LVwG-650458/14/Bi

Linz, 29.02.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde des Herrn A W, vertreten durch den Sachwalter RA Mag. Dr. H B, vom 6. August 2015 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 28. Juli 2015, GZ:07-453296, wegen Entziehung der Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung (samt Verkündung) am 26. Februar 2016

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.

Gemäß § 28 VwGVG wird die Beschwerde abgewiesen und der in Beschwerde gezogene Bescheid bestätigt.  

 

 

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungs­gerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid wurde dem Beschwerdeführer (in Folge: Bf) in Bestätigung des Mandatsbescheides der belangten Behörde vom 23. März 2015, GZ:07-453296, gemäß §§ 24 Abs.1 Z1 iVm 3 Abs.1 Z3 und 8 Abs.3 Z4 FSG die Lenkberechtigung – Führerschein ausgestellt von der BH Urfahr- Umgebung am 22.11.2007 zu GZ:07-453296 – für die Klassen AM, A, B und F bis zur Wiedererlangung der gesundheitlichen Eignung, gerechnet ab 25. März 2015 (Zustellung des Mandatsbescheides), entzogen. Außerdem wurde ihm gemäß § 30 Abs.1 FSG das Recht aberkannt, von einer ausländischen Lenkberechtigung während der Dauer der Entziehung in Österreich Gebrauch zu machen. Weiters wurde gemäß § 13 Abs.2 VwGVG die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde ausgeschlossen.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte laut Rückschein am 30. Juli 2015.  

2. Dagegen hat der Bf fristgerecht Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG eingebracht, die von der belangten Behörde ohne Beschwerde­vorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wurde, das darüber gemäß Art.131 B-VG zu entscheiden hat. Am 26. Februar 2016 wurde eine (beantragte) öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Bf, seines Sachwalters RA Dr. B und der Vertreterin der belangten Behörde Dr. A A durchgeführt. Das Erkenntnis wurde mündlich verkündet.

3. Der Bf macht im Wesentlichen geltend, er verfüge über eine jahrzehntelange Erfahrung mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen, sei Millionen von Kilometern unfallfrei gefahren und trinke keinen Alkohol. Nach einer schweren Darmoperation sei ein Sachwalterbestellungsverfahren eingeleitet worden, in dessen Folge die belangte Behörde ein Verfahren zur Prüfung seiner gesundheitlichen Eignung eingeleitet habe. Die VPU sei deshalb negativ ausgefallen, weil er den Umgang mit Computern nicht kenne und außerdem nach gewisser Zeit Schmerzen in der Halswirbelsäule bekommen habe, die ihn am Abschluss des Tests gehindert hätten. Mittlerweile sei er gesundheitlich soweit wiederhergestellt, dass er eine Fahrprüfung problemlos bewältigen könne; eine solche sei ihm zu Unrecht verweigert worden. Er beantrage die Einholung eines medizinischen SV-Gutachtens zum Beweis für seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen, sowie ihm die Möglichkeit zu geben, seine Fahrtauglichkeit im Rahmen einer praktischen Überprüfung im Wege einer Testfahrt unter Beweis zu stellen. Im Übrigen beantragt er die Aufhebung des Bescheides und Anordnung der unverzüglichen Wiederausfolgung seines Führerscheins.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, bei der beide Parteien gehört und die vorgelegten SV-Gutachten und FA-Stellungnahmen erörtert wurden, ebenso wie das vom Bf vorgelegte neuro-psychiatrische Gutachten Dris N B, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie in Wien, vom 21.9.2015.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der 1936 geborene Bf war im Besitz der Lenkberechtigungen für die Klassen AM, A, B und F. Nach einer schweren Darmoperation wurde beim BG Urfahr ein Sachwalterbestellungsverfahren durchgeführt; der nunmehrige Sachwalter ist bestellt für die Vertretung des Bf vor Ämtern, Behörden, Gerichten und Sozialversicherungsträgern sowie zur Vermögensverwaltung.

