LVwG-750332/3/MZ
Linz, 04.03.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde der E Ö, geb x, StA: Republik Türkei, vertreten durch RA Dr. J R, L, gegen den namens des Landeshauptmanns von Oberösterreich erlassenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 26.1.2016, GZ Pol18-4572, wegen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz
zu Recht e r k a n n t :
I. Der Beschwerde wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und der Beschwerdeführerin der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“, befristet für die Dauer von zwölf Monaten, erteilt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Mit namens des Landeshauptmanns von Oberösterreich erlassenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (im Folgenden: belangte Behörde) vom 26.1.2016, GZ Pol18-4572, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf) auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gemäß § 3 Abs 1 Z 9 NAG abgewiesen.
Ihre Entscheidung begründet die belangte Behörde wie folgt:
„Sachverhalt / Verfahrensgang:
Sie haben am 06.10.2015 im Wege der Österreichischen Botschaft in A einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus" eingebracht.
Als familienangehörige Bezugsperson haben Sie Ihren Ehegatten, E Ö, geb. x und als beabsichtigten Wohnsitz die Adresse T, X, angegeben.
Mit Schreiben vom 07.01.2016 … wurde Ihnen mitgeteilt, dass Bezirkshauptmannschaft Linz-Land beabsichtigt, Ihren Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus" abzuweisen. …
Dazu haben Sie wie folgt Stellung genommen:
`Unter Bezugnahme auf den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels habe ich E Ö, geboren am x, am 06.10.2015 einen Erstantrag gemacht. Sie haben den Antrag abgelehnt da ich das 21. Lebensjahr nicht vollendet habe. Wir haben einen Rechtsanwalt gefragt und haben herausgefunden, dass diese Rechtsgrundlage in ganz Österreich nicht anwendbar ist. Diese Grundlage wurde vorher angewendet aber sei zurzeit für die Familienzusammenführung nicht verwendbar. Die 21. Altersgrenze ist im Österreichischen Grundgesetz und auch in den Artikeln 8 und 14 der Menschenechte abartig. Wir sind bereit die rechtlichen Schritte zu unternehmen falls der Antrag nochmals abgelehnt wird. Somit bitte ich Sie, in obiger Angelegenheit die erforderlichen Schritte zu unternehmen.´
Mit Schreiben vom 20.01.2016 wurde durch Ihre rechtsfreundliche Vertretung folgende Stellungnahme eingebracht:
`… Mir liegt Ihre Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 07.01.2016 vor. Desgleichen ist auf die bereits erfolgte Stellungnahme vom 15.01.2016 meiner Mandantin zu verweisen. Meine Mandantin vertritt, wie schon in der Stellungnahme vom 15.01.2016 erwähnt ist, die Auffassung, dass die Ihrerseits angeführte Bestimmung des § 2 Abs 1 Z9 NAG geltendem europäischem Recht widerspricht. Zutreffend ist, dass meine Mandantin derzeit im 19. Lebensjahr sich befindet und dieses am 01.07.2016 vollenden wird. Sie hat bereits diverse Deutschkurse abgelegt und auch in Vorlage gebracht. Die Ehe wurde im August 2015 in der Türkei geschlossen. Des Weiteren ist der Zweck der Antragstellung aufklärungsbedürftig. Meine Mandantin hat primär eine Familienzusammenführung beantragt, eine Rot-Weiß-Rot-Karte-plus nur insofern als ihr der Aufenthalt in Österreich mit der Möglichkeit, eine Arbeit zu suchen bzw. zu finden, eingeräumt wurde. Darüber hinaus macht meine Mandantin aufgrund der Niederlassungsverordnung 2016 geltend, dass aufgrund der aktuellen Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutzgesetz bis zu 4500 Beschäftigungsbewilligungen für befristet beschäftigte Fremde erteilt werden können, so dass ihr zumindest nach dieser Ausnahmebestimmung eine Einreise und ein Aufenthalt in Österreich möglich sein wird. In gegenständlichen Fall liegt kein Anwendungsfall des NAG vor. Es sind die Bestimmungen des sogenannten „Stillhalteabkommens" im Sinne des Assoziierungsabkommen EWR-Türkei und somit die günstigeren Bestimmungen des FrG 1997 maßgeblich. Es entspricht dies der ständigen Rechtsprechung z. B. BVwg 07.05.2015 zur Zahl L 502 2101424-1. VWGH 19.01.2012 (2011/22/0313). Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 15.11.2011 zur Zahl C-256/11. Aus dieser Judikatur ist ersichtlich, dass eine Anwendbarkeit des NAG als Verschärfung gegenüber dem FRG nicht mit den Unionsrechtlichen Vorgaben, die sich aus den türkischen Staatsangehörigen aufgrund des oberwähnten Assoziierungsabkommens zu Gute kommenden Stillhalteklauseln ergeben, vereinbart sind. Der beantragte Aufenthaltstitel wird daher umgehend zu erteilen sein.´
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem durchgeführten Ermittlungsverfahren, insbesondere aus den, Ihrem Antrag beigefügten, Unterlagen.
