LVwG-680015/12/BR

Linz, 19.01.2016

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erkennt durch den Richter Mag. Dr. H. Bleier über die Beschwerde des C K, vertreten durch Dr. J P, Rechtsanwalt, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch ein der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zuzurechnendes Handeln eines Organs der Polizeiinspektion St. Georgen im Attergau,  nach der am 13.01.2016 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung,

 

zu Recht:

 

 

I.            Gemäß § 28 Abs.1 und 6 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben; die Abnahme des Führerscheins und die Untersagung der Weiterfahrt am 26.10.2015 gegen 13:00 Uhr wird als rechtswidrig festgestellt.

 

II.         Gemäß § 35 Abs.1, 2, 4, 5 und 7 VwGVG iVm § 1 VwGVG Aufwandsersatzverordnung, BGBl II Nr 517/2013, wird dem Antrag des Beschwerdeführers auf Ersatz seiner Aufwendungen insofern Folge gegeben, als der Ersatz des Schriftsatzaufwandes und des Verhandlungsaufwandes sowie der Fahrkosten, von der belangten Behörde (Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck) in Höhe von insgesamt 1.786,20 Euro binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Erkenntnisses zu ersetzen ist.

 

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

 

 

I. Im Schriftsatz des ausgewiesenen Rechtsvertreters, diesen per FAX am 30.11.2015 an das Landesverwaltungsgericht übermittelten auf Art. 130 Abs.1 Z2 B-VG gestützte Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, wurde Folgendes ausgeführt:

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren habe ich Herrn Dr. J P, Rechtsanwalt in  M mit der Vertretung meiner Interessen beauftragt; der einschreitende Rechtsanwalt beruft sich auf die ihm erteilte Bevollmächtigung iSd § 10 Abs. 1AVG,

 

Gegen die vorläufige Abnahme meines Führerscheines am Montag, den 26.10,2015 gegen 13.00 Uhr auf der L 540 bei ca. km 4,8 in der Gemeinde Berg im Attergau durch einen Polizeibeamten der Polizeiinspektion St. Georgen Im Attergau erhebe ich

 

BESCHWERDE

 

nach Art, 132 Abs.2 B-VG iVm §§ 7 und 9 VwGVG an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich.

 

A)   Sachverhalt:

 

Am Staatsfeiertag, Montag den 26.10.2015 habe Ich gegen 12.45 Uhr meinen Pkw x von St. Georgen im Attergau kommend auf der L 540 In der Gemeinde Berg in Richtung nach Hause gelenkt, als ich von einem Polizeibeamten bei ca. km 4,8 angehalten und mir von diesem zur Last gelegt wurde, dass ich die zulässige Geschwindigkeit von 70 km/h um 60 km/h überschritten habe, was er mittels Lasergerät festgestellt habe.

Im Zuge dieser Verkehrskontrolle hat mir der Polizeibeamte gegen 13 Uhr den
Führerschein vorläufig abgenommen, eine Bestätigung hierüber habe ich nicht.

Er hat mir gesagt, ich bekomme den Führerschein von ihm nicht mehr zurück, er schicke diesen an die Bezirkshauptmannschaft. Ich solle jemanden anrufen, der mich abholt, was dann meine Schwester gemeinsam mit ihrem Freund gemacht hat, der meinen Pkw nach Hause gebracht hat.

Da mir der Führerschein vorenthalten und die Weiterfahrt" untersägt worden ist, habe ich die Entgegennahme des Zulassungsscheins abgelehnt; letztgenanntes Dokument ist nicht Gegenstand dieser Beschwerde.

 

B)       Frist:

Die in Beschwerde gezogene Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Be­fehls- und Zwangsgewalt wurde am Montag, den 26.10.2015 gesetzt, sodass die vor­liegende Beschwerde iSd §7 Abs.4 zweiter Satz iVm Z.3 VwGVG innerhalb der sechswöchigen Frist eingebracht ist.

 

 

C)       Beschwerdegründe:

Das Gemeindegebiet von Berg im Attergau liegt im Vollzugsbereich der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck und ist der amtshandelnde Polizeibeamte K W laut Anzeige vom Vorfallstag, VStV/915100527190/001/2015, von der PI St. Georgen im Attergau, weswegen dieser Behörde diese Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zuzurechnen ist; die BH Vöcklabruck ist somit belangte Behörde iSd § 9 Abs.2 Z.2 VwGVG.

