LVwG-601178/7/MZ

Linz, 26.01.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde des Dr. C W, geb. x, P-straße 43/EG 4, L, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 24.11.2015, GZ: VStV/915301471882/2015, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Aus Anlass der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

 

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 24.11.2015, GZ: VStV/915301471882/2015, wurde dem Beschwerdeführer (in Folge: Bf) vorgeworfen, am 30.5.2014 um 9:45 Uhr das KFZ mit dem Kennzeichen L-..... auf der Autobahn A1 in Asten Richtung Wien bei StrKm 159.801 gelenkt und mit dem Kraftfahrzeug die auf Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 12 km/h überschritten zu haben.

 

Der Bf habe daher § 20 Abs 2 StVO 1960 verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von 45,- Euro, falls diese uneinbringlich ist eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 21 Stunden, verhängt wurde.

 

II. Gegen das genannte Straferkenntnis ergriff der Bf rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde.

 

Auf die Beschwerdebegründung braucht mangels weiterer Verfahrensrelevanz nicht eingegangen zu werden.

 

III.a) Die belangte Behörde hat die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsaktes, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt und die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, bei welcher (einzig) der Zeuge T B anwesend war.

 

c.1) Folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt steht fest:

 

Die dem genannten Straferkenntnis vorausgegangene Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 28.10.2014, GZ VerkR96-36464-2014, wurde am 30.10.2014 hinterlegt und, wie in der Hinterlegungsanzeige festgehalten, noch am gleichen Tag ab 16:30 Uhr beim zuständigen Postamt zur Abholung bereitgehalten. Der Bf übermittelte mit Telefax vom 14.11.2014 um 18:55 Uhr einen Einspruch an die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land.

 

 

Der Bf bringt in einem Schreiben am 23.1.2015 an die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vor:

„Am 31.10. war ich auf einer Halloween-Party bei einem Freund in W, wohin ich direkt nach der Arbeit gefahren bin.

Dieser, Herr M P, sowie sämtliche Partygäste können Ihnen gerne meine Anwesenheit bis 1.12.2014 bestätigen – einen anderen Nachweis habe ich leider nicht – und so habe ich vom Zustellvorgang erst am 1.12.2014 Kenntnis erlangt.

Somit war der frühestmögliche Termin um die Post abzuholen der 3.11. und die Einspruchsfrist daher nach §17(3) Zustellgesetz bis 17.11.14.“

 

Dafür, dass der Bf am 30.10.2014 durch Abwesenheit von der Abgabestelle nicht vom Zustellversuch Kenntnis erlangt hat, gibt es keine Anhaltspunkte.

 

c.2) In Bezug auf den hier ggst Zustellvorgang wurde in der öffentlichen mündlichen Verhandlung der diesen vorgenommen habende Zeuge Herr B einvernommen. Herr B hat nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, dass aufgrund einer Dienstanweisung, wenn die Rückkehr zur Zustellbasis bis 14:45 Uhr erfolgt, auf der Hinterlegungsanzeige anzugeben ist, dass ab 16:30 Uhr am gleichen Tag beim zuständigen Postamt die Sendung behoben werden kann.

 

Dass im ggst Fall Umstände eingetreten wären, welche ein Abweichen von diesem Standardprozedere zur Folge gehabt hätten, war dem Zeugen nicht erinnerlich.

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

a.1) Die einschlägigen Bestimmungen des Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetzes – VwGVG lauten in der geltenden Fassung:

 

„Anzuwendendes Recht

§ 38. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG in Verwaltungsstrafsachen die Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52/1991, mit Ausnahme des 5. Abschnittes des II. Teiles, und des Finanzstrafgesetzes – FinStrG, BGBl. Nr. 129/1958, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

Prüfungsumfang

§ 27. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.“

 

a.2) Die einschlägigen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG lauten in der heranzuziehenden Fassung:

 

„§ 49. (1) Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

(2) …

 

§ 24. Soweit sich aus diesem Bundesgesetz nicht anderes ergibt, gilt das AVG auch im Verwaltungsstrafverfahren. Die §§ 2, 3, 4, 11, 12, 13 Abs. 8, 14 Abs. 3 zweiter Satz, 37 zweiter Satz, 39 Abs. 3, 41, 42, 44a bis 44g, 51, 57, 68 Abs. 2 und 3, 75 und 78 bis 82 AVG sind im Verwaltungsstrafverfahren nicht anzuwenden.“

