LVwG-300915/4/Kl/PP
Linz, 18.02.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Ilse Klempt über die Beschwerde des Herrn V.B., x, T., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 30. November 2015, SV96-45-2014, wegen Übertretungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes – ASVG
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens iHv 720 Euro zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 30. November 2015, SV96-45-2014, wurden über den Beschwerdeführer wegen Verwaltungsübertretungen in neun Fällen gemäß § 33 iVm § 111 Abs. 1 Z 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG Geldstrafen von jeweils 400 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 62 Stunden verhängt.
Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:
Gemäß § 111 Abs. 1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 ASVG meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs. 3 ASVG entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes
1. Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder
2. Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder
3. Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder
4. gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.
Gemäß § 111 Abs. 2 ASVG ist die Ordnungswidrigkeit nach Abs. 1 von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen und zwar
- mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,
- bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,
Gemäß § 35 Abs. 1 ASVG gilt als Dienstgeber iSd Bundesgesetzes derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer (Lehrling) in einem Beschäftigungs(Lehr)verhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist.
Gemäß § 49 Abs. 1 ASVG sind unter Entgelt die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus aufgrund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.
Gemäß § 539a Abs. 1 ASVG ist für die Beurteilung von Sachverhalten nach diesem Bundesgesetz in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (z.B. Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend.
Durch den Missbrauch von Formen und durch Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes können Verpflichtungen nach diesem Bundesgesetz, besonders die Versicherungspflicht, nicht umgangen oder gemindert werden (Abs. 2).
Ein Sachverhalt ist so zu beurteilen, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu beurteilen gewesen wäre (Abs. 3).
5.2. Im Grunde der angeführten gesetzlichen Bestimmungen war daher eindeutig von Dienstgebereigenschaft des
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 4.7.2007, 2004/08/0127) ist für die Dienstgebereigenschaft wesentlich, wer nach rechtlichen (und nicht bloß tatsächlichen) Gesichtspunkten aus den im Betrieb getätigten Geschäften unmittelbar berechtigt und verpflichtet wird, wen also das Risiko des Betriebes im Gesamten unmittelbar trifft. Wer berechtigt und verpflichtet wird ist eine Rechtsfrage, die aufgrund rechtlicher Gegebenheiten (z.B. Eigentum) beantwortet werden kann. Unzweifelhaft und unstrittig zeigt der Beschwerdeführer auf, dass er Eigentümer des zu renovierenden Wohnhauses ist und er daher Berechtigter und Empfänger der Dienstleistung ist.
Beim Aufbringen des Putzes auf die Fassade handelte es sich ihrer Art nach großteils um einfache manuelle Arbeiten. Dazu führt der Verwaltungsgerichtshof aus, dass bei solchen einfachen manuellen Arbeiten an sich das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses gemäß § 4 Abs. 2 ASVG – in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte – bei organisatorischer Einbringung in den Betrieb des Arbeitgebers ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden kann, weil die Erteilung von Weisungen bezüglich des arbeitsbezogenen Verhaltens in der Regel unterbleibt, wenn der Arbeitnehmer von sich aus weiß, wie er sich im Betrieb des Dienstgebers zu verhalten hat. Hier äußert sich das Weisungsrecht in Form von Kontrollrechten bzw. in einer „stillen Autorität des Arbeitgebers“ (vgl. VwGH v. 23.2.2005, 2002/08/0220).
Da der Beschwerdeführer selbst bei seiner Einvernahme angab, dass er Anweisungen an der Baustelle gibt, er jedenfalls als Eigentümer über die Baustelle verfügt und Kontrollen auch als Eigentümer ausübt, war nicht von Bestimmungsfreiheit der Arbeiter, sondern von einer weitgehenden Bindung der Arbeiter an Vorgaben des Beschwerdeführers auszugehen. Dabei war auch der Beurteilung nach dem sich eröffneten Gesamtbild der Situation einzubeziehen, dass die überwiegende Zahl der Arbeiter zum Tatzeitpunkt in keinem aufrechten Beschäftigungsverhältnis standen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 28.1.2015, 2013/08/0048, zur Verwendung für Reinigungsarbeiten ausgeführt, dass diese in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und ihre Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum erlauben und typischerweise den Inhalt eines Dienstverhältnisses oder arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses bilden, sodass in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte das Vorliegen einer der Bewilligung nach AuslBG bzw. der Meldepflicht nach dem ASVG unterworfenen Beschäftigung ausgegangen werden könne. Atypische Umstände, die einer solchen Deutung entgegenstehen, seien im Verfahren nicht hervorgekommen. Bei Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses ergebe sich der Entgeltanspruch – sofern er nicht vertraglich geregelt ist – aus § 1152 ABGB, wonach mangels Vereinbarung eines Entgelts oder von Unentgeltlichkeit ein angemessenes, sich am Ortsgebrauch orientierendes Entgelt als bedungen gilt.