Nach einem Schreiben des BG Urfahr an die belangte Behörde wegen Bedenken hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung des Bf zum Lenken von Kraftfahrzeugen wurde der Bf zunächst aufgefordert, sich binnen einer Frist amtsärztlich untersuchen zu lassen. Vorgelegt wurde ein im Zuge des Sachwalterschaftsverfahrens erstelltes neuro-psychiatrisches Gutachten Dris E D vom 25.4.2014, wonach beim Bf eine leichtgradige Demenz besteht, verbunden mit Einschränkungen der Gedächtnisleistung, der Merkfähig­keit, der Konzentrationsfähigkeit, der Kritikfähigkeit und des Realitätsbezuges. Zusätzlich zeige sich der Bf im Verhalten vergröbert, distanzlos, reizbar und dysphorisch, dann aber wieder freundlich und angepasst; bei ihm liege kein Problembewusstsein vor, dafür aber Selbstüberschätzung.

Im Rahmen des Verfahrens vor der belangten Behörde legte der Bf einen psychiatrischen FA-Befund Dris. F F vom 19.9.2014 vor mit der Diagnose „altersgemäßer seelischer Zustand, zurückliegend wahrscheinlich vorübergehendes organisches Durchgangssyndrom im Zuge eines schweren operativen Eingriffes, derzeit Remission“. Demnach besteht ein altersgemäßer psychischer Status und keine neurologische Störung, daher sei gegen der Weitererbleib der Lenkberechtigung kein Einwand zu erheben. Das beschriebene Verhalten entspreche einer altersgemäßen Wesensveränderung und gehe nicht über die bestehende Normalität hinaus.

 

Eine verkehrspsychologische Untersuchung am 15.11.2014 brach der Bf wegen Schmerzen in der Halswirbelsäule – er schien mit der Computertestung überfordert – ab; allerdings waren bis dahin Schwächen bzw Beeinträchtigungen der kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen festzustellen, sodass er im Ergebnis als „nicht geeignet zum Lenken von Kraftfahrzeugen“ befunden wurde.

 

Eine Überprüfungsfahrt mit einem Fahrlehrer am 14.2.2015 beim Fahrtechnik­zentrum Marchtrenk war laut Befund von E G-P, Club Mobil, ebenfalls negativ; eine aktive Teilnahme im Straßenverkehr konnte vom Expertenteam des Club Mobil keinesfalls befürwortet werden; die im Einzelnen beschriebenen „Defizite erwecken den Eindruck massiver kognitiver Minderungen der kraftahrspezifischen Leistungsfunktionen“.

Das abschließende Gutachten gemäß § 8 FSG des Amtsarztes der belangten Behörde vom 23. März 2015, San20-11-53-2014m lautete auf „nicht geeignet“.

Auf dieser Grundlage ergingen der Mandatsbescheid vom 23.3.2015, zugestellt am 25.3.2015, und schließlich der in Beschwerde gezogene Bescheid.

 

Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens wurde seitens des Landesverwaltungs­gerichtes die gutachterliche Stellungnahme Dris E W, Amt der OÖ. Landesregierung, Direktion Soziales und Gesundheit, Abteilung Gesundheit, vom 17.9.2015 eingeholt, die den Bf zum FA für Psychiatrie zuwies wegen Verdachtes auf dementielle Symptomatik.

Nach insgesamt vier Fristerstreckungsanträgen legte der Bf die FA-Stellungnahme Dris F F vom 21. Jänner 2016 vor mit der Diagnose „alternsbedingte Störung der Aufmerksamkeit in komplexen Situationen“ und der Feststellung, der Bf habe „zum derzeitigen Zeitpunkt zwar im Diagnosegespräch einen unauffälligen psychischen Zustand, jedoch in der konkreten Situation eindeutige Mängel, die für diese Situationen inadäquate Stressreaktionen und Überblick zeigen.“ Aus psychiatrischer Sicht seien daher für den Weiterverbleib der Lenkberechtigung „ernste Bedenken“ anzumelden. Der Bf sei zwar in einer schwierigen lokalen Situation, es sei jedoch, wie die Probefahrt zeige, beim konkreten Lenken eines Fahrzeuges, das auch von Bf als extrem routiniert beschrieben werde, ein beobachtbarer schwerer Mangel für die kraftfahr­spezifische Leistungsfähigkeit darstellbar.

 

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung legte der Sachwalter ein Gutachten Dris N B, FÄ für Psychiatrie und Neurologie in Wien, vor, das zum Zweck der Prüfung eingeholt wurde, ob die Sachwalterschaft weiter bestehen soll; derzeit wird vom Gericht ein weiteres SV-Gutachten dazu eingeholt.

