LVwG-500129/2/Kü/SK

Linz, 10.03.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Thomas Kühberger über die Beschwerde von Herrn G O M, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. M L, x, L, vom 2. April 2015 gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 11. März 2015,
GZ: 0034254/2014, wegen Über­tretung des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.         Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) iVm § 38 VwGVG eingestellt.

 

 

II.      Gemäß § 52 Abs. 9 VwGVG und § 66 Abs. 1 VStG hat der Beschwerdeführer weder einen Kostenbeitrag für das Beschwerde­verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Ober­österreich noch einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde zu leisten.

 

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I. 1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom
11. März 2015, GZ: 0034254/2014, wurde über den Bf wegen einer Verwal­tungs­übertretung gemäß § 79 Abs. 1 Z 15b Abfallwirtschaftsgesetz 2002
(AWG 2002) iVm Art. 37 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 über die Verbringung von Abfällen eine Geldstrafe von 730 Euro, im Fall der Unein­bringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 7 Stunden, verhängt. Ferner wurde dem Bf ein Verfahrenskostenbeitrag von 73 Euro auferlegt.

 

Diesem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zu Grunde:

 

Der Beschuldigte, Herr G O M, hat zwischen 22.07.2013 und 31.07.2013 nicht gefährliche Abfälle, nämlich 92 Stück Altreifen ‚tripliert‘ bzw. quadriert (Abfall gemäß Basel-Code B3140, EU-Abfallverzeichnis-Code 16 01 03, ÖNORM S 2100-Schlüsselnummer x) in einem Container (Nr. x) entgegen § 69 AWG ohne Zustimmung des Bundesminis­ters für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasser­wirtschaft gemäß Kapitel II der EG- VerbringungsV zur grenzüberschreitenden Verbringung aus Österreich über Deutschland nach Nigeria ausgeführt.

Die Ausfuhr dieses nicht gefährlichen Abfalles wurde vom Beschuldigten von L, x, aus veranlasst (Auftraggeber laut Fa. R I T GmbH) und in Deutschland durch Kontrollorgane des Hauptzollamtes Hamburg-Hafen-Zollamt W angehalten.“

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde, in der beantragt wird, das Straferkenntnis wegen unrichtiger, rechtlicher Beurteilung aufzuheben.

 

Begründend wurde festgehalten, dass die Behörde im Straferkenntnis von der unrichtigen Prämisse ausgehe, wonach es sich bei den vom Bf in der Zeit vom
22. Juli 2013 bis 31. Juli 2013 exportierten 92 Stück Altreifen um Abfall gehandelt habe, weshalb er den Tatbestand des § 79 Abs. 1 Z 15b AWG 2002 in objektiver und subjektiver Hinsicht erfüllt habe. Wie aus dem beigeschlossenen Erkenntnis des Oö. Landesverwaltungsgerichtes vom 27. November 2014 hervor­gehe, handle es sich bei den von ihm seit Jahren exportierten Gebrauchtreifen nicht um Altreifen und auch nicht um Abfall.

 

Hier wie dort handle es sich um mehrfach ineinander gesteckte Gebrauchtreifen mit ausreichendem Profil. In dieser rechtskräftigen Entscheidung sei ausführlichst begründet, weshalb bei derartigen Reifen weder der subjektive noch der objektive Abfallbegriff erfüllt sei.

 

Der Hinweis im angefochtenen Straferkenntnis auf Abfall gemäß Basel-Code B3140, EU-Abfallverzeichnis-Code 16 01 03 und die ÖNORM S 2100-Schlüssel­nummer x sei somit nicht zielführend, weil die Erstbehörde in Verkennung des subjektiven und des objektiven Abfallbegriffs im Sinne des § 2 AWG 2002 die verfahrensgegenständlichen Gebrauchtreifen als Altreifen und als Abfall quali­fiziert habe.