In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
Gemäß § 46 Abs. 1 NAG ist Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot - Karte plus" zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen, und
1. der Zusammenführende einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 oder einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 41a Abs. 1 oder 4 innehat, oder
2. ein Quotenplatz vorhanden ist und der Zusammenführende
a) einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EU" innehat,
b) einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot - Karte plus", ausgenommen einen solchen gemäß § 41a Abs. 1 oder 4 innehat, oder
c) Asylberechtigter ist und § 34 Abs. 2 AsylG 2005 nicht gilt.
Zu dem Einwand Ihrer rechtsfreundlichen Vertretung, der Zweck der Antragstellung wäre aufklärungsbedürftig wird angemerkt, dass Ihr Ehegatte den Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EG" innehat. Aus diesem Grund kommt auch § 46 Abs. 1 NAG zur Anwendung. Dieser normiert, dass Angehörigen von Zusammenführenden - welche einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU" innehaben - der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot - Karte plus" (sofern ein Quotenplatz vorhanden) zu erteilen ist.
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 9 NAG ist im Sinn dieses Bundesgesetzes Familienangehöriger, wer Ehegatte oder minderjähriges lediges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind ist (Kernfamilie); dies gilt weiters auch für eingetragene Partner; Ehegatten und eingetragene Partner müssen das 21. Lebensjahr zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits vollendet haben; lebt im Fall einer Mehrfachehe bereits ein Ehegatte gemeinsam mit dem Zusammenführenden im Bundesgebiet, so sind die weiteren Ehegatten keine anspruchsberechtigten Familienangehörigen zur Erlangung eines Aufenthaltstitels.
Im ggst. Fall war zu prüfen, ob Ihnen als türkische Staatsangehörige die Stillhalteklauseln des Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19. September 1980 (ARB 1/80) bzw. des Art. 41 Abs. 1 des mit der Verordnung (EWG) Nr. 2760/71 des Rates vom 19. Dezember 1972 in Namen der Gemeinschaft geschlossenen, gebilligten und bestätigten Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen zugutekommen.
Die sogenannte „Stillhalteklausel" in Art. 13 des ARB 1/80 (bzw. in Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls) verbietet somit allgemein die Einführung neuer innerstaatlicher Maßnahmen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit (bzw. der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs) durch türkische Staatsangehörige strengeren Voraussetzungen unterworfen werden, als sie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des ARB im jeweiligen Mitgliedstaat galten. In Österreich ist daher das Datum des Beitrittes zur Europäischen Union (1. Jänner 1995) maßgeblich.
§ 2 Abs. 1 Z 9 NAG definiert die „Kernfamilie" und schränkt ein, dass beide Ehegatten und eingetragene Partner zum Zeitpunkt der Antragstellung das 21. Lebensjahr bereits vollendet haben müssen. Da das Mindestalter von 21 Jahren für Ehegatten/eingetragene Partner erst mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 (FrÄG 2009) eingeführt wurde (und am 01.01.1995 noch nicht vorgesehen war), darf dieses im Fall von türkischen Staatsangehörigen (mit Erwerbsabsicht), die zu ihren in Österreich lebenden Ehegatten/eingetragenen Partner ziehen, nicht weiter zur Anwendung kommen.
Die Stillhalteklauseln und somit die günstigeren Bestimmungen des FrG 1997 sind jedoch nur maßgeblich, wenn beim Antragsteller Erwerbsabsicht vorliegt. Sofern keine Erwerbsabsicht gegeben ist, sind ausschließlich die aktuellen Bestimmungen des NAG anzuwenden.
