LVwG-300698/11/Py/LR

Linz, 30.12.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr.in Andrea Panny über die Beschwerde des Herrn V M, vertreten durch Z & M Rechtsanwälte KG, x, L, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 24. Februar 2015, GZ: BZ-Pol-76054-2013, wegen Verwaltungsübertretung nach dem Ausländer­beschäftigungsgesetz (AuslBG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 6. November 2015

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstraf­verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG iVm § 38 VwGVG eingestellt.

 

 

II.      Gemäß § 52 Abs. 8 und 9 VwGVG entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.

 

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

1.       Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom
24. Februar 2015, GZ: BZ-Pol-76054-2013, wurde über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) wegen Verwaltungsübertretungen nach § 28 Abs. 1 Z 5 lit.b iVm § 18 Abs. 2 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. 218/1975 idgF, fünf Geldstrafen iHv je 2.000 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen iHv je 34 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 1.000 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zu Grunde:

 

„Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als iSd § 9 Abs 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der Firma E B-gesellschaftmbH, x, W (Arbeitgeberin), zu verantworten, dass diese Firma die Arbeitsleistungen von

1.   D G, geb. x, Staatsangehörigkeit B

2.   L A, geb. x, Staatsangehörigkeit R

3.   S G, geb. x, Staatsangehörigkeit M

4.   S M, geb. x, Staatsangehörigkeit M

5.   T V, geb. x, Staatsangehörigkeit B

welche von der Firma V d GK A, x, C B, somit von einem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedsstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes, zur Arbeitsleistung (zumindest am 06.06.2013 als Fassadenbauer auf einer Baustelle in St. M, x) nach Österreich entsandt wurden, in Anspruch genommen hat, obwohl § 18 Abs 12 Z 1 oder Z 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes nicht erfüllt war und auch keine EU-Entsendebestätigungen oder Beschäftigungs­bewilligungen ausgestellt worden waren. Das Entgelt betrug einheitlich € 1.600 brutto/monatlich.“

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtsgrundlagen zusammengefasst aus, dass die objektive Tatseite der im Spruch beschriebenen Verwaltungsübertretung auf­grund der Angaben in der Anzeige der Finanzpolizei samt Beilagen als erwiesen anzusehen ist. Eine Glaubhaftmachung, dass dem Beschuldigten an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft, ist durch die Aussage vom 6. Dezember 2013 sowie das Schreiben vom 10. Dezember 2013 nicht gelungen.

 

Abschließend legt die belangte Behörde ihre für die Strafbemessung maß­geblichen Gründe dar.

 

2.         Dagegen richtet sie die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde vom
27. April 2015. Darin bestreitet der Bf den von der belangten Behörde im Spruch zur Last gelegten Sachverhalt und führt zusammengefasst aus, dass die Erhebungen keine Beurteilung darüber zu lassen, ob (alle) diese Personen unselbständig berufstätig waren und ob diese überhaupt bei der Firma GK A als Dienstnehmer beschäftigt waren. Unzutreffend sei jedenfalls auch, dass sie bereits am 11. April 2013 an der angegebenen Baustelle gearbeitet hätten. Keine der genannten Personen wurde formell als Zeuge einvernommen und wurde kein beeideter Dolmetscher beigezogen. Unverständlich ist, dass jene Personen, die nach Angaben des Einschreiters über die Firma GK A auf der streitgegenständlichen Baustelle gearbeitet haben, nicht einvernommen wurden. Die Behauptungen hinsichtlich der (angeblich mit 15. April 2013 datierten) Werkverträge in der Stellungnahme der Finanzpolizei vom 20. Februar 2014 sind nicht nachvollziehbar. Die Rechtsbeziehungen der fünf genannten Arbeiter zur Firma GK A kann zudem insoweit dahingestellt bleiben, als diese nicht auf einer Baustelle der Firma E B GmbH gearbeitet haben.

 

Es sei in keiner Weise objektiviert, dass die genannten Personen eine Arbeits­leistung auf der Baustelle erbracht haben, die dem Einschreiter bzw. der E B GmbH zurechenbar ist.

