LVwG-601231/16/SCH/HK

Linz, 13.04.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Schön über die Beschwerde der Frau S N (vormals J), vertreten durch K-G, Rechtsanwälte GmbH, Rechtsanwalt Dr. A L, vom 28. Jänner 2016  gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 30. Dezember 2015, GZ. VerkR96-5844-2015-Vku, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 7. April 2016

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 50 VwGVG  wird die Beschwerde abgewiesen und das Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass der Spruch wie folgt ergänzt wird:

„...Ihre Fahrgeschwindigkeit von ca. 80 km/h nicht rechtzeitig reduzierten...“.

 

II.      Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat die Beschwerdeführerin einen Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren in der Höhe von 40 Euro (20% der verhängten Geldstrafe) zu leisten.

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision der Beschwerdeführerin an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4   B-VG unzulässig.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

Zu I.

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat mit Straferkenntnis vom 30.12.2015 über Frau  S J (nunmehr verehelichte N) H, B, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 eine Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Im Spruch des Straferkenntnisses heißt es:

Sie haben als Lenker des Fahrzeuges Ihre Fahrgeschwindigkeit nicht den gegebenen oder durch Straßenverkehrszeichen angekündigten Umständen, insbesondere den Verkehrsverhältnissen nicht angepasst, da Sie sich obwohl Sie sich eines langsam nach links einbiegenden Fahrzeuges näherten, Ihre Fahrgeschwindigkeit nicht rechtzeitig reduzierten, so dass es trotz Ausweichmanöver zur Kollision kam.

Tatort: Gemeinde St. Georgen am Fillmannsbach, Landesstraße Freiland, aus Richtung Eggelsberg, kommend, Richtung Braunau, nächst Angern x, B 156, ca. bei km 42.823, Höhe Zufahrt zu den Häusern Angern x, x und x. Tatzeit: 31.07.2015, 17:50 Uhr.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt: § 20 Abs. 1 StVO

Fahrzeug:

Kennzeichen BR-x, PKW, VW Polo, blau

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:

 

Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, gemäß

Ersatzfreiheitsstrafe von

 

200,00 Euro 96 Stunden § 99 Abs. 3 lit. a StVO

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

20,00 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe, mindestens jedoch 10,00 Euro (ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100,00 Euro);

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 220,00 Euro.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat die Beschwerdeführerin durch ihre rechtsfreundliche Vertretung rechtzeitig Beschwerde erhoben. Die Beschwerde ist von der belangten Behörde samt Verfahrensakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt worden. Diese hatte gemäß § 2 VwGVG durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richter zu erfolgen.

Am 7. April 2016 wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung abgeführt, an der die Beschwerdeführerin mit ihrem Rechtsvertreter, zwei Zeugen und ein verkehrstechnischer Amtssachverständiger teilgenommen haben.

 

3. Am 31. Juli 2015 kam es an der oben näher umschriebenen Örtlichkeit unbestrittenerweise zu einem Verkehrsunfall dergestalt, dass die Beschwerdeführerin als Lenkerin eines PKW in einem Kreuzungsbereich mit dem Fahrzeug einer vorausfahrenden PKW-Lenkerin kollidierte. Die letztgenannte Lenkerin hatte beabsichtigt, an dieser Kreuzung nach links abzubiegen, die Beschwerdeführerin wollte dieses Fahrzeug überholen oder hatte den Fahrstreifen nach links gewechselt, um einen Auffahrunfall zu verhindern. Im Zuge des Behörden- bzw. Beschwerdeverfahrens hat die Rechtsmittelwerberin beide Varianten angegeben, ist also nicht durchgängig bei einem bestimmten Grund für ihr Fahrmanöver verblieben.

 

4. Die bei der Beschwerdeverhandlung zeugenschaftlich vernommene Zweitbeteiligte hat zum Sachverhalt Folgendes ausgeführt:

 

„Ich kann mich an den heute abzuhandelnden Vorfall noch erinnern. Am Vorfallstag hatte ich meine Mutter nach Feldkirchen in die Werkstatt gefahren gehabt. Danach bin ich nach Hause gefahren. Hiebei benutzte ich die B156. Meine Mutter hatte ihr Fahrzeug in der Werkstatt gehabt. Bei der Rückfahrt nach Hause benutze ich die schon erwähnte B156. Ich war damals alleine im Fahrzeug.

Ich wollte in der Folge dann in die Ortschaft Angern einbiegen, ich wohne nämlich auf Nummer x. Ich betätige den Blinker zu diesem Zweck etwa auf Höhe des Hauses der Familie R, die Entfernung vom Betätigen des Blinkers bei dem erwähnten Haus bis zum Kreuzungsbereich würde ich mit etwa 150 Metern angeben. Ich tue mich hier aber etwas schwer beim Schätzen.

