LVwG-410960/7/ER – 410961/2
Linz, 12.04.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Elisabeth Reitter über die Beschwerde der 1.) X GmbH und 2.) der Y GmbH, beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. F M, W, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 29. Juli 2015, GZ Pol01-54-2015, wegen einer Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 1. März 2016
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird den Beschwerden stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1. Mit Bescheid vom 29. Juli 2015, Pol01-54-2015, ordnete die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis (im Folgenden: belangte Behörde) die Beschlagnahme eines Geräts mit der Bezeichnung „Afric2Go“ wie folgt an:
„Das anlässlich der Kontrolle am 10.06.2015 um 12:25 Uhr in dem von der Y GmbH betriebenen Lokal ‘L’ (‘B Wettbüro’), J-straße 24, R, von Organen der Finanzpolizei des Finanzamtes Braunau Ried Schärding, vorläufig beschlagnahmte Glücksspielgerät mit der Bezeichnung Afric2go, Seriennummer x, Versiegelungsplaketten Nr. A052594 bis A052599, FA-Gerätenr. 10, mit dem Glücksspiel in Form von verbotenen Ausspielungen durchgeführt wurde, wird zur Sicherung der Einziehung sowie zur Verhinderung der weiteren Begehung bzw. Fortsetzung einer Verwaltungsübertretung nach § 52 Abs. 1 GSpG beschlagnahmt
Rechtsgrundlage: (...)
Begründung:
Am 10.06.2015 wurde an folgendem Standort eine glücksspielpolizeiliche Kontrolle durch nachstehend angeführte Organe der öffentlichen Aufsicht gemäß § 50 Abs. 2 GSpG durchgeführt:
Bezeichnung des Betreibers/der Betreiberin: Y GmbH, S Straße 127, W
Standort: Lokal ‘L’ (bzw. ‘B Wettbüro’), R, J-straße 24
Überwachung durchgeführt von: Finanzpolizei des Finanzamtes Braunau-Ried-Schärding
Bei dieser Kontrolle wurden unter anderem das folgende Glücksspielgerät betriebsbereit und eingeschaltet vorgefunden und vorläufig beschlagnahmt:
Afric2go, Seriennummer x, Versiegelungsplaketten Nr. A052594 bis A052599, FA-Gerätenr. 10.
Die Glücksspieleinrichtung wurden von den Organen der öffentlichen Aufsicht vorläufig beschlagnahmt, versiegelt und mit der FA-Gerätenummer 10 versehen.
Laut Dokumentation der Finanzpolizei handelte es sich bei dem Gerät mit der FA-Nr. 10 um eine Art elektronisches Glücksrad mit Vervielfachungsfaktor mit der Bezeichnung ‘Afric2Go’ und folgender Funktionsweise: ‘Bei dem Gerät steckte ein USB-Stick in der dafür angebrachten Öffnung. Zuerst wurden von den Kontrollbeamten 2x5 Euro Scheine in den Banknoteneinzug gesteckt und nach Drücken der gelben Taste wurden diese Scheine in 10 x 1 Euro Münzen gewechselt. Danach wurde ein Testspiel durchgeführt. Dabei wurde von den Kontrollbeamten 1 x 1 Euro eingeworfen. Daraufhin begann das Gerät zu leuchten (es leuchtete das Display oberhalb des eingesteckten USB-Sticks und am Gerät selbst leuchteten Noten und Zahlen und die rechts am Gerät angebracht Tasten leuchteten auch). Daraufhin wurde von den Kontrollbeamten die rote Taste mit der Aufschrift ‘Musik kopieren/hören’ gedrückt und es begannen der Lichtkranz mit den Zahlen 2, 4, 6, 8 (die Zahlen waren in einem Halbkreis angeordnet - siehe Fotos) und die Zahl 20 (in der Mitte) und die Musiknoten zu blinken. Es wurde neuerlich die rote Taste gedrückt und auf dem Display erschien die Meldung ‘kopierte Musik’, welche auf den bereits am Automaten befindlichen USB-Stick gespeichert wurden => kein Gewinn, jedoch Lied am USB-Stick. Musik wurde