LVwG-601168/20/KLi/CG
Linz, 06.04.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Dr. Lidauer über die Beschwerde vom 1. Dezember 2015 des M-S A, geb. x, x, L, vertreten durch den Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Soziales, Jugend und Familie, Rechtsvertretung Kinder und Jugendliche, Neues Rathaus, x, L, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 28.10.2015,
GZ: VStV/915301247225/2015, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung (StVO) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, von der Verhängung einer Strafe abgesehen und dem Beschwerdeführer eine Ermahnung gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs.1 Z.4 VStG erteilt.
II. Der Beschwerdeführer hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor der belangten Behörde noch zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 28.10.2015,
GZ: VStV/915301247225/2015 wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe sich am 23.08.2015 um 05.40 Uhr in 4020 Linz, Theatergasse 1 (PI L) trotz Aufforderung durch ein besonders geschultes und von der Behörde hierzu ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl vermutet werden konnte, dass er am 23.08.2015 um 05.00 Uhr in 4020 Linz, Rathausgasse 2, aus Richtung Hauptplatz kommend das Fahrzeug, Fahrrad, blau, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Er habe dadurch gegen § 5 Abs.2 iVm § 99 Abs.1 lit.b StVO verstoßen. Über ihn werde gemäß § 99 Abs.1 lit.b StVO iVm § 20 VStG eine Geldstrafe von 800,00 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 7 Tagen verhängt. Ferner wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, 80,00 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu bezahlen.
Begründend führte die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der rechtlich relevanten Bestimmungen aus, dass es unbestritten feststehe, dass der Beschwerdeführer am 23.08.2015 um 05.00 Uhr das Fahrzeug, Fahrrad, blau, in Linz in der Rathausgasse aus Richtung Hauptplatz kommend bis Höhe Rathausgasse 2 gelenkt habe. Weiters sei unbestritten, dass er an dieser Örtlichkeit zu einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle angehalten und zu einer Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt aufgefordert worden sei. Er sei hiezu mit dem Funkwagen in die Polizeiinspektion L verbracht worden, wo die Atemluftalkoholuntersuchung durchgeführt werden hätte sollen. Die Amtshandlung sei am 23.08.2015 um 05:40 Uhr für beendet erklärt worden.
Zu der zur Last gelegten Übertretung habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen eingewendet, dass er die Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt nicht verweigert hätte, sondern vielmehr den Test wiederholt mit nahezu identen Ergebnissen/Werten abgelegt hätte. Es sei im Übrigen für jemanden, der einen solchen Test zum ersten Mal absolviere, unmöglich die Atemluft derart unter Kontrolle zu haben, dass das Ergebnis jedes Mal das Gleiche sei. Dem Test zufolge hätte das Ergebnis weit unter 0,8 Promille gelegen.
IV.1. § 5 Abs.2 StVO sieht vor, dass Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt sind, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, 1. die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, oder 2. bei denen der Verdacht besteht, dass ihr Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.
V.3. Der objektive Tatbestand des § 5 Abs. 2 StVO ist bereits mit jeglicher Art der Weigerung sich dem Test zu unterziehen vollendet (VwGH 29.6.2012, 2012/02/0054). Einer Partei steht es nicht zu, etwa die Bedingungen festzusetzen, unter denen sie bereit ist, ihre Atemluft untersuchen zu lassen (VwGH 20.3.2009, 2008/02/0142). Dadurch ist auch der objektive Tatbestand des § 5 Abs. 2 StVO bereits mit der durch Passivität im „Beblasen“ des Messgerätes konstatierten Verweigerungshandlung am Ort der Anhaltung vollendet (VwGH 20.3.2009, 2008/02/0142; VwGH 23.3.2012, 2011/02/0244).
Im Fall des § 5 Abs. 2 StVO geht es nur darum, ob zutreffend ein Verdacht vorlag, ein Beschwerdeführer habe zu einer bestimmten Zeit sein Auto in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt, worüber selbst keine direkten Wahrnehmungen vorliegen müssen (VwGH 23.5.2002, 2002/03/0041; VwGH 21.10.2005, 2004/02/0086; VwGH 21.9.2006, 2006/02/0163; VwGH 12.10.2007, 2007/02/0286)-
Es handelt sich bei der Verweigerung der Atemluftuntersuchung um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt iSd § 5 Abs. 1 VStG, bei dem vom Verschulden des Täters auszugehen ist, wenn dieser nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Der Verdacht des Lenkens eines Fahrzeuges genügt für § 5 Abs. 2 StVO iVm § 99 Abs. 1 lit b StVO (VwGH 23.2.1996, 95/02/0567; VwGH 28.2.1997, 95/02/0343; VwGH 21.1.1998, 97/02/0190; VwGH 30.6.1999, 99/03/0183; VwGH 27.11.2012, 2011/02/0006; VwGH 14.12.2012, 2011/02/0240).
Als Weigerung sich der Atemluftuntersuchung zu unterziehen, gilt auch ein Verhalten des Untersuchten, das das Zustandekommen eines tauglichen Messergebnisses verhindert. Es ist also nicht nur die verbale Verweigerung der Untersuchung strafbar, sondern eben auch ein entsprechendes gegen ein Ergebnis gerichtetes Verhalten. Dies gilt etwa für den Fall, dass jemand lediglich einige Male kurz in das Mundstück hineinbläst. Hinsichtlich des Vorliegens eines Defektes des Atemalkoholmessgerätes sind konkrete Behauptungen vorzubringen (VwGH 20.6.1989, 89/02/0022).
