LVwG-840084/7/Kl/Rd
Linz, 19.02.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Ilse Klempt über den Antrag der D – D & W H + Co GmbH, x, W, vertreten durch RAe Prof. H & P, x, L, vom 16. Februar 2016 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren der Stadtgemeinde R betreffend das Vorhaben "Neubau H der Stadtgemeinde R, Gewerk: Schwarzdecker/Spenglerarbeiten",
zu Recht e r k a n n t :
I. Dem Antrag wird gemäß § 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 – Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006 idF LGBl. Nr. 90/2013, stattgegeben und der Auftraggeberin Stadtgemeinde R die Erteilung des Zuschlags für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens, längstens aber bis
16. April 2016, untersagt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. 1. Mit Eingabe vom 16. Februar 2016 hat die D – D & W H + Co GmbH (im Folgenden: Antragstellerin) einen Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der Auftraggeberin die Zuschlagserteilung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren, zu untersagen, gestellt. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von insgesamt 9.000 Euro beantragt.
Begründend führte die Antragstellerin eingangs hiezu aus, dass die Auftraggeberin den Neubau des H in R beabsichtige. Der Gesamtauftragswert des Vorhabens befinde sich im Oberschwellenbereich, weshalb auch das Gewerk "Schwarzdecker/Spenglerarbeiten" in einem offenen Verfahren nach den Regeln des Oberschwellenbereiches ausgeschrieben worden sei. Als einziges Zuschlagskriterium sei der Preis (Billigstbieterprinzip) gemäß Pkt. A.09. der Ausschreibungsunterlage vorgesehen gewesen.
Die Angebotsfrist endete am 17.12.2015, 10.00 Uhr. Die Antragstellerin habe sich am Vergabeverfahren durch Legung eines rechtsverbindlichen und mangelfreien Angebots beteiligt.
Bei der Angebotsöffnung am 17.12.2015 ab 12.00 Uhr seien folgende Angebotspreise verlesen und auch im Bezug habenden Protokoll vermerkt worden.
Angebot Nr. 4: M, R 459.306,39 Euro
Angebot Nr. 6: D, W 451.621,63 Euro
Das Architektenbüro G/N x GmbH habe offenbar im Auftrag der vergebenden Stelle die Angebotsprüfung im konkreten Verfahren durchgeführt. Der Antragstellerin sei mit EMail vom 26.1.2016 zur Abklärung diverser Leistungsverzeichnis/Angebotspositionen aufgefordert worden. Diesbezüglich habe am 27.1.2016 mit dem Kalkulanten der Antragstellerin und der vergebenden Stelle ein Aufklärungsgespräch stattgefunden. Dabei seien dem Kalkulanten Erklärungen zu den aufgeworfenen Leistungsverzeichnispositionen abverlangt worden. Eine Unterschrift habe dieser jedoch nicht leisten müssen. Aus Sicht der Antragstellerin sei bei diesem Gespräch eine Erklärung zur Kalkulation der Leistungsverzeichnispositionen: 211301A/211301B sowie 211301H offen geblieben. Dazu sei der Kalkulant aufgefordert worden, eine schriftliche Aufklärung bis 1.2.2016 abzugeben. Eine entsprechende Aufklärung sei noch am selben Tag erfolgt.
Mit den erwähnten Positionen werden Leistungen im Zusammenhang mit der ausgeschriebenen Bitumenabdichtung der Dächer angeboten. Die Pos. 211301H sei im Leistungsverzeichnis als Aufzahlungsposition (Az) gekennzeichnet worden. Die Antragstellerin habe in dieser den für sie erwachsenden Mehraufwand bei der Leistungserbringung an Hochzügen (zuzüglich) zu den Hauptpositionen 211301A und 211301B kalkuliert und angeboten. Seitens der vergebenden Stelle sei darauf hingewiesen worden, dass dieses Verständnis der Ausschreibung unrichtig sei. Die Antragstellerin sei daher aufgefordert worden, verbindlich zu erklären, dass in der Aufzahlungsposition 211301H sowohl der Leistungsteil für die Erbringung der Hauptposition als auch der Mehraufwand (kumuliert) kalkuliert und angeboten worden sei. Die Antragstellerin habe mit EMail vom 1.2.2016 auf ihr Verständnis der Leistungsverzeichnispositionen und ihre Kalkulation berechtigt hingewiesen.
