LVwG-300765/6/Bm/Rd

Linz, 02.02.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Maga. Michaela Bismaier über die auf das Strafausmaß beschränkte Beschwerde der Frau B P, vertreten durch K S W Rechtsanwälte OG, x, W, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 27. April 2015,
Ge-409/15, wegen einer Übertretung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) iVm der Arbeitsstättenverordnung (AStV), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 18. September 2015,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe auf 1.300 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 26 Stunden herabgesetzt werden.

 

II.       Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Beschwerdeverfahren. Der Kostenbeitrag zum behördlichen Verwaltungsstrafverfahren wird gemäß § 64 Abs. 2 VStG mit 130 Euro (10 % der nunmehr festgesetzten Geldstrafe) bestimmt.

 

III.     Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. und II.

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom
27. April 2015, Ge-409/15, wurde über die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe von 1.500 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 AStV iVm § 130 Abs. 1 Z 5 ASchG verhängt, weil sie als verantwortliche Beauftragte gemäß § 23 Abs. 1 ArbIG der Firma B P GmbH in W N, x, x, verwaltungsstraf­rechtlich zu vertreten hat, dass am 25. Februar 2015 in der Arbeitsstätte oa Firma (Filiale) in S-G, x, in welcher sich zum Überprüfungszeitpunkt Arbeitnehmer/innen aufhielten, der Notausgang aus dem Lager ins Freie durch Lagerungen verstellt war. Da Arbeitgeber/innen dafür zu sorgen haben, dass Notausgänge nicht verstellt sind, stellt oa Tatbestand eine Übertretung der Bestimmungen der Arbeitsstättenverordnung und des Arbeit­nehmerschutzgesetzes dar.   

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu den Ausspruch einer Ermahnung, in eventu die Herabsetzung der verhängten Geldstrafe auf die Mindeststrafe, beantragt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine mangelnde Tatbildverwirklichung vorliegen würde und dass die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Parteiengehör verletzt worden sei. Zum Verschulden wurde vorgebracht, dass die Beschwerde-führerin den Bediensteten der Betriebsanlage in S-G,  x mehrmals die Anweisungen erteilt habe, für die Einhaltung der Arbeitnehmer-schutzbestimmungen Sorge zu tragen bzw. auf die zuständigen Mitarbeiter im Konzern entsprechend einzuwirken. Sie habe die Anweisungen mehrmals kontrolliert und Sanktionen (Abmahnungen, Geltendmachung von Haftungen bis hin zu dienstrechtlichen Konsequenzen, sogar Entlassungen) angedroht, sodass jedenfalls ein ausreichendes Kontrollsystem iSd Judikatur des VwGH installiert worden sei. Überdies sei die Beschwerdeführerin bei der Einhaltung der verfahrensgegenständlichen Bestimmungen auf die Mitarbeiter der Betriebs­anlage angewiesen gewesen, damit diese ihre Anweisungen auch befolgen, wenn sie nicht unmittelbar in der Filiale vor Ort anwesend sei. Weiters wurde eine unrichtige rechtliche Beurteilung bei der Strafbemessung geltend gemacht, da weder Milderungsgründe noch der Umstand, dass kein Schaden entstanden ist, berücksichtigt worden sei. Überdies würde die verhängte Geldstrafe in keinem Verhältnis zu den Einkommens- und Vermögens-verhältnissen der Beschwerde­führerin stehen.

 

 

3. Der Magistrat der Stadt Steyr hat die Beschwerde samt dem bezug­habenden Verwaltungsstrafakt dem Oö. Landesverwaltungsgericht vorgelegt.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18. September 2015, zu welcher die Verfahrensparteien eingeladen wurden. Weder die Beschwerdeführerin noch deren anwaltliche Vertretung noch ein Vertreter der belangten Behörde sind zur Verhandlung erschienen. Das Arbeitsinspektorat L wurde durch Frau DI I B vertreten. Die ebenfalls geladene Zeugin Frau N vom Arbeitsinspektorat L hat sich entschuldigt.

 

4.1. Im Zuge der Verhandlung wurde von der Vertreterin des Arbeits­inspektorates festgehalten, dass am 8. September 2015 eine weitere Über-prüfung stattge­funden hat und dabei festgestellt wurde, dass der Fluchtweg vor dem angezeigten Notausgang aus dem Lager ins Freie wiederum verstellt gewesen ist. Im Übrigen wurden schon vor Erlassung des gegenständlichen Straferkenntnisses (3.7.2013 [Beanstandung], 3.10.2013 [Anzeige] und 13.2.2014) Überprüfungen durchgeführt, bei welchen festgestellt wurde, dass der Notausgang durch Lagerungen verstellt war.

 

4.2. Mit Eingabe vom 22. Oktober 2015 wurde die Beschwerde auf die Straf­höhe eingeschränkt.    

 

5. Hierüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erwogen:

 

5.1. Zumal das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich gemäß § 9 VwGVG an die von der Beschwerdeführerin angegebenen Beschwerdepunkte gebunden ist und nunmehr ausschließlich die Strafhöhe in Beschwerde gezogen wurde, war auf den Tatvorwurf dem Grunde nach nicht einzugehen.