fast nicht hörbar abgespielt Es wurde ein weiteres Testspiel am Gerät mit der FA-Nr. 10 durchgeführt. Dabei wurden 4 Euro eingeworfen und am Display erschienen ebenfalls 4 Euro. Es wurde die grüne Taste mit der Beschriftung ‘Rückgabe/Wählen’ gedrückt und der Vervielfachungsfaktor 2 ausgewählt. Danach wurde die rote Taste betätigt, wobei wieder der Lichterkranz wie im Testspiel 1 zu leuchten begann. Nach wiederum ca. 5 Sekunden leuchtete am Gerät ein Notensymbol auf und das Geldguthaben auf dem Display verringerte sich um 2 Euro. Der Vervielfachungsfaktor wurde mittels grüner Taste auf 1 reduziert und es wurden 2 weitere Testspiele durchgeführt, wobei jeweils ein Notensymbol aufleuchtete und kein Gewinn erzielt wurde. Es wurde abermals eine 1 Euro Münze eingeworfen und mittels roter Taste der Lichterkranz in Bewegung gesetzt. Das Licht blieb auf der Zahl 6 stehen und durch das Nachwerfen einer weiteren 1 Euro Münze und Drücken der grünen Taste betrug das Guthaben jetzt 7 Euro. Nach 3-sekündiger Betätigung der grünen Taste wurde das Guthaben von 7 Euro in 7 x 1 Euro Münzen ausgeworfen. Aufgrund der vorgefundenen Aufstellungsart (USB-Sti9ck war von vornherein angesteckt) tritt die ‘Musikboxfunktion’ gänzlich in den Hintergrund. Somit ist erkennbar, dass die Abspielung der Musik bzw. das Herunterladen der Musik (es war der USB-Stick angesteckt, damit dies von Beginn an sofort ausgeschaltet wird und somit nicht vom Kunden vorgenommen werden muss) umgangen werden kann und letztendlich ein Glücksspielgerät mit Glücksradfunktion übrig bleibt. Ob in dem Fall, in dem diese Chance nicht eröffnet wird, ein Musikstück abgespielt wird oder nicht, ist für die Beurteilung, dass das Gerät eine vom Zufall abhängige Gewinnchance bietet, ohne Belang. Da bei Aufleuchten einer Zahl nach Einwurf einer weiteren 1 Euro Münze der Gewinn in der Höhe zwischen 2 Euro und 80 Euro zu realisieren ist, liegt ein aus zwei Teilen bestehendes Spiel vor, dessen Ausgang vom Spieler nicht beeinflusst werden kann: das über einen Gewinn entscheidende Aufleuchten eines Symbols (Zahl) wird vom Gerät selbsttätig herbeigeführt. Der Spieler kann somit zu Beginn des Spiels, das ihm die Gewinnchance bietet, den Ausgang nicht vorhersehen und ihn auch nicht beeinflussen (vgl. VwGH vom 28.06.2011, ZI. 2011/17/0068).
Das Gerät war betriebsbereit aufgestellt und voll funktionsfähig. Dies wurde durch Testspiele an dem Gerät verifiziert. Die Entscheidung über das Spielergebnis hing bei allen Spielen jedenfalls vorwiegend vom Zufall ab.’
Der bei der Kontrolle anwesende Mitarbeiter Herr U Y verweigerte nach rechtlicher Belehrung jede Aussage und Unterschrift. Er gab lediglich an, dass er nur als Angestellter der Firma Y GmbH tätig sei und deshalb ohne Rechtsanwalt auch keinerlei Auskünfte zu den Geräten geben würde.
Mit der Eingabe vom 11.06.2015 gab der Rechtsvertreter Dr, M der Behörde gegenüber bekannt, dass die X GmbH, X, E, Eigentümerin des im Spruch angeführten beschlagnahmten Gerätes sei.
Mit Schreiben vom 01.07.2015, wurde die X GmbH als Eigentümerin des gegenständlichen Gerätes zur Bekanntgabe des Veranstalters des Gerätes aufgefordert.
Dazu erfolgte lediglich die Mitteilung des Rechtsvertreters vom 15.07.2015, dass das GSpG aufgrund der unlängst ergangenen Erkenntnisse (Verweis auf LVwG-410287/42/Gf/Mu vom 29.05.2015) als unionsrechtswidrig einzustufen und das Verfahren aus diesem Grund mit sofortiger Wirkung einzustellen sei.
