LVwG-410171/2/MS/TK
Linz, 28.02.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Dr. Monika Süß über die Beschwerde von Frau V O, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. R, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 28. August 20123, GZ: Pol96-88-2012,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Mit dem angefochtenem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land, vom 28. August 2012, Pol96-88-2012 wurde die Bf wie folgt schuldig erkannt:
„Sie haben am 18. September 2012 bei einer Glücksspielkontrolle durch die Organe der öffentlichen Aufsicht im Lokal „C“ in L, die Mitwirkungspflicht verletzt, indem sie den Kontrollorganen nicht umfassend Auskunft erteilt haben.“
Sie hatten als allein anwesende Arbeitnehmerin, die für den Betrieb des Lokals und der darin befindlichen Geräte zuständig war, und somit als Person, die Glücksspieleinrichtungen bereithält, die Verpflichtung, den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassend Auskunft zu erteilen, worauf sie auch hingewiesen wurden. Sie machten jedoch der Einvernahme auf gestellte Fragen und vollständige und falsche Angaben.
Sie beantwortete eine Frage nach den Gewinnmöglichkeiten an den Walzengeräten mit „Ich weiß es nicht, ich kann nur zu den Sportgeräten etwas sagen“. Gefragt nach den Auszahlungs-und Abrechnungsmodalitäten antworteten sie mit „Niemand spielt, niemand gewinnt.“ und auf die Frage, wieso dann die Geräte aufgestellt worden sind, antworteten Sie mit: „Bitte reden Sie mit dem Chef. Die Firma war immer korrekt zu mir und ich will auch korrekt zur Firma sein.“. Trotz erneuter Rechtsbelehrung und Ermahnung zur Wahrheitspflicht blieben sie bei der Aussage, dass es noch keine Gewinnauszahlung gegeben habe.
Wegen der Übertretung der Verwaltungsvorschriften nach § 50 Abs. 1 Ziffer 5 in Verbindung mit § 50 Abs. 4 Glücksspielgesetz wird eine Geldstrafe in der Höhe von € 150 und im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden verhängt.
Begründet führt die Behörde Folgendes aus:
Als Arbeitnehmerin, die zu ihren Dienstzeiten alleine für den Betrieb des Lokals „C“ und der darin befindlichen Geräte zuständig war, traf sie diese Verpflichtung zur Mitwirkung.
Dem entgegen haben Sie jedoch bei der schriftlichen Vernehmung im Rahmen der Glücksspielkontrollen auf die Frage nach den Gewinnmöglichkeiten bei den Walzengeräten mit „Ich weiß es nicht, ich kann nur zu den Sportgeräten etwas sagen“ geantwortet. Gefragt nach den Auszahlungs- und Abrechnungsmodalitäten antworteten sie mit „Niemand spielt, niemand gewinnt.“ und auf die Frage, wieso dann die Geräte aufgestellt worden sind, antworteten sie mit „Bitte reden Sie mit dem Chef. Die Firma war bisher korrekt zu mir und ich will auch korrekt zur Firma sein.“. Trotz erneuter Rechtsbelehrung und Ermahnung zur Wahrheitspflicht blieben sie bei dieser Aussage, dass es noch keine Gewinnauszahlung gegeben habe.
In der Stellungnahme ihres Rechtsvertreters vom 27. August 2013 bringt dieser vor, sie hätten die gestellten Fragen nach besten Wissen und Gewissen wahrheitsgetreu beantwortet und dass es aufgrund ihrer kurzen Beschäftigungsdauer nicht überraschend sein kann, dass in diesen wenigen Tagen keine Gewinne ausbezahlt wurden bzw. überhaupt Personen gespielt haben.
