LVwG-150720/10/DM/FE - 150721/2

Linz, 10.12.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Doris Manzenreiter über die Beschwerde 1. des J K und 2. der G K, beide x, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Pfaffing vom 21.5.2015, Zl. Bau 23-2014, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 4. Dezember 2015

 

 

I. zu Recht  e r k a n n t :

1.   Gemäß § 28 VwGVG wird der Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin stattgegeben und der angefochtene Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Pfaffing vom 21.5.2015, Zl. Bau 23-2014, ersatzlos aufgehoben.

 

2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

II. den Beschluss g e f a s s t:

1. Gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers als unzulässig zurückgewiesen.

 

2. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I.          Verfahrensgang, Sachverhalt:

 

I.1. Entsprechend dem Auszug aus der Bau- und Straßenbauausschusssitzung des Gemeinderates der Gemeinde Pfaffing vom 19.12.2014 wurde beim öffentlichen Weg Grundstück Nr. x, KG P, in F im Jahr 2013 von den Ehegatten G und J K (im Folgenden: Beschwerdeführer, kurz: Bf) eine etwa 50 m lange Steinschlichtungsmauer mit einer verlaufenden Höhe von 50 cm bis 130 cm errichtet. Die Gemeinde Pfaffing sei im Zuge einer Bauverhandlung am 27.8.2014 von den Ehegatten H und J B (Nachbarn der Bf) aufmerksam gemacht worden, dass die Errichtung der Steinschlichtungsmauer auf öffentlichem Gut erfolgt sei und entsprechend zu ändern sei, insbesondere auch im Hinblick auf die durchgeführten Grundabtretungen der Grundanrainer B und K, wie in der Vereinbarung vom 5.8.2004 festgelegt. Anfang November 2014 sei ein Bauhofmitarbeiter vom Amtsleiter beauftragt worden, Abmessungen beim Grundstück durchzuführen. Dabei sei bereits festgestellt worden, dass im Bereich des Hauseckes der landwirtschaftlichen Garage auf Grundstück Nr. xx, KG P, die lichte Breite des öffentlichen Weges zu gering sei. Daraufhin sei die F KG beauftragt worden, die Steinmauer einzumessen und dem Gemeindeamt einen Vermessungsplan vorzulegen. Beim Lokalaugenschein vom 19.12.2014 habe Herr K nochmals seine Ansicht erklärt, dass doch jeder diesen Weg benützen könne und dieser auch für die großen landwirtschaftlichen Fahrzeuge eine ausreichende Breite aufweise. Er werde diese Mauer, die seiner Ansicht nach auf dem Grundstück stehe, das er vor zehn Jahren abgetreten habe, sicher nicht entfernen.

 

Diesem Auszug aus der Bau- und Straßenbauausschusssitzung liegt bei: die Vermessung der F KG vom 16.12.2014, die Stellungnahme der Nachbarn J und H B vom 27.8.2014, die Niederschrift vom 5.8.2004 betreffend die Festlegung der Grenzen des öffentlichen Weges Grundstück Nr. x im Bereich der den Ehegatten H und J B gehörenden Grundstücke Nr. x, x und x sowie der den Bf gehörenden Grundstücke Nr. x und x sowie eine Naturaufnahme im Maßstab 1 : 500, ein Auszug aus dem Flächenwidmungsplan sowie mehrere Fotos vom gegenständlichen Weg.

 

I.2. Die Bf sind je Hälfteeigentümer des Grundstücks Nr. x, KG P, auf welchem sich die gegenständliche Steinschlichtungsmauer größtenteils befindet.

 

Das Grundstück Nr. x, KG P, ist gemäß dem derzeit rechtskräftigen Flächenwidmungsplan Nr. x (Gemeinderatsbeschluss vom 17.6.2009, kundgemacht in der Zeit von 20.7.2009 bis 4.8.2009) als unspezifisches Grünland gewidmet. Die Wegparzelle öffentliches Gut Nr. x, KG P, auf welche die Steinschlichtungsmauer bis zu 0,53 m ragt, ist als Verkehrsfläche gewidmet.