Mit Schreiben der vergebenden Stelle vom 8.2.2016 sei der Antragstellerin mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, dem Angebot der M D-S GmbH mit einem geprüften Gesamtpreis von netto 459.306,39 Euro, - sohin dem Angebot mit dem niedrigsten Preis – den Zuschlag erteilen zu wollen. Das Ende der Stillhaltefrist sei mit Ablauf des 19.2.2016 – fälschlich – bekannt gegeben worden.
Als Gründe für die Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung wurde bekannt gegeben, dass das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin mit einem Nettopreis von 459.306,39 Euro nicht jenes mit dem niedrigsten Preis sei. Das Angebot der Antragstellerin sei mit netto 451.621,63 Euro das preislich günstigste Angebot. Das Angebot sei frei von Rechenfehlern und sei auch von der Auftraggeberin nicht ausgeschieden worden.
Augenscheinlich vermeine die Auftraggeberin, dass sie den Angebotspreis der Antragstellerin dadurch verändern könne, dass sie Heraus- und Umrechnungen von angebotenen Positionspreisen (insbesondere im Bereich der vorstehend erwähnten Leistungspositionen) "korrigierend" vornehmen könne. Dabei werde übersehen, dass das Verständnis eines Bieters von einer Aufzahlungsposition eindeutig sei: Baut eine Position auf einer anderen auf, so wird die grundlegende Position als Hauptposition bezeichnet und die darauf aufbauende, die Hauptposition ergänzende, Position als Aufzahlungsposition (im LV als "Az") gekennzeichnet. Die Antragstellerin habe noch vor Fällung der bekämpften Zuschlagsentscheidung auf dieses richtige Verständnis hingewiesen.
Aus der angeforderten die Antragstellerin betreffenden Angebotsniederschrift war ersichtlich, dass zunächst ein der Ausschreibung widersprechendes Angebot in Ansehung der Aufzahlungspositionen 211101B und 211301B angenommen worden sei. Hiezu sei die ÖNORM B 2209:2014 zitiert worden. Unter Zugrundelegung dieser Annahmen sei der Angebotspreis der Antragstellerin umgerechnet und das wirtschaftliche Ergebnis einer fiktiven Abrechnung simuliert worden. Hieraus sei ein neuer Angebotspreis von netto 483.828,64 Euro anstelle des tatsächlichen Angebotspreises von 451.621,63 Euro ermittelt und offenbar der weiteren Angebotsbewertung zugrunde gelegt worden. Diese Vorgehensweise sei aus nachstehenden Gründen jedenfalls rechtswidrig, zumal die Auftraggeberin – trotz ausdrücklicher schriftlicher Erklärung der Antragstellerin zur Kalkulation des Angebotspreises – einseitig den Angebotspreis in unzulässiger Weise abgeändert habe. Weiters sei auch die Bezugnahme auf die ÖNORM B 2209:2014 unzutreffend erfolgt. Aus der Festlegung des Anwendungsbereiches besagter ÖNORM ergebe sich, dass diese bei Dachabdichtungen nicht anwendbar sei.
Zusammenfassend sei daher festzuhalten, dass die Auftraggeberin mit ihrem Verständnis von Aufzahlungspositionen fundamental gegen das allgemeine Verständnis solcher Positionen verstoßen habe. Es sei jedenfalls unzulässig im Zuge der Angebotsprüfung ein wirtschaftliches Abrechnungsergebnis den tatsächlich angebotenen Preisen gegenüberzustellen und darauf seinen neuen Angebotspreis zu kreieren und diesen der Bewertung zugrunde zu legen. Ein nach Positionen und Einheitspreisen angebotener Preis könne nicht mittels einer Abrechnungsregel (welche nur für die Aufmaßermittlung relevant sei) korrigiert werden.
Das Verständnis der Auftraggeberin von den hier interessierenden ventilierten Leistungsverzeichnispositionen sei auch insofern überraschend, als von Seiten der Auftraggeberin andere im Leistungsverzeichnis enthaltene Aufzahlungspositionen richtigerweise als die Hauptposition ergänzend verstanden worden seien (sh zB Positionen 217152, 217152A iZm der Grunddefinition in Pos. 2171).