Dem widersprechend ist die Behörde zur Überzeugung gelangt, dass sie sehr wohl über ein genaueres Wissen über die Walzenspielgeräte verfügen, dass sie bei der Befragung jedoch bewusst nicht preisgeben wollten. Sie waren sie ihren Dienstzeiten alleine für den Betrieb des Lokals „C“ und der darin befindlichen Geräte zuständig. Demnach scheint insbesondere die Aussage, dass die 4 elektronischen Walzenspielgeräte betriebsbereit aufgestellt waren, jedoch während der Dauer ihrer Beschäftigung noch nie gespielt worden sein, unglaubwürdig. Es widerspricht der allgemeinen Lebenserfahrung und jeglicher wirtschaftlichen Logik, dass derartige Geräte mit einem erheblichen Verkehrswert in einem Wett-und Spiellokals einen längeren Zeitraum, zumindest über 2 Wochen, betriebsbereit aufgestellt werden, ohne dass sie jemals gespielt werden bzw. sie niemals dazu eine Wahrnehmung gemacht hätten. Weiters scheint es ausgeschlossen, dass sie als allein verantwortliche Person im Lokal nicht bezüglich der Gewinn-und Auszahlungsmodalitäten eingeschult worden sind und deshalb dazu keine Aussage treffen konnten.
Ein glaubwürdiges Motiv für die Nichterteilung umfassende Auskünfte äußerten Sie selbst mit der Angabe, dass sie zu der Firma korrekt sein wollen.
Es finden sich keine Hinweise, dass Ihre Deutschkenntnisse für das verstehen oder beantworten der Fragen hinderlich waren, zumal sie auch nieder schriftlich bestätigt haben, die Fragen aufgrund ihres langjährigen Aufenthaltes gut verstanden zu haben.
Haben Sie die Duldung-und Mitwirkungspflicht nach Paragraph 50 Abs. 4 Glücksspielgesetz verletzt. Somit ist eine Strafbarkeit nach § 50 Abs. 1 Z 5 Glücksspielgesetz gegeben die mit bis zu € 22.000 zu sanktionieren ist.
Zur Strafhöhe wird angeführt:
Als straferschwerend ist gar kein Umstand zu werden. Als strafmildernd war zu werten, dass Sie bisher noch wegen keiner Übertretung des Glücksspielgesetzes bestraft wurden sowie dass sie die Rechtsverletzung zum Vorteil des Arbeitgebers in wirtschaftliche Abhängigkeit von diesen begangen haben. Bei der Strafzumessung wurde von einem Nettoeinkommen von € 2000 ausgegangen sowie davon, dass sie kein Vermögen und keine Sorgepflichten haben. In ihrer Stellungnahme des Rechtsvertreters vom 27. August 2013 bringt dieser vor, sie seien lediglich geringfügig beschäftigt, ohne jedoch näher Aussagen über tatsächliches Einkommen zu machen. Aufgrund ihrer nieder schriftlichen Aussagen, an 3 Tagen pro Woche im Lokal arbeiten, geht die Behörde von einer Halbtagsbeschäftigung aus und reduziert daher das angenommene monatliche Nettoeinkommen auf € 1000.
Gegen dieses Straferkenntnis, das der Bf z. H. ihres Rechtsvertreters am 05. September 2012 richtet sich die rechtzeitige Berufung (nunmehr Beschwerde) vom 18. September 2012.
Gemäß § 3 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 2013/33 idgF gilt eine bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 erhobene Berufung gegen einen Bescheid, der vor Ablauf des 31. Dezember 2013 erlassen wurde, als rechtzeitig erhobene Beschwerde gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG.
Darin wird im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:
Die Beschuldigte habe die angelasteten Taten nicht begangen.
Weder habe die Beschuldigte unvollständige noch habe sie falsche Angaben gemacht. Dieser Vorwurf sei unrichtig. Tatsächlich habe die Beschuldigte, die gestellten Fragen nach besten Wissen und Gewissen entsprechend ihren Deutschkenntnissen wahrheitsgetreu beantwortet.
Wie der Niederschrift klar und deutlich zu entnehmen sei, habe die Beschuldigte alle ihr gestellten Fragen beantwortet. Des Weiteren gehe bereits aus der Niederschrift hervor, dass die Beschuldigte erst seit wenigen Tagen vor Ort beschäftigt gewesen sei, sodass es wohl nicht überraschend sein könne, dass in diesen wenigen Tagen der Beschäftigung keine Gewinne ausbezahlt worden seien bzw. überhaupt Personen gespielt hätten. Tatsächlich träfe diese Aussage zumindest auf die Arbeitszeiten der Beschuldigten auch zu.