Wenn mir heute am Bildschirm des Laptops des Sachverständigen ein Orthofoto gezeigt wird, so kann ich heute das Haus der Familie R entdecken.

Ich blickte auch in den Rückspiegel, da fiel mir aber nichts Ungewöhnliches auf.

Ich hatte ein Auto hinter mir wahrgenommen, das war aber nichts Ungewöhnliches, ich erinnere mich noch, dass das Auto voll besetzt war.

Nach Betätigen des Blinkers ging ich dann vom Gas herunter. In der Folge stieg ich auch noch auf die Bremse, dies geschah auf Höhe der Einfahrt zum „Ölberg“. Auch diese Stelle kann ich heute am Bildschirm des Sachverständigen nachvollziehen. Da begann ich mit dem Bremsmanöver. Diese Zufahrtsstraße geht nach rechts und befindet sich noch einige Meter davor, Genaueres kann ich aber nicht sagen.

Ich wollte zum Abbiegen dann nach links in Richtung Angern eine Fahrgeschwindigkeit von etwa 25 km/h erreichen. Vorher bin ich ca. 80 bis 90 km/h gefahren.

Ein Abbiegevorgang nach Angern ist mit einer Fahrgeschwindigkeit wesentlich über die von mir erwähnten 25 km/h meines Erachtens nicht möglich.

Ich blickte vor dem Abbiegevorgang nochmals in den Rückspiegel und ordnete mich ein. Auch zu diesem Zeitpunkt sah ich nichts Auffälliges. Daraufhin setzte ich meinen Abbiegevorgang fort, daraufhin krachte es.

Ich weiß noch, dass ich schon im Abbiegen drinnen war, plötzlich stand ich aber auf dem Feld. Die Vorgänge dazwischen kann ich heute nicht schildern, da weiß ich nichts.

Beim Abbiegevorgang hatte ich den zweiten Gang drinnen, glaublich dürfte auch die Fahrgeschwindigkeit deshalb um die 25 km/h gewesen sein. Eine schnellere Geschwindigkeit habe ich nicht eingehalten.

Ich sah Personen zu meinem Auto laufen, ich sollte die Türe öffnen. Die Türe ließ sich allerdings nicht öffnen, deshalb ließ ich das Fenster etwas hinunter. Zu mir sagte eine Frau, „du hast nicht geblinkt, du bist zu schnell gefahren“.

Glaublich waren zwei oder drei Personen bei meinem Auto. Ich war sehr erschrocken über den Vorgang.

In der Folge kam dann ein Ersthelfer. Dieser schickte vorerst die Damen weg und sagte, sie sollten mich in Ruhe lassen. Er verständigte auch die Rettung und die Polizei.

Dieser Ersthelfer öffnete die Tür, aus dem Fahrzeug befördert haben mich dann erst die Rettungsleute.

Ich hatte damals Schmerzen im Nacken und Kreuzbereich. Diese Schmerzen spürte ich gleich. Nachdem ich aus dem Auto gekommen war, brachten mich die Rettungsleute weg. Ich kam dann in das Spital Braunau. Dort wurde ich geröntgt. Glaublich stellte man dort ein Schleudertrauma fest. Ich war ambulant im Spital und durfte also wieder heim. Ich wurde noch eine Woche krankgeschrieben.

Die Schmerzen wurden später noch mehr, ich bin heute noch in einer Behandlung. Die Behandlung besteht in einer Heilmassage.

Wenn ich länger sitze, spüre ich auch heute noch Schmerzen, ich muss von Zeit zu Zeit aufstehen und Übungen machen.

Ich bekam von der gegnerischen Versicherung alles ersetzt. Unter ersetzt verstehe ich, dass mein Auto, das ja Totalschaden hatte, ersetzt worden ist und ich auch ein Schmerzensgeld bekommen habe. Auch die Physiotherapie wurde schon von der Versicherung bezahlt, derzeit läuft eine weitere Physiotherapie.

Ich war damals eine Woche im Krankenstand, dann ging ich wieder arbeiten.

Das Auto hinter mir ist mir aufgefallen, als ich in den Rückspiegel blickte. Das Auto fuhr nicht dicht hinter mir, es hat den Sicherheitsabstand eingehalten gehabt. Das Fahrzeug fuhr also nicht etwa so dicht auf, dass ich mir da Gedanken hätte machen müssen. Glaublich hätten noch zwei Autos dazwischen gepasst.