Im Gegensatz zu den ersten drei Sätzen des § 39 Abs.1 FSG, nach welchen die Straßenaufsichtsorgan u.a. den Führerschein vorläufig abzunehmen haben, räumt dessen vierter Satz Ermessen dahingehend ein, dass der Führerschein vorläufig abgenommen werden kann, wenn mit einem technischen Hilfsmittel eine Geschwindigkeitsüberschreitung festgestellt wurde, die mit dem Entzug der Lenkberechtigung geahndet wird.

 

Zweck dieser Bestimmung ist, eine unmittelbare Unfallgefahr durch einen nicht fahr­tüchtigen Kfz-Lenker hintanzuhalten (vgl. VwGH vom 10.04.1985, 84/11/0105 sowie vom 18.06.2008, 2005/11/0048). Die vorläufige Abnahme des Führerscheines ist so­mit einzig und allein eine Sicherungsmaßnahme im Sinne der Verkehrssicherheit zur Hintanhaltung einer unmittelbaren Unfallgefahr.

Bei der gegenständlichen Kontrolle wurde ich mit dem Unrecht meiner Verhaltensweise und deren Folgen konfrontiert.

Hätte ich weiterfahren dürfen, wäre ich unter Einhaltung der zulässigen Geschwindig­keiten gefahren, hat mir doch die Verkehrskontrolle vor Augen geführt, dass eine qualifizierte Geschwindigkeitsüberschreitung den Führerschein und eine Menge Geld kostet und war mir bekannt, dass ich im Fall einer weiteren qualifizierten Ge­schwindigkeitsüberschreitung nicht einen zwei- sondern dann schon einen sechswöchigen Lenkberechtigungsentzug zu gewärtigen hätte.

Es war Mittagszeit an einem Feiertag und ich hatte keine Termine. Ich war von St Georgen im Attergau kommend auf dem Weg nach Hause. Es gab für den Polizeibeamten keinen Grund für die Annahme, ich würde meine Fahrt In einer die Verkehrssicherheit gefährdenden Weise fortsetzen, wenn er mir die Weiterfahrt gestattet (vgl. VwGH vom 21.03,2006, 2006/11/0019 im Fall R G sowie UVS des Landes Oberösterreich vorn 10.03.2010, VwSen-420608 im Fall R M sowie vom 29.11.2013, VwSen-420812, und jüngst das Erkenntnis des LVwG Salzburg vom 13.4.2015, LVwG-12/23-24/10-2015, in den Fällen S S und R S - „schlichtes Vergnügen am Schnellfahren mit dem Motorrad").

Danach Ist die vorläufige Abnahme des Führerscheins eine Sicherungsmaßnahme im Dienste der Verkehrssicherheit und erfordert diese Anhaltspunkte für deren künftige, konkrete und unmittelbare Beeinträchtigung. Solche lagen hier nicht vor, ich hatte keinerlei Termindruck.

In der Anzeige der PI St. Georgen wird die Führerscheinabnahme vor Ort auf Seite 3 mit den Bestimmungen des FSG begründet, weil auf einer Freilandstraße eine Geschwindigkeitsüberschreitung um mehr als 50 km/h festgestellt wurde.

 

 

 

D)          Begehren:

 

Ich stelle höflich den

ANTRAG,

 

das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich möge dieser Beschwerde Folge geben und die angefochtene faktische Amtshandlung in Form der vorläufigen Abnahme meines Führerscheins am Montag, den 26.10.2015 gegen 13 Uhr durch einen Polizeibeamten der PI St. Georgen im Attergau in der Gemeinde Berg im Attergau auf der L 540 bei etwa km 4,8 nach § 28 Abs,6 VwGVG als rechtswidrig erklären und mir nach § 35 VwGVG die Kosten für das Beschwerdeverfahren im Sinne des nachstehenden Verzeichnisses zusprechen.