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus der Bescheinigung über die vorläufige Beschlagnahme, dem Aktenvermerk sowie den ausgefüllten GSp26-Formularen der Finanzpolizei des Finanzamtes Braunau-Ried-Schärding vom 10.06.2015.
Die Behörde hat darüber wie folgt rechtlich erwogen: Die in diesem Fall maßgeblichen Bestimmungen des GSpG sind:(...)
Die Y GmbH, S Straße 127, W, ist aufgrund ihrer Eigenschaft als Betreiberin des Lokals ‘L’ (bzw. ‘B Wettbüro’), J-straße 24, R Inhaberin des gegenständlichen Glücksspielgerätes.
Die X GmbH mit Sitz in X, E;- wurde seitens ihres Rechtsvertreters mit Schreiben vom 11.06.2015 als Eigentümerin des vorläufig beschlagnahmten und im Spruch angeführten Terminals bekannt gegeben.
Der Veranstalter konnte bis zu dieser Entscheidung nicht ermittelt werden und hat sich auch nicht bei der Behörde gemeldet.
Nach den bei der Kontrolle durch die Finanzpolizei getroffenen Feststellungen wurden zumindest vom 09.06.2015 bis zum Zeitpunkt der Beschlagnahme am 10.06.2015, Glücksspiele in Form von verbotenen Ausspielungen mit diesem Gerät durchgeführt und dabei erzielte Gewinne an die Spieler in bar ausbezahlt.
Es handelte sich um ein elektronisches Glücksrad, bei der die Entscheidung über das Spielergebnis stets erst nach der letzten Handlung des Spielers durch das Spielprogramm - also selbsttätig - getroffen wurde. Der Spieler konnte somit den Ausgang weder vorhersehen noch beeinflussen. Auch wenn das gegenständliche Gerät grundsätzlich über eine Musikboxfunktion verfügt, wurde bei der Kontrolle deutlich, dass die Art der Aufstellung des Gerätes mit eingestecktem USB-Stick dazu gedacht war, die Musikboxfunktion zu umgehen um die ebenfalls verfügbaren Glücksspielfunktionen in den Vordergrund zu stellen. Dies konnte im Zuge von mehreren Testspielen auch nachvollzogen werden. Gegenständliche Glücksspieleinrichtung ist somit als Glücksspiel im Sinne des § 1 Abs. 1 GSpG zu qualifizieren.
Ferner wurde festgestellt, dass die mit dem Gerät möglichen Glücksspiele nur gegen Vermögenswerte Einsatzleistung durchgeführt werden konnten, für welche eine Vermögenswerte Leistung in Aussicht gestellt wurde. Schon aus der Art der Durchführung der Spielveranstaltung mittels Glücksspielgeräten in Gewinnerzielungsabsicht ergibt sich, dass selbstständig eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen aus der Durchführung von Glücksspielen ausgeübt wurde, die Ausspielung daher durch einen Unternehmer gem. § 2 Abs 2 GSpG erfolgte.
Die gegenständlichen Glücksspiele wurden somit in Form einer Ausspielung im Sinne des § 2 Abs 1 GSpG durchgeführt.
Die Entscheidung über das Spielergebnis hing somit beim gegenständlichen Gerät ausschließlich vom Zufall ab und ist daher als Glücksspiel iSd § 1 Abs 1 GSpG zu qualifizieren.
Schließlich wurde festgestellt, dass die für die Veranstaltung von derartigen Glücksspielen erforderliche Konzession oder Bewilligung nach dem GSpG nicht vorlag, und dass diese Glücksspiele auch nicht nach § 4 GSpG vom Glücksspielmonopol des Bundes ausgenommen waren.
Die gegenständlichen Glücksspiele wurden somit seit der Inbetriebnahme der Eingriffsgegenstände im gegenständlichen Lokal in Form von verbotenen Ausspielungen durchgeführt, weshalb von den Kontrollorganen die vorläufige Beschlagnahme nach § 53 Abs 2 GSpG verfügt wurde.
