LVwG-601225/11/WP

Linz, 03.03.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Wolfgang Peterseil über die Beschwerde des M S, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 23. Dezember 2015, GZ: VStV/915301924326/2015, wegen einer Übertretung der StVO nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 3. März 2016 und sofortiger Verkündung der Entscheidung

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.          Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde teilweise stattgegeben und die Geldstrafe auf 50 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 23 Stunden herabgesetzt.

 

II.         Die behördlichen Verfahrenskosten reduzieren sich auf 10 Euro, für das verwaltungsgerichtliche Verfahren hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten zu leisten.

 

III.        Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs 4 VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a Abs 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungs­gerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             Bisheriges Verwaltungsgeschehen:

 

1. Die Landespolizeidirektion Oberösterreich (in der Folge kurz: belangte Behörde) wirft dem Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf) im angefochtenen Straferkenntnis vor, er sei am 16.10.2015 um 6:50 Uhr in 4522 Sierning, Friedhofstraße 1, als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen x mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt, obwohl er und die Person, in deren Vermögen der Schaden eingetreten sei, einander ihre Namen und Anschriften nicht nachgewiesen hätten. Der Bf habe dadurch § 4 Abs 5 StVO verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Bf gem § 99 Abs 3 lit b StVO eine Geldstrafe idHv € 150,00 sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 2 Tagen und 12 Stunden verhängt. Weiters wurde er zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages idHv 15 Euro verpflichtet.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet die vorliegende Beschwerde. Begründend führt der Bf darin aus, er sei am Unfalltag mit dem Linienbus unterwegs gewesen und sei davon ausgegangen, dass er nicht seine Privatdaten angeben müsse, sondern die Daten seiner „Stelle“ genügten. „Laut Gesetz sollte alle Unfallbeteiligten bei einem Unfall die Namen, Adressen und Telefonnummer etc.  austauschen. Ich finde es, dass ich mich richtig gehandelt habe, den Namen, Adresse und Telefonnummer meine Dienststelle angegeben habe. Außerdem habe ich mit dem Unfallbeteiligter ausgemacht, dass er sich mit meiner Dienststelle wegen Versicherung sich anmelden soll, darum verstehe ich nicht, wieso er eine Beschwerde bei der Polizei gemacht, obwohl wir miteinander gesprochen haben“.

 

3. Mit Schreiben vom 28. Jänner 2016, beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich am 2. Februar 2016 eingelangt, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt bezughabenden Verwaltungsakt und dem Hinweis, von einer Beschwerdevorentscheidung abzusehen, zur Entscheidung vor.

 

 

II.            Beweiswürdigung und festgestellter Sachverhalt:

 

1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde samt des Schriftsatzes des Bf sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 3. März 2016.

 


2. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

2.1. Am 16. Oktober 2015 um ca 6:50 Uhr kollidierte der Bf mit dem von ihm gelenkten Bus (amtliches Kennzeichen x) im Ortsgebiet Sierning auf der Schiedlbergerstraße, ortseinwärts fahrend, mit dem PKW des PS (amtliches Kennzeichen im Akt), ortsauswärts fahrend, auf Höhe des Unternehmens „B B“, wodurch an beiden beteiligten Fahrzeugen Sachschaden entstand. Beide Unfallbeteiligten hielten ihre Fahrzeuge an. Nach einem kurzen Gespräch, ohne Namen und Anschrift mit seinem Unfallgegner auszutauschen, entfernte sich der Bf mit dem Hinweis, er müsse Schüler zum Busterminal bringen und der PS möge ihm zum – ca 300 bis 500m entfernten – Busterminal folgen. Daraufhin fuhr PS dem Bf mit seinem PKW nach und am Busterminal kam es erneut zu einem Gespräch. Auch in diesem Gespräch gab der Bf weder seinen Namen noch seine Anschrift gegenüber PS bekannt. Mit dem Hinweis, er werde seinen Arbeitgeber vom Unfallgeschehen verständigen und würde sich dieser bei PS telefonisch wegen der Schadensabwicklung melden, entfernte sich der Bf erneut. Eine Verständigung der nächsten Polizeidienststelle durch den Bf erfolgte nicht.