 

I.3. Mit Bescheid der Bürgermeisterin der Gemeinde Pfaffing vom 13.1.2015 als Baubehörde erster Instanz wurde Folgendes verfügt:

 

"Zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes wird gemäß § 49 Abs. 6 Oö. Bauordnung 1994 idgF den Ehegatten G u. J K, x als Grundeigentümer des Grdst. Nr. x, KG. P ein

 

baupolizeilicher ABTRAGUNGSAUFTRAG

 

der teilweise auf öffentlichem Gut errichteten Steinschlichtungsmauer, auf dem Grdst. Nr. x, KG. P, erteilt.

 

Gemäß § 48 (2) O.ö. Bauordnung 1994 idgF. LGBl. Nr. 70/1998 werden folgende Auflagen und Bedingungen zur Vornahme der Abtragung der Steinschlichtungsmauer vorgeschrieben:

 

1.   Die Steinschlichtungsmauer auf dem Grdst. Nr. x, KG P ist bis spätestens 30. Juni 2015, abzutragen.

2.   Bei Neuerrichtung der Steinschlichtungsmauer ist zum öffentlichen Gut, Grdst. Nr. x unbedingt ein Abstand von 60 cm (gemäß § 18 Oö. Straßengesetz - Ausnahme vom Bauverbot im 8 m Bereich), einzuhalten.

3.   Die Abbrucharbeiten sind von einem befugten Bauführer nach den Regeln der Technik und unter Beachtung der erforderlichen Arbeitnehmerschutzmaßnahmen auszuführen.

4.   Die Baustelle ist entsprechend zu kennzeichnen und gegen das Betreten unbefugter Personen abzusichern.

5.   Das Abbruchmaterial ist unverzüglich von der Baustelle zu entfernen und auf hiefür geeigneten Plätzen zu deponieren.

 

KOSTEN:

Für diese baubehördliche Amtshandlung haben Sie folgende Verfahrenskosten zu entrichten und binnen 2 Wochen nach Zustellung dieses Bescheides mit beiliegendem Zahlschein auf das Konto der Gemeinde einzuzahlen.

 

1.      Verwaltungsabgabe nach der Gemeindeverwaltungs-
abgabenverordnung 2012, LGBl. 37/2012, Tarifpost G/11/b...    EUR x

2.      Kostenersatz für Vermessung (Aufnahme Mauer, Grenzwiederherstellung, ...)

..... lt. beiliegender Rechnung der F KG

..... vom 12.01.205........................................................................ EUR x

                                                                            GESAMT:          EUR x"

 

Der baupolizeiliche Abtragungsauftrag sei zu erteilen gewesen, da die Baubehörde davon in Kenntnis gesetzt worden sei, dass sich die errichtete Steinschlichtungsmauer auf dem Grundstück Nr. x, KG P, teilweise auf öffentlichem Gut befinde.

 

Dieser Bescheid führt als Bescheidadressaten die Ehegatten G und J K an. Der Bescheid wurde mittels eines RSb-Rückscheins zugestellt und am 21.1.2015 von der Schwiegertochter der Bf übernommen. Wem der beiden Bf der Bescheid sodann zuerst zukam, ist nicht bekannt.

 

I.4. Mit Schriftsatz vom 27.1.2015 erhoben die Bf Berufung und stellten die Anträge, 1. den baupolizeilichen Abtragungsauftrag samt Kostenvorschreibung aus den vorhin beschriebenen Sachverhalten gänzlich aufzuheben, sowie 2. eine Neuvermessung der Natursteinschlichtung zu ihren Kosten und Kauf bzw. flächengleichen Tausch aus ihrem Grundstück Nr. x mit der Gemeinde P, sodass die Mauer nicht mehr auf öffentlichem Gut stehe. Die Gemeinde P und mögliche Grundnachbarn hätten dadurch weder einen Schaden oder Nachteil und auch keine weiteren Kosten - und sei zudem die gefahrlose Benützbarkeit des Weges gemäß § 18 Oö. Straßengesetz weiterhin gegeben. Sie ersuchen den Gemeinderat, ihren Anträgen stattzugeben und einer einvernehmlichen Lösung durch Kauf/Flächentausch und Bewilligung der Natursteinschlichtung (nach Erfüllung aller Voraussetzungen) zuzustimmen.

