LVwG-300709/7/Py/SH
Linz, 03.02.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Drin. Andrea Panny über die Beschwerde der Frau E.M., vertreten durch Rechtsanwälte Dr. W.N., Dr. T.K., x, W., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 14. April 2015, GZ: SV96-154-2013, wegen Verwaltungsübertretung nach dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 6. November 2015
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 und 9 VwGVG entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 14. April 2015, GZ: SV96-154-2013, wurde über die Beschwerdeführerin (in der Folge: Bf) wegen Verwaltungsübertretung nach § 7i Abs. 2 iVm § 7d Abs. 1 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz – AVRAG, BGBl. Nr. 459/1993 idgF, eine Geldstrafe in Höhe von 500 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe von 50 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 50 Euro vorgeschrieben.
Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:
„Sie haben als Verantwortliche der Firma „G. V.“ in x, C., verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass Sie als Arbeitgeber mit Sitz in einem anderen EWR-Mitgliedstaat, die Arbeitnehmer
C.J., geb. x, d. Staatsbürger
E.S., geb. x, d. Staatsbürger
am 06.08.2013 um 07:45 Uhr, im Pferdegestüt A., x in R., beschäftigt haben, ohne jene Unterlagen, die zur Überprüfung der den Arbeitnehmern nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelte erforderlich sind (Lohnunterlagen), in deutscher Sprache für die Dauer der Beschäftigung des Arbeitnehmers am Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten. Die Bereithaltung der Unterlagen im Pferdegestüt A., x in R. wäre zumutbar gewesen.
Demnach hätten Sie, als Verantwortliche der oben genannten Firma, die zur Überprüfung der Arbeitnehmer nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts notwendigen Lohnunterlagen in deutscher Sprache bereithalten müssen.“
In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtsgrundlagen zusammengefasst aus, dass es unbestritten ist, dass die bei der Kontrolle angetroffenen Arbeiter Dienstnehmer des deutschen Unternehmens Pferdegestüt V., deren Inhaberin die Bf ist, sind. Lohnunterlagen wurden zwar bei der Arbeitgeberin in D., nicht jedoch am Arbeitsort in Österreich bereitgehalten, sondern erst nach Aufforderung durch die Organe der Finanzpolizei während der Kontrolle übermittelt.
Zur verhängten Strafhöhe führt die belangte Behörde aus, dass die Mitwirkung der Bf an der Feststellung des Sachverhaltes als Milderungsgrund anzusehen ist und daher die gesetzliche Mindeststrafe in beiden Fällen unterschritten werden konnte.
2. Dagegen wendet sich die rechtzeitig von der Bf im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung eingebrachte Beschwerde vom 7. Mai 2015. Darin bringt die Bf zusammengefasst vor, dass es die Behörde gänzlich unterlassen hat, den in der Anzeige behaupteten Sachverhalt aus Eigenem zu erheben, zu überprüfen bzw. das Vorliegen eines Straftatbestandes schlüssig zu begründen. Das Vorliegen des Tatbestandes des § 7b Abs. 1 AVRAG wurde daher weder überprüft noch begründet. Zutreffend wurde festgestellt, dass die erforderlichen Unterlagen nach Aufforderung der Kontrollorgane übermittelt wurden und danach die erforderliche Kontrolle durchgeführt werden konnte. Bei diesem Sachverhalt hat die Bf jedoch ihre gesetzliche Verpflichtung erfüllt und bildet dies keinen Straftatbestand. Das Gesetz gibt unter Berücksichtigung aller Begleitumstände eine Frist von 24 Stunden, die eingehalten wurde, die Unterlagen wurden unverzüglich den Kontrollorganen jedenfalls so rechtzeitig übermittelt, dass die erforderliche Kontrolle effektiv durchgeführt werden konnte.
Des Weiteren werden Verfahrensfehler der Behörde geltend gemacht und die Höhe der verhängten Geldstrafen beeinsprucht.
3. Mit Schreiben vom 11. Mai 2015 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsstrafakt dem Oö. Landesverwaltungsgericht vor, das gemäß § 2 VwGVG zur Entscheidung durch seine nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin berufen ist.
4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht und Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 6. November 2015, die aufgrund des sachlichen Zusammenhangs der zugrundeliegenden Verfahren gemeinsam mit der Verhandlung zum Beschwerdeverfahren LVwG-300708 und LVwG-300710 durchgeführt wurde. An dieser Verhandlung nahmen der Rechtsvertreter der Bf sowie ein Vertreter des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr als im Verfahren LVwG-300709 beteiligte Organpartei teil. Als Zeuge wurde Herr M.H. einvernommen.