 

Mattighofen, am 30.11.2015 C K

 

 

Kostennote

im Maßnahmenbeschwerdeverfahren vor dem LVwG Oö. nach § 35 Abs.4 VwGVG iVm BGBl. II Nr. 517/2013

 

 

 

Schriftsatzaufwand für die Beschwerde vom 30.11.2015                  € 737,60,-

Eingabegebühr ( § 2 Abs.1 BuLVwG-EGebV BGBl. II Nr. 3S7/2014)               €   30,--

 

 

Allfäliiger Verhandlungsaufwand (§ 35 Abs.4 Z.3 VwGVG) in der Höhe von € 922,- und damit einhergehende Fahrtkosten (Z.2 leg.cit.) für 230 km (Mattighofen LVwG in Linz - Mattighofen), sollten diese anfallen, werden In der Verhandlung geltend gemacht.“

 

 

 

 

II. Die belangte Behörde wurde mit h. Schreiben vom 02.12.2015 zur Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift eingeladen.  

Die Behörde erstattet am 4.01.2016 die im Punkt III.1. die dem Inhalt nach zitierte Gegenschrift und legt gleichzeitig Auszüge aus dem Verwaltungsstrafakt und die vom Meldungsleger eingeholte Stellungnahme in einem losen Konvolut, jedoch unter Anschluss eines Aktenverzeichnisses vor.

 

 

 

III. Gemäß Art. 130 Abs.1 Z2 B-VG iVm § 7 Abs.4 (letzter Satz) VwGVG kann wegen Ausübung unmittelbarer Befehls- u. Zwangsgewalt binnen sechs Wochen eine Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht erhoben werden. Die Beschwerde wurde fristgerecht am 30.11.2015 vorweg per FAX übermittelt und gleichzeitig auch der Post zur Beförderung an das Landesverwaltungsgericht übergeben.

Die Behörde stellt in deren Gegenschrift mit den Antrag auf Abweisung der Beschwerde (siehe III.1.).

Dieser angeschlossen wurde die Anzeige sowie Auszüge aus dem in diesem Zusammenhang geführten Verwaltungsstrafakt und einer vom Meldungsleger eingeholten Stellungnahme vom 6.12.2015. Dieser Stellungnahme fand sich auch noch Dienstvollzugsprotokoll vom 7.11.2015 beigehängt, woraus ein Telefonat mit der Mutter des Beschwerdeführers hervorgeht.

 

 

 

III.1. In umseits bezeichneter Maßnahmenbeschwerdesache nimmt die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck auf das Schreiben des Landesverwaltungsgerichtes (LVwG ) vom 02.12.2015 Bezug und erstattet zur übermittelten Kopie der Maßnahmenbeschwerde des Beschwerdeführers vom 30.112015 nachstehende

GEGENSCHRIFT

an das OÖ. Landesverwaltungsgericht (LVwG ) und bringt beiliegendes Aktenkonvolut mit Aktenverzeichnis in Vorlage.

 

1. Verwaltungsakt und Recht:

 

Der Beschwerdeführer bezieht sich auf eine Verkehrskontrolle am 26.10.2015 und gibt an, der Führerschein sei nach festgestellter Geschwindigkeitsüberschreitung um 60 km/h bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h außerhalb eines Ortsgebietes vorläufig abgenommen worden und der Polizeibeamte habe ihn dahingehend informiert, dass er den Führerschein nicht mehr zurückbekommt.

 

In diesem Zusammenhang weist der Beschwerdeführer daraufhin, dass die vorläufige Abnahme des Führerscheins eine „Kannbestimmung" im § 39 Abs.1 vierter Satz des Führerscheingesetzes ist und das Gesetz hier Ermessen einräumt.

Nachdem eine massive Geschwindigkeitsüberschreitung durch den Meldungsleger mit technischen Hilfsmitteln (Lasermessung) festgestellt wurde, kam es zu einer Anhaltung des Lenkers C K.

Dabei entschied der Exekutivbeamte aufgrund des aufgebrachten sowie uneinsichtigen Verhaltens des Beschuldigten, den Führerschein vorläufig abzunehmen, um eine Weiterfahrt mit überhöhter Geschwindigkeit auszuschließen.

Die Äußerungen des Beschuldigten C K, dass er es eilig habe nach Hause zu kommen und nach einem Streit mit seiner Freundin so schnell gefahren sei, zeigen ein insgesamt aufgebrachtes Verhalten zum Tatzeitpunkt.

 

Auf die Stellungnahme des Meldungslegers zur Amtshandlung vom 06.12.2015 wird hingewiesen.

