LVwG-601202/7/MB/BD

Linz, 21.02.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Brandstetter über die Beschwerde des F K,
geb x 1960, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 3. Dezember 2015, VerkR96-5300-2015, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und das Straferkenntnis der belangten Behörde im Hinblick auf dessen Spruchpunkt 1) ersatzlos behoben und das Verfahren eingestellt.

 

II.      Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

zudem fasst das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich den Beschluss

 

I.          Die Beschwerden im Hinblick auf Spruchpunkt 2) und 3) des Straferkenntnisses der belangten Behörde werden gemäß § 31 Abs. 1 iVm § 50 VwGVG als gegenstandslos erklärt und die Beschwerdeverfahren eingestellt.

II.         Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding (in Folge: belangte Behörde) vom 3. Dezember 2015, VerkR96-5300-2015, wurde der Beschwerdeführer (in Folge: Bf) schuldig erkannt, am 1. September 2015 um 6:30 Uhr im Stadtgebiet Grieskirchen als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen x) ein Fahrzeug überholt zu haben, wodurch andere Straßenbenützer behindert wurden, 2) auf einer Straßenstrecke, die durch das Vorschriftszeichen ÜBERHOLEN VERBOTEN gekennzeichnet ist, ein mehrspuriges Kraftfahrzeug überholt zu haben und 3) auf der Fahrbahn angebrachte Sperrflächen befahren zu haben.

 

Er habe dadurch 1) § 16 Abs. 1 lit.a StVO 1960, 2) § 16 Abs. 2 lit.a StVO 1960 und 3) § 9 Abs. 1 StVO 1960 verletzt, weshalb über ihn gem
§ 99 Abs 3 lit.a StVO 1960 Geldstrafen in der Höhe von je 80 Euro, falls diese uneinbringlich sind Ersatzfreiheitsstrafen von je 33 Stunden, verhängt wurde.

 

Begründend führt die belangte Behörde im Wort aus:

„Die strafbaren Tatbestände sind aufgrund des durchgeführten behördlichen Ermittlungsverfahrens als erwiesen anzusehen.

 

Zur Rechtslage:

§ 16 Abs. 1 lit.aStVO 1960

Der Lenker eines Fahrzeuges darf nicht überholen:

wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist,

 

§ 16 Abs. 2litaStVO 1960

Außer in den im Abs. 1 angeführten Fällen darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen: mehrspurige Kraftfahrzeuge auf Straßenstrecken, die durch das Vorschriftszeichen „Überholen verboten" gekennzeichnet sind; es darf jedoch überholt werden, wenn rechts zu überholen ist",

 

§9 Abs. 1 StVO 1960

Sperrlinien (§55 Abs. 2) dürfen nicht überfahren, Sperrflächen (§55 Abs. 4) nicht befahren werden. Befinden sich eine Sperrlinie und eine Leitlinie nebeneinander, so hat der Lenker eines Fahrzeuges die Sperrlinie dann zu beachten, wenn sie dem von ihm benützten Fahrstreifen näher liegt.

 

 

 

§ 99 Abs. 3lit.aStVO 1960

Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist.

 

Zur Sachlage:

Auf Grund einer Privatanzeige erstattete die Polizeiinspektion Grieskirchen am 05.09.2015, zu GZ: VStV/915100443060/001/2015 Anzeige, weil der Lenker des PKW mit dem amtlichen Kennzeichen x, am 01.09.2015 um 06:30 Uhr im Stadtgebiet Grieskirchen, Kreuzung B 137 Innviertier Straße / Kürschner-Müller-Straße

1) ein Fahrzeug überholt hat, wodurch andere Straßenbenützer behindert wurden.

2) auf einer Straßenstrecke, die durch das Vorschriftszeichen „ÜBERHOLEN VERBOTEN"

gekennzeichnet ist, ein mehrspuriges Kraftfahrzeug überholt hat.

3) die auf der Fahrbahn angebrachte Sperrfläche befahren hat.

 

An die Zulassungsbesitzerin, Frau B K, erging von der BH Grieskirchen mit 10.09.2015 eine Aufforderung gemäß § 103 Abs. 1 Kraftfahrgesetz 1967 (Lenkererhebung), worin um Auskunft an die Behörde ersucht wurde, wer das Fahrzeug mit dem Kennzeichen x zur Tatzeit gelenkt hat, bzw. jene Person zu benennen, welche die Auskunft erteilen kann. Dazu wurden Sie mit Eingabe vom 21.09.2015 (elektronisch eingelangt) als Lenker bekannt gegeben.

 

Aufgrund Ihres Wohnsitzes in K wurde das Verfahren gemäß § 29a VStG 1991 an die BH Schärding abgetreten.

 

Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 01.10.2015 wurde gegen Sie das Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet und die im Spruch dieses Straferkenntnisses angeführten Übertretungen zur Last gelegt. Diese Aufforderung wurde Ihnen nachweislich durch Hinterlegung am 05.10.2015 zugestellt. Innerhalb der gesetzten 2-wöchigen Frist wurde der Behörde dazu keine Äußerung bekannt, weshalb das Straferkenntnis ohne ihre Anhörung erlassen wird.

 

Erwägungen:

Die Behörde hat keinen Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen in der Anzeige der Polizeiinspektion Grieskirchen bezüglich der im Spruch dargelegten Verwaltungsübertretungen. Es sind keine Umstände bekannt geworden, welche die darin enthaltenen Angaben in Frage stellen würden. Solche Umstände wurden Ihrerseits auch nicht behauptet. Den Angaben des Privatanzeigers wird von der Behörde Glauben geschenkt, da diese nachvollziehbar und schlüssig sind. Die gelegte Anzeige kann daher dem Verfahren zugrunde gelegt werden.