Ihrem Antrag war eine Erklärung (B) beigelegt, in der Sie die Frage `Beabsichtigen Sie einer Erwerbstätigkeit in Österreich nachzugehen?´, eindeutig verneint haben.
Da somit keine Erwerbsabsicht vorliegt, sind im ggst. Fall ausschließlich die Bestimmungen des NAG (in der aktuellen Fassung) anzuwenden.
Sie sind am x geboren, somit haben Sie das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet. Da § 2 Abs. 1 Z 9 NAG aber bestimmt, dass der Ehegatte zum Zeitpunkt der Antragstellung das 21. Lebensjahr bereits vollendet haben muss, erfüllen Sie die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG nicht. Somit mangelt es Ihnen auch an einer besonderen Erteilungsvoraussetzung.
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH (vgl. ua. VwGH 13.09.2011, 2010/22/0036) ist eine Bedachtnahme auf Art. 8 EMRK bei Fehlen einer besonderen Erteilungsvoraussetzung entbehrlich bzw. ist auf familiäre und private Interessen bei Fehlen besonderer Erteilungsvoraussetzungen nicht Bedacht zu nehmen (vgl. ua. VwGH 06.08.2009, 2009/22/0195).“
II.) Gegen den in Rede stehenden Bescheid erhob die Bf selbst sowie im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde.
Auf das Wesentliche verkürzt bringt die Bf vor, die Angabe in den Antragsunterlagen, nicht arbeitswillig zu sein, beruhe auf einem Versehen. Sie sei sehr wohl arbeitswillig und legt zum Beweis für das Vorbringen einen mit 20.1.2016 datierten Dienstvorvertrag mit der Firma X Supermarkt, C-gasse 21, T, vor. Diesem zufolge vereinbaren die Vertragspartner bindend den Abschluss eines Arbeitsvertrages, so ihr ein entsprechender Aufenthaltstitel erteilt wird. Die wöchentliche Arbeitszeit soll 38,5 Stunden, der Monatslohn 1.563,00 Euro brutto betragen.
III.a) Die belangte Behörde hat die Beschwerde unter Anschluss des Bezug habenden Verwaltungsaktes, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.
b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt. Gemäß § 24 Abs 1 iVm Abs 4 VwGVG konnte die Durchführung einer – von keiner Verfahrenspartei beantragten – öffentlichen mündlichen Verhandlung aufgrund der Tatsache, dass der für das Verfahren wesentliche Sachverhalt aufgrund der Aktenlage für das erkennende Gericht hinreichend geklärt vorliegt und eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ, unterbleiben. Dass dem Entfall der Verhandlung Art 6 EMRK oder Art 47 der EU-Charta der Grundrechte entgegenstünde, vermag nicht erkannt zu werden.
c) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem Sachverhalt aus:
Die am x geborene Bf ist Staatsangehörige der türkischen Republik und hat die Ö-Prüfung A 1 Grundstufe Deutsch am 16.12.2014 bestanden. Sie ist mit Herrn E Ö, geb x, verheiratet, der über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ verfügt und in der X, T, wohnhaft ist. Der Gatte der Bf befindet sich seit 1.10.2011 in einem aufrechten Dienstverhältnis und verdiente in den Monaten Jänner bis August 2015 durchschnittlich 2.250,58 Euro, im Jahr 2014 3221,02 Euro brutto. Einer Anfrage beim KSV1870 vom 15.9.2015 zufolge scheinen über den Gatten der Bf keine Eintragungen auf.
Die Bf verfügt über einen bis 25.8.2025 gültigen türkischen Reisepass und ist strafrechtlich unbescholten. Der Schwiegervater der Bf verfügt über einen aufrechten Mietvertrag über eine Wohnung in der Größe von 90 m², wobei die monatliche Miete inkl. Betriebskosten 604,50 Euro beträgt und hat der Behörde schriftlich bestätigt, dass er der Bf „erlaube bedingunslos mit uns [seinem Sohn und ihm] mitzuwohnen.“
Die Bf verfügt weiters über einen Dienstvorvertrag mit der Firma X Supermarkt, C-gasse 21, T. Diesem zufolge vereinbaren die Vertragspartner bindend den Abschluss eines Arbeitsvertrages, so ihr ein entsprechender Aufenthaltstitel erteilt wird. Die wöchentliche Arbeitszeit soll 38,5 Stunden, der Monatslohn 1.563,00 Euro brutto betragen. Hinsichtlich dieses Dienstvorvertrages wurde mit der belangten Behörde telefonisch Kontakt aufgenommen. Konkrete Anhaltspunkte, dass es sich dabei um eine nicht den Parteiwillen wiederspiegelnde Vereinbarung handelt, sind der belangten Behörde nicht bekannt. Ebenfalls wurde von der belangten Behörde mitgeteilt, dass im Hinblick auf die sonstigen Erteilungsvoraussetzungen keine Bedenken bestehen.
IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:
a) Gemäß § 46 Abs 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz BGBl I Nr 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl I Nr 122/2015 – NAG ist Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus” zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen, und
1. der Zusammenführende einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte” gemäß § 41 oder einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus” gemäß § 41a Abs 1 oder 4 innehat, oder
2. ein Quotenplatz vorhanden ist und der Zusammenführende
a) einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU” innehat,
b) einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus”, ausgenommen einen solchen gemäß § 41a Abs 1 oder 4 innehat, oder
c) Asylberechtigter ist und § 34 Abs 2 AsylG 2005 nicht gilt.
Gemäß § 2 Abs 1 Z 9 NAG ist Familienangehöriger, wer Ehegatte oder minderjähriges lediges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind, ist (Kernfamilie); dies gilt weiters auch für eingetragene Partner; Ehegatten und eingetragene Partner müssen das 21. Lebensjahr zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits vollendet haben.
Gemäß § 20 Abs 1 NAG sind – sofern nicht anderes bestimmt ist – befristete Aufenthaltstitel für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen, es sei denn, es wurde eine kürzere Dauer der Aufenthaltstitel beantragt oder das Reisedokument weist nicht die entsprechende Gültigkeitsdauer auf.
Gemäß Art 6 Abs 1 Assoziationsratsbeschlusses 1/1980 – ARB 1/80 hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung, in diesem Mitgliedstaat
- nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;
- nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;
- nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.
Gemäß Art 13 ARB 1/80 dürfen die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen.
Gemäß § 20 Abs 1 FrG 1997 ist Ehegatten und minderjährigen unverheirateten Kindern solcher Fremder, die rechtmäßig in Österreich auf Dauer niedergelassen sind, auf deren Antrag eine Erstniederlassungsbewilligung zu erteilen, sofern sie ein gültiges Reisedokument besitzen und kein Versagungsgrund wirksam wird (§§ 10 bis 12). Das Recht, weiterhin niedergelassen zu sein, bleibt Ehegatten erhalten, wenn die Voraussetzungen für den Familiennachzug später als vier Jahre nach der Erteilung der Erstniederlassungsbewilligung wegfallen.
Gemäß § 10 Abs 1 FrG 1997 ist die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels zu versagen, wenn
1. gegen den Fremden ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot besteht;
2. der Aufenthaltstitel zeitlich an den durch ein Reise- oder Durchreisevisum ermöglichten Aufenthalt anschließen und nach der Einreise erteilt werden soll;
3. der Aufenthaltstitel - außer für Saisonarbeitskräfte (§ 9), für begünstigte Drittstaatsangehörige (§ 47) oder Angehörige von Österreichern (§ 49) - nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 28 oder § 29) erteilt werden soll;
4. sich der Fremde nach Umgehung der Grenzkontrolle nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält;
5. der Fremde unentschuldigt einer Ladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung (§ 96 Abs. 1 Z 5), in der diese Folge angekündigt ist, nicht Folge leistet oder an der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht mitwirkt.
Gemäß Abs 2 kann die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z 2) insbesondere versagt werden, wenn
1. der Fremde nicht über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt oder nicht über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt oder - bei der Erteilung eines Einreise- oder befristeten Aufenthaltstitels - für die Wiederausreise verfügt;
2. der Aufenthalt des Fremden zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, es sei denn, diese Belastung ergäbe sich aus der Erfüllung eines gesetzlichen Anspruches;
3. der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;
4. der Aufenthalt des Fremden die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat beeinträchtigen würde;
5. Grund zur Annahme besteht, der Fremde werde nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Titels das Bundesgebiet nicht unaufgefordert verlassen.