Der gegenständliche, vorläufig beschlagnahmte Eingriffsgegenstand stellt einen Eingriff in das Glücksspielmonopol des Bundes im Sinne des § 53 Abs. 1 GSpG dar, für den die Einziehung nach § 54 Abs 1 GSpG zwingend vorgesehen ist, und bei dem aufgrund der festgestellten Betriebsdauer der hinreichend begründete Verdacht gerechtfertigt vorliegt, dass damit fortgesetzt gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG verstoßen wird bzw. wurde.
Die im § 53 Abs. 1 Z. 1 lit. a GSpG bestimmten Voraussetzungen für die Anordnung der Beschlagnahme durch die Behörde waren aufgrund der Versiegelung des Eingriffsgegenstandes durch die Kontrollorgane und wegen des ausgesprochenen Verfügungsverbotes nach wie vor gegeben.
Die Beschlagnahmemaßnahme bezweckt, die weitere Begehung des Verstoßes gegen einen oder mehrere Bestimmungen des §52 Abs. 1 GSpG zu unterbinden und ist zulässig, wenn mit dem betreffenden Gegenstand in der Vergangenheit fortgesetzt gegen das Glücksspielgesetz verstoßen wurde bzw. wenn ein entsprechender Verdacht vorliegt (VwGH 20.12.1999, Zlen. 97/17/0233, 94/17/0309).
Da diese Voraussetzungen des Verdachtes einer Übertretung des § 52 Abs. 1 GSpG aufgrund der obigen Ausführungen unverändert vorliegen, war spruchgemäß zu entscheiden.“
I.2. Gegen diesen Bescheid richten sich die rechtzeitigen Beschwerden der X GmbH (im Folgenden: Erst-Bf) und der Y GmbH (im Folgenden: Zweit-Bf), in denen beantragt wurde, den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben und das Beschlagnahmeverfahren einzustellen und jedenfalls eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Begründend wurde ausgeführt, der angefochtene Bescheid leide an Rechtswidrigkeit seines Inhalts, es seien Verfahrensfehler unterlaufen, die belangte Behörde sei unzuständig gewesen, es liege Aktenwidrigkeit vor, der Bescheid sei ergänzungsbedürftig, die rechtliche Beurteilung sei unrichtig, es mangle den Bf an Schuld und die Strafe sei zu hoch.
I.3. Mit Schreiben vom 7. September 2015 legte die belangte Behörde dem Oö. Landesverwaltungsgericht die Beschwerden samt dem bezughabenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor. Eine Beschwerdevorentscheidung wurde nicht erlassen.
Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt, die ergänzend beigeschafften Gutachten des gerichtlich beeideten Sachverständigen F M vom 11. Februar 2013, sowie des gerichtlich beeideten Sachverständigen Mag. M S vom 8. August 2013, sowie in das Schreiben des Amtes der Oö. Landesregierung, Direktion Inneres und Kommunales vom 7. März 2013. Ferner fand am 1. März 2016 eine öffentliche mündliche Verhandlung statt.
I.4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht von folgendem S a c h v e r h a l t aus:
Anlässlich einer von den Organen der Abgabenbehörde am 10. Juni 2015 um 12:25 Uhr in R, J-straße 24, im Lokal mit der Bezeichnung „L“ („Beschwerdeführer Wettbüro“) durchgeführten finanzpolizeilichen Kontrolle wurde das Gerät mit der FA-Nr 10 mit der Bezeichnung "afric2go" und der Seriennummer x betriebsbereit vorgefunden und in der Folge vorläufig beschlagnahmt. Das Gerät befindet sich im Eigentum der Erst-Bf, die Zweit-Bf ist Inhaberin.
Beim gegenständlichen Gerät mit der Gehäusebezeichnung "afric2go" handelt es sich um ein Gerät, welches unter anderem für Geldwechselzwecke verwendet werden kann. Auf dem Gerät befinden sich eine rote und eine grüne Taste. Mittels Drücken der grünen Taste kann zunächst zwischen Stufe 1, 2 und 4 gewechselt werden. Durch Einwerfen von Münzen oder Einführen von Banknoten in den Banknoteneinzug kommt es zur Anzeige eines entsprechenden Guthabens auf dem Kreditdisplay. Durch erneutes Drücken der grünen Taste kann das Guthaben in 1 Euro oder 2 Euro Münzen gewechselt werden.
