LVwG-601141/14/Bi

Linz, 08.02.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde des Herrn A W, vertreten durch Herrn RA Dr. H T, vom 23. November 2015 gegen das Straferkenntnis des Landespolizeidirektors von vom 20. Oktober 2015, VStV/915301115097/2015, wegen Übertretung der StVO 1960, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 21. Jänner 2016 und 4. Februar 2016

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.

Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

 

 

II.

Gemäß § 52 Abs.8 VwGVG entfällt ein Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren.

 

 

III.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 99 Abs.1b iVm 5 Abs.1 StVO 1960 eine Geldstrafe von 800 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 7 Tagen verhängt sowie ihm gemäß § 64 Abs.1 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag von 80 Euro auferlegt. Zugrundegelegt wurde laut Schuldspruch, er habe am 17. Juli 2015 um 18.10 Uhr in 4020 Linz, Kopernikusstraße bis Höhe Objekt Muldenstraße x (Feststellung: Fahrtrichtung stadtauswärts am rechten Fahrbahnrand abgestellt) das Kraftfahrzeug Lkw Mercedes Sprinter, Kz. x, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt, da bei einer Messung mittels eines Atemluftalkoholmessgerätes sowie einer durch einen medizinischen Amtssach­verständigen durchgeführten Rückrechnung ein Alkoholgehalt der Atemluft von 0,558 mg/l festgestellt worden sei.

Die Zustellung erfolgte laut Rückschein am 27. Oktober 2015.

 

2. Dagegen hat der Beschwerdeführer (in Folge: Bf) fristgerecht Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG eingebracht, die von der belangten Behörde ohne Beschwerdevorentscheidung dem Landesverwaltungs­gericht zur Entscheidung vorgelegt wurde, das darüber gemäß Art.131 B-VG zu entscheiden hat. Am 21. Jänner und am 4. Februar 2016 wurde – in Verbindung mit der Verhandlung wegen Entziehung der Lenkberechtigung zu LVwG-650530 – eine (beantragte) öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Bf, seiner Rechtsvertreterin Mag. T N und der Vertreterin der LPD Mag. S S und der Zeugen I S (S), Meldungsleger GI K B (Ml) und GI J S (GI St) durchgeführt. Auf die mündliche Verkündung des Erkenntnisses wurde verzichtet.

 

