LVwG-650002/2/MZ/SA

Linz, 02.01.2014

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde der x, xbach x, x, vertreten durch RA Dr. x, xstraße x, x, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Grieskirchen vom 27. November 2013, GZ: VerkR21-257-2013, den

B E S C H L U S S

gefasst:

 

I. Der Beschwerde wird insoweit stattgegeben, als der Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Grieskirchen vom 27. November 2013, GZ: VerkR21-257-2013, aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG zurückverwiesen wird.

 

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             a) Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Grieskirchen vom 27. November 2013, GZ: VerkR21-257-2013, wurde die Vorstellung der Beschwerdeführerin (in Folge: Bf) gegen den Mandatsbescheid vom 30. Oktober 2013, GZ: VerkR21-257-2013, mit der Maßgabe abgewiesen, als der Bf die Lenkberechtigung für die Klassen AM und B für die Dauer von drei Monaten, gerechnet ab Zustellung des Mandatsbescheides, daher bis 6. Februar 2014 entzogen werde. Weiters wurde der Bf das Recht aberkannt, für die Dauer [gemeint wohl: für die oben genannte Dauer] der unten angeführten Lenkberechtigung von einer allfällig bestehenden ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen.

 

Die Behörde begründet ihren Bescheid wie folgt:

 

Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes Wels vom 18. Juni 2013 zu 15 Hv 67 wurden Sie der Vergehen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1, erster Fall Abs. 3 SMG sowie der Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs. 2 SMG schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB nach dem § 28a Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, wobei die verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde. Als mildernd wurde die geständige Verantwortung sowie die großteilige Sicherstellung des tatverfangenen Suchtgifts gewertet, erschwerend wirkte hingegen eine einschlägige Vorverurteilung und das Zusammentreffen von Vergehen.

 

Rechtliche Beurteilung:

 

Es folgt die Zitierung einschlägiger Rechtsvorschriften. Im Anschluss setzt die Behörde weiter fort:

 

Auf der Grundlage des in Rechtskraft erwachsenen Urteils des Landesgericht Wels, war davon auszugehen, dass Sie eine strafbare Handlung gemäß § 28a SMG begangen haben. Damit haben Sie zweifelsohne eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 3 Z 11 FSG verwirklicht, die Ihre Verkehrsunzuverlässigkeit dokumentiert.

 

Die Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit ist ab Tathandlung bzw. Beendigung des strafbaren Verhaltens zu bemessen (vgl. VwGH 2006/11/0120; 2005/11/0196; 2007/11/0194 u. A.)

 

Die Beendigung des strafbaren Verhaltens war laut oben angeführtem Gerichtsurteil am 29. April 2013. Aufgrund der festgesetzten Entziehungsdauer von 3 Monaten ergibt sich somit eine Verkehrsunzuverlässigkeit von insgesamt 9 Monaten. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Sie bereits einschlägig vorbestraft sind, erscheint die verhängte Entziehungsdauer als angemessen.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bilden bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit (allfällige) berufliche, wirtschaftliche, persönliche und familiäre Nachteile, welche mit der (Dauer der) Entziehung der Lenkberechtigung verbunden sind, kein wie immer geartetes Beweisthema; (vgl. VwGH 2003/11/0017; 2000/11/0176 u. A.)

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Vorstellung abzuweisen.

 

b) Gegen den og Bescheid erhob die Bf rechtzeitig Berufung, die nunmehr als Beschwerde anzusehen ist.

 

II.          Gemäß § 28 Abs 2 Z 1 und 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde die notwendigen Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

a) Gemäß § 24 Abs 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen oder die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Bedingungen, Befristungen zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs 2 in den Führerschein einzutragen.

 

Nach § 7 Abs 1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs 3) und ihrer Wertung (Abs 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

 

Gemäß § 7 Abs 3 Z 11 FSG gilt als bestimmte Tatsache insbesondere, wenn jemand eine strafbare Handlung gemäß § 28a oder § 3a Abs 2 bis 4 SMG begangen hat.

 

Gemäß § 7 Abs 4 FSG sind für die Wertung der in Abs 1 genannten und in Abs 3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

 

III.           1. Entzüge der Lenkberechtigung aufgrund § 7 Abs 3 Z 7 bis 11 FSG gehen der ständigen Rechtsprechung des VwGH zufolge nicht auf ein konkretes Verhalten einer Person im Verkehr zurück, sondern beziehen sich auf die erleichternden Umstände, die bei gewissen Straftaten durch die Berechtigung, ein Fahrzeug zu lenken gegeben sind

 

Im ggst Fall stützt die Behörde ihre Entscheidung auf das im vorgelegten Akt befindliche Urteil des LG Wels vom 18. Juni 2013, 15 Hv 67/13s-9. Demzufolge hat die Bf in x vorschriftswidrig Suchtgift

a) in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge erzeugt, indem sie […] als Mittäter etwa im Herbst 2012 Cannabispflanzen anbaute, diese bis zur Erntereife aufzog und hieraus insgesamt zumindest etwa 1.064g Cannabiskraut (brutto) erzeugte, wobei sie selbst an Suchtmittel gewöhnt war und die Tat vorwiegend zur Deckung des Eigenkonsums beging. Die Bf hat dadurch das Vergehen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1, erster Fall Abs 3 SMG begangen.

b) nämlich Cannabisprodukte, ab Ende 2010 bis zumindest am 29.4.2013 in wiederholten Angriffen erworben und besessen, wobei sie die Straftaten ausschließlich zum persönlichen Gebrauch begangen hat. Die Bf hat dadurch das Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1, erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG begangen.