 

I.5. Mit dem nun angefochtenen Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Pfaffing (im Folgenden: belangte Behörde) vom 21.5.2015 wurde der Berufung der Bf vom 27.1.2015 mit den darin angeführten Anträgen keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid der Bürgermeisterin vom 13.1.2015 bestätigt. In der Begründung wird ausgeführt, das Gemeindeamt Pfaffing habe mit dem angefochtenen Bescheid die Voraussetzungen für die Vorschreibung des baupolizeilichen Abtragungsauftrages für die Steinschlichtungsmauer als gegeben angenommen und sich dabei auf die Bestimmungen des § 49 Abs. 6 Oö. BauO 1994 gestützt. Grundlage für die mit Bescheid des Gemeindeamtes Pfaffing vom 13.1.2015 vorgeschriebene Abtragung der Steinschlichtungsmauer sei gewesen

 

"- die, auf Antrag der Frau G u. J K sowie H u. J B, im August 2004 durchgeführte Verbreiterung des betroffenen öffentlichen Weges Grundstück x - die Grenzpunkte wurden anlässlich der am 5. August 2004 vorgenommenen Begehung neu vermarkt.

 

-    Anzeige der H u. J B im Rahmen der Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme eines Bauverfahrens am 27. August 2014.

 

-    Vermessungsurkunde der F KG vom 16. Dezember 2014, in der die Steinschlichtungsmauer aufgenommen wurde.

 

-    gemäß § 30 Abs. 5 Oö. ROG 1994 dürfen im Grünland nur Bauten und Anlagen errichtet werden, die nötig sind, um diese bestimmungsgemäß zu nutzen.

 

Auf Grund der gegebenen Rechts- und Sachlage hat der Gemeinderat der Gemeinde Pfaffing in seiner Sitzung am 11.3.2015 die Berufung abgewiesen und den angefochtenen Bescheid bestätigt."

 

Dieser Bescheid führt als Bescheidadressaten wiederum beide Bf an und wurde wiederum mittels eines RSb zugestellt, welcher von der Zweit-Bf übernommen wurde.

 

I.6. Mit Schriftsatz vom 16.6.2015 erhoben die Bf Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, die Steinschlichtungsmauer sei maximal 1,5 m hoch und daher weder bewilligungs- noch anzeigepflichtig. Ein Abtragungsauftrag sei nach den Bestimmungen der Oö. BauO 1994 nicht rechtens, weil die Steinschlichtungsmauer den bau- und raumordnungsrechtlichen Bestimmungen keinesfalls widerspreche. § 30 Abs. 5 Oö. ROG 1994 sei nicht relevant, weil die Steinschlichtmauer der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Grundstückes Nr. x dienlich und daher nötig sei. Der Bescheid weise zudem keine Festlegung auf, welche Teile der Mauer abzutragen seien. Die Mauer sei ja nur teilweise und geringfügig auf öffentlichem Gut errichtet worden. Es werde darauf hingewiesen, dass sie 2004 einen unentgeltlichen Flächenabtritt an die Gemeinde gemacht hätten. Damals hätten sie an der Grundgrenze einen Erdwall errichtet. Dabei sei nie davon die Rede gewesen, dass sie 60 cm von der Grundgrenze hineinrücken müssten. Außerdem sei in der Niederschrift der Gemeinde Pfaffing aus dem Jahr 2004 festgelegt worden, dass die Böschung entlang der Grundstücksgrenze mit Betonsteinen abgesichert werden müsse. Diese Steine würden von der Familie K zur Verfügung gestellt werden. Der Einbau der Betonsteine erfolge jedoch durch die Gemeinde Pfaffing. Die Steinmauer sei nicht bewusst über das öffentliche Gut gebaut worden, da auf dem Erdwall keine Markierungen vorhanden gewesen wären. Der Weg sei durch die Steinmauer nicht kleiner und somit sei auch niemand bei der Benützung des Weges beeinträchtigt.

 

I.7. Mit Schreiben vom 30.6.2015 legte die Bürgermeisterin der Gemeinde Pfaffing die Beschwerde samt bezughabendem Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vor.