3. Der Bf macht im Wesentlichen geltend, er habe die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen; die belangte Behörde sei von einem Nachtrunk von nur 2 Bier ausgegangen entgegen seinen eindeutigen und widerspruchsfreien Angaben. Sie habe sich bei ihren Feststellungen auf die Aussagen der Zeugin S und des Ml gestützt, das ergebe sich aber nicht aus den Zeugenaussagen. Die Zeugin S habe lediglich bestätigt, dass er in der Wohnung 2 Bier getrunken habe, dass er erst gegen 18.45 Uhr in die Wohnung gekommen sei und die Bierdosen in einem Billa-Plastiksackerl gehabt habe. Die Beamten hätten 2 Monate nach dem Vorfall resümeehaft seine Mitteilungen wieder­gegeben. Seine förmliche Einvernahme sei ohne Begründung nicht erfolgt, obwohl eine genaue Formulierung und genaue zeitliche Angaben entscheidend seien. Der Sachverhaltsfeststellung bzw die Beweiswürdigung sei daher mangelhaft, ebenso die Begründung. In der Anzeige werde der Nachtrunk mit „4 Dosen Bier“ angegeben und die belangte Behörde sei ohne nähere Angaben dazu davon abgewichen. Die Rückrechnung stamme bereits vom 20. August 2015, obwohl der belangten Behörde zu diesem Zeitpunkt die Aussagen der beiden Polizeibeamten noch gar nicht bekannt gewesen seien, das sei eine unzulässige vorgreifende Beweiswürdigung. Er habe von Anfang an darauf hingewiesen, dass er nach dem Lenken „einige Bier“ getrunken habe. Er habe das insofern konkretisiert, als es sich um 1 Bier während der Fahrt, 1 Bier nach dem Abstellen des Motors und 2 Bier in der Wohnung gehandelt habe – das stehe im Einklang mit den Aussagen der Zeugin S und den gemessenen Werten. Da es keine anderen Beweisergebnisse gebe, sei eine Rückrechnung nicht zulässig. Beide Beamte hätten seinen Angaben über „einige Bier zu Hause“ bestätigt. Damit sei jedenfalls „nach dem Lenken“ bzw „nach dem Einparken“ gemeint, er selbst sei nie dazu befragt worden. Einige Bier seien nach dem allgemeinen Sprach­gebrauch definitiv mehr als 2. Die Zeugin S und er selbst hätten ausgesagt, dass er die 2 in der Wohnung getrunkenen Dosen Bier in einem Billa-Sackerl mitge­bracht habe. Er habe selbst ausgesagt, er habe die Dosen auf der Heimfahrt kurz vor dem Eintreffen auf dem Parkplatz bei einem nahen Billa-Markt gekauft. Eine der Dosen habe er sofort nach dem Einkaufen geöffnet und bereits während der restlichen Fahrt zu trinken begonnen. Selbst wenn er die ganze Dose auf der Fahrt ausgetrunken hätte, sei amtsbekannt, dass eine Dose Bier bei einem Mann in seinem Alter mit 180 cm Größe und 115 kg Gewicht nicht zu einer unzulässigen Alkoholisierung führe. Hätte er tatsächlich nur 2 Dosen gekauft, hätte er kein Sackerl benötigt. Er habe 4 Dosen gekauft, die 1. nach dem Kauf geöffnet und auf der Fahrt ausgetrunken. Nach dem Einparken habe er seinen Arbeitsbericht und Fahrtenbericht ausgefüllt, was ca 35 Minuten gedauert habe. Während dieses Zeitraumes habe er eine weitere Dose Bier getrunken. Die restlichen 2 Dosen habe er in die Wohnung mitgenommen und dort in Anwesenheit seiner Lebensgefährtin konsumiert. Er habe den Nachtrunk sofort bei erster Gelegenheit erwähnt. Wenn ein Nachtrunk behauptet werde, müsse die Behörde von Amts wegen Erhebungen einleiten, wobei ihn eine Mitwirkungspflicht treffe.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde sowie Durchführung einer (beantragten) öffentlichen mündlichen Verhandlung, bei der beide Parteien gehört und die oben genannten Zeugen unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht gemäß § 288 StGB – die Zeugin S nach Belehrung über ihr Entschlagungsrecht als Lebensgefährtin des Bf und ihrer ausdrücklichen Erklärung, sie wolle aussagen, – einvernommen wurden. Außerdem wurden die Unterlagen zur Beurteilung der Funktionsfähigkeit und –genauigkeit des verwendeten Atemalkoholunter­suchungsgerätes eingeholt. Auf die Verkündung des Erkenntnisses wurde verzichtet.

 

 

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Am Freitag, dem 17. Juli 2015, wurden der Ml und GI St gegen 19.45 Uhr zum Haus Muldenstraße x beordert, weil dort ein Moped umgefahren worden war. Die Zulassungsbesitzerin und ihr Freund gaben an, sie hätten zuletzt um 18.10 Uhr das Moped stehend gesehen, wobei dort eine große Parklücke frei gewesen sei; um 19.00 Uhr sei es beschädigt am Boden gelegen, und in der Parklücke sei ein Mercedes Sprinter gestanden, ein Firmen-Lkw mit dem Kennzeichen x. Der Abstellort des Lkw befand sich in der Kopernikusstraße gegenüber der Einmündung der Hertzstraße. Von GI St wurde über den Zulassungsbesitzer der in unmittelbarer Nähe wohnende Bf als Lenker eruiert und dieser telefonisch ersucht, zum Fahrzeug zu kommen. Als er um ca 20.00 Uhr bei den Beamten erschien, bestätigte er, den Lkw gelenkt zu haben, bestritt aber, das Moped zu Sturz gebracht zu haben. Er war laienhaft erkennbar alkoholisiert und erklärte darauf angesprochen, er habe zu Hause „einige Dosen Bier“ getrunken, wobei er „seit ca zwei Stunden daheim sei“. GI St ging daraufhin in die Wohnung des Bf und traf dort dessen Lebensgefährtin, die Zeugin S, an. Diese erklärte, der Bf sei seit etwa 1 Stunde daheim und habe zuhause 2 Dosen Bier getrunken, die er unmittelbar vor seiner Heimkehr beim Billa gekauft gehabt habe. Sie zeigte GI St laut dessen Aussagen im Abstellraum ein durchsichtiges Plastiksackerl mit zwei leeren zusammen­geknüllten 0,5 l-Bierdosen. GI St teilte daraufhin seinem Kollegen mit, der Bf habe daheim 2 Dosen Bier getrunken, die habe ihm die Zeugin S gezeigt.

