LVwG-600913/8/PY/MSt

Linz, 21.04.2016

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin            Dr.in Andrea Panny über die Beschwerde des Herrn H S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt, vom 18. Mai 2015, GZ: VerkR96-1580-2014, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 15. April 2016 folgenden  

B E S C H L U S S

gefasst:

I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z1 VStG iVm § 38 VwGVG eingestellt.

II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keine Kostenbeiträge zum Verwaltungsstrafverfahren zu leisten.

 

 

III. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 18. Mai 2015, GZ: VerkR96-1580-2014, wurde dem Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) wegen Verwaltungsübertretung nach § 11 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 3 lit.a Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960, BGBl. 159/1960 idgF, eine Geldstrafe in Höhe von 80 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 37 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 10 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

 

„Sie haben das genannte Fahrzeug gelenkt und dabei vom linken auf den rechten Fahrstreifen gewechselt, ohne sich davon zu überzeugen, dass dies ohne Gefährdung und Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist, weil Sie diesen Fahrstreifenwechsel so knapp vor dem am rechten Fahrstreifen fahrenden PKW, Kennzeichen: x durchgeführt haben, sodass dieser zum Auslenken nach rechts und zum Abbremsen seines Fahrzeuges gezwungen wurde.

 

Tatort: Gemeinde Fraham, Landesstraße Nr. 134 bei km 2.000

Tatzeit: 24.05.2014, 20:55 Uhr

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt: § 11 Abs. 1 StVO 2006

Fahrzeug: Kennzeichen x, Omnibus, Volvo 9700 H, grün.“

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtsgrundlagen zusammengefasst aus, dass aufgrund der Zeugenaussage des Anzeigers die dem Beschuldigten zur Last gelegte Verwaltungsübertretung als erwiesen anzusehen ist. Entlastungsbeweise konnten nicht vorgebracht werden und geht die Behörde von fahrlässigem Verhalten aus.

 

Abschließend legt die belangte Behörde ihre für die Strafbemessung maßgeblichen Gründe dar.

 

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde vom 22. Mai 2015. Darin führt der Bf zusammengefasst aus, dass er den Aussagen des Zeugen widerspreche, da nach dessen Schilderungen, dass sein Fahrzeug beim Fahrstreifenwechsel auf Höhe „Mitte des Busses“ gewesen ist, dieses im Straßengraben gelandet wäre. Bevor zum Überholmanöver angesetzt wurde, überzeugte sich der Beschuldigte mit einem Blick in den Seitenspiegel und nach vorn, ob nach dem Überholvorgang ein ordnungsgemäßes Einordnen möglich ist. Mit einem ca. 10 bis 15 Meter großen Abstand habe sich der Bf anschließend wieder vor dem überholten Fahrzeug eingeordnet.

 

 

3. Mit Schreiben vom 2. Juni 2015 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsstrafakt dem Oö. Landesverwaltungsgericht vor, das gemäß § 2 VwGVG zur Entscheidung durch seine nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin berufen ist.

 

 

4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht und Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 15. April 2016, an der der Bf als Partei teilnahm. Die belangte Behörde entschuldigte sich für die mündliche Verhandlung. Als Zeuge wurde Herr G K einvernommen.

 

4.1. Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Am 24. Mai 2014 um 20:55 Uhr lenkte der Bf im Gemeindegebiet Fraham auf der L134 den Omnibus Volvo 9700 H, grün, mit dem Kennzeichen x in Richtung Eferding. Als vor ihm auf Höhe Straßenkilometer 2 ein schwach beleuchtetes Fahrzeug erkennbar wurde, versuchte er sich nach seinen Angaben durch kurzes Einschalten des Fernlichtes einen Überblick über die Verkehrssituation zu verschaffen. Aufgrund der geringen Geschwindigkeit des vor ihm fahrenden Fahrzeuges, der übersichtlichen Straßenführung sowie mangels Gegenverkehr führte der Bf einen Überholvorgang durch und ordnete sich anschließend wieder am rechten Fahrstreifen ein.

 

Im Verfahren konnte nicht zweifelsfrei festgestellt werden, dass der Bf am Ende des Überholvorganges beim Wechsel vom linken auf den rechten Fahrstreifen eine Gefährdung und Behinderung des überholten Fahrzeuges durchführte.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt sowie dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 15. April 2016.

 

In dieser gaben sowohl der Bf als auch der einvernommene Zeuge übereinstimmend an, dass die Verkehrssituation zum Vorfallzeitpunkt grundsätzlich einen gefahrlosen Überholvorgang ermöglichte. Den durchaus glaubwürdigen Schilderungen des Bf war zu entnehmen, dass er – aufgrund der eintretenden Dunkelheit sowie der schwachen Beleuchtung des vor ihm befindlichen Fahrzeuges – kurz aufblendete, um sich einen besseren Überblick über die Verkehrssituation zu verschaffen, wobei die Ausführung von akustischen Hupsignalen vom Bf ausdrücklich in Abrede gestellt wurde. Nach seinen Angaben war er weder durch Gegenverkehr noch eine Verkehrsinsel gezwungen, einen vorzeitigen Fahrstreifenwechsel durchzuführen, noch habe er sich durch das überholte Fahrzeug provoziert gefühlt, sondern vielmehr mit ausreichendem Abstand zum überholten Fahrzeug den Spurwechsel durchgeführt.

Der einvernommene Zeuge, der angab, sich noch gut zu erinnern, führte aus, dass sich der Vorfall am späteren Nachmittag ereignet habe.  Auf Nachfrage der Verhandlungsleiterin zur konkreten Uhrzeit führte der Zeuge aus, dass es „zwischen 17.00 und 18.00 Uhr“ gewesen sei, da er seinen nur mit einer 6-Volt-Batterie ausgestatteten Oldtimer grundsätzlich nicht bei Dunkelheit und insgesamt - aufgrund des persönlichen Wertes, den der Wagen für ihn hat - nur sehr vorsichtig lenke. Aus der vorliegenden Anzeige gegen den Bf geht jedoch zweifelsfrei hervor, dass der Vorfall bedeutend später und bereits nach Sonnenuntergang stattfand.

 

Letztlich war es dem Oö. Landesverwaltungsgericht nicht möglich, im Rahmen der mündlichen Verhandlung zweifelsfreie Feststellungen dahingehend zu treffen, dass der Fahrstreifenwechsel des Bf tatsächlich zu einer Gefährdung oder Behinderung des überholten Fahrzeuges geführt hat.

 

 

5. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 11 Abs. 1 StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrtrichtung nur ändern oder den Fahrstreifen wechseln, nachdem er sich davon überzeugt hat, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist.

 

Nach § 99 Abs. 3 lit.a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes, oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist.

 

Gemäß § 45 Abs. 1 Z1 VStG, der gemäß § 38 VwGVG auch im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Anwendung findet, hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

 

Nach Durchführung des Beweisverfahrens verbleiben trotz eingehender Beweiswürdigung Zweifel an der Täterschaft des Bf. Im Hinblick auf die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK, wonach bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld vermutet wird, dass der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist, war daher mangels ausreichender Beweise für einen Schuldspruch des Bf spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

II. Der Kostenausspruch ist in der angeführten gesetzlichen Bestimmung begründet.

 

 

III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

H i n w e i s e

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Entscheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig. Sie erhalten von der genannten Behörde einen aktualisierten Zahlschein zugesandt.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr.in Andrea Panny