 

a.3) Die einschlägige Bestimmung des Bundesgesetzes über die Zustellung behördlicher Dokumente (Zustellgesetz – ZustG) lautet in der geltenden Fassung:

 

„Hinterlegung

§ 17. (1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.“

 

a.4) Die im Wege des § 38 VwGVG iVm § 24 VStG anzuwendende Bestimmung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG lautet in der geltenden Fassung:

 

„5. Abschnitt: Fristen

§ 32. (1) …

(2) Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.“

 

b) Hinterlegte Dokumente gelten gemäß § 17 Abs 3 Satz 3 ZustG grundsätzlich mit dem Tag als zugestellt, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereit gehalten wird, also dem Empfänger tatsächlich die Möglichkeit eingeräumt wird, das Dokument zu beheben (VwGH 31.1.2008, 2005/01/0809; 20.3.2009, 2008/02/0139). Dass dieser mit dem Tag des (aufgrund der damaligen Rechtslage noch notwendigen letzten) Zustellversuchs zusammen fällt, hindert die Wirksamkeit der Hinterlegung nicht (vgl VwGH 19.5.2004, 2004/18/0106).

 

Die dem genannten Straferkenntnis vorausgegangene Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 28.10.2014, GZ: VerkR96-36464-2014, wurde – wie das Beweisverfahren ergeben hat – nach ordnungsgemäß hinterlegter Anzeige bereits am 30.10.2014 ab ca 16:30 Uhr zur Abholung bereitgehalten und die Zustellung damit am genannten Tag bewirkt.

 

Anderes würde nur gelten, wenn der Bf sich im Zeitpunkt des Zustellversuchs vorübergehend nicht an der Abgabestelle aufgehalten hätte oder nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen hätte können. Dem, hier nicht weiter auf dessen Wahrheitsgehalt zu prüfendem Vorbringen des Bf gemäß, hat sich dieser am 31.10.2014 direkt von der Arbeit aus auf eine Halloween-Party begeben und ist erst am darauf folgenden Tag wieder nach Hause gekehrt. Dass der Bf auch am 30.10.2014 nicht an der Abgabestelle anwesend war, wurde von ihm nicht vorgebracht. Der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang angemerkt, dass es, um die Zustellwirkungen hervorzurufen, nicht davon abhängt, ob der Empfänger einer Sendung am fraglichen Tag zu einer Uhrzeit nach Hause kommt, zu welcher ihm eine Behebung der Sendung noch möglich ist, da das Gesetz lediglich auf die Kenntnisnahmemöglichkeit abstellt (VwGH 1.4.2008, 2006/06/0234; 3.10.2008, 2008/02/0150). Rechtzeitig Kenntnis vom Zustellvorgang erlangt der Empfänger daher insbesondere auch dann, wenn die Abwesenheit erst am Tag nach dem Zustellversuch und der Hinterlegung beginnt (VwGH 29.1.1987, 86/02/0157; 24.9.1991, 90/11/0232).

 

Da die Zustellung der Strafverfügung somit am 30.10.2014 erfolgte endete gemäß § 32 Abs 2 AVG die laut § 49 Abs 1 VStG zweiwöchige Einspruchsfrist somit am Donnerstag den 13.11.2014.

 

Der vom Bf am 14.11.2014 nach Ende der Amtsstunden per Telefax übermittelte (und daher als am 17.11.2014 eingebracht geltende) Einspruch erweist sich vor diesem Hintergrund als verspätet und ist die Strafverfügung in Rechtskraft erwachsen.

 

Demzufolge war die belangte Behörde nicht berechtigt, das angefochtene Straferkenntnis zu erlassen und das Landesverwaltungsgericht hat dieses – in Anwendung des § 27 VwGVG – wegen Unzuständigkeit ersatzlos aufzuheben.

 

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

 

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da im Hinblick auf den Beginn der Rechtsmittelfrist oben zitierte, einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes existiert und die Frage, wann im konkreten Fall der Bf Kenntnis vom Zustellversuch erlangte, nicht der Verallgemeinerung zugänglich ist.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde / der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Dr. Markus Zeinhofer