Durch Drücken der roten Taste können jedoch – abhängig vom gewählten Multiplikator (der gewählten Stufe) – 1, 2 oder 4 (je nach Stufe) Lieder am Automaten angehört oder auf einen USB-Stick, welcher am Automaten angeschlossen war, kopiert werden. Wird die rote Taste bei Stufe 1 gedrückt, so verringert sich der Kreditstand um einen Euro, bei gewählter Stufe 2 verringert sich der Kreditstand um 2 Euro, bei gewählter Stufe 4 um 4 Euro.
Während des Anhörens oder Kopierens der Musik, also bereits aufgrund des Drückens der roten Taste, kommt es automatisch zur Aktivierung eines zufallsabhängigen Bonussystems am Gerät, bei dem der Beleuchtungsumlauf in den Zahlenfeldern und Notensymbolen in der Gerätemitte ausgelöst wird.
Sofern am Ende des vom Kunden nicht beeinflussbaren Beleuchtungsumlaufs ein Zahlenfeld beleuchtet bleibt, bleibt ein Guthaben auf dem Anzeigedisplay stehen, welches dem Kredit zugezählt werden kann. Das aktivierte zufallsabhängige Bonussystem ermöglicht in der Stufe 1 einen Bonus (ein weiteres Guthaben) von 2/4/6/8 oder 20, in Stufe 2 einen Bonus (ein weiteres Guthaben) in doppelter Höhe und in der Stufe 4 in vierfacher Höhe. Durch Drücken der grünen Taste kann der Kredit inklusive eines allfällig erzielten Bonus ausgeworfen werden.
II. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem vorgelegten Verwaltungsakt – insbesondere der Fotodokumentation und dem GSP26 Formular – und der Aussage des in der öffentlichen mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen, der als Kontrollorgan bei der gegenständlichen Kontrolle anwesend war. Der Zeuge erörterte den Spielablauf glaubhaft und detailreich entsprechend seiner Wahrnehmung.
III. Gemäß § 53 Abs 1 Z 1 lit a Glücksspielgesetz – GSpG, BGBl 620/1989, zuletzt geändert durch BGBl I 13/2014, kann die Behörde die Beschlagnahme von Glücksspielautomaten, sonstigen Eingriffsgegenständen und technischen Hilfsmitteln anordnen, und zwar sowohl wenn der Verfall als auch wenn die Einziehung vorgesehen ist, wenn der Verdacht besteht, dass mit Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen, mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, fortgesetzt gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG verstoßen wird.
Gemäß § 54 Abs 1 GSpG sind Gegenstände, mit denen gegen Bestimmungen des § 52 Abs 1 leg cit verstoßen wird, zur Verhinderung weiterer Verwaltungsübertretungen nach den Bestimmungen des § 52 Abs 1 leg cit einzuziehen, es sei denn, der Verstoß war geringfügig.
Gemäß § 52 Abs 4 letzter Satz GSpG unterliegen Gegenstände, mit deren Hilfe eine verbotene Ausspielung iSd § 2 Abs 4 GSpG durchgeführt oder auf andere Weise in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, sofern sie nicht gemäß § 54 leg cit einzuziehen sind, dem Verfall.
Gemäß § 52 Abs 1 Z 1 GSpG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe zu bestrafen, "wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs 4 veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des
§ 2 Abs 2 daran beteiligt".
§ 52 Abs 3 GSpG lautet: Ist durch eine Tat sowohl der Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach § 52 als auch der Tatbestand des § 168 StGB verwirklicht, so ist nur nach den Verwaltungsstrafbestimmungen des § 52 zu bestrafen.
Gemäß § 1 Abs 1 GSpG ist ein Glücksspiel im Sinne dieses Bundesgesetzes ein Spiel, bei dem die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt.
Gemäß § 2 Abs 1 GSpG sind Ausspielungen Glücksspiele,
1. die ein Unternehmer veranstaltet, organisiert, anbietet oder zugänglich macht und
2. bei denen Spieler oder andere eine vermögenswerte Leistung in Zusammenhang mit der Teilnahme am Glücksspiel erbringen (Einsatz) und
3. bei denen vom Unternehmer, von Spielern oder von anderen eine vermögenswerte Leistung in Aussicht gestellt wird (Gewinn).
