LVwG-601192/10/WP

Linz, 09.03.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Wolfgang Peterseil über die Beschwerde des J S, R, K, vertreten durch Rechtsanwaltssocietät Dr. L J K – Dr. J M, S, P, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 3. Dezember 2015, GZ: VerkR96-5740-2014, wegen einer Übertretung der StVO nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 8. März 2016

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.          Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde teilweise stattgegeben und die Geldstrafe auf 120 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 2 Tage und 7 Stunden herabgesetzt.

 

II.         Die behördlichen Verfahrenskosten reduzieren sich auf 12 Euro, für das verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren hat der Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs 8 VwGVG keinen Beitrag zu den Kosten zu leisten.

 

III.        Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             Bisheriges Verwaltungsgeschehen:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding (in der Folge kurz: belangte Behörde) wirft dem Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf) im angefochtenen Straferkenntnis vom 3. Dezember 2015 vor, er habe am 21.9.2014 um 23:05 im Gemeinde- und Ortsgebiet Kopfing im Innkreis, auf der L 1139 bei km 8.040, dem von einem Straßenaufsichtsorgan mittels Rotlicht der Taschenlampe deutlich sichtbar gegebenen Zeichen zum Anhalten nicht Folge geleistet, weil die Fahrt ununterbrochen fortgesetzt worden sei. Der Bf habe daher § 97 Abs 5 StVO 1960 verletzt, weshalb über ihn gem § 99 Abs 3 lit j StVO 1960 eine Geldstrafe idHv 200 Euro, ersatzweise eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 72 Stunden, verhängt wurde. Weiters wurde er zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages idHv 20 Euro verpflichtet.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende Beschwerde. Das Straferkenntnis wird vom Bf seinem gesamten Inhalt nach angefochten und wird vom Bf beantragt, das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich möge der Beschwerde Folge geben, das angefochtene Straferkenntnis beheben und das Verfahren einstellen. Begründend führt der Bf auf das Wesentliche zusammengefasst aus, er habe eine andere Straße befahren und galt „daher das Anhaltezeichen, welches nach dem Standpunkt der Meldungsleger gegeben worden sei, nicht für den Beschuldigten, der nicht an diese Straßenstelle kam und auch nicht vor hatte, an diese Straßenstelle zu fahren, an der die Meldungsleger bzw. Straßenaufsichtsorgane waren, sondern in die Seitenstraße bzw. Nebenfahrbahn einzubiegen, um zum Treffpunkt beim Haus K zu gelangen. […] Tatsache ist, und hätte das die belangte Behörde auch feststellen müssen, dass der Beschuldigte ein Straßenstück befahren hat bzw. eine Straße befahren hat, an der keine Anhaltung durch ein Straßenaufsichtsorgan erfolgte, sodass der Beschuldigte schon alleine aus diesem Grund den Tatbestand bezüglich seiner objektiven Tatbestandsmerkmale nicht erfüllt hat. […] Einer Aufforderung zum Anhalten kann seitens eines Fahrzeuglenkers nur dann entsprochen werden, wenn dieser auch jenes Straßenstück befährt wo eine Lenker- bzw. Fahrzeugkontrolle stattfinden soll, nicht aber dann, wenn ein Fahrzeuglenker gar nicht an jene Straßenstelle kommt bzw. jene Straße nicht befährt, auf der eine Kontrolle stattfinden soll. Der Beschuldigte hatte auch nie vor, dieses Straßenstück zu befahren, weshalb er auch der vermeintlichen Aufforderung des Meldungslegers bzw. Straßenaufsichtsorganes nicht Folge zu leisten hatte.“ Ein Antrag auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wird vom – rechtsfreundlich vertretenen – Bf weder ausdrücklich noch konkludent gestellt.

 

3. Mit Schreiben vom 12. Jänner 2016, beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich am 14. Jänner 2016 eingelangt, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verfahrensakt zur Entscheidung vor. Von der belangten Behörde wird mit Verweis auf die Begründung des Bescheides die Abweisung der Beschwerde beantragt. Auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wird ausdrücklich verzichtet.