Ich blickte unmittelbar vor dem Abbiegen noch einmal in den Rückspiegel. Da fiel mir nichts Auffälliges auf. Ich blickte in den Rückspiegel und in den linken Außenspiegel. Da war das Auto hinter mir.

Ich kann nicht mehr genau sagen, ob der Abstand da noch gleich oder geringer war. Ich kann immer wieder sagen, dass nichts Auffälliges dabei war. Diese Wahrnehmung war unmittelbar vor dem Abbiegen. Da war das andere Fahrzeug noch zur Gänze am rechten Fahrstreifen. Vor der Kollision habe ich nichts gehört, etwa ein Quietschen oder ein Hupen.

Bei der Untersuchung im Krankenhaus ist keine Verletzung an Knochen festgestellt worden.

Bei der polizeilichen Unfallaufnahme war mein Fahrzeug nicht mehr bewegt worden. Beim anderen weiß ich diesbezüglich nichts. Im Bereich dieser Kreuzung befindet sich kein Wegweiser. Beim Zufahrtsweg Angern befindet sich eine Vorrang-Tafel bevor man auf die Bundesstraße kommt, ansonsten sind keine Zeichen angebracht. Es handelt sich hier um eine Bundesstraße mit Vorrang, wo das Überholen auf Kreuzungen erlaubt ist.“

 

5. Die Beschwerdeführerin hat zum Sachverhalt bei der Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich Folgendes angegeben:

 „Ich war damals mit meiner Mutter und meinen Schwestern im Fahrzeug unterwegs, die eingehaltene Fahrgeschwindigkeit würde ich mit etwa 80 bis 90 km/h angeben.

Wir fuhren schon eine Weile hintereinander, gemeint ist das Fahrzeug der Zweitbeteiligten vor mir.

Diese Lenkerin reduzierte vorerst die Geschwindigkeit ein bisschen, sie war aber trotzdem schnell zum Abbiegen. Auch ich habe da die Geschwindigkeit ein bisschen reduziert. Da war die Fahrgeschwindigkeit dann bei 80 km/h.

Ich blickte nach vorne, da sah ich kein Auto im Gegenverkehr. Ich dachte mir, es ist besser, wenn ich überhole. Ich wollte damit einen Unfall verhindern, wir wären sonst von hinten zusammengestoßen. Die Fahrzeuglenkerin blinkte nicht. Ich sah auch kein Bremslicht, die Lenkerin war schnell.

Wir hatten dann weniger Abstand, deshalb hatte ich Angst, dass ich auf dieses Fahrzeug auffahren könnte. Das vordere Fahrzeug hatte, wie schon gesagt, ganz wenig abgebremst. Ich bin in der Folge nach links auf den Fahrstreifen gewechselt und der Tiefenabstand zum vorderen Fahrzeug betrug etwa zwei Autolängen, als ich nach links wechselte. In diese Situation fuhr ich nach links. Ich habe vor diesem Vorgang in den Rückspiegel geschaut und auch geblinkt. Gemeint bei Rückspiegel ist der Außenspiegel.

Ich wollte dieses Fahrzeug überholen. Diese Fahrzeuglenkerin fuhr auf  einmal nach links, gemeint ist, dass sie nach links abbiegen wollte. Ich bin der Meinung, dass sie schnell war, Abbiegen kann man mit 80 km/h nicht.

Unmittelbar vor dem Zusammenstoß hatte die Lenkerin aber keine so hohe Fahrgeschwindigkeit mehr, nicht mehr 80 km/h. Ich habe nicht wahrgenommen, dass diese Lenkerin in der Folge doch stärker gebremst hätte.

Die Ursache für meinen Fahrstreifenwechsel war also nicht, dass ich aufgrund des starken Abbremsens des Fahrzeuges vor mir nicht mehr rechtzeitig abbremsen hätte können und deshalb nach links ausgewichen bin, sondern darin, dass ich dieses Fahrzeug überholen wollte.

Zu Beginn des Überholmanövers hatte die Lenkerin vor mir auch noch eine höhere Geschwindigkeit eingehalten gehabt, also noch nicht entsprechend diese Geschwindigkeit verringert gehabt.

