LVwG-350174/11/RE/TO

Linz, 31.03.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Werner Reichenberger über die Beschwerde von Frau J S D, vertreten durch Sachwalter Dr. M A, dieser wiederum vertreten durch Rechtsanwältin Dr. E A-F, x, L, vom 22. Juli 2015, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 22. Juni 2015, GZ: 0053769/2007_ASJF, betreffend Änderung bzw. Befristung einer zuerkannten Leistung nach dem Oö. Mindestsicherungsgesetz (Oö. BMSG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 19. Jänner 2016

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid des Bürgermeisters der Landeshaupt-stadt Linz vom 22. Juni 2015, GZ: 0053769/2007_ASJF, behoben.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 22.06.2015, GZ: 0053769/2007_ASJF, wurde der Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 29.07.2014, mit dem der Beschwerdeführerin (in der Folge: Bf) eine Leistung nach dem Oö. BMSG zuerkannt wurde, insofern abgeändert und befristet als nachstehender Spruch ergangen ist:

1. Es wird Ihnen für sich ab 01.07.2015 Hilfe zur Sicherung des Lebens­unterhalts und des Wohnbedarfs in Form von laufenden monatlichen Geldleistungen wie folgt zuerkannt:

a) D J S, geb. x Mindeststandard für Alleinstehend

gem. §1 Abs. 1 Z. 2 0Ö.BMSV

 

Diese Leistung ist befristet bis zur tatsächlichen Auszahlung des Rückkaufswertes Ihrer Lebensversicherung bei S-Versicherung, längstens jedoch bis 31.12.2015.

 

Die Leistung wird gem. §7 Abs.2 Z.4 Oö. BMSG unter der Voraussetzung zuer­kannt, dass Sie Ihre Lebensversicherung bei der S Versicherung ehestmöglich kündigen und diesbezüglich die Mindestsicherungsbehörde umgehend informieren.

 

2. Als eigene Mittel sind einzusetzen:

• D J s, geb. x Unterhalt der Eltern

 

Da Ihre Leistung zum 16.08.2012 unter Berücksichtigung allfälliger Freibeträge höher als die ihnen nunmehr zustehende Leistung war, wird Ihnen ein Verschlechterungszuschlag in der Höhe der Differenz der bisherigen Leistung gewährt.“

 

Begründend führt die belangte Behörde dazu unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtsgrundlagen zusammengefasst aus, dass die Bf seit 26.05.2009 Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung beziehe.

Bereits 2008 sei bekannt geworden, dass für die Bf eine Lebensversicherung bestehe. Von der damaligen Sachwalterin sei jedoch gegenüber der Behörde angegeben worden, dass es sich bei dieser Lebensversicherung um eine Rentenversicherung handle und der früheste Zugriff darauf erst in 15 Jahren möglich sei. Bei einer neuerlichen Überprüfung sei festgestellt worden, dass diese Versicherung jederzeit – unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist – kündbar sei. Der Rückkaufswert dieser Versicherung betrage laut Auskunft der S-Versicherung mit Stand Juni 2015 ca. 99.000,-- Euro.

 

Die Bf, die sich auf Grund der im Berechnungsblatt dargestellten Einkommens­situation derzeit in einer sozialen Notlage befinde, könne diese aus eigenen Kräften überwinden, indem die Lebensversicherung gekündigt werde. Mit dem Auszahlungsbetrag der Versicherung liege dann keine soziale Notlage mehr vor.