 

5.2.1. Gemäß § 130 Abs. 1 Z 15 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 166 Euro bis 8.324 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 333 Euro bis 16.659 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen, die Verpflichtung betreffend die Einrichtung und den Betrieb von Arbeitsstätten oder Baustellen einschließlich der Sozial- und Sanitäreinrichtungen verletzt.

 

5.2.2. Gemäß § 19 Abs. 1 VStG idF BGBl. I Nr. 33/2013, in Geltung ab
1. Juli 2013, sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

5.2.3. Die Bestimmungen des ASchG bzw der auf ihrer Grundlage erlassenen Verordnungen haben den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeit­nehmer zum Ziel und sind daher entsprechende Verstöße mit einem besonderen Unrechtsgehalt der Tat behaftet, weil hierdurch genau jene Gefährdungen herbeigeführt werden, denen die genannten Bestimmungen entgegenwirken sollen. Durch das Verstellen des Notausganges aus dem Lager ins Freie ist das Rechtsgut gegenständlich intensiv beeinträchtigt worden.

 

5.2.4. Von der belangten Behörde wurde im angefochtenen Straferkenntnis über die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe von 1.500 Euro verhängt. Der Strafrahmen für die zur Last gelegte Übertretung reicht von 333 Euro bis 16.659 Euro, zumal aufgrund einer einschlägigen Verwaltungsstrafvormerkung aus dem Jahr 2013 von einem Wiederholungsfall auszugehen war. Bezüglich des von der belangten Behörde ins Treffen geführten Erschwerungsgrundes ist jedoch darauf hinzuweisen, dass zum einen die rechtskräftige Verwaltungsstrafvor­merkung im Hinblick auf das Verbot der Doppelverwertung nicht neuerlich als erschwerend zu werten war, zumal bereits der erhöhte Strafrahmen zur Anwendung gelangte. Der Beschwerdeführerin kann allerdings auch kein Milderungsgrund, eben insbesondere jener der verwaltungsstrafrechtlichen Unbe­scholtenheit, mehr zugutegehalten werden.  

 

Mangels Angaben zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin ist die belangte Behörde von einer Schätzung, und zwar von einem monatlichen Nettoeinkommen von 1.500 Euro und vom Vorliegen keiner Sorgepflichten ausgegangen und hat diese der Strafbemessung zugrunde gelegt. Von der Beschwerdeführerin wurde diesbezüglich nichts Gegenteiliges vorgebracht, sodass die Schätzung der persönlichen Einkommens- und Familienverhältnisse der Beschwerdeführerin auch der nunmehrigen Entscheidung zugrunde gelegt werden konnten.

 

Die von der belangten Behörde verhängte Geldstrafe erscheint grundsätzlich tat- und schuldangemessen und auch aus spezial- und generalpräventiven Aspekten erforderlich, die Beschwerdeführerin künftighin zur Einhaltung der arbeitnehmer­schutzrechtlichen Bestimmungen zu bewegen. Der Umstand, dass die belangte Behörde zu Unrecht eine Doppelverwertung des Erschwerungsgrundes vorge­nom­men hat, veranlasst das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich, die verhängte Geldstrafe auf das nunmehrige Ausmaß herabzusetzen. Einer weiter­gehenden Herabsetzung stand aber die offenkundige fehlende Einsichtigkeit der Beschwerdeführerin entgegen. Die Tatsache, dass kein Schaden entstanden sei, kann keinesfalls zur Annahme eines strafmildernden Umstandes führen. Diesbezüglich wird auch darauf hingewiesen, dass es gerade ein Merkmal bei Ungehorsamsdelikten ist, dass die Strafbarkeit nicht vom Eintritt eines Erfolges abhängt. Bei der Strafbemessung kann sich daher kein Täter anrechnen lassen, dass durch die Zuwiderhandlung "nichts passiert" sei.

 

Einer Anwendung des § 20 VStG konnte seitens des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich nicht näher getreten werden, da hierfür die Voraussetzungen, insbesondere ein beträchtliches Überwiegen der Milderungsgründe – der Be­schwerdeführerin kam nicht einmal die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholten­heit mehr zugute -  nicht vorlagen.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z 4 VStG hat die Behörde von der Einleitung und Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind. Diese kumulativen Voraussetzungen wurden durch die Beschwerdeführerin nicht erfüllt. Durch die allgemeinen Behauptungen der Beschwerdeführerin zum Kontrollsystem und auch das offenkundig fehlende Verständnis zur Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen konnte kein geringes Verschulden erkannt werden. Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten. Die Voraussetzungen zur Erteilung einer Ermahnung liegen gegenständlich nicht vor, schon gar nicht jene zur Einstellung des Verfahrens.   

 

6. Weil die Beschwerde teilweise Erfolg hatte, entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Beschwerdeverfahren gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG. Der Kostenbeitrag zum behördlichen Verwaltungsstrafverfahren war entsprechend herabzusetzen (§ 64 Abs. 1 und 2 VStG). 

 

III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsge­richtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsge­richtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

H i n w e i s

 

Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Ent­scheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig. Sie erhalten von der genannten Behörde einen aktualisierten Zahlschein zugesandt.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Michaela Bismaier