LVwG-350188/6/PY/TK

Linz, 20.01.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Drin. Andrea Panny über die Beschwerde der Frau E L, vertreten durch F N Rechtsanwälte, X, L, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 29. September 2015, GZ.: SJF, betreffend Leistungen nach dem Oö. SHG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 2015,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.       1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 29. September 2015, SJF, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin (in der Folge: Bf) auf Übernahme der nichtgedeckten Verpflegungskosten im A R, ab Heimeintritt mit 2.7.2015, unter Bezugnahme auf §§ 1, 7, 8, 9, 23, 24 und 48 Oö. SHG iVm §§ 13 und 45 AVG zurückgewiesen.

 

Die belangte Behörde begründet ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass gemäß § 24 Abs. 2 Oö. SHG die hilfesuchende Person (bzw. ihr gesetzlicher Vertreter) verpflichtet ist, an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mitzuwirken. Da aus den von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen für die Behörde nicht erkennbar ist, ob § 9 Oö. SHG bzw. § 48 SHG zur Anwendung kommt, waren die geforderten Kontoauszüge der letzten sechs Monate zur Prüfung des Sachverhaltes unerlässlich. Die Mitwirkungspflicht und die damit verbundene Pflicht zur Beibringung aller erforderlichen Unterlagen ist gesetzlich festgelegt und dient dem wirtschaftlichen Wohl des Landes. Erst bei Vorlage der Kontoauszüge der letzten sechs Monate ist für die Behörde einschätzbar bzw. in Folge prüfbar, ob Vermögen vorhanden sein könnte bzw. verschenkt wurde. Da die geforderten Unterlagen nicht vorgelegt wurden, war spruchgemäß zu entscheiden.

 

2.           Dagegen richtet sich die rechtzeitig im Wege der rechtsfreundlichen Vertretung erhobene Beschwerde, in der die Bf zusammengefasst vorbringt, dass sie zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen volle Aufklärung gegeben habe. Ohne Grund habe die belangte Behörde verlangt, sie möge über ihr Girokonto für volle sechs Monate, nämlich für den Zeitraum von Beginn des 1.1.2015 bis zum Ablauf des 30.6.2015 und auch zukünftig über sämtliche Zu- und Abflüsse auf und von diesem Konto eine Offenlegung durchführen. Dem sei entgegenzuhalten, dass das Girokonto der Antragstellerin nach den österreichischen gesetzlichen Bestimmungen einerseits durch das Bankgeheimnis vor dem Zugriff Dritter geschützt ist und andererseits die Offenlegung der Dispositionen der Antragstellerin über ihr eigenes Geld einen unzulässigen Eingriff in das verfassungsgesetzlich geschützte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens darstellt. Bis zuletzt habe niemand plausibel gemacht, welche rechtlichen Gründe dem Begehren der belangten Behörde zugrunde liegen, diese Offenlegung zu verlangen. Der belangten Behörde wurde eine Bestätigung der Bank vorgelegt, die über die Kontostände per 1.1.2015 und per 30.6.2015 Auskunft gibt. Daraus ist erkennbar, dass keine außergewöhnlichen Vermögenstransfers im relevanten Zeitraum stattfanden, was auch gar nicht der Fall sein könnte, da die Antragstellerin über ihr Vermögen schon von mehr als fünf Jahren verfügt hat und dies gegenüber der Behörde auch offenlegte. Ein überschießendes Verlangen, welches über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgeht und keine Rechtsgrundlage hat, ist daher unzulässig.

 

Beantragt wird die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht sowie die Gewährung der Übernahme der nicht gedeckten Verpflegungskosten im A R ab Heimeintritt per 2. Juli 2015, hilfsweise beim Absehen von der Zurückweisung und eine meritorische Erledigung des Antrages vom 7. Juli 2015.

 

3.           Mit Schreiben vom 3. November 2015 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsakt dem Oö. Landesver­waltungsgericht vor, das gemäß § 2 VwGVG zur Entscheidung durch seine nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin berufen ist.

 

4.           Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Aktenein­sicht und Anberaumung und Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 2015, an der der Rechtsvertreter der Bf teilnahm.

 

5.           Das Oö. Landesverwaltungsgericht  hat rechtlich erwogen:

 

5.1.      Zunächst ist auszuführen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf Grund der Zurückweisung des Antrages durch die belangte Behörde „Sache“ des Beschwerdeverfahrens nur die Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung ist (vgl. VwGH vom 29. April 2010, 2008/21/0302). Im Beschluss vom 17. Dezember 2014, Ra 2014/03/0049, führt der Verwaltungs­gerichtshof dazu zu den Verfahrensbestimmungen vor den Verwaltungsgerichten aus, dass „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem VwG – ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfungsumfangs – jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat, ist. Wenngleich § 66 Abs. 4 AVG einerseits und § 28 Abs. 2 und Abs. 3 VwGVG andererseits unter jeweils verschiedenen Tatbestandsvoraussetzungen eine Pflicht für Entscheidung „in der Sache selbst“ normiert, ist das Verständnis dessen, was unter „Sache des Verfahrens“ zu verstehen ist, unverändert geblieben. Hat die Behörde einen Antrag zurückgewiesen, dann ist „Sache“ sowohl eines Berufungsverfahrens vor einem administrativen Instanzenzug übergeordneten Berufungsbehörde als auch eines Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ausschließlich die „Rechtmäßigkeit der Zurückweisung“ (vgl. VwGH vom 18. Dezember 2014, Ra 2014/07/0002).