Der Ml hatte in der Zwischenzeit den Bf zum Alkoholvortest aufgefordert, der um 20.08 Uhr 0,67 mg/l AAG ergeben hatte. Der um 20.22 Uhr und 20.23 Uhr durchgeführte Atemluftalkoholtest ergab jeweils eine AAG von 0,65 mg/l.

 

Nach übereinstimmenden Aussagen des Ml und des Bf verlangte der Ml vom Bf die Papiere, worauf dieser ihm den Führerschein aus der Geldtasche gab und fragte, ob er den Zulassungsschein aus dem Lkw holen solle. Der Ml verzichtete darauf aber, weil er die Zulassungsdaten anhand des Kennzeichens online ermittelte. Laut Ml und Bf wurde der Lkw nie geöffnet.

 

Als ihm GI St den Nachtrunk von 2 Dosen Bier bestätigte, machte der Ml den Bf darauf aufmerksam, dass diese Trinkmenge den Atemluftalkoholwert von 0,65 mg/l nicht erklären könne, worauf der Bf einräumte, er habe ja im Lkw noch ein Bier getrunken. Als ihm der Ml erklärte, auch drei Bier reichten für den erzielten Atemalkoholwert nicht aus, räumte der Bf ein, dann habe er im Auto halt 2 Dosen Bier getrunken. Er habe das Fahrtenbuch nachgetragen und sei sicher eine halbe Stunde im Fahrzeug gesessen, bevor er in die Wohnung gegangen sei. Er könne auch nicht sagen, wann er konkret heimgekommen sei, weil er nur 12 Stunden (5.00 Uhr - 17.00 Uhr) ins Fahrtenbuch schreiben dürfe, daher sei seine tatsächliche Ankunftszeit irrelevant.

 

Der Ml hat in der Verhandlung betont, ihm gegenüber habe der Bf nie von sich aus eine konkrete Alkoholmenge als Nachtrunk angeführt, habe aber immer, wenn er seine Bedenken wegen der erzielten 0,65 mg/l AAG geäußert habe, weiteren Bierkonsum ergänzt. Als er ihm am Ende der Amtshandlung den Führerschein zurückgegeben habe – da der Bf bereits daheim war, bestand kein Anlass für eine vorläufige Führerscheinabnahme – habe sich der Bf offensichtlich darüber gewundert, worauf der Ml bemerkt habe, es könne sein, dass ihm die Behörde den Führerschein noch abnehmen werde.    