 

I.8. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich holte mit Schreiben vom 24.11.2015 ein bautechnisches Gutachten zu folgendem Beweisthema ein:

Ist es technisch durchführbar, die gegenständliche Steinschlichtungsmauer insofern zu trennen, als dass die Beseitigung des auf dem öffentlichen Gut befindlichen Teiles der Steinschlichtungsmauer aufgetragen werden kann?“

 

Im Gutachten vom 26.11.2015 kam der bautechnische Amtssachverständige sodann im Ergebnis zum Schluss, dass eine Trennung der bestehenden Steinschlichtungsmauer in Längsrichtung (genau auf der Grundgrenze) bautechnisch als praktisch nicht durchführbar zu bewerten ist.

 

Dieses Gutachten wurde den Parteien im Rahmen der am 4.12.2015 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gebracht.

 

 

II.         Beweiswürdigung und festgestellter Sachverhalt:

 

II.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie Einholung eines Grundbuchsauszuges (ON 8 des verwaltungsgerichtlichen Aktes), Einsicht in den aktuellen Flächenwidmungsplan Nr. x betreffend die Grundstücke Nr. x und x, beide KG P, sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 4.12.2015.

 

II.2. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:

 

Die Bf sind je Hälfteeigentümer des Grundstücks Nr. x, KG P, auf welchem sich die beschwerdegegenständliche – ca. 50 m lange, 50 cm bis 130 cm hohe – Steinschlichtungsmauer großteils errichtet wurde. Dieses Grundstück ist entsprechend dem derzeit gültigen Flächenwidmungsplan als Grünland gewidmet. Das Grundstück öffentliches Gut Nr. x, KG P, auf welches die Steinschlichtungsmauer teilweise von 0 cm bis zu 53 cm ragt, ist als Verkehrsfläche gewidmet. Die Steinschlichtungsmauer ist insofern nicht trennbar, als dass die Beseitigung des auf dem öffentlichen Gut befindlichen Teiles der Mauer aufgetragen werden könnte.

 

Der erstinstanzliche Bescheid der Bürgermeisterin der Gemeinde Pfaffing vom 13.1.2015, Zl. Bau 23-2014, mit welchem die Beseitigung der Steinschlichtungsmauer aufgetragen wurde und welcher beide Bf als Bescheidadressaten aufweist, wurde mittels eines einzigen RSb zugestellt und von der Schwiegertochter der Bf übernommen. Wem von den Bf sodann der Bescheid als erster zugekommen ist, ist nicht bekannt. Die Bf können sich nicht mehr daran erinnern, wer von beiden den Bescheid als erster in Händen hielt.

 

Der nun angefochtene Bescheid der belangten Behörde richtet sich wiederum an beide Bf und wurde ebenfalls nur mittels eines RSb-Rückscheines zugestellt. Diesen Rückschein hat die Zweit-Bf übernommen.

 

II.3. Der festgestellte Sachverhalt gründet im Wesentlichen auf dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde, der Einsichtnahme in den derzeit gültigen Flächenwidmungsplan, dem eingeholten bautechnischen Gutachten sowie den Ermittlungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung betreffend die Zustellung sowohl des erstinstanzlichen als auch des nun angefochtenen Bescheides.

 

 

III. Maßgebliche Rechtslage:

 

Nach § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid aufgrund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und Z 4) zu überprüfen. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

 

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

 

Die hier relevanten Bestimmungen der Oö. BauO 1994, LGBl. Nr. 66/1994, idF LGBl. Nr. 90/2013, lauten auszugsweise wie folgt:

 

„§ 25

Anzeigepflichtige Bauvorhaben

 

(1) Folgende Bauvorhaben sind der Baubehörde vor Beginn der Bauausführung anzuzeigen (Bauanzeige), soweit § 26 nichts anderes bestimmt:

          14. Stützmauern und freistehende Mauern mit einer Höhe von mehr als 1,50 Meter über dem jeweils tiefer gelegenen Gelände, sowie Stützmauern mit einer aufgesetzten Einfriedung mit einer Gesamthöhe von mehr als 2,50 Meter über dem jeweils tiefer gelegenen Gelände;

          …

 

§ 49

Bewilligungslose bauliche Anlagen

 

(6) Stellt die Baubehörde fest, daß eine baubehördlich nicht bewilligungspflichtige bauliche Anlage nicht entsprechend den für sie geltenden bau- oder raumordnungsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere jenen des Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans, ausgeführt wird oder bereits ausgeführt wurde, hat sie dem Eigentümer mit Bescheid die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist aufzutragen. § 48 Abs. 7 gilt sinngemäß.“

 

 

IV.       Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

IV.1. Zur Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin (Spruchpunkt I.)