So wie die jederzeitige Atemalkoholprüfung von Lenkern von Fahrzeugen zum Schutz der Gesundheit, zur Verhinderung von strafbaren Handlungen sowie zum Schutz der Rechte anderer als grundrechtlich unbedenklich zu beurteilen ist, bestehen auch gegen die Möglichkeit der Atemalkoholprüfung in dem Fall, dass nur ein Verdacht besteht, dass ein Kraftfahrzeug in einem solchen Zustand gelenkt wurde, im Hinblick auf die genannten Schutzgründe keine verfassungsrechtlichen Bedenken (VwGH 29.4.2003, 2002/02/0042).
V.4. Zusammengefasst ergibt sich insofern, dass das Verhalten des Beschwerdeführers eine Verweigerung der Atemluftuntersuchung darstellt.
V.5. Letztendlich ist insofern zu beurteilen, in welcher Weise der Beschwerdeführer zu bestrafen ist bzw. ob allenfalls mittels Ermahnung vorgegangen werden kann. Grundsätzlich ist der belangten Behörde zuzustimmen, dass dann, wenn es sich beim Beschuldigten um einen Jugendlichen handelt, die Mindeststrafe gemäß § 20 VStG bis zur Hälfte unterschritten werden kann. Die belangte Behörde ist mit einer derartigen Herabsetzung der Mindeststrafe vorgegangen. Fraglich ist insofern, ob im konkreten Einzelfall auch eine Ermahnung gemäß § 45 Abs.1 Z.4 VStG ausgesprochen werden kann.
V.6. Gemäß § 38 VwGVG iVm § 19 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Im ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen.
Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
V.7. Gemäß § 32 Abs. 2 StGB hat das Gericht bei der Bemessung der Strafe die Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, in wie weit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werte ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und in wie weit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurück zu führen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen nahe liegen könnte. Nach Abs. 3 leg.cit. ist maßgeblich, wie intensiv ein Täter durch seine Handlung Pflichten verletzt hat, wie reiflich er seine Tat überlegt hat, wie sorgfältig er sie vorbereitet oder wie rücksichtslos er sie ausgeführt hat.
Besondere Milderungsgründe liegen u.a. im Fall eines reumütigen Geständnisses, eines bisherigen ordentlichen Lebenswandels bzw. bisheriger Unbescholtenheit, achtenswerter Beweggründe, bloßer Unbesonnenheit, einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung oder wenn die Tat unter einem Umstand, der einem Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund nahe kommt, begangen wurde, vor (vgl. § 34 StGB).
V.8. Richtig ist die Auffassung der belangten Behörde, dass der Unrechtsgehalt der gegenständlichen Verwaltungsübertretung grundsätzlich erheblich ist, da durch die übertretene Norm insbesondere eine Vorschrift, deren Zweck es ist, den Betreffenden so rasch wie möglich der Untersuchung zuzuführen, um die Möglichkeit der Verschleierung seines Zustandes zu verhindern, verletzt wurde. Darüber hinaus zählen Alkoholdelikte auch zu den am schwersten wiegenden Delikten im Straßenverkehr, weil dadurch Verkehrsunfälle mit erheblichen Schäden verursacht werden.
Dem gegenüber ist aber auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer kein KFZ, sondern ein Fahrrad gelenkt hat, von welchem wesentlich geringere Gefahren ausgehen, als von einem KFZ. Üblicherweise gefährdet ein Fahrradfahrer sich selbst mehr als KFZ-Lenker. Die Tat fand außerdem zu einer verkehrsberuhigten Zeit statt. Darüber hinaus ist auch das sehr jugendliche Alter des Beschwerdeführers (er war zum Tatzeitpunkt etwas älter als 16 Jahre) zu berücksichtigen.
Der Beschwerdeführer erweckte darüber hinaus in der öffentlichen mündlichen Verhandlung aufgrund seines persönlichen Auftretens und seiner Angaben sowie der von ihm geschilderten Lebensverhältnisse auch den Eindruck, dass bereits die Durchführung des Strafverfahrens spezialpräventive Wirkungen zeigte. Der Beschwerdeführer hinterließ auch den Eindruck, dass das gesamte Verwaltungsstrafverfahren, insbesondere auch die Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich bei ihm einen entsprechenden Eindruck davon hinterlassen hat, dass sein Verhalten strafbar ist. Isofern hat dem Beschwerdeführer offenbar auch das Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens vor Augen geführt.
Lediglich aufgrund dieser besonderen Einzelumstände konnte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zu dem Schluss gelangen, dass im vorliegenden Fall auch mit einer Ermahnung gerade noch das Auslangen gefunden werden konnte.
Der Beschwerdeführer wird allerdings eindringlich darauf hingewiesen, dass er für den Fall einer neuerlichen Verwaltungsübertretung jedenfalls mit der Verhängung einer Geldstrafe zu rechnen hat. Allein die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers führt nicht dazu, dass eine Geldstrafe nicht verhängt werden könnte.
V.9. Zusammengefasst war daher spruchgemäß zu entscheiden, der Beschwerde Folge zu geben und mit einer Ermahnung vorzugehen.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Lidauer