 

Der Bf sei im Bescheid eine Auflage gemäß § 7 Abs. 2 Z 4 Oö. BMSG erteilt worden, wonach sie die Lebensversicherung ehemöglichst kündigen müsse. Da die Kündigung jederzeit möglich sei, dafür jedoch die Genehmigung des Gerichtes vorliegen müsse und eine dreimonatige Kündigungsfrist vorgesehen sei, erscheine der belangten Behörde eine Befristung längstens bis 31.12.2015 als angemessen und zumutbar.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig von der Bf im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung eingebrachte Beschwerde, in der eine öffentliche mündliche Verhandlung beantragt wurde und Folgendes (wortwörtlich wieder­gegeben) vorgebracht wurde:

„Bereits 2008 war der Behörde bekannt, dass die nunmehrige Beschwerde­führerin über eine Lebensversicherung verfügt, wobei anscheinend von der damaligen Sachwalterin, Rechtsanwältin Dr. W s der Behörde gegenüber angegeben wurde, dass es sich bei der Lebensversicherung um eine Rentenversicherung handelt, wobei der früheste Zugriff in 15 Jahren möglich sei.

 

Die Unterlagen zu dieser Rentenversicherung lagen der belangten Behörde 2009 bei Bescheiderlassung und auch 2014 bei Bescheiderlassung vor bzw. falls diese nicht vorlagen hätte die belangte Behörde sich diese jederzeit besorgen können. Die Verträge wurden - soweit dem jetzigen Sachwalter bekannt - seitdem nicht geändert.

 

Mit Bescheid vom 22.06.2015, 0053769/2007_ASJF, dem nunmehrigen Sachwalter der Beschwerdeführerin Dr. M A, zugestellt am 24.06.2015, wurde der Beschwerdeführerin - in Abänderung der obigen Bescheide - ab 01.07.2015 Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs in Form von laufenden monatlichen Geldleistungen zuerkannt. Diese Leistung wurde gemäß Spruch Punkt 1 lit. a befristet bis zur tatsächlichen Auszahlung des Rückkaufwertes der Lebensversicherung der Beschwerdeführerin bei der S-Versicherung, längstens jedoch bis 31.12.2015. Festgehalten wurde auch, dass die Leistung unter der Voraussetzung zuerkannt wird, dass die Beschwerdeführerin ihre Lebensversicherung bei der S-Versicherung ehestmöglich kündigen werde und diesbezüglich die Mindestsicherungsbehörde umgehend informieren werde.

 

Begründend wurde ausgeführt, dass bei einer neuerlichen Überprüfung des Aktes nunmehr festgestellt wurde, dass die Rentenversicherung jederzeit kündbar ist und nicht, wie von Frau Dr. W S 2008 offenbar angegeben, der frühestmögliche Zugriff in 15 Jahren möglich ist. Laut Ausführungen im bekämpften Bescheid betrug der Rückkaufswert im Stand Juni (offenbar 2015?) laut Angaben der S-Versicherung etwa € 99.000,00. Dem Sachwalter der Beschwerdeführerin wurden keine Unterlagen zur Stellungnahme zugestellt, sodass er sich damit nicht beschäftigen konnte. Der Bescheid wurde ihm überraschend und ohne vorhergehende Beteiligung am Ermittlungsverfahren zugestellt.

 

Begründend wurde weiters ausgeführt, dass sich die Beschwerdeführer aufgrund der im Berechnungsblatt dargestellten Einkommenssituation derzeit in einer sozialen Notlage befinden würde. Nach Kündigung ihrer Lebensversicherung, sobald ihr der zu diesem Zeitpunkt berechnete Rückkaufswert tatsächlich zur Verfügung stehe, könne die Beschwerdeführerin ihre soziale Notlage jedoch aus eigenen Kräften überwinden, sodass diese dann nicht mehr vorliege.