 

Der Ml hat in der Anzeige einen Nachtrunk von 4 Dosen Bier angeführt und in der Verhandlung ausgesagt, er hätte keine § 5 StVO-Anzeige gemacht, wenn er nicht vom Strafamt später dazu aufgefordert worden wäre, weil nach seinem Dafürhalten ein Lenken in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand aufgrund der glaubwürdigen Aussage des Bf, er habe das Bier erst unmittelbar vor seiner Heimkehr gekauft, nicht nachzuweisen gewesen wäre. Eine Verkehrsunfallanzeige habe er gemacht, allerdings sei letztlich auch nicht nachweisbar gewesen, ob tatsächlich der Bf das Moped umstoßen habe, zumal der Mercedes Sprinter vorne Vorschäden aufgewiesen habe; allerdings sei auch nicht zu erwarten, dass am Lkw Spuren erkennbar seien, wenn damit das Moped umgestoßen worden wäre. Die Zulassungsbesitzerin habe es wieder aufgestellt und der Bf habe sofort bei seinem Erscheinen gesagt, das Moped sei, als er heimgekommen sei, anders herum dort gestanden. Beim Moped sei rechts das Blinkerglas beschädigt und Motorflüssigkeit ausgelaufen gewesen. Mit dem Lenker Richtung Gehsteig abgestellt, hätte das Moped nach der Flüssigkeit auf dem Boden und aufgrund der rechts befindlichen Beschädigung in Richtung Lkw fallen müssen. Die Zulassungsbesitzerin habe ausgesagt, sie stelle es immer so ab, dass sie gleich wegfahren könne, also mit dem Lenker in Richtung Straße. Das Moped stand laut den von der Polizei gemachten Fotos bei deren Eintreffen auch mit dem Lenker zur Straße. Der Bf habe aber sofort gesagt, vorher sei es anders herum aufgestellt gewesen und er habe es beim Einparken nicht umgefahren. Die Verursachung eines Verkehrsunfalles mit Sachschaden sei damit nicht erweisbar gewesen.  

 

Laut seinen Aussagen in der Verhandlung hat der Bf „4 oder 5 Halbliter-Dosen“ gekühltes Bier bei der in unmittelbarer Nähe der Autobahnabfahrt Muldenstraße gelegenen Billa-Filiale gekauft und, da es an diesem Tag sehr heiß gewesen sei, im Fahrzeug die 1. Dose geöffnet und daraus getrunken. Dann sei er die kurze Strecke heimgefahren, habe die Dose ausgetrunken und noch eine 2. Dose, während er das Fahrtenbuch nachgetragen habe. Die leeren Dosen habe er im Türfach des Lkw liegen lassen, aber weil der Ml den Zulassungsschein dann doch nicht sehen wollte, habe er darauf vergessen. Er betonte, er dürfe zu Hause wohl trinken, was er wolle, ohne darüber Rechenschaft ablegen zu müssen, er habe aber nie unter Alkoholeinfluss den Lkw gelenkt. Die Rechnung habe er im Geschäft gar nicht mitgenommen.

 

Die Zeugin S, die Lebensgefährtin des Bf, hat in der Verhandlung nach Belehrung über ihr Entschlagungsrecht ausdrücklich erklärt, sie wolle aussagen, und sie wurde über die Wahrheitspflicht des § 288 StGB ausdrücklich belehrt. Nach ihrer Schilderung ist sie erst nach dem Bf heimgekommen und hat sofort mit dem Kochen begonnen, ohne nach dem auf dem Balkon sitzenden Bf zu schauen. Dieser habe die leeren Dosen selbst in der Abstellkammer deponiert und zwar in einem Müllsack, in dem sich bereits mehrere leere Dosen befunden hätten; den habe sie GI St gezeigt. Sie konnte in der Verhandlung weder sagen, wann der Bf heimgekommen sei, noch was er genau getrunken habe; ihre Aussagen gegenüber GI St zu Trinkmengen hat sie als beim Bf übliche Trinkmengen verstanden wissen wollen. Wie GI St dazu komme, den Konsum von 2 Bier in der Wohnung anzunehmen, wisse sie nicht.