 

 

Beweis:       Verwaltungsakt:

Einvernahme der einschreitenden Polizeibeamten Kl K W und Gl G P, beide Polizeiinspektion St.Georgen i.A.

 

2. Anträge:

 

Abschließend wird daher beantragt, die Maßnahmenbeschwerde als unbegründet abzuweisen.“

 

 

 

 

III.2. Beweis erhoben wurde durch Verlesung des Verfahrensaktes, die Sichtung der vom Landesverwaltungsgericht eingeholten Luftbilder über die betreffende Örtlichkeit im Verlaufe der öffentlichen mündlichen Verhandlung, durch Befragung des Beschwerdeführers zum Sachverhalt, sowie der zeugenschaftlichen Einvernahme des Meldungslegers KontrInsp. W.  Auch eine Vertreterin der belangten Behörde nahm  an der öffentlichen mündlichen Verhandlung teil.  

 

 

 

IV. Sachverhalt und Beweiswürdigung:

 

Gemäß der Anzeige der Polizeiinspektion lenkte der Beschwerdeführer am 26.10.2015 um 12:46 Uhr, den Pkw BMW 330D LIM E46, Kennzeichen x auf der L 540 bei Straßenkilometer  4.833, in Richtung Vöcklabruck, im dort verordneten Beschränkungsbereich „erlaubte Höchstgeschwindigkeit 70 km/h, mit einer gemessenen Fahrgeschwindigkeit von 135 km/h. Die Messung erfolgte durch KontrInsp. W mittels Lasergeschwindigkeitsmessgerät auf eine Entfernung von 483 m. Ebenfalls soll der Beschwerdeführer nach dem Messpunkt auch noch eine Sperrlinie überfahren haben. Der Straßenverlauf soll im Messbereich durch eine Fahrbahnkuppe eingeschränkt sein. Wie aus den Luftbildern ersichtlich liegt rechtsseitig in Fahrtrichtung des Beschwerdeführers zwischen Strkm 4,8 und 4,6 der L540 eine Siedlung und linksseitig zwei Einmündungen offenbar niederrangiger Straßenzüge.

Der Beschwerdeführer wurde am Standort des Meldungslegers angehalten und mit der Geschwindigkeitsüberschreitung konfrontiert. Diese wurde vom Beschwerdeführer laut Anzeige mit einem vorausgegangenen Streit mit seiner Freundin erklärt.

Wegen dieser Geschwindigkeitsüberschreitung wurde gegen den Beschwerdeführer bereits am 9.11.2015 eine Strafverfügung über 360 Euro erlassen. Dagegen wurde von dessen Rechtsvertreter am 19.11.2015 Einspruch erhoben. In einem weiteren Schriftsatz vom 30.11.2015 übermittelt der Beschwerdeführervertreter eine Rechtfertigung worin ohne inhaltlich erkennbare Begründung im Ergebnis einerseits die Eichung des Geschwindigkeitsmessgerätes und andererseits die Verordnung auf die sich die Bestrafung stützt als fraglich dargestellt zu werden scheint.

IV.1. Wie sich anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung nachvollziehen ließ, hat die Amtshandlung vor Ort nur wenige Minuten gedauert. Während der Meldungsleger sich die Daten aus den Fahrzeugpapieren notierte, verweilte der Beschwerdeführer wortlos vor dem Fahrzeug. Der bisher offenbar im Straßenverkehr nicht auffällig gewordene Beschwerdeführer erklärte gegenüber dem Landesverwaltungsgericht   durchaus glaubhaft, von einer angeblichen Eile gegenüber dem Meldungsleger keinerlei Erwähnung gemacht zu haben. Wenn der Zeuge vor dem Landesverwaltungsgericht die Verantwortung des Beschwerdeführer ihm gegenüber vor Ort dahingehend dargestellte, „der Beschwerdeführer habe einen Streit mit seiner Freundin gehabt und wolle daher dringend nachhause“, scheint diese Form der Darstellung nicht gerade logisch. Warum sollte er dringend zu Hause sein, wenn er eben wegen eines Streites von der Freundin wegfuhr?

Das Landesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Meldungsleger die angeblich ausgesprochene Eile lediglich aus dem Hinweis über den Streit schlussgefolgert hat und darauf die Grundlage zur sofortigen Führerscheinabnahme stützte oder diese darauf stützen zu können.