Ich zeige am Laptop des Sachverständigen am Bildschirm die Stelle, wo ich auf den linken Fahrstreifen gewechselt bin. Es handelt sich hiebei um die Höhe der „Ölberg-Kreuzung“, allenfalls geringfügig etwas später. Der Abstand dürfte zu diesem Zeitpunkt etwa zwei Autolängen betragen haben. Bei dem erwähnten Ausschermanöver handelte es sich keinesfalls um ein Herausreißen auf den linken Fahrstreifen. Es handelte sich hiebei um ein zielgerichtetes und ohne Hektik durchgeführtes Manöver. Bei der Kollision bzw. vorher habe ich noch gebremst. Wenn mir heute Bild Nr. 6 aus dem Akt vorgelegt wird, sage ich, dass das die Stelle ist, wo ich dann zum Stehen gekommen bin.

Bei dem Unfall ist meine Mutter verletzt worden, glaublich hatte sie Rückenschmerzen, sie war auch im Krankenhaus. Sie war kurz im Krankenhaus, also nur ambulant.

 

Wenn mir heute vom Verhandlungsleiter die polizeiliche Niederschrift vom        15. August 2015 vorgehalten wird, wo von einem Verreißen und ähnlichem die Rede ist, also nicht von einem geordneten vorgehabten Überholmanöver, gebe ich an:

Es war ein Überholen in der Form, wie ich es heute bei der Verhandlung geschildert habe. Zu diesem Zeitpunkt hatte die zu überholende Fahrzeuglenkerin nicht geblinkt gehabt.“

 

6. Beweiswürdigend ist vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich dazu festzuhalten:

Die zweitbeteiligte Zeugin hat – in Übereinstimmung mit ihren Schilderungen schon bei der polizeilichen Aufnahme des Verkehrsunfalles – nachvollziehbare Angaben gemacht. Demnach hatte sie nach Kontrollblicken in den Rückspiegel und Betätigen des Blinkers einen geordneten Abbiegevorgang nach links eingeleitet gehabt. Für die Zeugin bestand auch kein nachvollziehbarer Grund, diesen Vorgang aus einer überhöhten Fahrgeschwindigkeit heraus und ohne Blinken bewerkstelligen zu wollen, zumal ihr diese Örtlichkeit bestens bekannt war und ein unüberlegtes Einbiegemanöver, wie es allenfalls einem Ortsfremden unterlaufen könnte, nicht unterstellt werden kann. Abgesehen davon ist völlig objektiviert, dass ein Abbiegevorgang an dieser Kreuzung, der ja im rechten Winkel zu erfolgen hatte, mit einer Fahrgeschwindigkeit jenseits von etwa 30 km/h nicht zu bewerkstelligen gewesen wäre.

Im Ergebnis kann aus Sicht des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich der Zeugin kein Vorwurf dahingehend gemacht werden, wonach sie bei ihrem Abbiegemanöver für den nachfolgenden Verkehr ein vollkommen überraschendes Ereignis geschaffen hätte.

Demgegenüber vermochte die Beschwerdeführerin mit ihren Angaben nicht zu überzeugen. Ihre Behauptung, die Zweitbeteiligte hätte den Abbiegevorgang nicht angezeigt, ist zum einen durch die Angaben der Zeugin hinreichend widerlegt. Ob die Beschwerdeführerin diese Anzeige auch wahrgenommen hat, ist natürlich eine andere Sache. Zum anderen kann nicht angenommen werden, dass am Fahrzeug der Zeugin sowohl ein Defekt am Blinker als auch bei den Bremsleuchten gegeben war und deshalb die Anzeigen sowohl des Abbiegevorganges als auch der Geschwindigkeitsverzögerung aus technischen Gründen nicht erfolgt wäre.

Somit muss im Ergebnis der Beschwerdeführerin vorgehalten werden, dass sie nicht rechtzeitig auf die Verringerung der Fahrgeschwindigkeit durch die vorausfahrende Fahrzeuglenkerin ebenfalls durch Reduzierung der Fahrgeschwindigkeit reagiert hatte, sondern zu einem Auslenken nach links genötigt war, um auf diese Weise einen Auffahrunfall zu verhindern. Diese Reaktion wurde nicht durch ein grob verkehrswidriges Verhalten der Zeugin hervorgerufen, vielmehr muss deren Notwendigkeit der nicht angepassten Fahrgeschwindigkeit seitens der Beschwerdeführerin zugerechnet werden.

Der schon von der belangten Behörde beigezogene verkehrstechnische Amtssachverständige hat in seinem in diesem Verfahren erstellten Gutachten vom 4. November 2015 die Aussagen der Zeugin aus fachlicher Sicht gestützt und ist bei der Beschwerdeverhandlung auch zu keinem anderen Ergebnis gekommen. Somit muss die von der Beschwerdeführerin vor der Kollision eingehaltene Fahrgeschwindigkeit von etwa 80 km/h als nicht angepasst im Hinblick auf die Geschwindigkeitsverringerung der vorausfahrenden Lenkerin auf etwa 30 km/h, um ein Abbiegemanöver durchzuführen, angesehen werden.