 

3. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz hat die Beschwerde samt Verwal­tungsstrafakt mit Schreiben vom 2. Juni 2015, eingelangt am
9. Juni 2015, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidungs-findung vorgelegt. Dieses hat gemäß § 2 VwGVG durch den nach der Geschäfts­verteilung zuständigen Einzelrichter zu entscheiden.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Mit Schreiben vom 23. Jänner 2014 teilte das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft dem Landeshauptmann von Ober­österreich mit, dass aufgrund einer Information des deutschen Umwelt­bundes­amtes bei einem zum Export nach Nigeria angemeldeten Container durch Kontroll­organe des Hauptzollamtes Hamburg-Hafen-Zollamt W eine Beladung mit insgesamt 92 ineinandergesteckten (tripliert bzw. quadriert) Autoreifen festgestellt wurde. Das Zollamt hat über die Reifen ein Verfügungs­verbot verhängt.

 

Nach dem vorliegenden Ausfuhrbegleitdokument hat die R I T GmbH mit dem Sitz in H eine Ausfuhranmeldung dieser Reifen von Deutschland aus nach Nigeria durchgeführt. Über Anfrage hat die R I T GmbH den Kontrollorganen mitgeteilt, dass Auftraggeber der Versendung der Bf mit der Ladeadresse x in A ist.

 

Anhand der übermittelten Fotos und Dokumente hat das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft eine technische Stel­lung­nahme eines Amtssachverständigen zur Abfalleigenschaft der vorgefundenen Reifen eingeholt. Zusammenfassend kommt der Sachverständige aufgrund der an ihn gestellten Fragen zum Schluss, dass eine unsachgemäße Triplierung vorliegt und damit - unabhängig davon, ob vor der Triplierung eine sachgemäße Sortierung in weiterverwendbare Reifen erfolgte - von Abfall auszugehen ist. Der Sachverständige leitet aus den Fotos ab, dass in mehreren Fällen dauerhafte Deformationen der Reifenwulste vorliegen, sodass die Reifen als Abfall zu werten sind, da aus fachlicher Sicht eine unsachgemäße beschädigende Behandlung gegeben ist, sodass objektiv Abfall (nicht mehr bestimmungsgemäß verwendbare Reifen) vorliege.

 

Der Landeshauptmann von Oberösterreich hat das Schreiben des Bundes­ministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft an die belangte Behörde zur Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens weitergeleitet. Die belangte Behörde hat sodann dem Bf im Wege der Aufforderung zur Rechtfertigung angelastet, zwischen dem 22. Juli und dem 31. Juli 2013 nicht gefährliche Abfälle, nämlich 92 Stück Altreifen tripliert bzw. quadriert, entgegen § 69 AWG ohne Zustimmung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft gemäß Kapitel II der EG-Verbringungsverordnung zur grenzüberschreitenden Verbringung aus Österreich über Deutschland nach Nigeria ausgeführt zu haben.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den im Verwaltungsstrafakt einlie­genden schriftlichen Dokumenten und steht damit im Wesentlichen unbestritten fest.

 

 

II. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

1. Rechtslage:

 

Gemäß § 2 Abs. 1 AWG 2002 sind Abfälle im Sinne dieses Bundes­gesetzes bewegliche Sachen

1.    deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder

2.    deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erfor­derlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beein­trächtigen.

 

§ 1 Abs. 3 AWG 2002 lautet:

 

Im öffentlichen Interesse ist die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich, wenn andernfalls

1.    die Gesundheit der Menschen gefährdet oder unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können,

2.    Gefahren für die natürlichen Lebensbedingungen von Tieren oder Pflanzen oder für den Boden verursacht werden können,

3.    die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden beeinträchtigt werden kann,

4.    die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann,

5.    Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können,

6.    Geräusche oder Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden können,

7.    das Auftreten oder die Vermehrung von Krankheitserregern begünstigt werden können,

8.    die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann oder

9.    Orts- und Landschaftsbild erheblich beeinträchtigt werden können.

 

Gemäß § 2 Abs. 3 AWG 2002 ist eine geordnete Sammlung, Lagerung, Beför­derung und Behandlung im Sinne dieses Bundesgesetzes jedenfalls so lange nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) erforderlich, so lange

1.    eine Sache nach allgemeiner Verkehrsauffassung neu ist oder

2.    sie in einer nach allgemeiner Verkehrsauffassung für sie bestimmungs­gemäßen Verwendung steht.