4.1. Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:
Die Bf ist Inhaberin eines Pferdegestüts in R., x (in der Folge: G. A.), sowie eines Pferdegestüts in C., x, D. (in der Folge: G. V.). Anlässlich einer Kontrolle durch Organe der Finanzpolizei wurden am 6. August 2013 im Pferdegestüt A. die vom Gestüt V. als Pferdepfleger überlassenen d. Staatsangehörigen
C.J., geb. x und
E.S., geb. x
bei Stallarbeiten angetroffen.
4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt sowie dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 6. November 2015 und ist in dieser Form unbestritten.
5. Hierüber hat das Oö. Landesverwaltungsgericht erwogen:
5.1. Gemäß § 7d AVRAG haben Arbeitgeber/innen im Sinn der §§ 7, 7a Abs.1 oder 7b Abs. 1 jene Unterlagen, die zur Überprüfung des/dem/der Arbeitnehmer/in nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelt erforderlich sind (Lohnunterlagen) in deutscher Sprache für die Dauer der Beschäftigung der Arbeitnehmer/innen am Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten. Bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten sind die Lohnunterlagen am ersten Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten. Ist die Bereithaltung der Unterlagen am Arbeits(Einsatz)ort nicht zumutbar, sind die Unterlagen jedenfalls im Inland bereitzuhalten und der Abgabenbehörde auf Verlangen binnen 24 Stunden nachweislich zu übermitteln.
Gemäß § 7b Abs. 1 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, BGBl. Nr. 459/1993, in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl. I Nr. 98/2012, hat ein Arbeitnehmer, der von einem Arbeitgeber mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes als Österreich zur Erbringung einer fortgesetzten Arbeitsleistung nach Österreich entsandt wird, unbeschadet des auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Rechts für die Dauer der Entsendung zwingend Anspruch auf
1. zumindest jenes gesetzliche, durch Verordnung festgelegte oder kollektiv- vertragliche Entgelt, das am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgebern gebührt;
2. bezahlten Urlaub nach § 2 UrlG, sofern das Urlaubsausmaß nach den Rechts- vorschriften des Heimatstaates geringer ist; nach Beendigung der Ent sendung behält dieser Arbeitnehmer den der Dauer der Entsendung ent sprechenden aliquoten Teil der Differenz zwischen dem nach öster reichischem Recht höheren Urlaubsanspruch und dem Urlaubsanspruch, der
ihm nach den Rechtsvorschriften des Heimatstaates zusteht; ausgenommen
von dieser Urlaubsregelung sind Arbeitnehmer, für die die Urlaubsregelung
des BUAG gilt;
3. die Einhaltung der kollektivvertraglich festgelegten Arbeitszeitregelungen;
4. Bereithaltung der Aufzeichnung im Sinn der Richtlinien des Rates über die
Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für
seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen (91/533/EWG) in Österreich durch den Arbeitgeber oder den mit der Aus übung des Weisungsrechts des Arbeitgebers gegenüber den entsandten Arbeitnehmern Beauftragten.
Gemäß § 7i Abs. 2 AVRAG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 500 Euro bis 5.000 Euro, im Wiederholungsfall von 1.000 Euro bis 10.000 Euro zu bestrafen, wer als Arbeitgeber/in im Sinn der § 7, 7a Abs. 1 oder 7b Abs. 1 oder als Beauftragte/er im Sinn des § 7b Abs. 1 Z 4 entgegen § 7d die Lohnunterlagen nicht bereithält oder als Überlasser/in im Fall einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung die Lohnunterlagen dem/der Beschäftiger/in nicht bereitstellt.
5.2. Die belangte Behörde legt der Bf im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses zur Last, dass sie als Arbeitgeberin des Gestütes V. mit Sitz in D. die beiden namentlich angeführten Staatsangehörigen in Österreich ohne Bereithaltung von deren Lohnunterlagen beschäftigt hat. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass aufgrund des Ergebnisses des Beweisverfahrens nicht davon ausgegangen werden kann, dass die beiden bei der Kontrolle angetroffenen Arbeitnehmer in Erbringung einer Werkleistung tätig waren. Vielmehr wurden sie vom Gestüt A. aufgrund einer Arbeitskräfteüberlassung mit einfachen Arbeiten beschäftigt. Ein auf dieses Tatverhalten lautender Tatvorwurf, wonach die Bf als Überlasserin im Fall einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung die Lohnunterlagen dem Beschäftiger nicht bereitgestellt hat, ist dem gegenständlichen Tatvorwurf jedoch nicht zu entnehmen.
Gemäß § 44a Z1 VStG, der gemäß § 38 VwGVG auch im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Anwendung findet, hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu beschreiben, dass
1. die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und
2. die Identität der Tat unverwechselbar feststeht.
Da das unter Sanktion gesetzte Tatverhalten der Bf nicht innerhalb der Verjährungsfrist zur Last gelegt wurde, war das gegenständliche Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
II. Der Kostenausspruch ist in den angeführten gesetzlichen Bestimmungen begründet.
III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Drin. Andrea Panny