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung ist zu bemerken, dass die damals erste Aussage des Bf gegenüber den Beamten, er habe „zu Hause einige Bier“ getrunken, zum einen auf die Zeit nach dem Lenken zu beziehen ist und zum anderen auf mehr als zwei Dosen Bier hindeutet. Den auch von der belangten Behörde anerkannten Nachtrunk von 2 Dosen Bier in der Wohnung hat der Bf bei der Amtshandlung bestätigt. Er hat sich ansonsten vage geäußert und keine konkreten Trinkmengen behauptet, allerdings gegenüber dem Ml sofort dargelegt, dass er das Bier erst kurz vor dem Einparken in einem in der Nähe befindlichen Geschäft gekauft habe. Auf die Bemerkung des Ml, die angegeben Menge Bier sei als Erklärung für den Atemalkoholwert von 0,65 mg/l nicht ausreichend, hat er zunächst eine, dann aber auf neuerliches Bemerken des Ml, das reiche noch immer nicht für eine Erklärung von 0,65 mg/l AAG, auch noch eine 2. Dose Bier angeführt, allerdings nicht als konkrete Erklärung sondern offenbar in der Möglichkeitsform.

Dazu ist zu bemerken, dass sich der Bf auch in der Verhandlung eher vorsichtig geäußert hat, wobei der Eindruck bestanden hat, dass ihm die Berechnung von Alkoholwerten bezogen auf sein Körpergewicht nicht geläufig war. Dass er die leeren Dosen nicht hergezeigt hat, obwohl die Beamten und er bei der Amtshandlung fast neben dem Lkw standen, hat er – auch glaubhaft – damit erklärt, dass der Lkw nicht geöffnet wurde und ihm das Vorhandensein der Dosen nicht eingefallen sei. Der Ml bestätigte, er habe nie verlangt, in den Lkw zu schauen und habe auch nicht konkret nach dem Verbleib der leeren Dosen gefragt. GI St konnte dazu nichts sagen, weil er lediglich den Nachtrunk in der Wohnung eruiert und dann nicht mehr bei der Amtshandlung mitgehört hat.

Hinsichtlich Uhrzeiten des Heimkommens hat der Bf in der Verhandlung dargelegt, er habe sich nicht darum gekümmert, weil er ohnehin nur 12 Stunden Arbeitszeit ins Fahrtenbuch schreiben dürfe. Da auch die Billa-Filiale länger als bis 18.00 Uhr geöffnet hat, ergibt sich auch daraus keine objektivierbare Heimkehrzeit. Den Angaben des Bf laut Ml, er sei „kurz nach 18.00 Uhr“ heimgekommen und dann einige Zeit im Lkw geblieben, stehen im Widerspruch zur Zeugin S, die kurz nach 20.00 Uhr angab, er sei seit „ca einer Stunde“ daheim; in der Anzeige ist hier die Uhrzeit „18.45 Uhr“ angegeben. 

Die Aussagen der Zeugin S in der Verhandlung widersprachen denen von GI St hinsichtlich der Anzahl der Dosen im Sack und Einzelheiten in räumlicher Hinsicht. Sie wider­sprachen hinsichtlich der Ankunftszeit des Bf dessen eigenen Aussagen der Polizei gegenüber. Allerdings hat GI St nicht nachgefragt, ob die Zeugin S bei der Ankunft des Bf schon in der Wohnung war oder nur eventuelle Erzählungen des Bf über seine Rückkehrzeit wiedergibt. Aus der Zeugenaussage von GI St ergibt sich in mehrfacher Hinsicht, dass er aus Aussagen der Zeugin S eigene Schlüsse gezogen und nicht näher nachgefragt hat, insbesondere wer die Dosen im Abstellraum deponiert hat und ob die Zeugin beim Heimkommen des Bf schon der Wohnung war bzw wann sie selbst heimgekommen ist.  

 

Der Bf hat in der Verhandlung keine konkrete Rückkehrzeit anzugeben vermocht und die Aussage des Ml in der Verhandlung, er habe ihm gegenüber gesagt, er habe kurz nach 18.10 Uhr eingeparkt, sofort bestritten.