Gemäß § 12 Abs 1 FrG 1997 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels außer in den Fällen des § 10 Abs 4 zu versagen, wenn Fremde, die hiezu gemäß § 8 Abs 5 verpflichtet sind, keinen Rechtsanspruch auf eine für Inländer ortsübliche Unterkunft nachweisen.
Gemäß § 8 Abs 5 FrG 1997 bedarf es für die Erteilung eines Erstaufenthaltstitels des Nachweises eines Rechtsanspruches auf eine für Inländer ortsübliche Unterkunft für den Fremden, der sich hier niederlassen will. Dieser Nachweis ist auch für die Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels erforderlich; er gilt für in Österreich geborene Kinder als erbracht, wenn der Familie die vor der Geburt bewohnte Unterkunft weiterhin zur Verfügung steht.
b) Im gegenständlichen Fall ist davon auszugehen, dass die Bf die Begünstigungen, die sich aus dem Assoziationsratsbeschluss (ARB) 1/1980 ergeben, geltend machen kann:
Unter Hinweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9. Dezember 2010, C-300/09, C-301/09, Toprak und Oguz, RN 45, hielt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 13.12.2011, 2008/22/0180, fest, dass es der Anwendung des Art 13 ARB 1/80 nicht entgegen stehe, dass der betreffende Arbeitnehmer nicht bereits (legal) in den Arbeitsmarkt des Mitgliedstaates integriert ist, also die Voraussetzungen gemäß Art 6 Abs 1 ARB 1/80 nicht erfüllt; die Stillhalteklausel in Art 13 ARB 1/80 diene nämlich nicht dazu, die schon in den Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats integrierten türkischen Staatsangehörigen zu schützen, sondern solle gerade für die türkischen Staatsangehörigen gelten, die noch keine Rechte in Bezug auf Beschäftigung und entsprechend auf Aufenthalt nach Art 6 Abs 1 ARB 1/80 genießen.
In seinem Erkenntnis vom 28.3.2012, 2009/22/0344, verwies der Verwaltungsgerichtshof „gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG im Hinblick darauf, dass es sich beim (...) Beschwerdeführer um einen türkischen Staatsangehörigen handelt, der die Vornahme einer Erwerbstätigkeit anstrebt – im Verwaltungsverfahren wurde als Nachweis für das diesbezügliche Vorbringen eine Einstellungszusage vorgelegt – auch auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom 13. Dezember 2011, Zl. 2008/22/0180, dessen Fall in seinem entscheidungsmaßgeblichen Sachverhalt und der auf Art. 13 ARB 1/80 bezugnehmenden Rechtsfrage dem vorliegenden gleicht“.
Die Bf, die türkische Staatsangehörige ist, verfügt über eine aktuelle Einstellungszusage der Firma X Supermarkt. ISd zitierten Judikatur sind somit die Voraussetzungen für die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels anhand der Bestimmungen des FrG 1997, die aufgrund der „Stillhalteklausel“ des Art 13 ARB 1/80 für Berechtigte nach dem ARB heranzuziehen sind, zu prüfen.
Dies führt im vorliegenden Fall dazu, dass der für die Abweisung des Antrags der Bf von der belangten Behörde herangezogene § 2 Abs 1 Z 9 NAG insoweit, als er eine Einschränkung auf das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet habende Fremde vorsieht, nicht anzuwenden ist.
c) Die Bf verfügt über ein gültiges Reisedokument und ihr Gatte ist dauerhaft in Österreich niedergelassen. Sofern kein Versagungsgrund iSd §§ 10 bis 12 FrG 1997 wirksam wird, ist der Bf daher gemäß § 20 Abs 1 FrG 1997 eine Erstniederlassungsbewilligung zu erteilen.
c.1) Dass ein absolutes Erteilungshindernis iSd § 10 Abs 1 FrG 1997 vorläge, ist im Verwaltungsverfahren nicht hervorgekommen.
c.2) Gemäß § 10 Abs 2 FrG 1997 kann der Bf der beantragte Titel versagt werden, wenn sie nicht über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz oder nicht über ausreichende eigene Mittel zu ihrem Unterhalt verfügt.