 

Selbst für den Fall, dass die objektiven Vorrausetzungen zur Erfüllung des Tatbildes vorliegen, treffe den Einschreiter kein Verschulden. Im Rahmen des mit der Firma GK A abgeschlossenen Vertrages wurde ausdrücklich die Ein­haltung der einschlägigen Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes vereinbart und auch mündlich wiederholt auf diese Einhaltung gepocht. Schließlich hat der Einschreiter auch Herrn A, einen seiner Mitarbeiter, der für das gegenständliche Bauvorhaben zuständig war, wiederholt angewiesen, bei seinen Baustellenbesuchen entsprechende Personenkontrollen durchzuführen. Der Einschreiter war teilweise selbst auf der Baustelle, teilweise Herr A und dienten diese Termine sowohl der Kontrolle der erbrachten Arbeiten, als auch einer Kontrolle der auf der Baustelle anwesenden Personen. Dabei wurde die Identität der von der Firma GK A entsandten Personen durch Einsichtnahme in entsprechende Lichtbildausweise überprüft. Keiner der beiden hat jemals einen der fünf im Straferkenntnis genannten Personen auf dieser Baustelle angetroffen.

 

3.         Mit Schreiben vom 14. Mai 2015 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Oö. Landesver­waltungsgericht vor, dass gemäß § 2 VwGVG zur Entscheidung durch seine nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin berufen ist.

 

4.         Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Aktenein­sicht und Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 6. November 2015. An dieser nahm der Bf mit seinem Rechtsvertreter, eine Vertreterin der belangten Behörde sowie ein Vertreter des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr als am Verfahren beteiligte Organpartei teil. Als Zeuge wurde Herr M A einvernommen.

 

4.1.      Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Der Bf war zum Tatzeitpunkt handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma E B-gesellschaftmbH, x, W (in der Folge: Firma E). Das Bauunternehmen beschäftigte im Jahr 2013 rund 50 bis 60 Mitarbeiter.

 

Bei einer Baustelle am x in St. M wurde die Firma E mit der Anbringung eines Wärmeschutz-, Estrich- und Innenputzarbeiten beauftragt. Die Arbeiten für den Vollwärmeschutz wurden zum Teil durch die Firma E selbst erbracht, für einzelne Bauteile wurden die Arbeiten von der Firma E an die tschechische Firma Produktionsgenossenschaft GK A, x, K (in der Folge: Firma GK A), vergeben.

 

Bei einer Schwerpunktaktion der Finanzbehörde am 6. Juni 2013 am Grenz­übergang in W wurden folgende Personen:

 

1. D G, geb. x, Staatsangehörigkeit B

2. L A, geb. x, Staatsangehörigkeit R

3. S G, geb. x, Staatsangehörigkeit M

4. S M, geb. x, Staatsangehörigkeit M

5. T V, geb. x, Staatsangehörigkeit B,

 

in einem Firmen KFZ mit tschechischem Kennzeichen angehalten. Sie gaben gegenüber den Kontrollbeamten an, auf einer Baustelle in St. M a M gearbeitet zu haben.

 

Im Beweisverfahren konnte nicht zweifelsfrei festgestellt werden, dass die bei der Kontrolle am 6. Juni angetroffenen ausländischen Staatsangehörigen von der tschechischen Firma GK A, B, zur Erbringung von Arbeitsleistungen aufgrund des mit der Firma E abgeschlossenen Werkvertrages entsandt wurden.

 

4.2.      Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 6. November 2015.

 

Die gegenständliche Anzeige fußt im Wesentlichen aus den Angaben der Ausländer in denen mit ihnen am 6. Juni 2013 aufgenommenen Personen­blättern, wonach sie seit zwei Monaten für die Firma GK A acht Stunden täglich gegen eine Entlohnung von 1.600 Euro tätig waren. Den Personenblättern sind zudem die Anmerkungen der Kontrollorgane zu entnehmen, dass die kontrollierten Personen in verschmutzter Arbeitskleidung angetroffen wurden und sich auf der Heimfahrt von der Baustelle in St. M befanden.