Nach der allgemeinen Lebenserfahrung glaubwürdig ist aber aufgrund des Umstandes, dass der Bf als Botendienstfahrer täglich die Strecke Linz-Wien-Linz fährt und, da es an diesem Tag, wie auch in der Verhandlung betont wurde, sehr heiß war, er kurz vor seiner Ankunft zuhause die von ihm angegebenen „4 oder 5“ Dosen Bier gekühlt gekauft hat, wobei die Fahrzeit für die Strecke zwischen der Billa-Filiale Ramsauerstraße und der Wohnung des Bf allerhöchstens 5 Minuten beträgt. Diese Aussage hat der Bf bei der Amtshandlung dem Ml gegenüber sofort gemacht, auch wenn er sich offenbar gleich erbost darüber geäußert hat, genaue Angaben zu ohnehin daheim konsumiertem Alkohol machen zu müssen, der nach seiner Ansicht für das Lenken des Fahrzeuges selbst irrelevant war. Dass die auf der letzten Fahrstrecke vom Geschäft bis zum Abstellort des Lkw getrunkene Biermenge tatsächlich keinen durch Alkohol beeinträchtigten Zustand beim 115 kg wiegenden Bf zu bewirken vermochte, steht außer Zweifel.

 

Die offenbar von der belangten Behörde allein auf der Grundlage der Anzeige fix angenommene Nachtrunkmenge von 2 Dosen Bier war auch Gegenstand des Gutachtens des Polizeiarztes vom 20. August 2015; die Einvernahme der beiden Polizeibeamten erfolgte erst am 28.9. bzw 1.10.2015. Der Polizeiarzt legte das vom Bf selbst mit 115 kg angegebene Körpergewicht und die als Beweisthema vorgegebene Daten zugrunde und gelangte so zu einem verbleibenden Atemalkoholgehalt des Bf von 0,558 mg/l, somit zum von der belangten Behörde angenommenen Tatbestand des § 99 Abs.1b StVO, dessen Verwirklichung der Bf vehement bestreitet.

  

Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 5 Abs.1 StVO 1960 darf, wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt.

Gemäß § 99 Abs.1b StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen, wer in einem Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt. - In der Zusammenschau der Alkoholbestimmungen der StVO 1960 und des FSG umfasst diese Bestimmung einen Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 %o oder mehr, aber weniger als 1,2 %o, oder einen Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,6 mg/l.   

 

Ohne Zweifel hat die beim Bf um 20.22 Uhr und 20.23 Uhr des 17. Juli 2015 nach Einhaltung der vorgeschriebenen Wartezeit von 15 Minuten durchgeführte Atemluftalkoholuntersuchung einen Wert von 0,65 mg/l AAG ergeben, wobei der verwendete Alkomat Dräger Alcotest 7110 A, SerienNr. AREE-0038, zuletzt vorher am 9. Juli 2015 nach einer Überprüfung durch den Hersteller turnusmäßig vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen ordnungsgemäß geeicht und am 14. Jänner 2016 neuerlich vom Hersteller überprüft und für in Ordnung befunden wurde. Der Wert von 0,65 mg/l AAG ist demnach als Grundlage bedenkenlos  heranziehbar.

 

Da der Bf zum einen um 20.00 Uhr bei seinem Erscheinen laut den Beamten „laienhaft erkennbar“ alkoholisiert war und bestätigt hat, kurz nach 18.00 Uhr den Lkw gegenüber dem Haus Muldenstraße 58-60 abgestellt zu haben, zum anderen aber der Verdacht im Raum stand, dass er beim Einparken ein geparktes Moped zu Sturz gebracht und den Verkehrsunfall mit Sachschaden am Moped nicht gemeldet zu haben, ist die Vermutung, er könnte sich beim Lenken des Lkw in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden haben, nachvollziehbar. Die Aufforderung zum Alkoholvortest und – aufgrund des positiven Ergebnisses – daraufhin die Aufforderung, sich einer Atemluftalkohol­untersuchung zu unterziehen, waren daher rechtmäßig.

