LVwG-601137/26/MS
Linz, 12.02.2016
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Dr. Monika Süß über die Beschwerde von Herrn C F, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. M F, x, W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen, vom 1-Oktober 2015, GZ: VerkR96-20730-2015, wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs. 1 StVO, den
B E S C H L U S S
gefasst:
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 VStG eingestellt.
II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Zu I.:
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom
1. Oktober 2015, VerkR96-20730-2015, wurde über Herrn C F, x, H, wegen der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO iVm § 99 Abs. 1 lit. a StVO eine Geldstrafe von 2.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 432 Stunden) verhängt, da dieser das Fahrzeug PKW, A schwarz, mit dem Kennzeichen x, am 19. Juli 2015 um 3.42 Uhr von Obererleinsbach über den Güterweg Obererleinsbach zur B 129 nach Rittberg und anschließend auf der B 129 nach Peuerbach in die Steegenstraße bis auf Höhe Nr. 15 in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt hat und der Test am geeichten Alkomaten einen Alkoholgehalt der Atemluft von 0,98 mg/l ergeben hat.
Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Beschwerdeführer am 12. Oktober 2015 zugestellt worden ist, hat dieser durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter mit Eingabe vom 6. November 2015, eingebracht mittels E-Mail selben Datums, und somit rechtzeitig Beschwerde erhoben.
Mit Schreiben vom 24. November 2015 legte die belangte Behörde die ggst. Beschwerde unter Anschluss des Verfahrensaktes dem Oö. Landesverwaltungs-gericht zur Entscheidung vor, wobei auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung verzichtet wurde.
Mittels E-Mail des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers wurde das Oö. Landesverwaltungsgericht davon in Kenntnis gesetzt, dass wegen des Vorfalles vom 19. Juli 2015 beim Bezirksgericht G ein Strafverfahren anhängig ist und bei der Hauptverhandlung am 11. November 2015 durch den Vertreter der Staatsanwaltschaft die Aufhebung des bekämpften Straferkenntnisses beantragt wurde.
Die Staatsanwaltschaft W teilte über Anfrage des Oö. Landesverwaltungs-gerichtes mit, dem Antragsteller werde im Strafantrag zur Last gelegt, am
19. Juli 2015 das Vergehen der körperlichen Sicherheit nach § 89 (§81 Abs. 1 Z 1 und 2) StGB begangen zu haben.
Seitens der Staatsanwaltschaft Wels wird dem Beschwerdeführer Folgendes zur Last gelegt:
„[…] wird vorgeworfen, er hat am 19.7.2016 in Peuerbach als Lenker des PKWs mit dem Kennzeichen x in stark alkoholisiertem Zustand dadurch, dass er im Ortsgebiet Obererleinsbach in Richtung Stadtgebiet Peuerbach fahrend infolge rücksichtsloser und gefährlicher Fahrweise durch eine Gruppe von ca. 70 Personen (Festbesucher) in Richtung Geisham fuhr, sodass zahlreiche Personen zur Seite springen mussten, unter besonders gefährlichen Verhältnissen fahrlässig eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit dieser Personen, sowie des Beifahrers A H und einer weiteren namentlich nicht bekannten Person herbeigeführt, nachdem er sich vor der Tat, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuss von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand (1,84 Promille Blutalkoholgehalt) versetzt hat, obwohl er vorgesehen hat, oder hätte vorhersehen können, dass ihm eine Tätigkeit, nämlich das Lenken eines Kraftfahrzeuges, bevorstehe, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeizuführen oder zu vergrößern geeignet sei.“
Gemäß § 5 Abs. 1 StVO darf, wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt.
Gemäß § 99 Abs. 6 lit. c StVO liegt eine Verwaltungsübertretung nicht vor, wenn eine Tat nach diesem Bundesgesetz oder nach den §§ 37 und 37a FSG den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklicht.
Gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1600 Euro bis 5900 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,6 g/l (1,6 Promille) oder mehr oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,8 mg/l oder mehr beträgt.
Gemäß § 89 StGB ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen, wer in den im § 81 Abs. 1 Z 1 bis 3 bezeichneten Fällen, wenn auch nur fahrlässig, eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeiführt.
Gemäß § 81 Abs. 1 StGB ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen, wer fahrlässig den Tod eines anderen herbeiführt
1. unter besonders gefährlichen Verhältnissen,
2. nachdem er sich vor der Tat, wenn auch nur fahrlässig, durch Genuss von Alkohol oder den Gebrauch eines anderen berauschenden Mittels in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt hat, obwohl er vorhergesehen hat oder hätte vorhersehen können, dass ihm eine Tätigkeit bevorstehe, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeizuführen oder zu vergrößern geeignet sei.
Gemäß § 45 Abs. 1 Ziffer 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.
Gemäß § 22 Abs. 1 VStG ist eine Tat als Verwaltungsübertretung, soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, nur dann strafbar, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.
Gemäß § 30 Abs. 1 VStG sind, wenn einem Beschuldigten von verschiedenen Behörden zu ahndende Verwaltungsübertretungen oder eine Verwaltungs-übertretung und eine andere von einer Verwaltungsbehörde oder einem Gericht zu ahndende strafbare Handlung zur Last liegen, die strafbaren Handlungen unabhängig voneinander zu verfolgen, und zwar in der Regel auch dann, wenn die strafbaren Handlungen durch ein und dieselbe Tat begangen worden sind.
Gemäß § 30 Abs. 2 VStG hat die Behörde das Strafverfahren bis über diese Frage von der sonst in Betracht kommenden Verwaltungsbehörde oder vom Gericht rechtskräftig entschieden ist auszusetzen, sofern eine Tat von den Behörden nur zu ahnden ist, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit anderer Verwaltungsbehörden oder der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, und ist es zweifelhaft, ob diese Voraussetzung erfüllt ist.
§ 22 Abs. 1 VStG normiert für das Verhältnis von Verwaltungsstrafrecht und Kriminalstrafrecht eine grundsätzliche Subsidiarität des Verwaltungsstrafrechtes (Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG § 22 VStG, RZ 1).
Das bedeutet: Lässt sich eine Tat formal einem verwaltungsstrafrechtlichen als auch einem kriminalstrafrechtlichen Tatbestand subsumieren, so ist die diesbezügliche Erfüllung des verwaltungsstrafrechtlichen Deliktes nur eine scheinbare. Die Tat ist – bei Begehung unter diesen Umständen – verwaltungsstrafrechtlich nicht strafbar; der Täter verwirklicht im Rechtssinn allein den einschlägigen Kriminalstraftatbestand.
Der Vorrang des Kriminalstrafrechtes besteht immer schon dann, wenn der in Rede stehende Sachverhalt unter einem gerichtlichen Tatbestand subsumierbar ist (wenn also in strafrechtlicher Terminologie eine „gerichtlich strafbare Handlung“ vorliegt). Die Tat muss nicht konkret strafbar sein. Auch die - etwa wegen des Vorliegens von Entschuldigungsgründen, Straftaufhebungs- oder Strafausschließungsgründen – im Ergebnis straflose Kriminaltat lässt die Verdrängung des verwaltungsstrafrechtlichen Tatbestandes bestehen (Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG § 22 VStG, RZ 3).
Wie der der VwGH im Erkenntnis vom 23. März 2003, 81/02/0387 ausgesprochen hat, liegt daher auch dann, wenn es zu keiner gerichtlichen Bestrafung kommt, z.B. wegen des Vorliegens von Strafausschließungsgründen gemäß § 42 StGB, keine von der Verwaltungsbehörde zu ahndende Verwaltungsübertretung vor, da § 99 Abs. 6 lit. c StVO nur darauf abstellt, dass eine in Abs. 2, 3 oder 4 bezeichnete Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallende strafbare Handlung bildet.