 

Der Bescheid wurde unter der Auflage erteilt, nach der die Beschwerdeführerin ihre Lebensversicherung ehestmöglich kündigen müsse, da die Kündigung jedoch jederzeit möglich sei, aber die Genehmigung des Gerichtes vorliegen müsse und eine dreimonatige Kündigungsfrist im Vertrag vorgesehen sei, erscheine der Behörde eine Befristung bis längstens 31.12.2015 angemessen und zumutbar. Mit der Frage, was passiere, wenn das Pflegschaftsgericht die Zustimmung nicht erteilt, setzte sich die belangte Behörde in keiner Weise auseinander.“

 

3. Mit Schreiben vom 21. September 2015 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt bezughabenden Verfahrensakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vor, das gemäß § 2 VwGVG zur Entscheidung durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter berufen ist.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht­nahme und Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 19. Jänner 2016. An dieser nahmen der Sachwalter der Bf und deren Rechtsvertretung sowie Vertreter der belangten Behörde teil. Im Zuge der Verhandlung wurde von beiden Verfahrensparteien ausgeführt, dass seit der Bescheiderlassung bzw. Beschwerdeerhebung kein Kontakt mit dem Pflegschaftsgericht zur Frage, ob einer Kündigung der Lebensversicherung vom Pflegschaftsgericht zugestimmt werde, geführt wurde.

Mit Schreiben vom 11. Februar 2016, LVwG-350174/8/Re/SH, wurde bei der mit dieser Angelegenheit betrauten Richterin beim Bezirksgericht Linz, Pflegschafts-angelegenheiten, Auskunft dahingehend eingeholt, ob für die erforderliche pfleg-schaftsgerichtliche Genehmigung eine Kündigung des gegenständlichen Ver-sicherungsvertrages die Zustimmung erteilt werde.

Mit Schreiben vom 15. Februar 2016, GZ: 6 P 41/02d – 219, wird vom Bezirksgericht Linz, Abteilung 6, Dr. A E folgende Stellungnahme abgegeben:

„Gemäß § 275 Abs. 2 ABGB hat der Sachwalter in wichtigen, die Person des Pfle-gebefohlenen betreffende Angelegenheiten die Genehmigung des Gerichtes ein-zuholen.

 

In Vermögensangelegenheiten gelten die §§ 214 bis 224 AGBB sinngemäß. §214 ABGB steht in Abs. 2 durch Verweis auf § 167 Abs. 3 ABGB bei Angelegenheiten der außerordentlichen Vermögensverwaltung eine gerichtliche Genehmi-gungspflicht vor. Vertretungshandlungen, die nicht zum ordentlichen Wirtschafts-betrieb gehören, bedürfen daher zu ihrer Rechtswirksamkeit der Genehmigung des Gerichtes.

 

Die vorzeitige Aufkündigung der Lebensversicherung der Betroffenen gehört nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb eines Sachwalters und wäre deshalb geneh-migungspflichtig.

 

Bei Kündigung der Versicherung vor Ablauf von 10 Jahren müsste die Betroffene eine Versicherungssteuer in der Höhe von 7 % der ursprünglichen Prämiensum-me, also EUR 5.600,00 nachträglich abführen.

 

Bei Kündigung der Versicherung nach Ablauf von 10 Jahren würde die Betroffene Zinsen und Gewinnbeteiligung verlieren, was einem Verlust bis zu EUR 30.000,00 entsprechen könnte.

 

Das Gericht wird daher eine Kündigung der Versicherung vor Fälligkeit nicht ge-nehmigen.

 

Nach regulärer Auszahlung der Versicherungssumme wird die Betroffene diesen Betrag zur Deckung ihres Lebensbedarfs so lange verwenden müssen, bis sie die Voraussetzungen für eine neuerliche Gewährung von Mindestsicherung erfüllt.

Je höher die Versicherungssumme sein wird, desto länger kann die jetzt 35-jähri- ge Betroffene ihren Bedarf daraus decken.

 

Insofern decken sich die Interessen der Betroffenen mit jenen Stellen, die Sozial- leistungen gewähren.“

 

4.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entschei­dung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Die Bf, geb. x, alleine wohnhaft in L, x, ist derzeit besachwaltert durch Dr. M A, x, L , erhält erhöhte Familienbeihilfe und bezieht seit 2008 Sozialleistungen. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 26.05.2009 wurde der Bf subsidiäres Mindesteinkommen zugesprochen.