Der AAG-Wert von 0,65 mg/l bzw umgerechnet 1,3 %o BAG ist bei einem Körpergewicht von 115 kg letztlich auch nicht mit 4 Halbliterdosen Bier zu erklären, zumal auch der Abbau in der Zeit von ca 18.00 Uhr (Beginn des Konsum des 1. Bieres) bis 22.22 Uhr (Alkotest) mit durchschnittlich 0,1 %o pro Stunde zu berücksichtigen ist. Eher anzunehmen ist, dass der Bf alle 5 Dosen Bier in relativ kurzer Zeit konsumiert hat. 

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist im Zusammenhang mit der Glaubwürdigkeit eines behaupteten Nachtrunkes dem Umstand Bedeutung beizumessen, zu welchem Zeitpunkt der Lenker diese Behauptung aufgestellt hat, wobei in Anbetracht der Wichtigkeit dieses Umstandes davon auszugehen ist, dass auf eine allfällige Alkoholaufnahme nach dem Lenken bei erster sich bietender Gelegenheit – von sich aus – hingewiesen wird. Weiters entspricht es der Rechtsprechung, dass derjenige, der sich auf einen Nachtrunk beruft, die Menge des solcherart konsumierten Alkohols konkret zu behaupten und zu beweisen hat (vgl. E 28.6.2013, 2011/02/0038; 23.4.2013, 2011/02/0282; 18.11.2011, 2010/02/0219; 18.11.2011, 2008/02/0395; ua).

 

Der Bf hat anlässlich der Konfrontation mit dem Vorwurf, alkoholisiert zu sein, zunächst nur vage von „einigen Dosen Bier“ (je 0,5 l) gesprochen, jedoch sofort erklärt, die habe er kurz vor dem Heimkommen bei einem Geschäft in der Nähe gekauft. Wenn er aus Richtung Wien bei der Muldenstraße von der A7 abfuhr, ist sein Einkauf bei der am Weg liegenden Billa-Filiale Ramsauerstraße glaubhaft. Ebenso glaubhaft ist seine Aussage, er habe sofort eine Dose geöffnet und daraus auf der (höchstens 5-minütigen) Heimfahrt getrunken. Dass er nach dem Abstellen des Lkw nicht gleich ausgestiegen ist, sondern sein Fahrtenbuch ausgefüllt hat, ist ebenso glaubhaft wie seine Aussage, er habe dabei das 2. Bier geöffnet und getrunken. Der Zeitraum vom Heimkommen bis zum Eintreffen in der Wohnung von ca einer halben Stunde ist angesichts der sich aus der Aussage des Ml, der Bf habe ihm gegenüber angegeben, kurz nach 18.10 Uhr eingeparkt zu haben, nicht völlig lebensfremd, wobei dann aber die ebenfalls laut Anzeige als von der Zeugin S gegenüber GI St genannte Uhrzeit „18.45 Uhr“ hinkommen könnte. Zeugenangaben von „Circa-Uhrzeiten“ kann in diesem Zusammenhang keine punktgenaue Bedeutung beigemessen werden, zumal Uhrzeitschätzungen bei verschiedenen Personen verschieden ausfallen können.

 

Auch wenn der Bf vom Ml auf der Grundlage des Alkomatwertes offenbar zweimal darauf hingewiesen werden musste, dass die von ihm genannten Trinkmengen den Wert nicht erklären können und er schließlich den Konsum weiterer 2 Dosen Bier im Fahrzeug in den Raum gestellt hat, hat er diese Angaben im Zuge der ersten Amtshandlung gemacht, dh bei erster sich bietender Gelegenheit. Für den Bierkauf und für den Bierkonsum gibt es keine Zeugen oder sonstige Beweise und weder der Ml noch GI St haben genauer nachgefragt. Der Bf regte sich zwar darüber auf, sich zu nach der Fahrt daheim konsumiertem Bier rechtfertigen zu müssen, kam aber auch nicht von sich aus darauf, die leeren Dosen herzuzeigen.