Gemäß § 2 Abs 4 GSpG sind Ausspielungen, für die eine Konzession oder Bewilligung nach diesem Bundesgesetz nicht erteilt wurde und die nicht vom Glücksspielmonopol des Bundes gemäß § 4 ausgenommen sind, verboten.
IV. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:
IV.1. Anders als in einem allfälligen Strafverfahren, bei dem naturgemäß ein umfassendes, verdichtetes Ermittlungsverfahren zu einem abschließenden und unzweifelhaften Ermittlungsergebnis führen muss, erschöpft sich die Ermittlungspflicht im Rahmen eines Beschlagnahmeverfahrens nach § 53 Abs 1 GSpG im Nachweis eines Verdachts eines GSpG-Verstoßes.
IV.1.1. Aus dem Schreiben des Amtes der Oö. Landesregierung, Direktion Inneres und Kommunales, vom 7. März 2013 geht hervor, dass der Leiter der Stabsstelle Finanzpolizei im Finanzministerium mit Stellungnahme vom
28. Februar 2013 mitgeteilt hat, dass das Gerät mit der Bezeichnung "afric2go" als Musikautomat einzustufen sei, wenn es so wie im aktenkundigen Gutachten des gerichtlich beeideten Sachverständigen F M vom 11. Februar 2013 betrieben wird.
Nach diesem Gutachten liegt beim "afric2go" ein mehrstufiger Dienstleistungsautomat vor. Er kann als Geldwechsler oder als Musikautomat verwendet werden. Im Gerät sind 121 nummerierte Titel afrikanischer Musik gespeichert, an denen die afric2go GmbH die Rechte zur Veröffentlichung hat und die periodisch erneuert werden, um laufend ein attraktives Musikprogramm zu bieten. Die Musiktitel werden in akzeptabler Qualität abgespielt, dauern drei bis fünf Minuten und können nicht unterbrochen oder abgebrochen werden. Folgender Ablauf der wesentlichen Funktionen wird im Gutachten beschrieben:
Durch die Betätigung der grünen "Rückgabe/Wählen" Taste kann die Stufe 1 (ein Lied) oder Stufe 2 (zwei Lieder) gewählt werden. Mittels Münzeingabe oder des Banknoteneinzuges muss ein Guthaben auf dem Kreditdisplay hergestellt werden. Durch Drücken der roten "Musik kopieren/hören" Taste können die Musiktitel gespielt werden. Der Preis für ein Musikstück beträgt je 1 Euro. Zur Auswahl können die im Gerät gespeicherten Musiktitel, die im linken Display am Gerät angezeigt werden, durch kurzes Drücken der roten "Musik hören/kopieren" Taste hintereinander aufgerufen werden und danach ist die Wahl durch langes Drücken dieser Taste zu bestätigen. Bei Stufe 2 erfolgt die Auswahl der Musiktitel analog in zwei Stufen. Dies stellt auch die Auswahl des Einsatzes von 1 Euro oder 2 Euro dar.
Abhängig von der gewählten Stufe (Multiplikator) können in weiterer Folge 1 oder 2 Lieder angehört werden. Alternativ besteht die Möglichkeit zum Download der Musikstücke (als mp3-Datei) mit einem gratis zur Verfügung gestellten USB-Stick, der zu Beginn am USB 2.0 Steckplatz unter dem Display zur Liederanzeige angesteckt werden muss. In diesem Fall erfolgt ein Download auf den USB-Stick durch Drücken der roten "Musik hören/kopieren" Taste.
Mit dem jeweiligen Drücken der roten Taste zum Abspielen oder Kopieren eines Musiktitels wird ein Zufallsgenerator aktiviert, der zu einem vom Spieler nicht beeinflussbaren Beleuchtungsumlauf führt, wobei ein allfällig erlangter Bonus durch Aufleuchten eines entsprechenden Zahlensymbolfeldes (2/4/6/8/20) sowie der Displayanzeige "Rabatt" mit Angabe der Zahl im Anzeigedisplay für Musiktitel ersichtlich ist. Durch Drücken einer beliebigen Taste wird der angezeigte "Rabatt" dem Kredit zugezählt.
Ein Kreditguthaben inklusive eines allfällig erzielten "Rabattes" kann jederzeit durch Drücken der grünen "Rückgabe/Wählen"-Taste in Münzen und durch Drücken der orangen Wechseltaste in 10-Euro Banknoten ausgeworfen werden.