 

 

II.            Beweiswürdigung und festgestellter Sachverhalt:

 

1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt samt Schriftsätzen des Bf und Heranziehung von Luftbildern aus dem Digitalen Oberösterreichischen Raum-Informations-System (DORIS) sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 8. März 2016. Daraus ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt zur Gänze.

 

2. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Der Bf fuhr am 21.9.2014 um ca 23:05 mit seinem PKW (Skoda, amtliches Kennzeichen im Akt) im Gemeinde- und Ortsgebiet Kopfing auf der L 1139 Sighartinger Straße aus Richtung Ortsmitte kommend in Richtung ortsauswärts (Richtung Sigharting). Ca bei Straßenkilometer 8,060 kündigte der Bf mittels Blinkzeichen ein Abbiegemanöver nach links an. Zu diesem Zeitpunkt stand der Meldungsleger (Zeuge RK) ca bei Straßenkilometer 8,040 der L 1139 Sighartinger Straße im dortigen Kreuzungsbereich mit der L 1172 auf der Fahrbahn und gab dem Bf – bevor dieser in Fahrtrichtung gesehen links in die Seitenstraße einbog – mittels einer Taschenlampe mit Rotlichtaufsatz Anhaltezeichen. Der Bf hat – noch bevor er sein Abbiegemanöver durch Verlassen der Fahrbahn der L 1139 abschloss – das durch Rotlicht der Taschenlampe abgegebene Anhaltezeichen des Meldungslegers wahrgenommen. Ungeachtet dessen bog der Bf links in die Seitenstraße ein, um zum Objekt K zuzufahren. Dort stellte der Bf seinen PKW ab. Zum Tatzeitpunkt herrschten durchschnittliche Witterungsverhältnisse (kein Nebel, kein Regen). Weder im Nahbereich vor noch hinter dem Bf befand sich ein weiteres Fahrzeug auf der L 1139. Der Kreuzungsbereich ist durch eine Straßenbeleuchtung erhellt.

 

3. Der dargestellte – entscheidungserhebliche – Sachverhalt ergibt sich im Wesentlichen aus übereinstimmenden Angaben des Meldungslegers und des Bf in der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 8. März 2016.

 

 

III.           Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter über die zulässige und rechtzeitige Beschwerde erwogen:

 

1. Gem § 97 Abs 5 StVO 1960, BGBl 159 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung sind die Organe der Straßenaufsicht […] berechtigt, durch deutlich sichtbare oder hörbare Zeichen Fahrzeuglenker zwecks Lenker- oder Fahrzeugkontrolle, zwecks anderer, den Fahrzeuglenker oder eine beförderte Person betreffende Amtshandlungen oder zwecks Durchführung von Verkehrserhebungen (wie Verkehrszählungen u. dgl.) zum Anhalten aufzufordern. Der Fahrzeuglenker hat der Aufforderung Folge zu leisten. […]

 

Gem § 99 Abs 3 lit j StVO 1960, BGBl 159 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,

a) […]

j) wer in anderer als der in lit. a bis h sowie in den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c und 4 bezeichneten Weise Gebote, Verbote oder Beschränkungen sowie Auflagen, Bedingungen oder Fristen in Bescheiden nicht beachtet, […].

 

2. Das objektive Tatbild des § 97 Abs 5 StVO 1960 besteht unmissverständlich darin, dass einer individuellen Aufforderung eines Organes der Straßenaufsicht zum Anhalten nicht Folge geleistet wird (VwGH 18.5.2001, 98/02/0097). Im vorliegenden Fall ist das objektive Tatbild erfüllt: Von einem Organ der Straßenaufsicht wurde dem Bf gegenüber (und damit individuell) ein Anhaltezeichen mittels Rotlicht der Taschenlampe abgegeben, das dieser auch wahrnahm und trotzdem nicht befolgte, indem er sein Abbiegemanöver abschloss und nicht im Nahbereich des Standortes des Straßenaufsichtsorganes anhielt.