Die Bf verfügt über eine aufrechte Einstellungszusage, wonach sie Anspruch auf Vollzeitbeschäftigung in einem Supermarkt hat. Diese Tätigkeit ist als Hilfskraft im Kollektivvertrag für Handelsarbeiter einzuordnen. Bei dem vereinbarten Monatsbruttolohn in der Höhe von 1.563,00 Euro brutto errechnet sich ein durchschnittlicher Netto-Monatsbezug (inkl Sonderzahlungen) von etwa 1.239,90 Euro. Der Gatte der Bf geht seit 1.11.2011 laufend einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach und erhält einen durchschnittlichen Monats-Nettobezug (inkl. Sonderzahlungen) von rund 2.250,58 Euro.
Gemäß § 123 Abs 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG, BGBl Nr 189/1955 zuletzt geändert durch BGBl I Nr 162/2015, besteht Anspruch auf die Leistungen der Krankenversicherung für Angehörige,
1. wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und
2. wenn sie weder nach der Vorschrift dieses Bundesgesetzes noch nach anderer gesetzlicher Vorschrift krankenversichert sind und auch für sie seitens einer Krankenfürsorgeeinrichtung eines öffentlich-rechtlichen Dienstgebers Kranken-fürsorge nicht vorgesehen ist.
Gemäß § 123 Abs 2 Z 1 ASVG gelten Ehegatten als Angehörige.
Da die Bf aufgrund der Einstellungszusage einen Anspruch auf eine versicherungspflichtige Tätigkeit geltend machen kann, kann sie selbst mit Aufnahme dieser Tätigkeit einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz nachweisen. Selbst wenn sie diese Tätigkeit nicht ausüben sollte, hat sie gemäß § 123 Abs 1 ASVG als Ehegattin eines nach dem ASVG Versicherten Anspruch auf einen derartigen Versicherungsschutz, sobald sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Das Erfordernis des alle Risken abdeckenden Versicherungsschutzes iSd § 10 Abs 2 Z 1 FrG 1997 ist demnach als erfüllt anzusehen.
Durch die verbindliche Einstellungszusage ist die Bf darüber hinaus in der Lage, selbst für ausreichende Mittel zu ihrem Unterhalt zu sorgen.
Zur Überprüfung, ob der Aufenthalt der Bf zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, führte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 3.4.2009, 2008/22/0711, Folgendes aus: „[...] § 10 Abs. 2 Z 2 FrG [enthielt] lediglich die Anordnung, dass die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels wegen Gefährdung öffentlicher Interessen insbesondere dann versagt werden kann, wenn der Aufenthalt des Fremden zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, es sei denn, diese Belastung ergebe sich aus der Erfüllung eines gesetzlichen Anspruches. Eine dem § 11 Abs. 5 NAG vergleichbare Vorschrift zum erforderlichen Ausmaß der aufzubringenden Unterhaltsmittel war der damaligen Rechtslage fremd.
In der zur früheren Rechtslage ergangenen Rechtsprechung wurde festgehalten, dass eine an den Sozialhilferichtsätzen der jeweiligen Bundesländer orientierte Berechnung der Unterhaltsmittel keinen Bedenken begegnet (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 9. April 1999, 97/19/0481, und vom 3. Dezember 1999, 99/19/0094). Die Behörde durfte sich bei Berechnung des Unterhaltsbedarfes einer Familie im Regelfall nur an jenem Gesamtbetrag orientieren, welcher nach Auffassung der jeweiligen Landesregierung im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zur Deckung des Bedarfes für einen Haushaltsvorstand und der jeweiligen Zahl der unterhaltsberechtigten Haushaltsangehörigen auch dann ausreichend ist, wenn daneben keine weiteren Mittel zur Verfügung standen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 1999, 99/19/0094). In den jeweiligen Sozialhilfegesetzen der Länder sind Mietbelastungen im Rahmen der Sozialhilfe einer gesonderten Beihilfe zuzuführen (vgl. etwa für Wien § 13 Wiener Sozialhilfegesetz iVm § 5 Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Festsetzung der Richtsätze in der Sozialhilfe, wonach der Mietbedarf durch eine eigene Mietbeihilfe zu decken ist, bzw. § 4 dieser Verordnung, wonach bestimmte Wohnkosten im Falle von Dauersozialhilfebeziehern unter bestimmten näher genannten Voraussetzungen pauschal durch einen Zuschlag zum Richtsatz abzudecken sind). Kosten für Unterkunft waren sohin nach der früheren Rechtslage bei der Berechnung der Unterhaltsmittel zu berücksichtigen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 3. Dezember 1999, 99/19/0094, und vom 21. Dezember 2001, 2000/19/0153).“
Gemäß Art 3 Abs 1 der Vereinbarung über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung gemäß Art 15a B-VG, LGBl Nr 82/2010, umfasst der Lebensunterhalt den regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und Strom sowie andere persönliche Bedürfnisse wie die angemessene soziale und kulturelle Teilhabe und gemäß Abs 2 der Wohnbedarf den für die Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation erforderlichen regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Miete, allgemeine Betriebskosten und Abgaben.