Die Beschuldigte sei ausschließlich für Sportgeräte zuständig und sei ihr hinsichtlich der in Rede stehenden Spielgeräte lediglich das Ein-und Ausschalten über den Elektroverteilerkasten gezeigt worden. Insbesondere habe die Beschuldigte zu keinem Zeitpunkt Gewinne ausgezahlt und sei im Übrigen nicht bekannt gewesen, ob auf den Spielgeräten überhaupt Gewinne erzielt werden können.
Im Übrigen seien die Deutschkenntnisse der Beschuldigten äußerst mangelhaft und sie habe die ihr gestellten Fragen und die ihr erteilte Belehrung auch nicht gänzlich verstanden. Wenn die beklagte Behörde ausführe, die Beschuldigte habe angegeben, er gestellten Fragen gut verstanden zu haben, so sei dies unrichtig aktenwidrig. Dass es keine Hinweise für mangelnde Deutschkenntnisse Beschuldigten gebe, ist ebenfalls schlicht unrichtig. Unzureichende Deutschkenntnisse seien bereits aus diesem Grund evident, weil auf diese Thematik in geradezu atypischer Weise immer wieder in der schriftlichen Einvernahme eingegangen worden sei. Auch könne die Beschuldigte die Niederschrift aufgrund der mangelnden Deutschkenntnisse nicht lesen und habe ihr diese vorgelesen werden müssen. Die Zuziehung eines Dolmetschers wäre in besonderen Fällen umfassende Belehrung vonnöten gewesen. Dass die Beschuldigte im Besonderen die Belehrung überhaupt nicht umfassend verstanden haben könne, sei bereits aus der Tatsache offenkundig, dass selbst die in der Niederschrift abgedruckte Belehrung über eine halbe Seite einnimmt und diese selbst eine Person mit deutscher Muttersprache im vollen Inhalt schwer zu verstehen sei.
Die Bf beantragte daher der Berufung Folge zu geben und die angefochtene Entscheidung ersatzlos zu beheben.
Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 24. Dezember 2012 die Beschwerde und den Bezug habenden Verfahrensakt dem OÖ. Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
II. Das OÖ. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde, einschließlich der Schriftsätze der Parteien.
Für das OÖ. Landesverwaltungsgericht steht folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt fest.
Am 18. September 2012 fand um 15:08 Uhr im Lokal „C“ in L eine von der Finanzpolizei Grieskirchen Wels durchgeführt Glücksspielkontrolle statt.
Zum Kontrollzeitpunkt befand sich die BF als Lokalangestellte im Lokal. In der Befragung hat die Bf folgende Fragen mit ich weiß es nicht beantwortet:
- Wer hat die Geräte geliefert und wer hat die Aufstellung vermittelt?
- Wer ist Veranstalter („Aufsteller“, „Betreiber“ der Geräte, also auf wessen Rechnung gehen Gewinn und Verlust durch den Betrieb dieser Geräte)?
- Wer ist Eigentümer der Geräte?
- Welche Spiele insgesamt (genaue Arten) können auf dem (n) Gerät(en) durchgeführt werden?
- Wie hoch kann der jeweilige Spieleinsatz (von – bis) gewählt werden?
Auf die darüber hinaus gestellten Fragen wurde, sofern sie nicht zur Gänze beantwortet wurden, wie folgt geantwortet:
- Welche (Höchst)Gewinne sind möglich, wo werden diese Beträge am Gerät genau dargestellt? „Ich weiß es nicht, ich kann nur zu den Sportwettgeräten etwas sagen.“
- Gibt es einen (schriftlichen) Vertrag mit dem Aufsteller? Sie werden aufgefordert diesen Vertrag vorzulegen. „Ich weiß es nicht. Mir hat niemand etwas gezeigt.“
- Wie werden die ausbezahlten Gewinne am Gerät abgebucht, bzw. mit dem Aufsteller abgerechnet? „Niemand spielt, niemand gewinnt.“
- Zu welchem Zweck sind die Geräte aufgestellt? Nachdem Sie angegeben haben, dass niemand spielt und niemand gewinnt. „Bitte reden sie mit dem Chef. Die Firma war bisher korrekt zu mir und ich will auch korrekt zur Firma sein.“
Weitere Beschuldigte waren zum Zeitpunkt der Kontrolle nicht im Lokal anwesend.