 

Gemäß § 69 Abs. 1 AWG 2002 hat der Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über jede von der EG-VerbringungsV erfasste notifizierungspflichtige Verbringung von Abfällen nach, aus oder durch Österreich bescheidmäßig abzusprechen.

 

§ 79 Abs. 1 Z 15b AWG 2002 lautet:

 

Wer entgegen § 69 Abfälle ohne die erforderliche Bewilligung oder ohne die sonstigen erforderlichen Zustimmungen gemäß der EG-VerbringungsV verbringt oder Abfälle im Rahmen einer solchen Verbringung übernimmt oder Abfälle im Sinne des Art. 2 Nummer 35 Buchstabe a, c oder e der EG-VerbringungsV illegal verbringt oder im Rahmen einer solchen Verbringung übernimmt, begeht - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungs­strafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist - eine Verwaltungsübertretung, die mit Geld­strafe von 850  Euro bis 41 200 Euro zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von
4 200 Euro bedroht.

 

2. In der Beschwerde wird die Tatsache des Exports von 92 Altreifen in triplierter bzw. quadrierter Form nicht bestritten, vielmehr wird eingewendet, dass die belangte Behörde ohne nähere Prüfung, ob die Abfalleigenschaft der vorgefundenen Reifen gegeben ist oder nicht, von der Prämisse ausgeht, dass die Reifen als Abfall anzusehen sind und daher der Tatbestand der Verbringung von Abfällen ohne die entsprechende Notifizierung gegeben ist. Gleichzeitig verweist der Bf auf den ebenfalls triplierte Reifen betreffenden Fall des Landesver­wal­tungs­gerichtes Oberösterreich zu LVwG-550224. Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde zum Erfolg.

 

3. Die Abfalleigenschaft einer beweglichen Sache ist im Sinne des § 2 Abs. 1 AWG 2002 nur dann anzunehmen, wenn entweder der subjektive (Z 1) oder der objektive (Z 2) Abfallbegriff erfüllt ist. Der Bf bringt zutreffend vor, dass die belangte Behörde es gänzlich unterlassen hat, die Frage der Abfalleigenschaft der in den Containern vorgefundenen Reifen einer näheren Überprüfung zu unter­ziehen. Die belangte Behörde ist vielmehr ungeprüft von einer Abfalleigenschaft ausgegangen und hat in Konsequenz dem Bf eine Verbringung von nicht gefähr­lichen Abfällen ohne entsprechende Notifizierung vorgeworfen.

 

Offensichtlich beruht diese Vorgangsweise der belangten Behörde auf der technischen Stellungnahme des Sachverständigen, welcher vom Bundes­minis­terium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft beauftragt wurde. Wie im Sachverhalt festgehalten, kommt der Sachverständige anhand der Lichtbilder, welche die triplierten Reifen zeigen, zum Schluss, dass aufgrund einer Verformung der Reifenwulste von einer Beschädigung der Reifen auszu­gehen ist und damit eine unsachgemäße Behandlung gegeben ist, die in objek­tiver Hinsicht die Reifen zum Abfall werden lassen. Grundsätzlich ist dem entgegenzuhalten, dass auf den im Akt einliegenden Lichtbildern auch inein­ander­­geschichtete (triplierte) Reifen ersichtlich sind, die keine Beschädigungen an den Wulsten aufweisen. Sofern der Sachverständige auf ein Schweizer Zertifizierungsverfahren verweist, ist dem zu entgegnen, dass dies in Österreich keine Anwendung zu finden hat.

