LVwG-300826/4/Kl/Rd
Linz, 19.04.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Ilse Klempt über die auf das Strafausmaß beschränkte Beschwerde des Herrn M. I., vertreten durch Rechtsanwalt Mag. N. L., x, T., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 22. September 2015, Ge96-47-2015/DJ, wegen mehrerer Verwaltungsübertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG iVm der Bauarbeiterschutzverordnung – BauV,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde insofern Folge gegeben, als sowohl die Geld- als auch die Ersatzfreiheitsstrafen wie folgt festgesetzt werden:
Faktum 1: 900 Euro, EFS: 30 Stunden
Faktum 2: 200 Euro, EFS: 8 Stunden
Faktum 3: 400 Euro, EFS: 15 Stunden
II. Der Kostenbeitrag zum behördlichen Verwaltungsstrafverfahren wird mit insgesamt 150 Euro (10 % der nunmehr verhängten Geldstrafen) bestimmt. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Beschwerdeverfahren.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 22. September 2015, Ge96-47-2015/DJ, wurden über den Beschwerdeführer Geldstrafen von 1.300 Euro, EFS zwei Tage (Faktum 1), 330 Euro, 10 Stunden (Faktum 2) und 600 Euro, EFS 20 Stunden (Faktum 3), gemäß § 130 Abs. 5 Z1 iVm § 118 Abs. 3 ASchG iVm § 55 Abs. 2 1. Satz BauV (Faktum 1), § 130 Abs. 5 Z1 iVm § 118 Abs. 3 ASchG iVm § 67 Abs. 3 BauV (Faktum 2) und § 130 Abs. 5 Z1 iVm § 118 Abs. 3 ASchG iVm § 58 Abs. 2a 1. Satz BauV (Faktum 3) verhängt, weil er als zur Vertretung nach außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher gemäß § 9 Abs. 1 VStG der Arbeitgeberin I. GmbH (FNr. x), Geschäftsanschrift: P., x, folgende Übertretungen der Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) zu verantworten hat:
Der Arbeitsinspektor Dipl.-Ing. A. H. hat bei einer Baustellenüberprüfung am
26. März 2015 festgestellt, dass am 26. März 2015 zwei Arbeitnehmer der I. GmbH, x, P., auf einem 4-feldrigen Bockgerüst für Verputzarbeiten der Westseite des Sportstättengebäudes, x, H., beschäftigt waren, wobei das Bockgerüst folgende Mängel aufwies:
1) Bei dem 4-feldrigen Bockgerüst wurden bei zwei Auflagern für den Gerüstbelag anstelle von Holzböcken je zwei übereinander gelegte Styroporpakete verwendet.
Dadurch wurde § 55 Abs. 2 1. Satz BauV übertreten, wonach für Gerüste nur einwandfreie Gerüstbauteile verwendet werden dürfen. Styroporpakete stellen keinen Gerüstbauteil dar.
2) Bei 3 der 4 Gerüstfelder des Bockgerüstes betrug der Abstand der Böcke voneinander ca. 3,0 m.
Dadurch wurde § 67 Abs. 3 BauV übertreten, wonach bei einem Bockgerüst der Abstand der Böcke voneinander höchstens 2,0 m betragen darf.
3) Die Gerüstlagen des Bockgerüstes bestanden bei 3 Gerüstfeldern aus jeweils 2 Pfosten mit einer Gesamtbreite von ca. 50 cm und bei einem Gerüstfeld nur aus einem Pfosten mit einer Breite von ca. 25 cm.
Dadurch wurde § 58 Abs. 2a, 1. Satz BauV übertreten, wonach Gerüstlagen mindestens 60 cm breit sein müssen.
2. Dagegen wurde fristgerecht eine auf das Strafausmaß beschränkte Beschwerde eingebracht und darin die Herabsetzung der verhängten Geldstrafen beantragt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der vorgehaltene Sachverhalt zugestanden werde. Bei der Strafbemessung sei die Behörde von einem monatlichen Nettoeinkommen von 4.000 Euro ausgegangen. Tatsächlich verfüge der Beschwerdeführer lediglich über ein monatliches Einkommen von 2.000 Euro (sh Einkommensbescheid 2013 sowie Gehaltsbestätigungen für August und September 2015). Überdies sei er für zwei Kinder sorgepflichtig. Angesichts des Einkommens seien die im angefochtenen Straferkenntnis verhängten Geldstrafen deutlich überhöht.