Dem Aktenvermerk der Finanzpolizei vom 18. September 2012 ist zu entnehmen, dass auf den vier aufgestellten Geräten Testspiele durchgeführt worden sind. Dabei handelt es sich vorwiegend um Walzenspiele, welche an jedem Gerät durch die Betätigung mechanischer Tasten oder virtueller Bildschirmtasten aufgerufen werden konnten. Nach Eingabe von Geld, Auswahl eines Einsatzbetrages mit der „Setzen“-Taste und Auslösung des Spieles durch die „Start“-Taste oder die „Automatik-Start“-Taste wurden die am Bildschirm dargestellten Symbole auf den virtuellen Walzen ausgetauscht und in ihrer Lage verändert, sodass der optische Eindruck von rotierenden, senkrecht ablaufenden Walzen entstand. Nach etwa 1 Sekunde kam der „Lauf“ zum Stillstand. Ein Vergleich der nunmehr zusammengesetzten Symbole mit den in Gewinnplan angeführten gewinnbringenden Symbolkombinationen ergab einen Gewinn oder den Verlust des Einsatzes.
Beim Walzenspiel hatte der Spieler keinerlei Möglichkeit, gezielt Einfluss auf das Zu-Stande-Kommen gewinnbringender Symbolkombinationen zu nehmen. Sämtliche Geräte waren betriebsbereit aufgestellt und voll funktionsfähig. Die Entscheidung über den Spielergebnissen hing bei all diesen Spielen somit vorwiegend vom Zufall ab.
Da bereits aufgrund Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war, konnte gemäß §§ 44 Abs. 2 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.
III. Das OÖ. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß § 50 Abs 1 Glücksspielgesetz, BGBl 620/1989 in der zur Tatzeit geltenden Fassung BGBl I 112/2011 (in der Folge: GSpG) sind für Strafverfahren und Betriebsschließungen nach diesem Bundesgesetz in zweiter Instanz die Unabhängigen Verwaltungssenate gemäß § 51 Abs 1 VStG zuständig. Nach § 27 VStG ist im vorliegenden Fall auch die örtliche Zuständigkeit als gegeben anzunehmen.
Gemäß § 50 Abs 4 GSpG (in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl I Nr. 112/2012) sind die Behörde nach § 50 Abs 1 GSpG und die im § 50 Abs 2 und 3 leg.cit. genannten Organe zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Veranstalter, Anbieter und Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, haben der Behörde nach § 50 Abs 1 GSpG, dem Amtssachverständigen (§ 1 Abs 3 GSpG) und den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Überprüfungen und Testspiele zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen sowie die nach diesem Bundesgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren sowie dafür zu sorgen, dass eine anwesende Person diesen Verpflichtungen gegenüber Kontrollorganen nachkommt.
Gemäß § 52 Abs 1 Z 5 GSpG (idF BGBl I Nr. 54/2010) begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit Geldstrafe bis zu 22 000 Euro zu bestrafen, wer gegen eine Bestimmung der in § 2 Abs 3 GSpG vorgesehenen Verordnung, gegen die Auflageverpflichtung von Spielbeschreibungen, die Anzeigeverpflichtung gemäß § 4 Abs 6 GSpG oder eine Duldungs- oder Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs 4 GSpG verstößt.
IV. § 50 Abs 4 GSpG normiert eine "umfassende" Mitwirkungs- und Duldungspflicht, welche sich an verschiedene Adressaten richtet. Im Grunde soll diese Mitwirkungs- und Duldungspflicht die Effizienz der Kontrolle im Rahmen des GSpG steigern (vgl grundlegend EBRV 658 BlgNR 24. GP, 3) und zur Gewinnung der notwendigen Informationen zur Durchführung der Überwachungsaufgaben im Rahmen des GSpG führen, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG erforderlich ist (vgl dazu § 50 Abs 4 1. Satz GSpG).