Ist ein Sachverhalt wegen des Vorranges des Kriminalstrafrechtes verwaltungsstrafrechtlich nicht strafbar, ist ein diesbezügliches Verwaltungsstrafverfahren nicht zu eröffnen. Ist es bereits eröffnet, so ist es im Hinblick auf die Unzuständigkeit der Verwaltungsbehörden zur Verfolgung einer solchen Tat einzustellen.
Ist es jedoch „zweifelhaft“, ob die verwaltungsstrafrechtliche Tat eine in die Zuständigkeit der Gerichte fallende strafbare Handlung bildet, so hat die Verwaltungsbehörde gemäß § 30 Abs. 2 VStG das Verwaltungsstrafverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung auszusetzen (Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG § 22 VStG, RZ 6).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14. Juni 2005, 2003/02/0120, unter Bezugnahme auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 2. September 2004, Beschwerde Nr. 77431/01, im Fall Bachmaier gegen Österreich ausgesprochen hat, verletzt die Verfolgung eines Beschwerdeführers wegen der Übertretung der StVO (§ 5 Abs. 1 StVO) dessen Rechte nach Art 4 des 7. ZPMRK dann nicht, wenn das Gericht den Grad der Alkoholisierung des Beschwerdeführers nicht prüfte, weil es bereits zuvor aus einem anderen Grund die gerichtliche Strafbarkeit für nicht gegeben erachtete. Gleiches gilt für den Fall der Zurücklegung der Anzeige durch die Staatsanwaltschaft nach § 90 STPO, wenn der Staatsanwalt von vornherein oder nach Durchführung von Vorerhebungen erkennt, dass die Anzeige haltlos, die angezeigte Tat nicht strafbar oder nicht verfolgbar ist (vgl. VwGH 23. November 2001, 98/02/0287; 21. April 2006, 2004/02/0405).
Wie aus der Anzeige der PI P vom 22. Juli 2015, VStV/915100374763/001/2015, hervorgeht, wurde an die zuständige Staatsanwaltschaft eine Anzeige wegen der Gefährdung der körperlichen Sicherheit erstattet.
Aufgrund der Rückfrage des Oö. Landesverwaltungsgerichtes beim Bezirksgericht G steht fest, dass die Staatsanwaltschaft W einen Strafantrag beim Bezirksgericht W gestellt hat, in welchem dem Beschwerdeführer das Vergehen der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach §§ 89 (§ 81 Abs. 1 Z. 1 und 2) StGB zur Last gelegt wird.
§ 89 in Verbindung mit § 81 Abs. 1 Z. 1 und 2 StGB pönalisiert das Herbeiführen einer Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen nachdem er sich durch Genuss von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt hat, obwohl er vorhergesehen hat oder hätte vorhersehen können, dass ihm eine Tätigkeit bevorstehe, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeizuführen oder zu vergrößern geeignet sei.
Die verwaltungsstrafrechtlich vorgeworfene Tat „ Lenken eines Kraftfahrzeuges im alkoholisiertem Zustand“ lässt sich unter dem Tatbestand des § 89 (§ 88 Abs. 1 Z. 1 und 2) StGB subsumieren und ist daher der Vorrang des Kriminalstrafrechtes gegeben, zumal der Grad der Alkoholisierung von der Staatsanwaltschaft W bereits in der Anzeige enthalten ist.
Die belangte Behörde hätte daher kein Verwaltungsstrafverfahren einleiten dürfen bzw. hätte das eingeleitete Verfahren einstellen müssen.
Aus diesem Grund ist das eingeleitet Verwaltungsstrafverfahren, welches die belangte Behörde durch das nunmehr bekämpfte nicht rechtskräftige Straferkenntnis entschieden hat, wegen Unzuständigkeit derselben unter Stattgabe der Beschwerde und Aufhebung des bekämpften Erkenntnisses einzustellen.
II. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Dr. Monika Süß