Nach der schlüssigen Ansicht des Gutachters handelt es sich um einen Dienstleistungsautomat für Geldwechselzwecke und zur Musikunterhaltung bzw für den Musikdownload gegen Entgelt. Das im Modus Musikunterhaltung integrierte zufallsabhängige Gewinnspiel erfordert keine zusätzliche vermögenswerte Leistung, weshalb keine Verlustsituation beim Kunden eintreten kann, der für einen Euro jeweils ein Musikstück erhält.
IV.1.2. Das verfahrensgegenständliche Gerät deckt sich sowohl betreffend sein äußeres Erscheinungsbild als auch hinsichtlich seiner Funktionen mit dem im Gutachten beschriebenen Gerätetyp. Aufgrund der Beschreibung der Finanzpolizei, insbesondere im GSP26-Formular, in der Fotodokumentation, dem Aktenvermerk und der Beschreibung des Spielablaufs des Kontrollorgans in der öffentlichen mündlichen Verhandlung besteht an der Gleichartigkeit der Funktion und Ausstattung des verfahrensgegenständlichen Geräts (vgl dazu die Feststellungen unter Punkt I.4.) mit jenen im zitierten Basisgutachten dargestellten Geräten mit der Gehäusebezeichnung "afric2go" kein Zweifel.
Dass im vorliegenden Fall zusätzlich der Vervielfältigungsfaktor 4 angeboten wurde, ändert nichts an der beschriebenen Funktionsweise, da dadurch lediglich ein weiterer Multiplikator angeboten wurde, der aber an der grundsätzlichen Funktionsweise des Geräts nichts ändert.
Zumal nachweislich zumindest ein USB-Stick vorhanden war, wurde den Kunden damit zweifelsfrei die Möglichkeit geboten, diesen gratis zu nutzen, um die erworbenen digitalen Musikstücke zu speichern. Dass der USB-Stick am Gerät bereits vorhanden war und dadurch das Abspielen der erworbenen Lieder durch deren Download auf den vorhandenen Stick ersetzt wurde, widerspricht nicht den Ausführungen des Gutachtens, zumal darin ausdrücklich festgehalten wird, dass die Musiktitel optional abgespielt oder auf einen USB-Stick gespeichert werden können. Unter Punkt 2.5. des Gutachtens wird ausgeführt, dass der Kunde, wenn er vor Ort keine Lieder hören will, die Möglichkeit hat, diese auf einen USB-Stick zu speichern. Die Wahrnehmung der Finanzpolizei, dass ein USB-Stick am Gerät angesteckt war, widerspricht somit nicht der Funktionsweise des begutachteten Geräts und lässt keine Rückschlüsse darauf zu, dass dadurch „die Musikboxfunktion gänzlich in den Hintergrund“ getreten sei.
An der Gleichartigkeit des verfahrensgegenständlichen Geräts, mit dem im Gutachten beschriebenen, besteht für das Oö. Landesverwaltungsgericht somit kein Zweifel.
IV.2.1. In einem Gutachten des gerichtlich beeideten Sachverständigen Mag. M S vom 8. August 2013 wird die Frage behandelt, ob der Verkauf eines Musikstückes in digitaler Form (mp3-Dateien) zum Preis von einem Euro an Endkonsumenten als marktüblich anzusehen ist. Nach Auswertung der Angebote von fünf Musikhändlern im Internet ergaben sich meist Preise von 0,99 oder 1,29 Euro pro Musiktitel. Die Preise verschiedener Musikgenres unterscheiden sich dabei im Allgemeinen nicht. Kürzlich erschienene und populäre Musiktitel seien tendenziell etwas teurer. Im Ergebnis hielt der Gutachter den Verkauf eines Musiktitels in digitaler Form an den Endkonsumenten um 1 Euro für marktüblich, was – insbesondere aufgrund der Auswertung der Angebote von mehreren Musikhändlern im Internet – plausibel erscheint.
