LVwG-650608/3/WP
Linz, 25.04.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Wolfgang Peterseil über die Beschwerde des P S, vertreten durch H N Rechtsanwälte, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 2. März 2016, GZ. FE-1117/2015, wegen eines Aufforderungsbescheides nach dem FSG
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 2. März 2016, GZ: FE-1117/2015, ersatzlos behoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Bisheriges Verwaltungsgeschehen:
1. Dem Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf) wurde von der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung die Lenkberechtigung für die Klasse AM und für die Klasse B am 25. Jänner 2011 erteilt.
2. Im Zuge einer Beschuldigtenvernehmung am 3. Oktober 2015 gab der nunmehrige Bf an, zwischen Mai/Juni und August 2015 ca 200 Gramm Marihuana gekauft und für den Eigenbedarf verwendet zu haben. Den Konsum habe der Bf mit Ende August 2015 eingestellt, da er erfahren habe, (wieder) einen Arbeitsplatz zu bekommen.
3. Mit Mandatsbescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich (in der Folge kurz: belangte Behörde) vom 16. Oktober 2015, dem Bf durch Hinterlegung am 22. Oktober 2015 zugestellt, forderte die belangte Behörde den Bf auf, sich binnen zwei Monaten ab Zustellung des Bescheides amtsärztlich untersuchen zu lassen. Dieser Bescheid erwuchs – soweit aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ersichtlich – in Rechtskraft.
4. Am 27. November 2015 kam der Bf der ihm bescheidmäßig vorgeschriebenen Aufforderung nach und unterzog sich einer amtsärztlichen Untersuchung. Vom Amtsarzt wurden die Beibringung einer Fachärztlichen Stellungnahme eines Psychiaters sowie ein Drogenlaborbefund verlangt.
5. Mit Mandatsbescheid der belangten Behörde vom 7. Jänner 2016 wurde der Bf aufgefordert, einen Drogenlaborbefund auf Cannabinoid und einen Befund eines Facharztes für Psychiatrie vorzulegen. Dieser Bescheid wurde dem Bf im Wege der Hinterlegung am 14. Jänner 2016 zugestellt.
6. Gegen diesen Bescheid erhob der Bf durch seine rechtsfreundlichen Vertreter Vorstellung. Begründend brachte der Bf vor, er habe – entgegen seiner protokollierten Aussage im Zuge der Beschuldigtenvernehmung – lediglich 30 Gramm Cannabis erworben. Seit August 2015 habe der Bf seinen Konsum gänzlich abgesetzt und sei sozial völlig stabilisiert. Gleichzeitig legte der Bf einen negativen Drogenbefund auf Cannabis vom 22. Jänner 2016 vor.
7. Mit Bescheid vom 2. März 2016, dem Bf zuhanden seiner rechtsfreundlichen Vertreter am 7. März 2016 zugestellt, wurde „der Mandatsbescheid vom 07.01.2016 […] bezüglich der Aufforderung, binnen einer Frist von 3 Wochen ab Zustellung, somit bis 4. Februar 2016, zur Feststellung Ihrer gesundheitlichen Eignung, den fehlenden FA-Befund für Psychiatrie zu erbringen, vollinhaltlich bestätigt“ und einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gem § 13 Abs 2 VwGVG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Begründend führt die belangte Behörde auf das Wesentliche zusammengefasst aus, durch den – in der Beschuldigtenvernehmung zugegebenen – Drogenkonsum im Sommer 2015 und die ebenfalls dort angegebene Depression bestehe der begründete Verdacht einer „tieferliegenden oder fachärztlich therapiebedürftigen Drogenproblematik“. Aus diesem Grund sei ein Befund eines Psychiaters beizubringen. Eine Begründung des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung enthält der Bescheid nicht.
8. Gegen diesen Bescheid erhob der Bf durch seine rechtsfreundlichen Vertreter Beschwerde. Der Bf wendet sich darin einerseits – mit näherer Begründung – gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung sowie gegen die Aufforderung zur Vorlage eines Befundes eines Psychiaters. Im Hinblick auf die Aufforderung zur Befundvorlage führt der Bf aus, er habe in der Vorstellung seine Angaben über das Ausmaß seines Cannabiskonsums korrigiert und sei dies von der belangten Behörde nicht berücksichtigt worden. Zudem habe der Bf seinen Konsum seit August 2015 gänzlich abgesetzt. Die Konsumphase im Frühjahr/Sommer 2015 könne aktuelle Bedenken nicht begründen. Ebenfalls habe der Bf zu keinem Zeitpunkt ein Fahrzeug unter Cannabiseinfluss gelenkt. Abschließend beantragt der Bf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung sowie die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides in beiden Spruchpunkten.