3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als belangte Behörde hat die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Oö. Landesverwaltungsgericht vorgelegt. Das Arbeitsinspektorat Linz wurde am Verfahren beteiligt und äußerte sich mit Schreiben vom 30. Oktober 2015 dahingehend, dass das aufgebaute "Bockgerüst" jeglicher fachlicher Grundkenntnis bezüglich Gerüstbau widersprochen habe. Falls jedoch Unbescholtenheit vorliege und aufgrund der geringen Absturzhöhe (wobei auch eine geringe Absturzhöhe einen schweren Arbeitsunfall nach sich ziehen kann) könne aus Sicht der Arbeitsinspektion einer geringfügigen Strafherabsetzung zugestimmt werden.
4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Aufgrund des klaren Sachverhaltes und der vorgelegten Einkommensnachweise erschien die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht geboten.
5. Hierüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erwogen:
5.1. Zumal das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich gemäß § 9 VwGVG an die vom Beschwerdeführer angegebenen Beschwerdepunkte gebunden ist und gegenständlich ausschließlich die Strafbemessung in Beschwerde gezogen wurde, war auf den Tatvorwurf dem Grunde nach nicht einzugehen.
5.2.1. Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 166 Euro bis 8.324 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 333 Euro bis 16.659 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt. Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.
5.2.2. Gemäß § 19 Abs.1 VStG idF BGBl. I Nr. 33/2013, in Geltung ab 1. Juli 2013, sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.
Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.
5.2.3. Die Bestimmungen des ASchG bzw. der auf ihrer Grundlage erlassenen Verordnungen haben den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer zum Ziel und sind daher entsprechende Verstöße mit einem besonderen Unrechtsgehalt der Tat behaftet, weil hierdurch genau jene Gefährdungen herbeigeführt werden, denen die genannten Bestimmungen entgegenwirken sollen.
5.2.4. Von der belangten Behörde wurden im angefochtenen Straferkenntnis über den Beschwerdeführer Geldstrafen von 1.300 Euro (Faktum 1), 330 Euro (Faktum 2) und 600 Euro (Faktum 3), verhängt. Der Strafrahmen für die zur Last gelegten Übertretungen reicht von 166 Euro bis 8.324 Euro. Strafmildernd wurde von der belangten Behörde kein Umstand, straferschwerend einschlägige Verwaltungsstrafvormerkungen gewertet. Die belangte Behörde hat ihrer Strafbemessung ein monatliches Nettoeinkommen von 4.000 Euro sowie keine Sorgepflichten zugrunde gelegt. Die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers wurden in der Beschwerde dahingehend klargestellt und nachgewiesen, dass er über ein monatliches Einkommen von 2.000 Euro verfügt sowie sorgepflichtig für zwei Kinder ist.
5.2.5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat die nachgewiesenen geringeren Einkommensverhältnisse sowie die Sorgepflicht für zwei Kinder und den Umstand, dass bei den als erschwerend gewerteten Vormerkungen die Tilgungsfrist iSd § 55 Abs.1 VStG in absehbarer Zeit endet und sich der Beschwerdeführer seither wohlverhalten hat, zum Anlass genommen, die verhängten Geldstrafen auf das nunmehrige Ausmaß herabzusetzen, zumal diese tat- und schuldangemessen erscheinen und noch geeignet sind, den Beschwerdeführer künftighin zur Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu bewegen. Bei einer neuerlichen Begehung wird der Beschwerdeführer allerdings mit einer empfindlicheren Geldstrafe zu rechnen haben. Aufgrund der doch bescheidenen Einkommensverhältnisse des Beschwerdeführers sowie des doch eher geringen Gefahrenpotentials stimmte auch das Arbeitsinspektorat Linz einer angemessenen Herabsetzung der verhängten Geldstrafen zu.
5.2.6. Einer Anwendung des § 20 VStG konnte seitens des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich nicht näher getreten werden, da hierfür die Voraussetzungen, insbesondere ein beträchtliches Überwiegen der Milderungsgründe – dem Beschwerdeführer kam die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit nicht mehr zugute – nicht vorlagen.
Gemäß § 45 Abs.1 Z4 VStG hat die Behörde von der Einleitung und Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind. Diese kumulativen Voraussetzungen wurden durch den Beschwerdeführer nicht erfüllt. Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten. Die Voraussetzungen zur Erteilung einer Ermahnung liegen gegenständlich nicht vor, schon gar nicht jene zur Einstellung des Verfahrens.
II. Weil die Beschwerde Erfolg hatte, entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Beschwerdeverfahren gemäß § 52 Abs.8 VwGVG. Der Kostenbeitrag zum behördlichen Verwaltungsstrafverfahren war entsprechend herabzusetzen (§ 64 Abs.1 und 2 VStG).
III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
H i n w e i s
Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Entscheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig. Sie erhalten von der genannten Behörde einen aktualisierten Zahlschein zugesandt.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Ilse Klempt