Als Ausfluss des Transparenzgebotes normiert § 125 Abs.5 BVergG 2006, das grundsätzlich eine schriftlich zu führende Kommunikation mit dem Bieter im Rahmen der Angebotsprüfung zu erfolgen hat. Im Zuge des Gesprächs am 27.1.2016 seien von der Antragstellerin rechtsverbindliche Erklärungen zu einzelnen Positionen gefordert worden. Eine Unterschrift, welche der Antragstellerin zuzurechnen sei, finde sich darauf nicht (ebenso wenig wie eine, welcher der Auftraggeberin/vergebenden Stelle zugerechnet werden könne). Das von der vergebenden Stelle im Nachhinein übermittelte Bezug habende Protokoll-Schriftstück datiert auf 29.1.2016 belege, dass es nachträglich angefertigt worden sei. Diese Vorgangsweise widerspreche jedenfalls einer nachvollziehbaren, schriftlichen und transparenten Angebotsprüfung und sei somit auch von wesentlichem Einfluss für den Ausgang des Vergabeverfahrens.
Das über die Angebotsöffnung am 17.12.2015 verfasste Protokoll entspreche nicht den Vorgaben des § 18 Abs.5 BVergG 2006. Es sei der Name und Geschäftssitz des Bieters festzuhalten. Als Name eines in Form einer Kapitalgesellschaft agierenden Bieters sei darin natürlich der vollständige Firmenname inkl. Rechtsformzusatz festzuhalten. Betreffend die hier interessierenden Anbieter und deren Angebote sei dies jedenfalls unterlassen worden.
Aufgrund der Führung des Vergabeverfahrens im Oberschwellenbereich betrage die Stillhaltefrist gemäß § 132 bei Übermittlung im elektronischen Weg 10 Tage. Die angefochtene Zuschlagsentscheidung datiert auf 8.2.2016 sei am selben Tag elektronisch versendet worden. Das Ende der Stillhaltefrist sei daher der Ablauf des 18.2.2016. Es sei eine falsche Stillhaltefrist in der Zuschlagsentscheidung genannt worden, was jedenfalls zu einem Nachteil der beteiligten Bieter führe, sollten sich diese zur Wahrung ihrer Rechte am unrichtigen Ende der Stillhaltefrist orientieren.
Die Antragstellerin erachte sich in ihrem Recht auf
- transparente und schriftliche Angebotsprüfung und folglich auf Führung eines diskriminierungsfreien, das Gleichbehandlungsgebot beachtenden und nachprüfbaren Vergabeverfahrens,
- Durchführung eines Vergabeverfahrens nach dem Billigstbieterprinzip, in dem, den Angebot mit dem niedrigsten Angebotspreis der Zuschlag erteilt werden soll,
- Zustellung einer rechtsrichtigen Zuschlagsentscheidung zur Wahrung der Rechte aller Bieter im Vergabeverfahren,
verletzt.
Zum Interesse am Vertragsabschluss und zum Schaden wurde vorgebracht, dass sich die Antragstellerin aufgrund beträchtlichen wirtschaftlichen Interesses am gegenständlichen Auftrag durch Legung eines gültigen und mangelfreien Angebots beteiligt habe. Mit einem Auftragsvolumen in der Höhe der Angebotssumme handle es sich um einen für die Antragstellerin als mittelständiges Unternehmen bereits größeren Auftrag. Zudem wären Kosten für die Kalkulation des Angebots, des Gemeinkostenzuschlages von 20% und der Deckungsbeitrag von 10% sowie der entgangene Gewinn bei Nichterteilung des Zuschlages frustriert.
Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verweist die Antragstellerin zunächst auf die Ausführungen zum Hauptantrag. Weiters wurde vorgebracht, dass zur Wahrung der Rechte der Antragstellerin ausschließlich die Untersagung der Zuschlagserteilung im Stadium nach Versendung der Zuschlagsentscheidung tauglich sei. Dem würden keine besonderen öffentlichen Interessen an der Fortführung des Vergabeverfahrens bestehen und seien auch keine nachteiligen Folgen der beantragten einstweiligen Verfügung ersichtlich.