 

Zwar ist den Anzeigenlegern zuzustimmen, dass im Hinblick auf den Umstand, dass das vom Bf vertretene Unternehmen zu diesem Zeitpunkt in St. M i M am x eine Baustelle betrieb, bei der die Firma GK A mit Subunternehmerleistungen beauftragt war, ein starkes Indiz dafür ist, dass es sich bei den kontrollierten Personen um Arbeiter handelte, die von der tschechischen Firma zur Erbringung der von der Firma E übernommenen Werkleistung eingesetzt wurden, eine unzweifelhafte Feststellung dieses Sachverhaltes ist nach dem durchgeführten Beweisverfahren vor dem Oö. Landesverwaltungsgericht jedoch nicht möglich. Dies insbesondere deshalb, da der im Verfahren einvernommene Zeuge M A, der im Übrigen einen sehr glaubwürdigen Eindruck bei seiner Aussage vermittelte, angab, dass sich bei seinen regelmäßigen Kontrollen auf der Baustelle immer jene Arbeiter der Firma GK A aufhielten, von denen er sich die Ausweisdokumente vorlegen lies und die jedenfalls nicht ident mit den im Straferkenntnis angeführten Personen waren. Wenn die im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses angeführten Ausländern in den Personenblättern angaben, bereits seit zwei Monaten auf dieser Baustelle zu arbeiten, so widerspricht dies den Angaben des Zeugen A, der glaubwürdig darlegte, dass er sich einen Überblick über die an der Fassade erforderlichen Arbeiten und die dafür eingesetzten Personen bei seinen Kontrollen verschaffen konnte. Aufgrund des Verhaltens des Zeugen A in der mündlichen Verhandlung sieht sich das Oö. Landesverwaltungsgericht auch nicht veranlasst davon auszugehen, dass dieser unter Wahrheitspflicht einver­nommene Zeuge gegenüber dem Oö. Landesverwaltungsgericht bewusst die Unwahrheit über die tatsächlichen Verhältnisse auf der Baustelle gesagt hat. Zweifelsfrei waren auf der Baustelle zudem auch andere Firmen, etwa die damals kurz vor dem Konkurs stehende Firma A B GmbH, tätig. Eine zweifelsfreie Feststellung, dass die bei der Kontrolle angetroffenen Personen tatsächlich auf der Baustelle mit den Arbeiten der Firma GK A beschäftigt waren, die dieses Unternehmen als Werkleistung für die Firma E erbrachte, ist aufgrund der vorliegenden Beweisergebnisse nicht möglich.

 

Im Ergebnis kann daher nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass die bei der Kontrolle angetroffenen ausländischen Staatsangehörigen ihre Tätigkeit tatsächlich im Rahmen der von der Firma E an die Firma GK A übertragenen Werkleistung erbrachten.

 

5.         In der Sache hat das Oö. Landesverwaltungsgericht erwogen:

 

Gemäß § 28 Abs. 1 Z 5 lit.b AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975 idF BGBl. I. Nr. 25/2011 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer eine Geldstrafe von 1.000 Euro bis 10.000 Euro, im Wiederholungsfall von 2.000 Euro bis 20.000 Euro, bei unbe­rechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 2.000 Euro bis 20.000 Euro, im Fall der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 4.000 Euro bis 50.000 Euro zu bestrafen, wer entgegen § 18 Abs. 12 die Arbeitsleistungen eines Ausländers, der von einem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedsstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes zur Arbeitsleistung nach Österreich entsandt wird, in Anspruch nimmt, obwohl § 18 Abs. 12 Z 1 oder 2 nicht erfüllt ist und – im Fall der lit.b – auch keine EU-Entsendebestätigung ausgestellt wurde.

 

Gemäß § 18 Abs. 12 AuslBG ist für Ausländer, die von einem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedsstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes zur Erbringung einer vorübergehenden Arbeitsleistung nach Österreich entsandt werden, keine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erforderlich, wenn

1.  sie ordnungsgemäß zu einer Beschäftigung im Staat des Betriebssitzes über die Dauer der Entsendung nach Österreich hinaus zugelassen und beim entsendenden Unternehmen rechtmäßig Beschäftigt sind und

2.  die österreichischen  Lohn- und Arbeitsbedienungen gemäß § 7b Abs. 1 Z 1-3 und Abs. 2 des AVRAG sowie die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden.

 

Gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG, der gemäß § 38 VwGVG auch im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Anwendung findet, hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

 

Nach Durchführung des Beweisverfahrens verbleiben trotz eingehender Beweis­würdigung Zweifel an der Täterschaft des Bf. Im Hinblick auf die Unschulds­vermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK, wonach bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld vermutet wird, dass der wegen einer strafbaren Handlung  Angeklagte unschuldig ist, war daher mangels ausreichender Beweise für einen Schuldspruch des Bf spruchgemäß zu entschieden.

 

 

II.         Der Kostenausspruch ist in den angeführten gesetzlichen Bestimmungen begründet.

 

 

III.        Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr.in Andrea Panny