An diesem Ergebnis vermag auch die Aussage der Mutter der Beschwerdeführerin als Zeugin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nichts zu ändern. Dass sie nach eigenen Angaben weder ein Blinken noch Bremsleuchten beim Fahrzeug der Zeugin wahrgenommen hat, mag aus ihrer subjektiven Sicht zutreffen, nach der gegebenen Beweislage muss aber eine von der Zweitbeteiligten hervorgerufene gefährliche Situation ausgeschlossen werden.

 

7. Die von der Beschwerdeführerin angesprochene Rechtswohltat des § 99 Abs.6 lit. a StVO 1960 kam ihr nicht zugute, da es sich um keinen Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden gehandelt hatte. Neben den Schilderungen der Zeugin im Hinblick auf ihre Verletzungen bei der Verhandlung liegt im Verfahrensakt auch die Verletzungsanzeige des Krankenhauses Braunau ein, wonach bei der Zeugin  eine Distorsio HWS – Zerrung der Halswirbelsäule und eine Contusio capitis – Schädelprellung festgestellt wurde. Zweifel zu der Verletzungskausalität durch den Unfall – wie von der Beschwerdeführerin eingewendet – sind nicht begründbar.

 

8. Zur Strafbemessung:

Die von der belangten Behörde festgesetzte Geldstrafe in der Höhe von 200 Euro berücksichtigt den Unrechtsgehalt der Tat und das Verschulden der Beschwerdeführerin angemessen. Die Einhaltung einer angepassten Fahrgeschwindigkeit ist im Interesse des Straßenverkehrs unerlässlich. Bei Zuwiderhandlungen entstehen immer wieder gefährliche Verkehrssituationen, oftmals, wie auch gegenständlich, verbunden mit einem Verkehrsunfall. Von einem Fahrzeuglenker muss daher erwartet werden, dass er stets ein solches Maß an Aufmerksamkeit dem Straßenverkehr zuwendet, das ihm eine vorschriftsmäßige Fahrgeschwindigkeit gewährleistet. Bei der Beschwerdeführerin war dieser Maßstab nicht erfüllt, zumal sie auf einer gut einsehbaren Straßenstelle bei einwandfreien sonstigen Verhältnissen nicht wahrnahm, dass das vor ihr fahrende Fahrzeug die Fahrgeschwindigkeit verringerte und die Lenkerin einen Einbiegevorgang, der letztlich mit weniger als 30 km/h durchgeführt hätte werden sollen, einleitete. Die Beschwerdeführerin hielt zu diesem Zeitpunkt eine Fahrgeschwindigkeit von etwa 80 km/h ein, also eine gravierende Differenz zu jener des vorausfahrenden Fahrzeuges.

Wenngleich die Formulierung der belangten Behörde, wonach „die beharrliche Negierung der verfahrensgegenständlichen Rechtsvorschrift“ seitens der Beschwerdeführerin stattgefunden hätte, nicht nachvollziehbar ist, ändert dies nichts an der Angemessenheit der verhängten Geldstrafe. Eine „Doppelverwertung“ wird in dieser Formulierung nicht erblickt.

Auf der anderen Seite ist der Beschwerdeführerin von der Behörde der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zugutegehalten worden, der nach dem von der Behörde selbst beigeschafften Auszug über Verwaltungsvormerkungen nicht vorliegt, wo auch ein Strafbescheid vom Mai 2015 wegen eines Geschwindigkeitsdeliktes angeführt ist.

Angesichts dieser Feststellungen wird entgegen den Eventualanträgen in der Beschwerde weder ein Grund zur Strafherabsetzung noch ein Anwendungsfall des § 45 Abs.1 Z4 VStG erblickt.

Die Ergänzung des Spruches des in Beschwerde gezogenen Straferkenntnisses – fristgerecht gemäß § 31 Abs.1 VStG - ist in der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes begründet (VwGH 27.2.1970, 1470/69). Das von der belangten Behörde herangezogene höchstgerichtliche Judikat vom 1. Februar 1984, 83/03/0189, ist zum einen unvollständig wiedergegeben und zum anderen zu einem anderen Sachverhalt ergangen.

 

 

Zu II:

Die Entscheidung über die Kosten ist in den zitierten gesetzlichen Bestimmungen begründet.

 

 

Zu III.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei:

 

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Für die Beschwerdeführerin ist die Revision gemäß § 25a Abs.4 VwGG ex lege unzulässig.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde / der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Gustav Schön