Es entspricht jedenfalls nicht der Realität, dass angesichts eines Streites mit dem Lebenspartner just an einem Feiertag nach einer Betretung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung ein Betroffener dies mit besonderer Eile begründen würde, wobei erfahrungsgemäß eine Anhaltung nach einer Geschwindigkeitsüberschreitung bei einem Betroffenen erfahrungsgemäß vielmehr eine gegenteilige, nämlich präventive Wirkung auslöst.

Den Umstand des Streites mit der Freundin ließ das einschreitende Polizeiorgan offenbar zur Annahme gelangen, der Beschwerdeführer könnte die Fahrt abermals mit exzessiver Geschwindigkeit fortsetzen und dadurch andere Verkehrsteilnehmer gefährden. Mag sein, dass der Meldungsleger den strafenden Charakter der unmittelbaren Führerscheinabnahme in den Vordergrund seiner Motivation gestellt haben mag womit er jedoch seine Befugnisse exzessiv ausübte.

Für seine Einschätzung einer verkehrsgefährdenden Fahrtfortsetzung ließen sich für das Landesverwaltungsgericht keinerlei schlüssig nachvollziehbare Indizien finden. Dem Beschwerdeführer war daher in dessen Darstellung von einer Eile keine Erwähnung gemacht zu haben zu folgen. Die Behörde folgte auch nicht der Einschätzung des Meldungslegers betreffend der „besonders gefährlichen Verhältnisse“ indem sie die Überschreitung um 60 km/h in der Strafverfügung unter § 99 Abs.2 lit. c StVO, sondern unter § 99 Abs.2e StVO subsumierte. 

Die vom Meldungsleger im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung vorgelegte handschriftliche Notiz lässt sich ebenfalls durchaus dahingehend interpretieren, dass der Meldungsleger aus den Angaben des Beschwerdeführers allenfalls nur einen Rückschluss auf eine bei diesem obwaltenden „Eile“ gezogen haben mag und darin Fortsetzungsgefahr festzumachen versuchte.

So erklärte der Meldungsleger etwa auch, dass im Jahr 2015 an der verfahrensgegenständlichen Messstelle bis zu diesem Zeitpunkt geschätzte zehn derartige Geschwindigkeitsexzesse festgestellt worden wären, wobei kein Führerschein abgenommen wurde.

Dies belegt, dass offenbar eine sachliche Grundlage für eine solche Maßnahme objektiv besehen kaum vorzuliegen scheint. Vor diesem Hintergrund hat sich wohl auch in diesem Fall die Faktenlage nicht anders dargestellt. Letztlich war die Folge dieser Abnahme, dass der Beschwerdeführer, nachdem sein Führerschein der zuständigen Behörde in Salzburg übersendet wurde,  sich nicht nur von zwei Personen vom Ort der Anhaltung abholen lassen musste und er folglich nicht weniger als 17 Tage ohne Führerschein auskommen musste, weil sein Führerschein von der örtlich zuständigen Behörde der Wohnsitzbehörde weitergeleitet wurde.

Auch der  Eintrag im Dienstvollzugsprotokoll über ein von der Mutter des Beschwerdeführers mit dem Meldungsleger am 7.11.2015 zwischen 09:00 und 09:15 Uhr etwa sieben Minuten währenden Telefonates, anlässlich dessen diese den Meldungsleger  beschimpft und ihm mit Verbindungen zu höher gestellten Persönlichkeiten gedroht haben soll, vermag der Führerscheinabnahme vor Ort weder eine ergänzende Rechtfertigung noch eine zusätzliche Glaubwürdigkeit verleihen. Die vorgelegte eidesstattliche Erklärung verdeutlicht lediglich, dass die Mutter des Beschwerdeführers das Fehlverhalten ihres Sohnes gegenüber dem Meldungsleger schuldmildernd darzustellen suchte. Dies ist jedoch für die objektive Beurteilungslage hinsichtlich der Abnahme des Führerscheins unbeachtlich, wenngleich dies den Meldungsleger in seiner Entscheidung im Nachhinein noch bestärkt haben mag, wie er dies in seiner Stellungnahme im Zuge des Beschwerdeverfahrens zum Ausdruck brachte.