 

5.2.      Gemäß § 7 Abs. 1 OÖ Sozialhilfegesetz 1998 – Oö. SHG 1998, LGBl. Nr. 82/1998 i.d.g.F. liegt eine soziale Notlage bei Personen vor, die sich in einer besonderen sozialen Lage befinden und sozialer Hilfe bedürfen.

 

Gemäß § 24 Abs. 2 Oö. SHG ist die hilfesuchende Person (ihr gesetzlicher Vertreter) verpflichtet, an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mitzuwirken. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht sind die zur Durchführung des Verfahrens unerlässlichen Angaben zu machen und die dafür erforderlichen Urkunden oder Unterlagen beizubringen. Weiters hat sich die hilfesuchende Person den für die Entscheidungsfindung unerlässlichen Untersuchungen zu unterziehen.

 

Gemäß § 24 Abs. 3 Oö. SHG kann die Behörde der Entscheidung über den Leistungsanspruch den Sachverhalt, soweit er festgestellt wurde, zu Grunde legen, wenn eine hilfesuchende Person (ihr gesetzlicher Vertreter) ihrer Mitwirkungspflicht ohne triftigen Grund nicht nachkommt. Voraussetzung dafür ist, dass die hilfesuchende Person oder ihr Vertreter nachweislich auf die Folgen einer unterlassenen Mitwirkung hingewiesen worden ist.

 

Gemäß § 23 Oö. SHG finden auf das behördliche Verfahren die Vorschriften des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) Anwendung, soweit in diesem Landesgesetz nicht anders normiert wird.

 

Gemäß § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

 

5.3.      Die belangte Behörde hat den gegenständlichen Antrag der Bf vom
7. Juli 2015 auf Übernahme der nicht gedeckten Verpflegungskosten mit Heimeintritt in das A R mit der Begründung zurückgewiesen, dass die zur vollständigen Vermögensprüfung verlangten Kontoauszüge der letzten sechs Monate nicht vorgelegt wurden. Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass es sich bei dem geforderten Nachweis über die Kontobewegungen am Girokonto der Bf nicht um einen (einer Verbesserung gemäß § 13 Abs. 3 AVG zugänglichen) Mangel des von der Bf gestellten Antrages auf Übernahme der nicht gedeckten Verpflegungskosten im A R handelt, sondern eine sonstige Unzu­länglichkeit vorliegt, die nicht die Vollständigkeit des Antrages, sondern dessen Erfolgsaussichten betrifft (vgl. VwGH vom 22. Oktober 2013, 2012/10/0213, vom 29. April 2010, 2008/21/0302, vom 23. Februar 2011, 2008/11/0033).

 

Voraussetzungen für die Gewährung von Sozialhilfe nach dem Oö. SHG 1998 ist gemäß dessen § 7 das Vorliegen einer „sozialen Notlage“. Eine solche liegt gemäß Abs. 1 Z 1 dieser Bestimmungen bei Personen vor, die ihren Lebens­unterhalt nicht decken können. Welche Unterlagen zum Nachweis dieser Voraussetzungen vorzulegen sind, wird im Gesetz nicht konkret geregelt. § 24 Abs. 2 Oö. SHG 1998 verpflichtet die hilfesuchende Person lediglich dazu, an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mitzuwirken und im Rahmen dieser Mitwirkungspflicht die zur Durchführung des Verfahrens unerlässlichen Angaben zu machen und die „dafür erforderlichen Urkunden oder Unterlagen“ beizubringen. Die Folgen der Verletzung dieser Mitwirkungspflicht ohne triftigen Grund sind in § 24 Abs. 3 leg.cit. ausdrücklich geregelt. Demnach kann die Behörde der Entscheidung über den Leistungsanspruch den Sachverhalt, soweit er festgestellt wurde, zu Grunde legen, wenn die hilfesuchende Person oder ihr Vertreter nachweislich auf diese Folgen einer unterlassenen Mitwirkung hingewiesen worden ist. Aus § 26 Abs. 3 leg.cit. ergibt sich, dass über den zu Grunde liegenden Antrag auch dann inhaltlich zu entscheiden ist, wenn der Antragsteller seiner Mitwirkungspflicht erst im Berufungsverfahren nachkommt. Aus dem maßgeblichen Materiengesetz ergibt sich somit eindeutig, dass es sich bei der Vorlage von Kontobewegungen nicht um eine Voraussetzung für einen vollständigen Sozialhilfeantrag, sondern um eine Erfolgsvoraussetzung handelt, bei deren Fehlen der Antrag – mangels Nachweis einer sozialen Notlage – abzuweisen ist.

 

Im Hinblick auf die oben dargestellte „Sache“ des Beschwerdeverfahrens war daher der gegenständliche Zurückweisungsbescheid zu beheben und hat die belangte Behörde eine inhaltliche Entscheidung über den von der Bf gestellten Antrag auf Übernahme der nicht gedeckten Verpflegungskosten im A R zu treffen.

 

 

II.         Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.


 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Drin. Andrea Panny