 

Allein aufgrund der Inhalte des Bundesabfallwirtschaftsplanes 2011, wonach Altreifen jedenfalls Abfälle darstellen sollen, wenn sie in einer Art und Weise transportiert werden, sodass von einer Beschädigung auszugehen ist (z.B. zu dritt ineinandergesteckt - tripliert), ist keine Aussage darüber getroffen, ob gegenständlich die vorgefundenen 92 Reifen tatsächlich den Abfallbegriff des § 2 Abs. 1 AWG 2002 erfüllen. Offensichtlich geht die belangte Behörde - wie vom Sachverständigen dargestellt - davon aus, dass durch unsachgemäße Triplierung beschädigte Reifen nicht mehr betriebssicher sind und daher objektiv als Abfall zu qualifizieren sind. Eine solche Schlussfolgerung kann aber nur dann zur Annahme der Abfalleigenschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 AWG 2002 führen, wenn explizit eine der im § 1 Abs. 3 AWG 2002 genannten Schutzinteressen als verletzt zu bewerten ist. In einem triplierte Altreifen betreffenden Fall hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 20. März 2014, Zl. 2011/07/0227, zur Abfalleigenschaft festgehalten: „Die bloße Möglichkeit, dass aufgrund eines künftig hinzutretenden, gesonderten Willensentschlusses des Bf oder einer anderen Person diese Reifen entgegen straßenverkehrs- oder kraftfahrzeug­recht­lichen Bestimmungen verwendet werden könnten, bietet allein jedoch keine tragfähige Grundlage für die Annahme, dass mit den gegenständlichen gelagerten Reifen eine Gefährdung des öffentlichen Interesses im Sinne des § 1 Abs. 3 Z 1 (1. Fall) AWG 2002 verbunden ist.“ Mit anderen Worten bedeutet dies, dass eine allfällige Beschädigung beim Tripliervorgang noch nicht zur Annahme gereicht, dass damit die Gesundheit von Menschen gefährdet wäre. Darüber hinaus ist durch die Art des Transportes und der Lagerung der Reifen in einem Container gegenständlich nicht zu erkennen, welche sonstigen im § 1 Abs. 3 AWG 2002 genannten öffentlichen Interessen eine Gefährdung erfahren würden, die es unumgänglich machen würde, die Reifen als Abfälle im objektiven Sinn zu werten. Vielmehr ist festzustellen, dass die im Container gelagerten triplierten bzw. quadrierten Reifen kein anderes Schutzinteresse des § 1 Abs. 3 AWG 2002 beeinträchtigen. Dies führt zum Schluss, dass die gebrauchten Reifen, auch wenn die Wulste durch die Triplierung Verformungen aufweisen, nicht dem objektiven Abfallbegriff des § 2 Abs. 1 Z 2 AWG 2002 zu unterstellen sind.

 

4. Bleibt gegenständlich die Frage zu prüfen, ob die im Container vorge­fundenen gebrauchten Reifen Abfälle im subjektiven Sinn darstellen, da bei irgendeinem Vorbesitzer die Entledigungsabsicht bestanden hat (vgl. VwGH
vom 27.06.2013, Zl. 2013/07/0041, mwN).

 

Unabhängig von diesem Willen der gänzlich unbekannten Vorbesitzer der Reifen ist im konkreten Fall die Bestimmung des § 5 Abs. 1 AWG 2002 betreffend das Abfallende einschlägig: Demnach ist im Falle einer Vorbereitung zur Wieder­verwendung das Ende der Abfalleigenschaft mit dem Abschluss dieses Verwer­tungsverfahrens erreicht. § 2 Abs. 5 Z 6 leg. cit. definiert die „Vorbereitung zur Wiederverwendung“ als jedes Verwertungsverfahren der Prüfung, Reinigung oder Reparatur, bei dem Produkte sowie Bestandteile von Produkten, die zu Abfällen geworden sind, so vorbereitet werden, dass sie ohne weitere Vorbehandlung wiederverwendet werden können.