 

3. Das Vorbringen des Bf, sein Vorhaben sei es gewesen, ca bei Straßenkilometer 8,060 der L 1139 in die dortige Seitenstraße in Fahrtrichtung gesehen links einzubiegen und könne daher das Anhaltezeichen nicht gegenüber ihm gegolten haben, hat den ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes gegen sich. Ob ein Fahrzeuglenker weiterhin die – zum Zeitpunkt der Abgabe des Anhaltezeichens – befahrene Fahrbahn befährt oder – beispielsweise durch ein Abbiegemanöver – verlassen möchte, ist im Hinblick auf die Erfüllung des objektiven Tatbildes irrelevant. Gem § 97 Abs 5 StVO 1960 hat jeder Fahrzeuglenker anzuhalten, wenn ihm gegenüber von einem Straßen­aufsichtsorgan – wahrnehmbar und individuell – ein Anhaltezeichen abgegeben wurde. Das Vorbringen des Bf, das Anhaltezeichen habe – da er die Straße (L 1139) nicht weiter befahren wollte – nicht gegenüber ihm gegolten, vermag an der Erfüllung des objektiven Tatbildes nichts zu ändern. Soweit der Bf damit einen Rechtsirrtum zu behaupten versucht, ist dieser nicht weiter beachtlich.

 

4. Gem § 5 Abs 1 VStG ist Fahrlässigkeit bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei der Nichtbefolgung eines Gebots dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Da es sich bei der vorgeworfenen Übertretung um ein solches Ungehorsamsdelikt handelt (VwGH 18.5.2001, 98/02/0097), und der Bf nicht dargelegt hat, dass ihn an der Verwirklichung des objektiven Tatbildes kein Verschulden treffe, ist zumindest von Fahrlässigkeit auszugehen und hat der Bf daher sein tatbildliches Verhalten zu verantworten.

 

5. Gemäß § 19 Abs 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

 

Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung der Entscheidung soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die gesetzliche Höchststrafe für die gegenständliche Übertretung beträgt gemäß § 99 Abs 3 lit j StVO 1960 726 Euro. Eine Mindeststrafe ist nicht vorgesehen.

 

In Übereinstimmung mit den Erwägungsgründen der belangten Behörde ist bei der Strafbemessung mildern zu berücksichtigen, dass der Bf bisher verwaltungs­strafrechtlich unbescholten ist. Erschwerungsgründe liegen keine vor. Ebenso war auf das Einkommen sowie auf eine Sorgepflicht Rücksicht zu nehmen. In Übereinstimmung mit der belangten Behörde geht das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich davon aus, dass es sich bei dem durch § 97 Abs 5 StVO geschützten Rechtsgut, nämlich der Sicherung der Einhaltung der Verkehrsvorschriften und damit dem Interesse der Verkehrssicherheit dienend, um ein bedeutendes Rechtsgut handelt. Die Verletzung derartiger Vorschriften wiegt schwer und ist im Rahmen der Strafbemessung auch entsprechend zu würdigen.

 

Wenngleich der Bf weder im Beschwerdeschriftsatz noch in der öffentlichen mündlichen Verhandlung ein Vorbringen zur Strafbemessung erstattet hat, erscheint es dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich aus spezial­präventiven Gründen nicht erforderlich, eine Geldstrafe idHv 200 Euro zu verhängen, um den Bf von einer nochmaligen Übertretung dieser Bestimmung abzuhalten, zumal dies beinahe ein Drittel der Höchststrafe bedeutet. Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen zur Strafbemessung sollte mit einer Geldstrafe idHv 120 Euro das Auslangen gefunden werden und erscheint dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich eine Geldstrafe in dieser Höhe tat- und schuldangemessen.

 

6. Die Entscheidung über die Kosten für das Beschwerdeverfahren ist in § 52 VwGVG begründet.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

IV.          Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Gem § 25a Abs 4 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) ist für den Bf eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde und der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Wolfgang Peterseil