Schon aus dem Wortlaut der Bestimmung wird eine erste Grenze der Duldungs- und Mitwirkungspflicht ersichtlich. Diese Pflichten erstrecken sich nur auf den Bereich der Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG. Liegt hingegen der Verdacht – welcher im Kern des Begriffes notwendig ein begründeter, d.h. auf Tatsachen zurückzuführender, ist (siehe zum retrospektiv diagnostischen Element des Verdachtsbegriffes im Rahmen der abduktiven Entdeckung und Bewertung von Hypothesen Schulz, Normiertes Misstrauen, 224 ff, 312 ff und 528 f) – auf einen Verstoß gegen das GSpG vor, so endet die Duldungs- und Mitwirkungspflicht. Ab diesem Zeitpunkt handelt es sich nicht mehr um die Durchführung von Überwachungsaufgaben zum Zwecke (arg.: "erforderlich") der Einhaltung des GSpG, sondern zum Zwecke der Tataufklärung und Ermittlung wegen eines angenommenen Verstoßes gegen das GSpG.
Diese Auslegung zur Mitwirkungspflicht korreliert in den überwiegenden Fallkonstellationen mit den Vorgaben des verfassungsrechtlich verankerten Prinzips "nemo tenetur se ipsum accusare", nach dem der Gesetzgeber keine Regelung treffen darf, die eine im Verdacht einer strafbaren Handlung stehende Person verpflichtet, Beweise gegen sich selbst zu liefern (dazu mwN Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 Rz 786).
Darüber hinaus ist aus dem Wortlaut abzuleiten, dass die Duldungs- und Mitwirkungspflicht nicht nur ad personam durch die Anwendbarkeit des Selbstbezichtigungsverbotes begrenzt ist, sondern dass das Entstehen der Verdachtslage auch generell die Zäsur darstellt.
Ist somit aus der objektiven Sichtweise ex ante eine Verdachtslage auf einen Verstoß gegen das Glücksspielgesetz gegeben, so endet die Mitwirkungs- und Duldungspflicht (siehe zur vorzunehmenden Art der Abgrenzung in ähnlichen Konstellationen Lienbacher, Ist staatsanwaltliches Handeln ein zulässiger Kontrollgegenstand, in Lienbacher/Wielinger, Jahrbuch Öffentliches Recht 2010, 73 f). Denn es geht dann nicht mehr nur um die Wahrnehmung von Überwachungsaufgaben zur Kontrolle der Einhaltung des Glücksspielgesetzes, sondern um strafrechtliche Verfolgungsmaßnahmen im Hinblick auf den Verdacht einer Übertretung des Glücksspielgesetzes.
Selbst wenn man im bloßen Einschreiten von Hilfsorganen - deren Verhalten allerdings der zuständigen Verwaltungsstrafbehörde zuzurechnen ist - der öffentlichen Aufsicht (Finanzpolizei) noch keinen formalen Beginn eines Strafverfahrens im Sinne des § 32 VStG (arg.: noch keine behördliche Verfolgungshandlung) erkennen wollte, vermag dies am oben dargelegten, verfassungsrechtlich gebotenen Interpretationsergebnis, das nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs aus der materiellen Bedeutung des Anklageprinzips nach Art 90 Abs 2 B-VG folgt und daher auch im Verwaltungsstrafverfahren gilt (vgl mit Nachw Mayer, B-VG4 [2007] Art 90 B-VG Anm III), sachlich nichts zu ändern. Es liegt auf der Hand, dass das bloße Abstellen auf behördliche Verfolgungshandlungen und ein Ausblenden des Verfolgungsverhaltens von Hilfsorganen nur ein der Aushöhlung und Umgehung dienender Formalismus wäre, der dem Wesensgehalt des verfassungsrechtlichen Selbstbezichtigungsverbots und der Unschuldsvermutung des Art 6 Abs 2 EMRK diametral zuwiderliefe.