 

Für die Behörde steht daher unter Hinweis auf den obigen Sachverhalt auch zweifelsfrei fest, dass Sie die ihnen zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen - wie im Spruch dieses Straferkenntnisses angeführt - sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten haben.

 

Zum Verschulden ist zu bemerken, dass gemäß § 5 Abs. 1 VStG 1991, wenn eine Verwaltungsvorschrift nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgen eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Umstände, welche Ihr Verschulden an der Verletzung der gegenständlichen Verwaltungsvorschrift ausschließen würden, sind von Ihnen im Verfahren nicht wirksam vorgebracht worden und haben sich auch sonst nicht ergeben. Gegenständlich ist jedenfalls von fahrlässigem Verhalten auszugehen.

 

Zur Strafbemessung:

Im Verwaltungsvorstrafenregister der BH Schärding sind gegen Sie keine Vorstrafen evident. Verwaltungsstrafrechtlich gelten Sie daher als unbescholten und stellt dies einen Milderungsgrund dar. Erschwerungsgründe vermochte die Behörde keine zu finden.

 

Die übertretenen Rechtsnormen zielen wie nahezu alle Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung darauf ab, die mit dem Straßenverkehr naturgemäß verbundenen Gefahren und Gefährdungsmomente auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Wer gegen diese Vorschriften verstößt, trägt zur Erhöhung der Gefahren des Straßenverkehrs bei und gefährdet die Verkehrssicherheit.

 

Bei der Strafbemessung wurden mangels Angaben Ihrerseits ein monatliches Nettoeinkommen von 1.200,00 Euro, kein Vermögen, keine Sorgepflichten, berücksichtigt. Die Strafhöhe ist unter Bedachtnahme auf den gesetzlichen Strafrahmen nicht als überhöht zu betrachten, sondern tat- und schuldangemessen. Die verhängten Geldstrafen bewegen sich im untersten Bereich des Strafrahmens und betragen lediglich ca. 11 % der möglichen Höchststrafe (726 Euro).

 

Die vorgeschriebenen Kosten sind in der zitierten Gesetzesstelle begründet.“

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Bf rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde, welches bei der belangten Behörde am 18.1.2016 eingelangt ist.

 

In dieser führt der Bf wie folgt aus:

„1) Ich habe kein Fahrzeug überholt u. auch nicht behindert

2) Ich habe kein Fahrzeug überholt

3) Da ich vom LKW der Fa. Z bzw. der 2A-Zugmaschine die auf mich zugefahren ist und vor mir rechts mich abgedrängt hat bin ich ausgewichen da sonst der Auflieger der der Zugmaschine folgt voll gerammt hätte

Der Fahrer des LKWs stieg bei der Kreuzung Pottinger aus – trommelte wild an mein Fahrzeug – schrie er habe alles gefilmt und zeige mich an. Die Ampel schaltete auf Grün und ich fuhr weiter. Sie haben die Fotos wo mein PKW vor dem LKW fährt.

Wo sind die Fotos wo er mich brutal abdrängt wo er auf mich zu fuhr?

 

Ich verlange eine Mündliche Verhandlung!!

Ich fahre seit 1980 mit dem LKW und hab noch nie einen PKW Lenker so brutal genötigt.

Mir tut es leid wenn solche Fahrerkollegen die Straße unsicher machen!

Ich verlange eine Mündliche Verhandlung“

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat die Beschwerde des Bf unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsaktes mit Vorlageschreiben vom
20. Jänner 2016, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm
§ 3 VwGVG).

 

4. Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

 

II.

 

1. Gemäß §§ 27 iVm 9 VwGVG hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und Z 4 VwGVG) zu prüfen. Die Beschwerdegründe und das Begehren bilden den Prüfungsumfang und -gegenstand des Verfahrens.

 

2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt und die Schriftsätze samt Beilagen des Bf. Zudem führte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich am 18.2.2016 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

 

3. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von dem unter Punkt I.1. und I.2. dargestellten, entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus, wobei ergänzend aufgrund der öffentlichen mündlichen Verhandlung festzustellen ist, dass aufgrund der Ausführungen des Bf und der Angaben des Zeugen K nicht mit der für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit festgestellt werden kann, dass der Bf einen anderen Verkehrsteilnehmer durch sein Verhalten gefährden konnte. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die konkrete Verkehrssituation (Verkehrsaufkommen, genaue Lage des Überholvorganges, tatsächliche Gefährdung etc.) einen Gefährdungsmoment innehatte. Darüber hinaus hat der Bf seine Beschwerden im Hinblick auf Spruchpunkt 2) und 3) des Straferkenntnisses der belangten Behörde zurückgezogen.

 

 

III.

 

1. Die im gegenständlichen Fall einschlägigen Normen der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), BGBl 1960/159 in der im Tatzeitpunkt geltenden Fassung, lauten:

 

Gem. § 16 lit a StVO darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist.

 

Gem. § 99 Abs. 3 lit. a StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist.

 

2. Entsprechend der unter Pkt. II getätigten Feststellungen ist davon auszugehen, dass der Bf schon das Tatbild der Blankettstrafnorm nicht erfüllt hat.

 

5. Gemäß § 52 Abs 1 VwGVG ist in jedem Erkenntnis, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens auszusprechen hat. Abs 2 leg cit normiert, dass dieser Beitrag mit 20 % der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit
10 Euro, zu bemessen ist. Es ist dem Bf daher kein Verfahrenskostenbeitrag vorzuschreiben.

 

 

IV.

 

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche, dh über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidungen besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde bzw der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Markus Brandstetter