LVwG-650541/5/Kof/CG
Linz, 18.01.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Josef Kofler über die Beschwerde des Herrn F T, vertreten durch W Rechtsanwälte GmbH, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 16. November 2015
GZ: VerkR30-SD-423BB-2015, betreffend
1. Wiederaufnahme eines Zulassungsverfahrens und
2. Abweisung des Antrages auf Zulassung eines Kraftfahrzeuges
und Zuweisung eines Kennzeichens
nach der am 12. Jänner 2016 durchgeführten mündlichen Verhandlung,
zu Recht e r k a n n t :
I./1.
Punkt 1. des behördlichen Bescheides (Wiederaufnahme des Zulassungs- verfahrens) ist – mangels Anfechtung – in Rechtskraft erwachsen.
I./2.
Betreffend Punkt 2. des behördlichen Bescheides (Abweisung eines Antrages auf Zulassung eines Kraftfahrzeuges und Zuweisung eines Kennzeichens) wird der Beschwerde stattgegeben und der behördliche Bescheid aufgehoben sowie festgestellt,
dass der für das gegenständliche Fahrzeug ausgestellte Zulassungsschein, Kennzeichen x nach wie vor rechtsgültig ist.
II.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs.4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Am 09. Mai 2014 wurde auf den nunmehrigen Beschwerdeführer (Bf) das Fahrzeug Land Rover (Range Rover) – welches der Bf kurz zuvor in Neapel (Italien) von einer Privatperson gekauft hat – mit dem Kennzeichen SD-.....
zum Verkehr zugelassen.
Gemäß dem behördlichen Verfahrensakt, insbesondere dem darin enthaltenen Polizeibericht wurde dieses Fahrzeug höchstwahrscheinlich am 07. Juli 2013 in Neapel gestohlen.
Die belangte Behörde hat daher mit dem in der Präambel zitierten Bescheid
1. das Verfahren betreffend die Zulassung des gegenständlichen PKW Marke Land Rover/Handelsbezeichnung Range Rover wieder aufgenommen und
2. den Antrag auf Zulassung dieses Kraftfahrzeuges und Zuweisung eines Kennzeichens abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid hat der Bf innerhalb offener Frist eine begründete Beschwerde erhoben und im Wesentlichen vorgebracht, er sei nach wie vor rechtmäßiger Besitzer dieses Fahrzeuges.
Hierüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richter (Art. 135 Abs.1 1.Satz B-VG) erwogen:
Am 12. Jänner 2016 wurde beim LVwG Oö. eine öffentliche mündliche Verhandlung (mVh) durchgeführt, an welcher der Bf sowie dessen Rechtsvertreter teilgenommen und folgende Stellungnahme abgegeben haben:
Punkt 1. des behördlichen Bescheides
– Wiederaufnahme des Zulassungsverfahrens – wurde in der Beschwerde nicht bekämpft und ist dadurch in Rechtskraft erwachsen.
Bekämpft wurde nur Punkt 2. des behördlichen Bescheides – die Abweisung eines Antrages auf Zulassung des verfahrensgegenständlichen Kraftfahrzeuges.
Der/Die angebliche Bestohlene hat bis heute gegen den Bf keine Klage auf Herausgabe des verfahrensgegenständlichen Fahrzeuges (Land Rover) eingebracht.
Der Bf ist daher nach wie vor rechtmäßiger Besitzer dieses Fahrzeuges.
Gemäß den Verfahrensakten wurde dieses Fahrzeug angeblich am 07. Juli 2013 in San Paolo Bel Sito (Neapel) gestohlen. Die Diebstahlsanzeige ist jedoch erst am 02. Juli 2014 – also fast genau ein Jahr nach dem angeblichen Diebstahl – erstattet worden. Rein aus Gründen der Vorsicht und aus diesen Überlegungen wird bestritten, dass dieses Fahrzeug tatsächlich gestohlen wurde.
Es wird jedoch eingeräumt, dass die Fahrgestellnummer beim verfahrens-gegenständlichen Fahrzeug gefälscht wurde, von richtig: x auf gefälscht: x
Betreffend den Kauf dieses verfahrensgegenständlichen Fahrzeuges im Raum Neapel ist auszuführen:
Dieser Kauf war während der gesamten Abwicklung (16. April 2014) völlig unbedenklich. Sowohl der Bf, als auch dessen Bruder hatten keinen wie immer gearteten Anlass, bei diesem Kauf misstrauisch zu sein.
Der Ablauf dieses Kaufs schildert sich wie folgt:
(Schilderung des Bf persönlich – Anmerkung des Verhandlungsleiters)
Ich bin im Internet auf dieses Fahrzeug gestoßen.