 

III.           Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter erwogen:

 

1. Gem § 4 Abs 1 StVO 1960, BGBl 159 in der hier anzuwendenden Fassung BGBl I 2012/50, haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht,        

 

a) wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten,

b) wenn als Folge des Verkehrsunfalles Schäden für Personen oder Sachen zu befürchten sind, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen,

c) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

 

Gem Abs 5 par cit haben die im Abs 1 genannten Personen die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs 1 par cit genannten Personen […] einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

 

Gem § 99 Abs 3 lit b StVO 1960, BGBl 159 in der hier anzuwendenden Fassung BGBl I 2013/39, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,

[…]

b) wer in anderer als der in Abs 2 lit a bezeichneten Weise gegen die Bestimmungen des § 4 verstößt, insbesondere die Herbeiholung einer Hilfe nicht ermöglicht, den bei einem Verkehrsunfall entstandenen Sachschaden nicht meldet oder als Zeuge eines Verkehrsunfalles nicht Hilfe leistet, […]

 

2. Obwohl der Bf als Lenker eines der beiden Unfallfahrzeuge mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stand, hat er seinem Unfallgegner weder seine Identität nachgewiesen, noch unverzüglich die nächste Polizeidienststelle verständigt. Der Bf hat damit das objektive Tatbild des §§ 99 Abs 3 lit b iVm 4 Abs 5 StVO 1960 verwirklicht.

 

3. Gem § 5 Abs 1 VStG ist Fahrlässigkeit bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei der Nichtbefolgung eines Gebots dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Da es sich bei der vorgeworfenen Übertretung um ein solches „Ungehorsamsdelikt“ handelt, und der Beschwerdeführer nicht dargelegt hat, dass ihn an der Verwirklichung des objektiven Tatbildes kein Verschulden treffe, ist zumindest von Fahrlässigkeit auszugehen und hat der Bf daher sein tatbildliches Verhalten zu verantworten.

 

4. Gemäß § 19 Abs 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

 

Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die gesetzliche Höchststrafe für die gegenständliche Übertretung beträgt gemäß § 99 Abs 3 lit b StVO 1960 726 Euro. Eine Mindeststrafe ist nicht vorgesehen.

 

Offenkundiger Zweck des § 4 Abs 5 StVO 1960 ist die Sicherung der notwendigen Schadensabwicklung im Fall eines Sachschadens bei Verkehrsunfällen. In dieser Hinsicht hat der Bf – obzwar im Hinblick auf das Vorliegen eines Rechtsirrtums irrelevant – insofern richtig gehandelt, als er durch die Verständigung seines Dienstgebers aus seiner Sicht alles getan hat, um die Schadensabwicklung zu ermöglichen. Dieses Bemühen des Bf um eine reibungslose Schadensabwicklung ist bei der Bemessung der Strafe im Hinblick auf das Ausmaß des Verschuldens besonders mildernd zu berücksichtigen. Der Bf zeigte sich in der vor dem Landesverwaltungsgericht durchgeführten Verhandlung auch einsichtig und bekannte seinen Fehler, seine persönlichen Daten nicht bekannt gegeben zu haben, reumütig ein. Auch dieser Umstand war vom erkennenden Gericht als strafmildernd zu werten. Die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Bf war ebenso zu seinen Gunsten zu berücksichtigen.

 

Im Hinblick auf die Bedeutung des von der verletzten Verwaltungsvorschrift geschützten Rechtsguts sowie vor dem Hintergrund, dass der Bf Berufskraftfahrer ist, war aus spezialpräventiven Gründen eine – wenn auch geringere – Strafe zu verhängen. Vor dem Hintergrund der in der mündlichen Verhandlung hervorgekommenen Umstände des Einzelfalls erschien dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Verhängung einer Geldstrafe idHv 150,- Euro als nicht tat- und schuldangemessen, weshalb diese herabzusetzen war.

 

5. Die Entscheidung über die Kosten für das Beschwerdeverfahren ist in § 52 VwGVG begründet.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 


 

IV.          Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Gem § 25a Abs 4 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) ist für den Bf eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde und der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.


 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Wolfgang Peterseil