 

In den Gesetzesmaterialien (ErlRV 1005 BlgNR 24. GP 12 f) heißt es hierzu: „Die Vorbereitung zur Wiederverwendung von Produkten, die zu Abfall geworden sind, umfasst drei Maßnahmen: die Prüfung (der Funktionsfähigkeit), die Reinigung und die Reparatur (das Austauschen von defekten oder verschlissenen Teilen gegen Neuteile oder die Wiederinstandsetzung und anschließende Wieder­verwendung). Weitere Maßnahmen sind davon nicht umfasst bzw. dürfen nicht erforderlich sein, damit eine Wiederverwendung erfolgen kann. Mit Abschluss dieser Maßnahmen liegt auch das Abfallende vor (siehe auch Erläuterung zu § 5 Abs. 1).“

 

Aus dem vom Bf ins Treffen geführten Verfahren vor dem Landesverwaltungs­gericht Oberösterreich (LVwG-550224) ergibt sich, dass der Bf in A ein Lager für gebrauchte Reifen betreibt. Der Bf kauft von verschiedenen Geschäfts­partnern gebrauchte Reifen, die noch ein Mindestprofil aufweisen. Auch im konkreten Fall zeigen die Lichtbilder, dass die Reifen noch Profile aufweisen und nicht gänzlich abgefahren sind. Eine genaue Messung wurde anhand der vorliegenden Papiere nicht durchgeführt. Zudem gibt es keinerlei Hinweise dafür, dass vor Durchführung der transportbedingten Triplierung Schäden an den Reifen bestanden haben. Dies würde auch der klaren Intention des Bf widersprechen, diese Reifen nach Nigeria zu exportieren, wo sie einer bestimmungsgemäßen Verwendung zugeführt werden sollten. Eine besondere Reinigung von Reifen ist nach der allgemeinen Verkehrsauffassung hingegen nicht erforderlich, hat diese doch keinerlei Einfluss auf die Brauchbarkeit oder Qualität. Zudem erübrigt sich bei funktionsfähigen Gegenständen das Erfordernis einer Reparatur. Damit ist im Ergebnis bereits beim Vorbesitzer (Geschäftspartner, von welchem der Bf die Reifen erworben/übernommen hat) durch die Prüfung und Sortierung das Ende der Abfalleigenschaft gemäß § 5 Abs. 1 AWG 2002 eingetreten.

 

Unstrittig wollte der Bf mit den Reifen Handel treiben, was bedeutet, dass er sich nicht im Sinne von § 2 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 der Reifen „entledigen“ wollte. Von einer Entledigung ist nämlich nur dann zu sprechen, wenn die Weitergabe der Sache in erster Linie darauf abzielt, diese loszuwerden, und somit darin das überwiegende Motiv für die Weitergabe bzw. Weggabe der Sache gelegen ist (VwGH vom 27.06.2013, Zl. 2010/07/0110, mwN). Festzuhalten ist damit, dass der subjektive Abfallbegriff hinsichtlich der gegenständlichen Reifen nicht erfüllt ist.

 

5. Die gegebene Sachlage führt daher im Ergebnis zur rechtlichen Fest­stellung, dass die 92 vorgefundenen gebrauchten Reifen nicht als Abfälle im Sinne des § 2 Abs. 1 AWG 2002 einzustufen sind, weshalb der Bf die ihm angelastete Tat der Verbringung von Abfällen ohne entsprechende Notifzierung schon dem Grunde nach nicht begangen hat. Insofern war dem zutreffenden Beschwerdevorbringen zu folgen, weshalb das gegenständliche Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.

 

 

III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurtei­len. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsge­richtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsge­richtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsan­walt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240,- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Thomas Kühberger