2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat die Stadtgemeinde R als Auftraggeberin am Nachprüfungsverfahren beteiligt. Mit Stellungnahme vom 17.2.2016 teilte die Auftraggeberin hinsichtlich der angefragten geschätzten Auftragswerte bezüglich Gesamtvorhaben und Gewerk mit, dass sich der geschätzte Auftragswert für das Gewerk gemäß Ausschreibung auf 400.000 Euro und sich die gesamte geschätzte Auftragssumme für das Bauvorhaben auf 9.975.000 Euro belaufe. Das gegenständliche Gewerk falle nicht unter die Loseregelung iSd § 14 Abs.3 BVergG 2006. Das Verfahren sei von der Auftraggeberin als offenes Verfahren nach dem BVergG 2006 im Oberschwellenbereich ausgeschrieben und geführt worden. Die Ausschreibung sei nicht angefochten worden und sei daher bestandfest. Eine Stellungnahme hinsichtlich der Erlassung der einstweiligen Verfügung ist bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts nicht eingegangen.
3. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:
3.1. Gemäß § 1 Abs.1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 (Oö. VergRSG 2006) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesen (Vergabeverfahren), die gemäß Art.14b Abs.2 Z2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.
Gemäß Art.14b Abs.2 Z2 lit.a B-VG ist die Vollziehung Landessache hinsichtlich der Vergabe von Aufträgen durch die Gemeinde. Das gegenständliche Nachprüfungsverfahren unterliegt daher den Bestimmungen des Oö. VergRSG 2006.
Gemäß § 2 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 obliegt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs.1 leg.cit.
3.2. Gemäß § 2 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 ist das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z16 lit.a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.
Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig. Aufgrund der Höhe des Auftragswertes des ausgeschriebenen Bauauftrages sind die Bestimmungen für den Oberschwellenbereich anzuwenden.
3.3. Gemäß § 8 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.
Gemäß § 11 Abs.1 leg.cit. hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.
Gemäß § 11 Abs.3 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.
3.4. Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundesvergabegesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.
Art.2 Abs.4 Satz 1 (entspricht nunmehr Art.2 Abs.5) der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessensabwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).
Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabeverfahrens letztlich dienen soll.
3.5. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft die Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorialverfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Die Auftraggeberin hat im Verfahren konkrete, mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9).
Die Antragstellerin hat denkmöglich ausgeführt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch die Auftraggeberin vorgebracht worden noch dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessensabwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass die Auftraggeberin ein Interesse an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabekontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben können, liegt in der Natur der Sache. Da - wie bereits erwähnt - kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.
Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrigkeiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.
Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 iVm § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006.
Gemäß § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers bzw. eine Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.
Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich somit die Möglichkeit besteht, die Aussetzung der Zuschlagserteilung für zwei Monate, auszusprechen.
Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.4 Oö. VergRSG 2006 sofort vollstreckbar.
4. Entrichtung der Pauschalgebühren:
Gemäß § 22 Abs.2 zweiter Satz Oö. VergRSG 2006 ist, bezieht sich der Antrag lediglich auf die Vergabe eines Loses, dessen geschätzter Auftragswert den jeweiligen Schwellenwert für den Oberschwellenbereich nicht erreicht, die Pauschalgebühr für das dem Los entsprechende Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich zu entrichten.
Als Los im Sinne des Bundesvergabegesetzes gelten auch gewerbliche Tätigkeiten im Sinne des Anhanges I (Gewerke) (§ 14 Abs.1 Satz 2 BVergG 2006).
Im gegenständlichen Fall beträgt der von der Auftraggeberin bekannt gegebene geschätzte Auftragswert für das Gewerk Schwarzdecker/Spengler 400.000 Euro und erreicht dieser Auftragswert somit nicht den Schwellenwert für den Oberschwellenbereich. Die vom Landesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 17.2.2016, LVwG-840083/4/Kl/Rd, LVwG-840084/4/Kl/Rd, geforderte Nachzahlung der Pauschalgebühren in Höhe von insgesamt 4.500 Euro ist zu Unrecht ergangen, weshalb die Rückerstattung der nachgeforderten Pauschalgebühr in Höhe von 4.500 Euro auf das Konto Nr. x, veranlasst wird.
II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art.133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt oder eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Ilse Klempt