 

§ 7 Abs 3 Z 11 FSG stellt auf die erstgenannte Verurteilung der Bf ab. Die Bw hat damit eine bestimmte Tatsache verwirklicht. Für einen Entzug der Lenkberechtigung wären im zugrundeliegenden Fall aber zumindest zwei Fragen zu klären gewesen:

 

Zum einen stellt sich die Frage, wo genau die Bf das Cannabiskraut angebaut hat bzw ob sie ein KFZ verwendet hat, um die Begehung der Straftat zu erleichtern. Da der Anbau laut Gerichtsurteil im Herbst 2012 erfolgte, liegt der Schluss nahe, dass die Bf das Suchtgift in einem Gebäude, möglicherweise in ihrer Wohnung oä gezogen hat. Es ist natürlich auch möglich, dass die Bf ein KFZ verwendete, um zum Anbauort zu gelangen, die Pflanzen zu gießen usw. Dies wäre von der belangten Behörde zu ermitteln gewesen. Sollte zwischen der Begehung der konkreten Straftat und der Verwendung eines KFZ kein Konnex bestehen, ist im Sinne der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung eine Entziehung der Lenkberechtigung nicht möglich.

 

Sollte die Beantwortung der soeben dargestellten Frage ergeben, dass der Bf die Begehung der Straftat durch die Berechtigung, ein KFZ zu lenken, erleichtert wurde, ist in Folge als Bezugszeitpunkt für die Bemessung der Entzugsdauer festzustellen, wann das rechtswidrige Verhalten beendet wurde. Dem Urteil kann nämlich lediglich entnommen werden, dass die Bf das Suchtgift im Herbst 2012 angebaut hat, nicht jedoch bis wann sie das Suchtgift in Folge gezogen hat.

 

Die Behörde hat lediglich das ihr übermittelte Gerichtsurteil zur Bescheiderlassung herangezogen und hinsichtlich der für einen Entzug der Lenkberechtigung relevanten Fragen jegliche Sachverhaltsermittlung unterlassen. Es erfolgte weder eine Einschau in den gerichtlichen Strafakt noch eine behördliche Einvernahme der Bf.

 

2. Im Sinne des § 28 Abs 2 Z 1 VwGVG ist somit davon auszugehen, dass der für eine inhaltliche Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht feststeht. Fraglich ist für eine Anwendung des Abs 3 Satz 2 leg cit daher lediglich, ob die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Würde man betreffend des Kriteriums der Raschheit auf die mögliche Dauer bis zur Erzielung einer endgültigen Sachentscheidung abstellen, blieben letztlich kaum Fälle für die kassatorische Einschränkung in § 28 Abs 2 Z 2 VwGVG über und der Bestimmung käme (nahezu) keine praktische Bedeutung zu. Es ist daher davon auszugehen, dass eine Behebung des angefochtenen Bescheides und eine Zurückverweisung an die Behörde zur neuerlichen Entscheidung zulässig ist, wenn die Behörde danach ihr neuerliches Ermittlungsverfahren voraussichtlich mindestens zum gleichen Datum abschließen kann wie es das Verwaltungsgericht könnte. Bezüglich des Kriteriums der Kosten dürfte eine Zurückverweisung zulässig sein, wenn dadurch höchstens etwas höhere Kosten entstünden, als wenn das Verwaltungsgericht sein Ermittlungsverfahren durchführt (vgl zur wortgleichen Bestimmung in Art 130 Abs 4 Z 2 B-VG Leeb, Das Verfahrensrecht der [allgemeinen] Verwaltungsgerichte unter besonderer Berücksichtigung ihrer Kognitionsbefugnis, in Janko/Leeb [Hrsg], Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz [2013] 85 [99f]; ebenso Fischer, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte I. Instanz [VwGVG], in Österreichische Juristenkommission [Hrsg], Justizstaat Chance oder Risiko, in Druck).

 

3. Im ggst Fall ist – da von der Behörde hinsichtlich der relevanten Sachverhaltselemente jegliche Ermittlungen unterlassen wurden – für das Landesverwaltungsgericht Oö. nicht ersichtlich, dass die eigene Sachverhaltsermittlung eine Kostenersparnis in welche Richtung auch immer (konkrete Amtshandlung / Gesamtverfahren) bewirken könnte. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Behörde ihr Ermittlungsverfahren erst zu einem späteren Zeitpunkt abschließen wird können als das Landesverwaltungsgericht Oö. ein von ihm geführtes abschließen könnte.

 

IV. Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der nach Auffassung des Landesverwaltungsgerichts Oö. im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt (Anwendbarkeit des § 28 Abs 2 Z 2 iVm Abs 3 VwGVG), und eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (noch) nicht existiert.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

1. Gegen dieses Erkenntnis besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und / oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerde bzw. Revision ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. einer bevollmächtigte Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Markus Zeinhofer

Beachte:

Vorstehender Beschluss wurde aufgehoben.

VwGH vom 21.08.2014, Zl.: Ro 2014/11/0060-3