Mit Bescheid vom 29.07.2014 wurde der Spruch des Bescheides vom 26.05.2009 aufgrund der neuen Gesetzeslage – Novelle des Oö. ChG und des OÖ. BMSG, LGBl. Nr. 18/2013, sowie der Novelle der Oö. BMSV, LGBl. Nr. 24/2013 – geändert. Für Personen, die volljährig sind, für die ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, die als Kind Unterhalt beziehen oder beziehen könnten und nicht Schüler iSd § 11 Abs. 3 Z 5 OÖ. BMSG sind, wurde ein gesonderter Mindeststandard festgesetzt (§ 13 Abs. 3a OÖ. BMSG). Aufgrund dieser Gesetzeslage, die rückwirkend mit 17.08.2012 in Kraft getreten ist, wurde der Spruch des Bescheides vom 29.07.2014 geändert.

 

Mit 01.06.2006 wurde für die Bf unter Mitwirkung der einstigen Sachwalterin, Frau Dr. W S, mit einer einmaligen Prämie – aus dem Verkauf eines ererbten Grundstückes – in Höhe von 80.000,-- Euro und einer Laufzeit von 15 Jahren eine Versicherung abgeschlossen, die dazu dienen sollte, dass der Bf nach Ablauf dieser Versicherungszeit ein Renteneinkommen zur Verfügung steht. Die garantierte Auszahlungssumme des Versicherungsbetrages im Erlebensfall beträgt ca. 101.902,-- Euro. Je nach Entwicklung der Zinssätze für die Gesamtverzinsung kann es zu einem Gesamtauszahlungsbetrag zum Ablauf iHv ca. 113.00,-- bis 130.000,-- Euro kommen.

Dass diese Versicherungspolizze erst mit Ablauf 01.06.2021 für die Bf verfügbar ist, wurde von der Sachwalterin mit Schreiben vom 28.02.2008 der belangten Behörde bekanntgegeben.

 

Die belangte Behörde wurde im Zuge des Ermittlungsverfahrens (Umstellungs­bescheid) vom jetzigen Sachwalter Dr. A nochmals darauf hingewiesen, dass diese Versicherung laut der zuständigen Richterin beim Pflegschaftsgericht Linz, Frau Dr. E, nicht kündbar sei.

 

Eine Nachfrage der belangten Behörde bei der Versicherung selbst im Juni 2015 ergab, dass die Versicherung jederzeit unter Einhalt einer dreimonatigen Kündigungsfrist auflösbar sei.

 

Das Landesverwaltungsgericht hat bei der S-Versicherung zur Versicherungs­polizze der Bf Auskunft eingeholt und wurde darüber informiert, dass diese Versicherung vorzeitig kündbar sei. Als Rückkaufswert inklusive Gewinnbe­teiligung wird für den Stichtag 01.10.2014 ein Betrag von 96.941,72 Euro berechnet. Zudem ist für den Fall der Kündigung vor Vertragsablauf mit einer Steuernachzahlung an das Finanzamt zu rechnen. 4 % der einmaligen Prämien­summe von 80.000,-- Euro wurden bereits bei Vertragsabschluss dem Finanzamt abgeführt. Bei einer Kündigung vor Ablauf von 10 Jahren – vor dem 01.06.2016 – würde diese Summe mit einer 11%igen Versicherungssteuer belegt. D.h. eine Versicherungssteuer iHv 7 % - das sind hier 5.600,-- Euro – muss nachträglich noch abgeführt werden.

 

Mit Stellungnahme vom 15. Februar 2016, 6 P 41/02 d – 219, hält die mit der Angelegenheit befasste Richterin fest, dass bei Kündigung der Versicherung nach Ablauf von 10 Jahren die Bf Zinsen und Gewinnbeteiligung iHv bis zu 30.000,-- Euro verlieren würde. Das Gericht wird eine Kündigung der Versicherung vor Fälligkeit nicht genehmigen.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und der durch­geführten mündlichen Verhandlung.