Gemäß § 10 Abs 1 der Vereinbarung gewährleisten die Länder nach Maßgabe des Art 4 dieser Vereinbarung monatliche Geldleistungen zur Deckung des Lebensunterhaltes (Art 3 Abs 1) und des angemessenen Wohnbedarfs (Art 3 Abs 2) als Mindeststandards.
Gemäß § 11 Abs 1 erster Satz der Vereinbarung sollen die Länder zusätzliche Leistungen zumindest auf Grundlage des Privatrechts gewährleisten, wenn mit den Mindeststandards nach Art 10 der angemessene Wohnbedarf nicht vollständig gedeckt werden kann.
Gemäß § 12 Abs 2 Z 1 Oö. Mindestsicherungsgesetz, LGBl Nr 74/2011 zuletzt geändert durch LGBl Nr 55/2014, sind Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung mit Rechtsanspruch die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs.
Gemäß § 6 Abs 3 Oö. Mindestsicherungsgesetz umfasst der Wohnbedarf den für die Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation erforderlichen regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Miete, allgemeine Betriebskosten und Abgaben.
Gemäß § 13 Abs 4 Oö. Mindestsicherungsgesetz ist, sofern bei hilfesuchenden Personen keine Aufwendungen für den Wohnbedarf zu tätigen sind, die Summe der für den Haushalt festgesetzten Mindeststandards um 18 % des Netto-Ausgleichszulagen-Richtsatzes für Alleinstehende zu verringern. Sofern die von der hilfesuchenden Person nach Abzug der Wohnbeihilfe nach dem Oö. Wohnbauförderungsgesetz 1993 und sonstiger unterkunftsbezogener Beihilfen zu tragenden Aufwendungen für den Wohnbedarf 18 % des Netto-Ausgleichszulagen-Richtsatzes für Alleinstehende unterschreiten, ist der Mindeststandard gleichfalls um diesen Betrag zu verringern und der tatsächliche Wohnungsaufwand zuzuschlagen.
Gemäß § 14 Abs 1 erster Satz Oö. Mindestsicherungsgesetz schließt die Zuerkennung von laufenden monatlichen Leistungen gemäß § 13 andere Leistungen bedarfsorientierter Mindestsicherung im Einzelfall nicht aus.
Gemäß § 1 Abs 1 Z 3 lit a Oö. Mindestsicherungsverordnung – Oö. BMSV, LGBl Nr 75/2011, zuletzt geändert durch LGBl Nr 115/2015, betragen die laufenden monatlichen Geldleistungen (Mindeststandards) zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs für volljährige Personen, die in Haushaltsgemeinschaft leben pro Person 636,30,- Euro. Der Richtwert für Ehepaare in Haushaltsgemeinschaft liegt demnach bei 1.272,60,- Euro.
Gemäß § 1 Abs 5 Z 2 Oö. BMSV ist, sofern eine Person gemäß § 13 Abs 4 Oö. BMSG volljährig im Sinn des Abs 1 Z 3 lit a oder Z 4 lit a ist, ihr Mindeststandard um bis zu 74,50,- Euro zu verringern.
Bei anderen Personen ist kein Abzug im Sinn des § 13 Abs 4 Oö. BMSG vorzunehmen.