 

Aus der Sicht des Landesverwaltungsgerichtes besteht aus den oben zusammen­gefassten Überlegungen und insbesondere der glaubwürdigen Verantwortung des Bf dem Ml gegenüber, das Bier erst unmittelbar vor dem Abstellen des Lkw gekauft zu haben, keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass er den Lkw in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt haben könnte, auch wenn er gegenüber den Beamten nicht sofort den Konsum jeder einzelnen Dose Bier ohne Nachfrage des Ml von sich aus nach der Uhrzeit behauptet und bewiesen hat. Dabei ist zwar zu berücksichtigen, dass ein Polizeibeamter nicht verpflichtet ist, einem Lenker eine die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wiederspiegelnde Anleitung zu geben, allerdings kann umgekehrt von einem Lenker auch nicht ernsthaft erwartet werden, die Rechtsprechung des VwGH im Einzelnen zu kennen und sich demgemäß zu verantworten. Es ist aber nach den Denkgesetzen logisch, dass man angesichts einer durch einen eindeutigen Atemluftalkoholwert untermauerten Anschuldigung, ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben, schon im eigenen Interesse klarstellt, dass der gesamte Alkoholkonsum erst nach dem Lenken erfolgt ist. Das hat der Bf ja auch getan, allerdings ohne auf jede einzelne Dose konkret einzugehen. Seiner glaubwürdigen Verantwortung, er habe das Bier erst kurz vor seiner Heimkehr gekauft und teilweise im abgestellten Fahrzeug, teilweise oben in der Wohnung getrunken, ist im Rahmen der Beweiswürdigung objektiv nichts entgegenzuhalten. 

Der Ml hat ihn nur darauf aufmerksam gemacht, dass seine Angaben von zunächst den 2 Dosen in der Wohnung, dann zusätzlich einer im Fahrzeug wohl keine 0,65 mg/l AAG – dh immerhin 1,3 %o BAG – erklären können, und sich mit der Äußerung des Bf, dann habe er halt im Auto 2 Dosen Bier getrunken, zufrieden gegeben. Der Bf hatte zu dieser Zeit bereits mehrmals – glaubwürdig – deponiert, das gesamte Bier erst kurz vor seinem Heimkommen gekauft zu haben und sah daher keine Notwendigkeit, sich den Beamten gegenüber für jede einzelne Dose zu rechtfertigen. Seine Formulierung, dann habe er halt 2 Dosen im Auto getrunken, ist nach dem von ihm in der Verhandlung gewonnenen Eindruck eher als Zeichen von (sich langsam einer gewissen Verzweiflung nähernden) Ungeduld gegenüber dem ihm einzelne Promille vorrechnenden Ml und nicht als Versuch der Verschleierung des Konsums einer Dose Bier zu sehen. 

 

Vonseiten des Landesverwaltungsgerichtes ist aus all diesen Überlegungen davon auszugehen, dass die Angaben des Bf vom Kauf des Bieres unmittelbar vor dem Abstellen des Lkw zweifellos glaubwürdig sind und aus dem in der Verhandlung umfassend erörterten Sachverhalt für die Annahme eines Lenkens in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand kein Anhaltspunkt besteht, auch wenn der Bf den Nachtrunk entgegen der Recht­sprechung des VwGH letztlich nicht von sich aus penibel darzulegen und zu beweisen vermocht hat. Selbst der Ml hat nach seinem persönlichen Eindruck vom Bf im Zuge der Amtshandlung seiner Aussage, das gesamte getrunkene Bier erst unmittelbar vor seiner Heimkehr gekauft und nach dem Abstellen des Lkw getrunken zu haben, so ausreichende Glaubwürdigkeit beigemessen, dass er von einer Anzeige absah, weil er ein Lenken in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand als nicht erweisbar einstufte, und die Anzeigeerstattung erst nach Aufforderung durch die belangte Behörde erfolgte.

 

Da gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen hat, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann, war – naturgemäß unter Entfall von Verfahrenskostenbeiträgen – spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Zu II.:

 

Gemäß § 52 Abs.8 VwGVG entfällt die Vorschreibung eines Kostenbeitrages zum Beschwerdeverfahren.

 

 

Zu III.:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungs­gerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Bissenberger