferkenntnisses (VwGH 23.3.1984, 83/02/0156).

 

1.2. Wie unter Pkt. II festgestellt, war in dubio pro reo davon auszugehen, dass der Bf sein KfZ nicht jäh und für den Lenker eines nachfolgenden Fahrzeuges überraschend abgebremst hat. Insofern war das Tatbild nicht als erfüllt anzusehen.

 

2. Gem. § 46 Abs. 4 lit e StVO ist es auf der Autobahn verboten: [...] e) außerhalb der durch Hinweiszeichen gekennzeichneten Stellen zu halten oder zu parken, [...].

 

2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann unter Notstand nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, dass er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. März 1992, Zl. 92/02/0090).

 

2.2. Entsprechend dem unter Pkt. II festgestellten Sachverhalt kann das Tatbild des § 46 Abs. 4 lit e StVO als erfüllt angesehen werden.

 

2.3. Der vom Bf eingewendete rechtfertigenden Notstand kann vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vor dem Hintergrund der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht erblickt werden. Die vom Bf gewählte Vorgangsweise stellt nicht das letzte verfügbare Mittel dar (Kienapfel/Höpfel/Kert, Strafrecht Allgemeiner Teil14, 57f mwN). So hätte der Bf auch beschleunigen und von der Autobahn abfahren bzw. auf einem Pannenstreifen oder in einer Haltebucht anhalten können. Dass ein derartig heftiger Gemütszustand ein solches Verhalten verhindert hat, kann vom Landesverwaltungsgericht nicht erkannt werden, zumal der Bf nach diesem Vorgang selbst – und eben nicht konsequent seine Beifahrerin – zur Autobahnraststätte weiter gefahren ist.

 

2.4. Da keine Umstände hervorgekommen sind, welche den Bf subjektiv entlasten hätten können, war gemäß § 5 Abs. 1 VStG zumindest von fahrlässigem Verhalten auszugehen. Mangelndes Verschulden (§ 5 Abs. 2 VStG) konnte der Bf mit seiner Verantwortung nicht glaubhaft machen. Die Tat ist somit auch in subjektiver Hinsicht als erfüllt zu bewerten.

 

2.5. Gemäß § 19 Abs. 1 VStG iVm § 38 VwGVG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

 

Gemäß § 19 Abs. 2 VStG iVm § 38 VwGVG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Nach der bezughabenden Strafbestimmung des § 99 Abs. 3 lit a StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von bis zu 2 Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den § 99 Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 StVO zu bestrafen ist.

 

Die belangte Behörde ist bei der Bemessung der Strafe von einem monatlichen Einkommen des Bf in Höhe von 780 Euro netto (Notstandshilfe, keinem Vermögen und Sorgepflichten: Gattin + Kind) ausgegangen. Der Bf hat zu diesen Feststellungen keine Änderungen vorgebracht.

 

Laut Aktenlage stellt die zu beurteilende Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 2 StVO die erste Verfehlung des Bf im Verwaltungsbereich der belangten Behörde dar. Seine bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit war daher im Sinne des in der Beschwerde geltend gemachten bisherigen ordentlichen Lebenswandels als strafmildernd zu werten.

 

Weitere – über die von der belangten Behörde zur Strafbemessung herangezogenen – Strafmilderungs- bzw. Erschwerungsgründe konnten nicht festgestellt werden.

 

Die gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich des Verhaltens auf Autobahnen dienen der Sicherheit im Straßenverkehr und dem Rechtsgüterschutz (Leib, Leben, Vermögen etc.). Da die erlaubten Höchstgeschwindigkeiten auf Autobahnen ein beträchtliches Maß aufweisen, stellt sich das Gefährdungspotential im Hinblick auf die geschützten Rechtsgüter umso höher dar und ist ein Verstoß gegen diese Bestimmungen – unabhängig davon, ob ein Schadensfall eintritt oder nicht – mit einem erhöhten gesetzgeberischen Unwerturteil verbunden.

 

In Anbetracht dieses als hoch einzuschätzenden Unrechtsgehaltes der vom Bf begangenen Überschreitung erachtet daher das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die von der belangten Behörde verhängte Geldstrafe in Höhe von 58 Euro tat- und schuldangemessen und aus spezialpräventiver Sicht in der festgesetzten Höhe erforderlich, um den Bf künftig von weiteren einschlägigen Tatbegehungen abzuhalten und entsprechend darauf hinzuweisen, dass die Einhaltung der Bestimmungen für Autobahnen von wesentlicher Bedeutung sind. Auch aus dem Blickwinkel der Generalprävention steht dieser Strafzumessung nichts entgegen.

 

Die festgesetzte Geldstrafe ist noch an der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens angesiedelt. Im Hinblick auf den gesetzlichen Strafrahmen von bis zu 726 Euro (§ 99 Abs. 3 lita StVO) kann die verhängte Geldstrafe daher nicht als überhöht angesehen werden. Für eine Strafherabsetzung fand sich kein Ansatz.

 

Von der Anwendung der Bestimmung des § 20 VStG (außerordentliche Strafmilderung) konnte nicht Gebrauch gemacht werden, da der einzige zu berücksichtigende Milderungsgrund der verwaltungsrechtlichen Unbescholtenheit trotz Fehlen von Erschwerungsgründen noch kein beträchtliches Überwiegen der Milderungsgründe über die Erschwerungsgründe im Sinne des § 20 VStG bedeutet (vgl. dazu z. B. auch VwGH 8. September 1998, 98/03/0159).

 

Auch ein Absehen von der Bestrafung und Erteilung einer Ermahnung im Sinne des nunmehrigen § 45 Abs. 1 Z 4 VStG kam nicht in Betracht, da die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Bf nicht als gering zu werten sind.

 

4. Gemäß § 52 Abs. 1 VwGVG ist in jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens zu leisten hat. Dieser Beitrag ist  Abs. 2 leg. cit. zufolge für das Beschwerdeverfahren mit 20 % der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit 10 Euro zu bemessen.

 

In diesem Sinne war dem Bf im Hinblick auf Spruchpunkt 2) für das Beschwerdeverfahren ein Betrag in der Höhe von 11,60 Euro vorzuschreiben.

 

 

IV.

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Markus Brandstetter