Vor diesem Hintergrund ist nun aus der Zusammenschau des Akteninhalts, insbesondere der Anzeige der Finanzpolizei sowie dem Aktenvermerk über die durchgeführte Kontrolle, und aus dem Umstand, dass in Oberösterreich auch das kleine Glücksspiel immer verboten war (weshalb keine Übergangsfristen gemäß § 60 Abs 25 GSpG in Betracht kommen) zu erkennen, dass für das Einschreiten der Finanzpolizei im gegenständlichen Fall der Verdacht von Eingriffen in das Glücksspielmonopol und damit von Übertretungen der Strafbestimmung des § 52 GSpG im Vordergrund stand. So wird in der Anzeige der Finanzpolizei vom 09. November 2012 zur Tathandlung festgehalten, dass die Bf "die geforderten Auskünfte zu den Glücksspielgeräten bzw. sonstigen Eingriffsgegenständen" nicht erteilt habe, obwohl sie aufgrund der niederschriftlich festgehaltenen Eigenschaft als Beauftragte der Casino L GesmbH als zur Auskunft verpflichtete Person anzusehen sei. Zudem ist im Aktenvermerk der Finanzpolizei vom 18. September 2012 über die durchgeführte Kontrolle im Lokal „C“, L, vermerkt, dass das bei Betreten des Lokals durch die Finanzpolizei die mit FA 1 bis FA 4 bezeichneten Geräte betriebsbereit aufgestellt und voll funktionsfähig vorgefunden worden sei. Schon zu Beginn der Kontrolle lag somit offenkundig die oben beschriebene Verdachtslage vor und endete bei verfassungskonformer Auslegung die Mitwirkungspflicht gem § 50 Abs 4 GSpG.
Somit bestätigte die ausführlich im Aktenvermerk dokumentierte Funktionsweise der aufgestellten vier Geräte zum Zweck der Dokumentation der darauf angebotenen Spiele den Verdacht der Finanzpolizei und diente offenkundig dem Ziel der strafrechtlichen Aufklärung (= Strafverfolgung). So wird im Aktenvermerk ausdrücklich festgehalten, dass hinsichtlich jedes einzelnen Geräts "ein hinreichend begründeter Verdacht eines fortgesetzten Eingriffes in das Glücksspielmonopol des Bundes" vorliege und mit den Glücksspieleinrichtungen fortgesetzt gegen Bestimmungen des § 52 Abs 1 GSpG verstoßen worden sei.
Damit steht fest, dass für das Einschreiten der Finanzpolizei im gegenständlichen Fall der Verdacht von Eingriffen in das Glücksspielmonopol und damit von Übertretungen der Strafbestimmung des § 52 GSpG im Vordergrund stand.
Da aber – wie bereits oben ausgeführt – schon aufgrund des Wortlauts des § 50 Abs. 4 1. Satz GSpG die Duldungs- und Mitwirkungspflicht schon bei Bestehen eines begründeten Verdachts auf einen Verstoß gegen das GSpG endet und ein solcher – wie sich aus den im Verwaltungsakt einliegenden Unterlagen der Finanzpolizei zur gegenständlichen Kontrolle zweifelsfrei ergibt – bereits im Rahmen der Kontrolle vorgelegen ist bzw. gar den Grund für die Kontrolle gebildet hat, war mangels Mitwirkungspflicht an der Strafverfolgung und Aufklärung von Delikten keine mit Strafe bedrohte Handlung möglich.
Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die im Spruch des bekämpften Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 28. August 2012, Pol96-88-2012, dargestellten Antworten, aus denen eine Verletzung der Mitwirkungspflicht abgeleitet wurde, solche waren, die auf Fragen gegeben wurden, die über die Frage der Einhaltung der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes, nämlich um den Umstand, ob für die ggst. Geräte eine Konzession oder Bewilligung vorliegt, hinausgehen. Hinsichtlich der über die Frage der Einhaltung der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes hinausgehenden Fragen besteht keine Mitwirkungspflicht nach der oben zitierten Bestimmung.
V. Mangels des Bestehens einer Mitwirkungspflicht durch die Bf liegt kein verwaltungsrechtlich strafbares Verhalten vor und war das bekämpfte Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Dr. Monika Süß