Anders als in den vom Verwaltungsgerichtshof in der zitierten Entscheidung herangezogenen früheren Sozialhilfebestimmungen regelt die Bedarfsorientierte Mindestsicherung die laufenden monatlichen Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs. Nur im Einzelfall sind zusätzliche Leistungen auf privatrechtlicher Basis zur Deckung des Wohnbedarfs vorgesehen. Aufgrund der Rechtsansprüche aus der Mindestsicherung ergibt sich, dass damit der Wohnbedarf im Regelfall abgedeckt ist. Im Umkehrschluss zur zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs sind die Kosten für Unterkunft sohin nach § 10 Abs 2 FrG 1997 in Hinblick auf die Bestimmungen zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung bei der Berechnung der Unterhaltsmittel nicht zu berücksichtigen.
Zumal der sich aus § 10 Abs 2 FrG iVm § 1 Abs 1 Z 3 lit a Oö. BMSV ergebende Richtsatz für die Bf günstiger ist als jener, der sich aufgrund von § 11 Abs 5 NAG ergeben würde, waren iSd „Stillhalteklausel“ des Art 13 ARB 1/80 auch hinsichtlich der Berechnung der Unterhaltsmittel, die ausreichen, um zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft durch die Bf zu führen, die Bestimmungen des FrG 1997 heranzuziehen.
Nach diesen Bestimmungen müssen die Unterhaltsmittel für die Bf und ihren Gatten mindestens 1.272,60 Euro betragen. Da der Schwiegervater der Bf für die Mittel des Wohnbedarfs aufkommt, ist gemäß § 13 Abs 4 Oö. Mindestsicherungsgesetz iVm § 1 Abs 5 Z 2 Oö. BMSV der Mindeststandard der Bf um 74,50 Euro zu verringern. Die Bf und ihr Gatte müssen demnach gemeinsam über einen Mindestbetrag von 1.198,10 Euro verfügen, was schon alleine aufgrund des von der Bf zu erwartenden Einkommens, aber auch alleine aufgrund des Einkommens des Gatten der Bf, der Fall ist.
Die Bf ist strafrechtlich unbescholten, es besteht somit kein Grund zur Annahme, ihr Aufenthalt würde die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden.
Auch besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass der Aufenthalt der Bf die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat beeinträchtigen würde.
Ferner besteht kein Grund zur Annahme, die Bf werde nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Titels das Bundesgebiet nicht unaufgefordert verlassen.
Ein Versagungsgrund iSd § 12 Abs 2 FrG 1997 liegt demnach nicht vor.
Abschließend ist zu prüfen, ob der Aufenthalt der Bf gemäß § 12 Abs 1 FrG 1997 zu versagen ist, weil sie keinen Rechtsanspruch auf eine für Inländer ortsübliche Unterkunft gemäß § 8 Abs 5 FrG 1997 nachweisen kann.
Die Bf hat, wie vom Schwiegervater schriftlich bestätigt, die Möglichkeit, gemeinsam mit dessen Sohn in der von ihm gemieteten Wohnung zu leben. Bei dieser Unterkunft handelt es sich laut vorgelegtem Mietvertrag um eine Wohnung mit einer Nutzfläche von 90 m². Dass diese Wohnung für vergleichbar große Familien als ortsüblich angesehen werden kann, braucht nicht weiter erläutert zu werden, und wurden von der belangten Behörde in einem Telefonat auch keine diesbezüglichen Zweifel geäußert.
c.3) Da sich die Bf auf die „Stillhalteklausel“ des Art 13 ARB 1/80 berufen kann und daher im Sinne des § 20 FrG 1997 zu prüfen ist, ob ein Erteilungshindernis vorliegt, was im Ergebnis zu verneinen ist, erfüllt die Bf sämtliche Erteilungsvoraussetzungen für den beantragten Aufenthaltstitel. Im Ergebnis ist der Beschwerde daher stattzugeben, der angefochtene Bescheid aufzuheben und der Bf der beantragte Aufenthaltstitel zu erteilen. Die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels von zwölf Monaten ergibt sich aus § 20 Abs 1 NAG.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da die gegenständliche Entscheidung vollinhaltlich der obzitierten einheitlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entspricht und die Rechtsfrage, ob konkret die Bf die Voraussetzungen für die Titelerteilung erfüllt, nicht verallgemeinerungsfähig ist.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Markus Zeinhofer
Beachte:
Die Revision wurde zurückgewiesen.
VwGH vom 20. Juli 2016, Zl.: Ra 2016/22/0062-4