Laut Dr. B lassen sich beim Bf diagnostisch weder psychiatrische Vorbehandlungen noch psychische Störungen im Sinne einer affektiven Störung, schizophrenen Erkrankung, Wahnerkrankung, Angststörung oder Verhaltens­störung erkennen, keine Restsymptomatik nach einer abgeklungenen psychischen Störung bzw Funktionsstörung des Gehirns oder einer körperlichen Krankheit und keine Abhängigkeitserkrankung. Objektivierbar seien mäßige kognitive Defizite, die einer leichten kognitiven Störung nach ICD-10 (F06.7) entsprechen. Bei normgerechter verbalintellektueller Leistungsfähigkeit und durchschnittlicher Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit zeige sich eine intakte aufmerksamkeitsspezifische Selektivität sowie eine gut konservierte Resistenz gegenüber Störeinflüssen. Erhebbare kognitive Schwächen betreffen vor allem die leicht reduzierten handlungsassoziierten Exekutivfunktionen sowie mittlere Defizite in der visuellen wie logischen Merkfähigkeit. Auch die Ergebnisse der testpsychologischen Untersuchung entsprechen einer „leichten kognitiven Störung“ nach ICD-10 (F06.7). Eine dementielle Entwicklung konnte nicht objektiviert werden. 

 

In der Verhandlung wurden all diese Befunde und Gutachten ausführlich erörtert. Der Bf vertrat im Hinblick auf seine langjährige umfangreiche Fahrpraxis die Ansicht, er sei zum einen sehr wohl gesundheitlich geeignet; die schlechten Ergebnisse der VPU erklärte er mit seiner Ungeübtheit im Umgang mit Computern und seinen Schmerzen, bei der Probefahrt habe er ein schlechtes Fahrzeug bekommen. Im Übrigen lebe er allein, seine Tochter und die Enkelin arbeiteten ganztägig, er müsse sich selbst versorgen und brauche dazu unbedingt einen Führerschein, zumal  er in einem abgelegenen Teil von Ottensheim wohne und täglich Essen gehen müsse; sich das Essen anders zu besorgen (Essen auf Rädern, Lieferservice, Taxi) sei zu teuer.   

 

Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4)  nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken.

 

Gemäß § 13 Abs.1 FSG-GV gelten als ausreichend frei von psychischen Krank­heiten im Sinne des § 3 Abs.1 Z1 Personen, bei denen keine Erscheinungsformen von solchen Krankheiten vorliegen, die eine Beeinträchtigung des Fahrverhaltens erwarten lassen. Wenn sich aus der Vorgeschichte oder bei der Untersuchung der Verdacht einer psychischen Erkrankung ergibt, der die psychische Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges einschränken oder ausschließen würde, ist eine psychiatrische fachärztliche Stellungnahme beizubringen, die die kraftfahr­spezifische Leistungsfähigkeit mitbeurteilt.

 

Aus der Sicht des Landesverwaltungsgerichtes bestand beim Bf auf der Grundlage der Ausführungen Dris D im Gutachten vom 25.4.2014 der Verdacht einer psychischen Erkrankung des Bf, sodass die von Dr. W ausgesprochene Zuweisung zu einem Facharzt für Psychiatrie rechtmäßig war.

Das nunmehrige Gutachten Dris F vom 21. Jänner 2016 geht von demjenigen vom 19.9.2014 insofern ab, als er nun nicht mehr von einem durch eine schwere Erkrankung bedingten vorübergehenden Durchgangssyndrom im Remissionsstadium spricht, sondern „ernste Bedenken“ gegen den Weiterverbleib der Lenkberechtigung äußert, wobei er auf die vom Bf durchgeführte Probefahrt Bezug nimmt, die schwere Mängel der kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen gezeigt hat.

 

Damit ist aber nicht von einer befürwortenden FA-Stellungnahme auszugehen, sodass sich die Einholung eines neuerlichen Gutachtens nach § 8 FSG erübrigt.

Insgesamt gesehen besteht beim Bf eine mangelnde gesundheitliche Eignung, die aber jederzeit durch die Vorlage eines positiven FA-Gutachtens bei der belangten Behörde widerlegt werden kann.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Zu II.:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungs­gerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Bissenberger