 

5. Das Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 2 Abs. 1 Oö. Mindestsicherungsgesetz – Oö. BMSG, LGBl. Nr. 74/2011 idgF, ist bei der Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung auf die besonderen Umstände des Einzelfalls Bedacht zu nehmen. Dazu gehören insbesondere Eigenart und Ursache der drohenden, bestehenden oder noch nicht dauerhaft überwundenen sozialen Notlage, weiters der körperliche, geistige und psychische Zustand der hilfsbedürftigen Person sowie deren Fähigkeiten, Beeinträchtigungen und das Ausmaß ihrer sozialen Integration (Individualitätsprinzip).

 

Gemäß § 5 Oö. BMSG ist Voraussetzung für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung, dass eine Person im Sinn des § 4

1. von einer sozialen Notlage (§ 6) betroffen ist

2. bereit ist, sich um die Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage zu bemühen (§ 7).

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Oö. BMSG setzt die Leistung bedarfsorientierter Mindest­sicherung die Bereitschaft der hilfebedürftigen Person voraus, in angemessener, ihr möglicher und zumutbarer Weise zur Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage beizutragen. Eine Bemühung ist jedenfalls dann nicht angemessen, wenn sie offenbar aussichtslos wäre.

 

Gemäß § 7 Abs. 2 Oö. BMSG gelten als Beitrag der hilfebedürftigen Person im Sinn des Abs. 1 insbesondere

  1. der Einsatz der eigenen Mittel nach Maßgabe der §§ 8 bis 10;
  2. der Einsatz der Arbeitskraft nach Maßgabe des § 11;
  3. die Verfolgung von Ansprüchen gegen Dritte, bei deren Erfüllung die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung nicht oder nicht in diesem Ausmaß erforderlich wäre sowie

die Umsetzung ihr von einem Träger bedarfsorientierter Mindestsicherung oder einer Behörde nach diesem Landesgesetz aufgetragenen Maßnahmen zur Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage.

 

Gemäß § 8 Abs. 1 leg.cit. hat die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung unter Berücksichtigung

1. des Einkommens und des verwertbaren Vermögens der hilfebedürftigen Person sowie

2. tatsächlich zur Verfügung stehender Leistungen Dritter

zu erfolgen.

 

§ 10 Oö. BMSG lautet unter der Überschrift „Ausnahmen vom Einsatz des eigenen Vermögens“

(1) Die Verwertung von Vermögen darf nicht verlangt werden, wenn dadurch eine Notlage erst ausgelöst, verlängert oder deren Überwindung gefährdet wird. Dies ist insbesondere anzunehmen bei:

1. Gegenständen, die zur Erwerbsausübung oder Befriedigung angemessener geistig-kultureller Bedürfnisse erforderlich sind;

2. Gegenständen, die als angemessener Hausrat anzusehen sind;

3. Kraftfahrzeugen, die berufsbedingt oder auf Grund besonderer Umstände (insbesondere einer Beeinträchtigung oder unzureichender Infrastruktur am Wohnort) erforderlich sind;

4. Ersparnissen bis zu einem Freibetrag in Höhe des Fünffachen des Netto-Ausgleichszulagen-Richtsatzes für Alleinstehende;

5. sonstigen Vermögenswerten ausgenommen Immobilien, soweit sie den Freibetrag nach Z. 4 nicht übersteigen und solange Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, nicht länger als sechs unmittelbar aufeinander folgende Monate bezogen werden.

Die Ausnahmen in Z 4 und 5 sind jedenfalls nur einmal pro Haushalt zu berücksichtigen.

(2) Von der Verwertung von unbeweglichem Vermögen ist vorerst abzusehen, wenn dieses der Deckung des unmittelbaren Wohnbedarfs der Person, die Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung geltend macht und der mit ihr in Haushaltsgemeinschaft lebenden Personen dient. Werden Leistungen länger als sechs unmittelbar aufeinander folgende Monate bezogen, kann eine grundbücherliche Sicherstellung der Ersatzforderung vorgenommen werden.