 

IV.1.1. Die Bf sind je Hälfteeigentümer der beschwerdegegenständlichen Steinschlichtungsmauer.

 

Wird im Mehrparteienverfahren einer Person, obwohl sie Parteistellung hat, ihr gegenüber der in der Sache ergehende Bescheid nicht erlassen, verliert die übergangene Partei dadurch grundsätzlich weder die Parteistellung noch das – unmittelbar aus der Parteistellung erfließende – Berufungsrecht (vgl. Hengstschläger/Leeb, [2. Ausgabe 2014] § 63 Rz 66 [Stand 1.7.2007, rdb.at] und die dort zitierte Rspr). Wurde daher in einem Mehrparteienverfahren der Bescheid auch nur einer Partei gegenüber erlassen, können die übrigen Parteien bereits Berufung erheben. Dies ist jedoch nur in Mehrparteienverfahren der Art des anlagenrechtlichen Bewilligungsverfahrens der Fall, nicht jedoch im Zusammenhang mit verwaltungspolizeilichen Aufträgen, die – wie etwa im Fall des Miteigentums – an mehrere Parteien zu erlassen wären oder in Verfahren, in denen verschiedene Bescheidadressaten in Frage kämen, jedoch (zunächst) nur einer von der Behörde als Adressat gewählt wurde (Hengstschläger/Leeb aaO; VwGH 22.5.1999, 99/06/0035). Adressat eines baupolizeilichen Auftrages entsprechend der Oö. BauO 1994 (§§ 47 ff leg.cit.) ist der Eigentümer der baulichen Anlage. Bei Vorliegen von Miteigentum die jeweiligen Miteigentümer.

 

IV.1.2. Der erstinstanzliche Bescheid der Bürgermeisterin der Gemeinde Pfaffing vom 13.1.2015 wurde an die - an derselben Adresse wohnhaften - Bf adressiert. Aus dem im Verfahrensakt erliegenden Rückschein ist erkennbar, dass die Zustellung mittels eines einzigen Rückscheines an beide Bf zugleich verfügt wurde. Zur wirksamen Erlassung des in Rede stehenden Bescheides wäre es allerdings erforderlich gewesen, abweichend von ihrer materiellen Adressierung, an beide Bf die Zustellung je einer Ausfertigung an jeden von ihnen zu verfügen und durchzuführen. Da eine Ausfertigung eines Bescheides nicht für zwei Adressaten bestimmt sein kann, vermochte die formelle Adressierung der Erledigung der Bürgermeisterin der Gemeinde Pfaffing an beide Bf allenfalls für einen von ihnen Wirksamkeit zu entfalten (vgl. VwGH 24.5.1996, 94/17/0320).

 

Das Ermittlungsverfahren im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat nun aber ergeben, dass der erstinstanzliche Bescheid von der Schwiegertochter der Bf übernommen wurde (Unterschrift am RSb-Rückschein). Den Bf ist es nicht mehr erinnerlich, wem von beiden sodann der erstinstanzliche Bescheid zuerst zugekommen ist. Es ist daher objektiv nicht mehr feststellbar, wem der beiden Bf die Sendung wirksam zugestellt wurde.

 

In seinem Erkenntnis vom 4.11.1983, 83/04/0078 (= Slg. Nr. 11.211/A), vertrat der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, dass die Übernahme eines an zwei Adressaten gemeinsam gerichteten RSb-Briefes durch eine dritte Person zwecks Ersatzzustellung diese als solche – mangels Angabe, für wen der Ersatzempfänger die Sendung übernommen hat – nicht rechtswirksam herbeiführt (vgl. auch VwGH 24.5.1996, 94/17/0320).