Auch in der Entscheidung vom 24.4.2014, 2012/08/0177, bestätigt der VwGH, dass, wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen, d.h. arbeitend, unter solchen Umständen angetroffen wird, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, die Behörde berechtigt ist, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinn auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen. Spricht also die Vermutung für ein Dienstverhältnis, dann muss die Partei ein ausreichend substantiiertes Vorbringen erstatten, aus dem man anderes ableiten könnte. Als Freundschafts- oder Gefälligkeitsdienste sind kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anzusehen, die vom Leistenden aufgrund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungsempfänger erbracht werden und die einer Prüfung auf ihre sachliche Rechtfertigung standhalten. Für die Abgrenzung zwischen einem Gefälligkeitsdienst und einer Beschäftigung ist eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Dabei trifft die Partei unabhängig von der grundsätzlichen Verpflichtung der Behörde zur amtswegigen Erforschung des für die Entscheidung notwendigen Sachverhaltes und über die oben erwähnte Darlegungspflicht hinaus – eine entsprechende Mitwirkungspflicht, zumal es sich bei den zur Beantwortung der Frage, ob ein Freundschafts- oder Gefälligkeitsdienst vorliegt, maßgeblichen Umständen und Motiven um solche handelt, die zumeist der Privatsphäre der Partei zuzuordnen sind und der Behörde nicht ohne weiteres zur Kenntnis gelangen. Es ist in diesen Fällen daher Sache der Partei, entsprechende konkrete Behauptungen aufzustellen und Nachweise anzubieten (mit weiteren Judikaturnachweisen).
Es beruft sich zwar der
Allein die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft kann so eine spezielle enge Bindung nicht darlegen. Worin ansonsten die besondere Bindung gelegen sein sollte, wird vom
Insbesondere hat aber die Kontrollbehörde rechtsrichtig darauf hingewiesen, dass es sich nicht um ein Gebetshaus oder ein Gebäude der F. in Österreich handelt, sondern die Tätigkeit an dem privaten Wohnhaus des
Es war daher der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung erfüllt.
5.3. Im Hinblick auf das Verschulden verweist die belangte Behörde zu Recht auf die Bestimmung des § 5 Abs. 1 VStG, wonach bei Ungehorsamsdelikten, zu welchen auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung zählt, ohne weiteres von Fahrlässigkeit ausgegangen werden kann, sofern der Beschuldigte nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Ein weiteres Vorbringen hinsichtlich einer Entlastung hat der Beschuldigte nicht gemacht und war daher jedenfalls auch von fahrlässiger Tatbegehung auszugehen.
5.4. Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
Nach § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten und allfällige Sorgepflichten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides so weit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist. § 19 Abs. 1 VStG enthält somit jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafbemessung sind. Darüber hinaus normiert Abs. 2 für das ordentliche Verfahren eine Reihe weiterer subjektiver Umstände.
Die belangte Behörde ist von geschätzten Einkommensverhältnissen von 2.000 Euro monatlich ausgegangen sowie von keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten. Erschwerende Gründe hat sie nicht berücksichtigt, mildernd wurde von ihr die lange Verfahrensdauer und die Unbescholtenheit berücksichtigt. Hinsichtlich Unbescholtenheit ist hingegen aus dem Verwaltungsakt ersichtlich, dass zwar nicht einschlägige Verwaltungsvorstrafen nach dem ASVG vorliegen, aber schon rechtskräftige Vormerkungen nach dem Straßenverkehrsrecht. Es war daher nicht von dem Milderungsgrund der Unbescholtenheit auszugehen.
Gemäß § 20 VStG kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen.
Die belangte Behörde hat bereits die vorgesehene Mindeststrafe von 730 Euro unterschritten und daher von dem außerordentlichen Milderungsrecht gemäß § 20 VStG Gebrauch gemacht. Eine weitere Strafherabsetzung war nicht möglich und gerechtfertigt.
Insbesondere ist die Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG ausgeschlossen, da die dafür erforderlichen kumulativen Voraussetzungen, insbesondere geringfügiges Verschulden des Beschuldigten nicht vorliegen. Geringfügigkeit des Verschuldens ist nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur dann anzunehmen, wenn der Unrechts- und Schuldgehalt des Verhaltens des Beschuldigten weit hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt zurückbleibt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
5.5. Weil die Beschwerde keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafen, das sind 720 Euro gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG vorzuschreiben.
6. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Ilse Klempt