9. Mit Schreiben vom 12. April 2016, beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich am 14. April 2016 eingelangt, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt bezughabenden Verwaltungsakt – unter Hinweis auf das Absehen von einer Beschwerdevorentscheidung – zur Entscheidung vor.
II. Beweiswürdigung und festgestellter Sachverhalt:
1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt samt der Schriftsätze des Bf sowie durch Einsichtnahme in das Führerscheinregister. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich daraus widerspruchsfrei.
2. Folgender Sachverhalt steht fest:
Dem Bf wurde von der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung die Lenkberechtigung für die Klasse AM und für die Klasse B am 25. Jänner 2011 erteilt. Der Bf hat in den Monaten Mai/Juni 2015 bis August 2015 Cannabis im Ausmaß zwischen 30 und 200 Gramm erworben und konsumiert. Seinen Drogenkonsum hat der Bf mit Ende August 2015 eingestellt. Ein Drogenbefund auf Cannabis vom 22. Jänner 2016 war negativ.
III. Rechtslage:
Die im Beschwerdefall maßgebliche Bestimmung des Führerscheingesetzes (FSG) lautet auszugsweise wie folgt:
§ 24
(1) […]
(4) Bestehen Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.
IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG) hat gem Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter im Rahmen des § 27 VwGVG über die zulässige und rechtzeitige Beschwerde erwogen:
1. In ständiger Judikatur vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, Voraussetzung für die Erlassung eines Aufforderungsbescheides nach § 24 Abs 4 FSG seien begründete Bedenken in der Richtung, dass der Inhaber einer Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt. Hiebei gehe es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssten aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Im Zusammenhang mit einem Suchtmittelkonsum des Inhabers einer Lenkberechtigung wäre ein Aufforderungsbescheid rechtens, wenn ausreichende Anhaltspunkte für den Verdacht bestünden, dem Betreffenden fehle infolge Suchtmittelabhängigkeit (oder wegen Fehlens der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung) die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen (VwGH 30.9.2011, 2010/11/0248 uHa 25.5.2004, 2003/11/0310, mwN, 13.12.2005, 2005/11/0191, 27.9.2007, 2006/11/0143, 24.5.2011, 2011/11/0026, mwN).
2. Ebenfalls in ständiger Judikatur vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, wie sich aus § 14 FSG-GV ergebe, berühre ein geringfügiger Suchtmittelgenuss die gesundheitliche Eignung (noch) nicht. Erst dann, wenn der Konsum zu einer Abhängigkeit zu führen geeignet sei oder wenn die Gefahr bestehe, dass die betreffende Person nicht in der Lage sein könnte, den Konsum so weit einzuschränken, dass ihre Fähigkeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht (mehr) beeinträchtigt sei, läge ein Grund vor, unter dem Aspekt eines festgestellten – wenn auch verbotenen – Suchtmittelkonsums die gesundheitliche Eignung begründeterweise in Zweifel zu ziehen (VwGH 30.9.2011, 2010/11/0248 mwN).
3. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich die Auffassung vertreten, dass ein Aufforderungsbescheid nur dann zulässig sei, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung von Seiten der Behörde (nach wie vor) begründete Bedenken bestehen (nochmals VwGH 30.9.2011, 2010/11/0248, sowie 21.9.2010, 2010/11/0105).
4. Vor dem Hintergrund der oben wiedergegeben höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist zunächst festzuhalten, dass der Bf seinen Cannabiskonsum im August 2015 einstellte und seither – soweit aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ersichtlich – keinerlei Cannabis konsumiert hat. Zudem hat der Bf gleichzeitig mit seiner Vorstellung gegen den Mandatsbescheid vom 7. Jänner 2016 einen unbedenklichen Drogenbefund auf Cannabis vom 22. Jänner 2016 vorgelegt. Die belangte Behörde hat keinerlei Ermittlungen dahingehend unternommen, ob zum Zeitpunkt der Erlassung des Aufforderungsbescheides – also über sechs Monate nach dem letzten vom Bf zugestandenen Suchtmittelkonsum – nach wie vor Bedenken an der gesundheitlichen Eignung des Bf bestanden (zu einer vergleichbaren Konstellation vgl jüngst VwGH 26.2.2015, Ra 2014/11/0098).
Mit seinem Vorbringen, die Konsumphase im Frühjahr/Sommer 2015 könne aktuelle Bedenken an der gesundheitlichen Eignung des Bf nicht begründen, ist der Bf im Ergebnis im Recht. Der Bescheid war daher ersatzlos zu beheben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
5. Die – vom Bf beantragte – öffentliche mündliche Verhandlung konnte gem § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der in Beschwerde gezogene Bescheid aufzuheben ist.
6. Aufgrund der Aufhebung des Bescheides erübrigt sich ein gesonderter Abspruch über die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen – in der Entscheidung zitierten – Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Wolfgang Peterseil