IV.2.2. Auch wenn am verfahrensgegenständlichen Gerät "afric2go" das Ergebnis des glücksradähnlichen Beleuchtungsumlaufes, der mit jeder Wahl eines Musiktitels gestartet wird, vom Zufall abhängt, muss noch nicht zwingend ein Glücksspielgerät vorliegen. Denn Glücksspiele iSd § 1 Abs 1 GSpG liegen nicht vor, wenn – im Unterschied zu den Fun Wechslern in der bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs – angenommen werden kann, dass mit der Zahlung eines Euros nicht gleichzeitig auch ein Einsatz für eine Gewinnchance geleistet wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Geräten vom Typ Fun Wechsler in seiner Judikatur (vgl etwa VwGH 28.06.2011, 2011/17/0068) ausgeführt, dass nach den Feststellungen zum Spielverlauf das Gerät für einen Einsatz von 1 Euro eine Gewinnchance bot. Durch den Einwurf (bzw das Belassen im Gerät nach Gebrauch der Geldwechselfunktion) von einer bzw mehreren Euro-Münzen und Abspielen eines Musikstückes, was zum Verlust eines Euros führte, und durch den damit verbundenen automatischen Start des Beleuchtungsumlaufes bzw Lichtkranzlaufes erwarb der Spieler die Chance, beim Aufleuchten eines Zahlen- oder Betragssymbols nach neuerlicher Einsatzleistung durch Betätigen der roten Taste den angezeigten Betrag und damit einen Gewinn zu realisieren.
Im Unterschied zu Geräten vom Typ Fun Wechsler wird das Entgelt von 1 Euro beim "afric2go" tatsächlich für den Erwerb eines Musiktitels entrichtet, der als adäquate Gegenleistung anzusehen ist. Der mit dem Erwerb eines Musiktitels verbundene zufallsabhängige Beleuchtungsumlauf ist daher als Gewinnspiel anzusehen, für das der Kunde keinen Einsatz leisten muss, weshalb auch keine Verlustsituation eintreten kann. Dass dies beim gegenständlichen Gerät nicht anders war, geht eindeutig aus der Aussage des Zeugen sowie aus der Fotodokumentation hervor. Beim letzten Testspiel mit dem verfahrensgegenständlichen Gerät wurde – nach Speichern eines Liedes auf dem USB-Stick gegen den Einsatz des letzten, auf dem Guthaben verbliebenen Euros – der Beleuchtungsumlauf aktiviert, der auf der Zahl 6 zu stehen kam. Das Kontrollorgan warf erneut einen Euro in das Gerät ein und konnte durch Drücken der grünen Taste diesen nachträglich eingeworfenen Euro samt dem Gewinn von sechs Euro (insgesamt somit sieben Euro) ausbezahlen lassen.
Das gegenständliche Gerät entspricht somit auch in diesem Punkt dem Gutachten.
Insgesamt ist in Bezug auf das Gerät mit der FA-Nr 10 "afric2go" davon auszugehen, dass insbesondere durch die Möglichkeit des Herunterladens von Musikstücken ein angemessenes Wertäquivalent für die Leistung von 1 Euro vorhanden ist und daher keine Einsatzleistung für ein Glücksspiel vorliegt. Denn der Kunde kann vergleichbar mit gängigen sonstigen "Downloadportalen" (iTunes, Amazon, etc.) Musik erwerben und diese auch für private Zwecke weiter verwenden. Für den automatischen Beleuchtungsumlauf bzw Lichtkranzlauf wird vom Kunden kein Einsatz mehr geleistet. Insofern ist in Anlehnung an die Rechtsansicht der dem Finanzministerium zurechenbaren Stabstelle der Finanzpolizei davon auszugehen, dass mit dem verfahrensgegenständlichen Gerät keine Ausspielungen iSd § 2 GSpG stattgefunden haben (vgl Schreiben des Amtes der Oö. Landesregierung unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Leiters der Stabstelle der Finanzpolizei, Gutachten von Herrn Mag. M S, Gutachten von Herrn F M).
V. Im Ergebnis war daher den Beschwerden stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben, da das verfahrensgegenständliche Gerät den zitierten Gutachten entspricht und somit in Anlehnung an die Rechtsansicht der Stabstelle der Finanzpolizei davon auszugehen ist, dass keine Ausspielungen stattgefunden haben.
VI. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil zur Frage der Einstufung des sog. Unterhaltungsgerätes mit der Bezeichnung "afric2go" – Musikautomat in glücksspielrechtlicher Hinsicht noch keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs existiert.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Elisabeth Reitter