 

Eine Heilung dieses Zustellmangels aus dem Grunde des § 7 ZustellG wäre grundsätzlich möglich, erfolgte aber nur gegenüber jenem der beiden Kuvertadressaten, dem das Schriftstück als ersten tatsächlich zukommt, weil – wie sich aus der bloß alternativen Wirksamkeit der Zustellverfügung ergibt – nur dieser Vorgang der Heilung des Zustellmangels einem Verhalten der Behörde zurechenbar ist. Eine Weitergabe durch die Partei, der die einzige Ausfertigung zuerst zugekommen ist, an eine andere Partei vermag daher eine Heilung des Zustellmangels gegenüber der zweiten Partei nicht zu bewirken.

 

Im Ergebnis hätte daher die belangte Behörde die Berufung gegenüber beiden Bf zurückweisen müssen, weil nicht feststeht, wem der beiden Bf gegenüber der erstinstanzliche Bescheid durch tatsächliches Zukommen Rechtswirksamkeit entfaltet hat. Durch die Erlassung eines Bescheides in der Sache anstelle der gebotenen Zurückweisung der Berufung (aufgrund des fehlenden Bescheidcharakters des dem erstinstanzlichen Bescheid zugrundeliegenden Verwaltungsaktes mangels Erlassung des Bescheides) hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge funktioneller Unzuständigkeit belastet (vgl. VwGH 24.5.1996, 94/17/0320).

 

Der angefochtene Bescheid war daher ersatzlos zu beheben und spruchgemäß zu entscheiden.

 

IV.2. Zur Beschwerde des Erstbeschwerdeführers (Spruchpunkt II.)

 

Zunächst wird auf die Ausführungen unter IV.1.1. verwiesen. Da der nun – an beide Bf adressierte – angefochtene Bescheid der belangten Behörde wiederum nur mittels eines RSb-Rückscheines an beide Bf zugestellt wurde und die Zweit-Bf den angefochtenen Bescheid durch ihre Unterschrift auf diesem Rückschein übernommen hat, ist der Bescheid nur ihr gegenüber in Rechtswirksamkeit erwachsen. Eine weitere Bescheidzustellung an den Erst-Bf erfolgte nicht. Da eine einzige Ausfertigung eines Bescheides nicht für zwei Adressaten bestimmt sein kann, konnte die Zustellung des angefochtenen Bescheides durch Übernahme durch die Zweit-Bf nur gegenüber dieser, nicht jedoch gegenüber dem Erst-Bf wirksam werden (vgl. VwGH 23.6.2003, 2002/17/0182).

 

Aus diesem Grund steht der Beschwerde des Erst-Bf der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegen, sodass diese gemäß § 31 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 VwGVG mit Beschluss zurückzuweisen war.

 

 

Für das fortgesetzte Verfahren wird aus verwaltungsökonomischen Gründen noch auf Folgendes hingewiesen:

 

Das baupolizeiliche Verfahren betreffend die beschwerdegegenständliche Steinschlichtungsmauer wird von der Baubehörde erster Instanz neu aufzurollen sein. Da die gegenständliche Steinschlichtungsmauer aufgrund ihrer Höhe nicht unter den Anzeigetatbestand des § 25 Abs. 1 Z. 14 Oö. BauO 1994 fällt (und auch keine Bewilligungspflicht besteht), wird der diesbezügliche baupolizeiliche Bescheid (betreffend die ganze Mauer - siehe das bautechnische Gutachten vom 26.11.2015, wonach keine Trennbarkeit der Mauer besteht) auf § 49 Abs. 6 Oö. BauO 1994 zu stützen sein, da die Mauer jedenfalls im Hinblick auf die Überbauung auf das öffentliche Gut mit der Flächenwidmung Verkehrsfläche dem derzeit geltenden Flächenwidmungsplan widerspricht. Da beide Bf je Hälfteigentümer dieser Steinschlichtungsmauer sind, wird dieser baupolizeiliche Bescheid jedem der Bf jeweils mittels eigenen RSb-Rückscheins zuzustellen sein.

 

 

V.        Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe dazu die in dieser Entscheidung zitierte höchstgerichtliche Judikatur). Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Doris Manzenreiter