In der VStV-Anzeige findet sich auch nur die Bemerkung des Beschwerdeführers über die Gründe seiner exzessiven Geschwindigkeitsüberschreitung, nämlich der vorausgegangene Streit mit seiner Freundin, nichts jedoch über eine etwaige Eile. Sehr wohl wäre selbst in der VStV-Anzeige ein entsprechender Hinweis über eine etwaige Eile nicht unterblieben, wäre er tatsächlich so gemacht worden. Anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung erklärte der Beschwerdeführer das Beschränkungszeichen gar nicht gesehen zu haben. Aber alleine schon die auf Freilandstraßen erlaubte Höchstgeschwindigkeit hatte er bereits beachtlich überschritten gehabt.  Dies lässt durchaus lebensnah auf gedankliche Abwesenheit und Unaufmerksamkeit während der Fahrt, jedoch gerade nicht auf eine Fortsetzungswahrscheinlichkeit nach einer straßenpolizeilich bedingten Fahrtunterbrechung schließen.

Sehr wohl wurde vom Meldungsleger in der Anzeige an die Behörde die vorläufige Dokumentenabnahme als Maßnahme, nicht jedoch ein Hinweis auf eine vom Beschwerdeführer angeblich zum Ausdruck gebrachten Eile vermerkt.

Mag sein, dass letztlich ein nicht gedeihliches soziales Klima im Zuge der Amtshandlung beim Meldungsleger zur Annahme einer Gefahrenlage im Falle der Weiterfahrt motiviert haben mögen, wofür sich aber keinerlei sachlichen Anhaltspunkt finden ließen.

 

IV. Rechtlich hat das Oö. Landesverwaltungsgericht erwogen:

 

Gemäß § 39 Abs.1 Führerscheingesetz - FSG haben die Organe des öffentlichen Sicher­heitsdienstes und der Straßenaufsicht einem Kraftfahrzeuglenker, aus dessen Verhalten deutlich zu erkennen ist, dass er insbesondere infolge Alkohol- oder Suchtmittelgenusses, Einnahme von Medikamenten oder eines außergewöhnlichen Erregungs- oder Ermü­dungszustandes nicht mehr die volle Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper be­sitzt, den Führerschein, den Mopedausweis oder gegebenenfalls beide Dokumente vorläu­fig abzunehmen, wenn er ein Kraftfahrzeug lenkt, in Betrieb nimmt oder versucht, es in Betrieb zu nehmen. ..

Ebenso können diese Organe bei mit technischen Hilfsmitteln festgestellten Geschwindigkeitsübertretungen, die mit einer Entziehung geahndet werden, den Führerschein vorläufig abnehmen. ...

Hier vermag sich das Oö. Landesverwaltungsgericht  nach den Umständen des Beschwerdefalles die vom einschreitenden Polizeibeamten zugrunde gelegten Einschätzung nicht anschließen. Der vom Beschwerdeführer  nach der Anhaltung ins Treffen geführten „Streit mit seiner Freundin", hat die Fahrtfortsetzung nach der Anhaltung nicht die Annahme gerechtfertigt, diese in einer die Verkehrssicherheit gefährdenden Weise  zu tätigen. Dabei ist darauf Bedacht zu nehmen, dass nicht allein die vom Lenker begangene Geschwindigkeitsüberschreitung durch das Organ zu berück­sichtigen ist, sondern von diesem auch an Ort und Stelle zu beurteilen ist, ob der Lenker sein Verhalten fortsetzen und dadurch sich selbst und vor allem andere Verkehrsteilneh­mer gefährden werde (vgl. auch VwGH 21.3.2006, 2006/11/0019,  VwGH vom 18.06.2008, 2005/11/0048). Hierfür fanden sich keinerlei dahingehend taugliche Indizien.

Der Verwaltungsgerichtshof verweist in der vom Beschwerdeführer zitierten Judikatur auf § 76 Abs. 1 KFG 1967, welche die vorläufige Abnahme des Führerscheines (nur) dann ermögliche, wenn ein Kraftfahrzeuglenker - deutlich erkennbar - nicht mehr die volle Herrschaft über Geist und Körper besitzt. Der daraus resultierenden "unmittelbare Unfallgefahr" gelte es, so auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (RV 186 Blg NR XI. GP), durch die vorläufige Führerscheinabnahme abzuwenden.

Die vorläufige Abnahme des Führerscheins ist  ein im Wesentlichen den Interessen der Verkehrssicherheit dienendes Sicherungsmittel; es soll damit durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer "unmittelbaren Unfallgefahr" entgegengewirkt werden.