(3) Für die Sechsmonatsfrist des Abs. 1 Z 5 und Abs. 2 sind auch frühere ununterbrochene Bezugszeiten von jeweils mindestens zwei Monaten zu berücksichtigen, wenn sie nicht länger als zwei Jahre vor dem neuerlichen Bezugsbeginn liegen.

(4) Für persönliche Hilfe in Form von Beratung, Begleitung oder Betreuung darf kein Einsatz eigenen Vermögens verlangt werden.

 

5.2. Die verfahrensgegenständliche Entscheidung der belangten Behörde, mit dem die der Bf mit Bescheid vom 29.07.2014 zuerkannte Leistung nach dem Oö. BMSG befristet bis zur tatsächlichen Auszahlung des Rückkaufswertes ihrer Lebensversicherung bei der S-Versicherung, längstens jedoch bis 31.12.2015, abgeändert wurde, wird im Wesentlichen damit begründet, dass der Rückkaufswert der Versicherung laut Auskunft der S-Versicherung mit Stand Juni 2015 ca. 99.000,-- Euro betrage und die Bf die soziale Notlage, in der sie sich befinde, aus eigenen Kräften überwinden könne, indem die Lebensversicherung gekündigt werde. Mit dem Auszahlungsbetrag der Versicherung liege keine soziale Notlage mehr vor.

 

Dem ist entgegenzuhalten, dass ein wesentlicher Grundsatz für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung die Bedachtnahme auf die besonderen Umstände des Einzelfalls ist. Gemäß § 1 Abs. 2 Z 2 Oö. BMSG ist eines der Ziele der bedarfsorientierten Mindestsicherung, dass Personen befähigt werden, soziale Notlagen aus eigener Kraft abzuwenden und dauerhaft zu überwinden. Diese im Oö. BMSG normierten Aufgaben und Ziele sowie Grundsätze für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung sind bei der Beurteilung der Rechtsfrage, ob eine Maßnahme der Bezieherin/dem Bezieher bedarfsorientierter Mindest­sicherung zur Abwendung ihrer/seiner Notlage zumutbar ist, heranzuziehen, wobei die Auswirkung eines solchen Verlangens im vorliegenden Fall durch Einbeziehung des Pflegschaftsgerichtes zu beurteilen war.

 

Im Hinblick auf die Auswirkungen der von der belangten Behörde geforderten Maßnahmen hat die zuständige Pflegschaftsrichterin festgehalten, dass es bei einer vorzeitigen Kündigung der Versicherung zu einem Verlust von bis zu 30.000,-- Euro kommen könnte. Nach regulärer Auszahlung der Versicherungs­summe werde die Bf diesen Betrag zur Deckung ihres Lebensbedarfs so lange verwenden müssen, bis sie die Voraussetzungen für eine neuerliche Gewährung von Mindestsicherung erfülle. Je höher also die Versicherungssumme sein werde, desto länger könne die Bf ihren Bedarf daraus decken.

Dazu darf auf die Erläuterungen zu Art. 13 der Vereinbarung Art. 15a - Materialien, Beilage 677, XXIV. GP, verwiesen werden:

„Auch beim Vermögen ist zunächst davon auszugehen, dass eine Verpflichtung zu dessen Einsatz besteht, bevor Leistungen der Bedarfsorientierten Mindest­sicherung in Anspruch genommen werden können. Dies setzt aber einer Verwertung voraus, die nicht angenommen werden kann, wenn die Verwertung wirtschaftlich unsinnig wäre, weil dies etwa im Einzelfall mit großen Verlusten verbunden wäre.“

 

Da gemäß § 1 Abs. 2 Z 4 OÖ. BMSG eine nachhaltige soziale Stabilisierung anzustreben ist, war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

II.            Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechts­frage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Reichenberger