Gemäß § 39 Abs. 1 vierter Satz FSG steht es im Ermessen der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, bei mit technischen Hilfsmitteln festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitungen, die mit einer Entziehung geahndet werden, den Führerschein vorläufig abzunehmen.

Das Landesverwaltungsgericht hat diese Ermessensentscheidung des Organs der Straßenaufsicht, den Führerschein des Beschwerdeführers vorläufig abzunehmen, zu überprüfen gehabt. Dabei war darauf Bedacht zu nehmen, dass nicht allein die vom Beschwerdeführer begangene Geschwindigkeitsüberschreitung (wohl um fast das Doppelte der erlaubten Geschwindigkeit) durch das Organ zu berücksichtigen war, sondern von diesem auch an Ort und Stelle zu beurteilen war, ob der Beschwerdeführer sein Verhalten fortsetzen und dadurch sich selbst und vor allem andere Verkehrsteilnehmer gefährden werde.

Der Verwaltungsgerichtshof verweist in gesichert scheinender Rechtsprechung die Auffassung (vgl. Erkenntnis vom 18.6.2008, Zl. 2005/11/0048, VwSlg 11682 A/1985) unter Verweis auf die im Grunde inhaltsgleiche Vorgängerbestimmung  zu § 39 Abs. 1 FSG, nämlich den § 76 Abs. 1 KFG 1967. Dieses dem Organ der Straßenaufsicht zuzuordnende Ermessen darf demnach nicht derart weit gefasst beurteilt werden, dass Gleiches im Grunde ungleich behandelt werden dürfte und eine Überprüfung dieses Ermessens das Ergebnis mit der Entscheidung des Polizeiorgans schon präjudiziert wäre.

Dafür, dass der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung der Behörde bzw. den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes schrankenloses Ermessen einräumen wollte, fehlt jeder Hinweis. Im Hinblick auf die dargestellte Entstehungsgeschichte und das Ziel der anzuwendenden Bestimmung (Sicherheitsmaßnahme im Dienste der Verkehrssicherheit) muss vielmehr angenommen werden, dass es für die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Abnahme des Führerscheins auch im Fall einer mit einer Entziehung zu ahndenden Geschwindigkeitsüberschreitung erforderlich ist, dass das einschreitende Organ ausgehend von dem im Zeitpunkt des Einschreitens gegebenen Sachverhalt den Eindruck haben konnte, der Betreffende werde - weiterhin - durch sein Verhalten, etwa durch abermalige Einhaltung einer massiv überhöhten Geschwindigkeit, die Verkehrssicherheit gefährden (vgl. VwGH 21.3.2006, Zl. 2006/11/0019).

Für das Vorliegen dieser Wiederholungsgefahr fanden sich in diesem Beschwerdefall keinerlei auch nur annähernd handfeste Hinweise. Der Beschwerdeführer hat  anlässlich der Kontrolle und vorläufigen Abnahme des Führerscheins sein Verhalten nur mit einem Streit zu rechtfertigen versucht. Daraus hat das Polizeiorgan zu Unrecht auch auf eine Fortsetzungsgefahr geschlossen, was hier darüber hinaus im Grunde einen „kalten Entzug“ von angeblich siebzehn Tagen zur Folge hatte, was darüber hinaus mit dem Gesetzesbegriff „vorläufige Abnahme“ nicht mehr im Einklang zu bringen wäre.

Die vom Beschwerdeführer zitierten Entscheidungen erwiesen sich in diesem Zusammenhang daher als durchaus zutreffend und der Beschwerde war daher Berechtigung zuzuerkennen.

 

 

VI.  Zur Kostenentscheidung:

 

Gemäß § 35 Abs.1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

Gemäß Abs.4 leg. cit. gelten als Aufwendungen gemäß Abs. 1

 …

Z2 auch die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie nach Abs.5 leg. cit auch für Einbringung des Schriftsatzes;

 

1.   Schriftsatzaufwand:       737,60 Euro

2.   Verhandlungsaufwand:     922,00 Euro

3.   Eingabegebühr                  30,00 Euro

4.   Fahrtkosten:            96,60 Euro

gesamt: …………………..   1.786,20 Euro

 

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Dr. B l e i e r