Ich habe zuvor bereits in Österreich zwei derartige Fahrzeuge besichtigt,
mich jedoch nicht zum Kauf entschlossen.
Auf die im Internet angegebene E-Mail-Adresse habe ich mich dann gemeldet.
Der spätere Verkäufer hat sich dann bereits per E-Mail und
anschließend per Telefon bei mir gemeldet.
Der Anrufer hat mir erklärt, er verkaufe das Fahrzeug für seinen Freund.
Dieser habe sich scheiden lassen und müsse seiner nunmehrigen Exfrau entsprechende Gelder bezahlen.
Ich fragte den Anrufer, wo das Auto stehe. Er gab zur Antwort: in Rom.
Ein mir bekannter Autohändler hat mir über mein Befragen geschildert, auf welche Art und Weise ein Fahrzeug von Italien nach Österreich überstellt werden könne. Dies wäre mit einem italienischen Überstellungskennzeichen möglich.
Ich habe mich auch beim ÖAMTC erkundigt, wie ein derartiger Kauf einschließlich der Überstellung nach Österreich abzuwickeln ist.
Ich habe anschließend den Anrufer nochmals kontaktiert und ihn ersucht, er möge ein italienisches Überstellungskennzeichen besorgen, damit ich das Fahrzeug
von Italien nach Österreich verbringen könne.
Dies wurde von ihm zugesagt.
Anschließend flogen mein Bruder und ich nach Rom.
Am Flughafen trafen wir den entsprechenden Herren. Wir fuhren mit diesem Herren sowie einem ihn begleitenden Herren mit dem Zug nach Neapel.
Dort fuhren wir mit einem PKW vom Bahnhof in Neapel aus der Stadt raus, genau genommen ca. an den Stadtrand. Die Entfernung geschätzt ca. 4 – 5 km. Wir kamen zu einem Restaurant, der Restaurant-Besitzer war offenkundig auch Besitzer des von mir zu kaufenden Fahrzeuges.
Das Fahrzeug ist auch dort gestanden, genau wie es im Internet dargestellt war.
Mein Bruder und ich haben dann dieses Fahrzeug besichtigt und auch mit den Fahrzeugdaten gegenübergestellt. Die in der Windschutzscheibe angebrachte
vin numero stimmte mit den uns übergebenen Papieren überein.
Das Fahrzeug selbst hat einen sehr guten Eindruck hinterlassen,
genau wie auf den Fotos im Internet dargestellt.
Wir wurden vom Restaurant-Besitzer (= auch Fahrzeugbesitzer) zum Essen eingeladen. Anschließend haben wir die Abschlussverhandlungen betreffend den Kaufvertrag durchgeführt und wurden uns einig.
Uns wurde der bereits vorgefertigte Kaufvertrag vorgelegt.
Sowohl der Besitzer als auch ich selbst haben anschließend diesen Kaufvertrag unterschrieben. Er hat mir auch eine Kopie seines Ausweises übergeben.
Ich habe auch den Ausweis bzw. die davon angefertigte Kopie kontrolliert und mit den anderen Dokumenten auf deren Übereinstimmung kontrolliert.
Es gab auch da keinen wie immer gearteten Anlass, misstrauisch zu sein.
Der Kauf war abgeschlossen, ich habe dem Verkäufer das Bargeld übergeben (26.500 Euro). Er gab mir die Autoschlüssel.
Anschließend fuhren mein Bruder und ich mit diesem PKW nach Hause.
Nachdem ich nach Österreich zurückgekehrt war, meldete ich mich zuerst beim Generalimporteur.
Dieser verwies mich auf einen Land Rover-Händler in Österreich.
Vom Land Rover-Händler Fa. S. in G. wurden mir anschließend die erforderlichen Papiere ausgestellt. Dieser hat die Freigabe vom Generalimporteur erhalten.
Danach bezahlte ich beim Finanzamt die NOVA (ca. 3.000 Euro).
Nach der Bezahlung der NOVA wurde das Fahrzeug „freigeschaltet“ und ich habe es am darauffolgenden Tag bei der Versicherung zum Verkehr angemeldet.
Ich wäre gar nie auf die Idee gekommen, dass es sich bei dem von mir gekauften Fahrzeug um ein vom Verkäufer oder seinen Mittelsmännern „gestohlenes Fahrzeug“ handeln könnte.
Da jedoch auch mein Bruder G. T. und Frau E. B. ebenfalls von diesem Herrn ein Fahrzeug gekauft haben und dabei festgestellt wurde, dass es sich offenkundig um gestohlene Fahrzeuge handelte, habe auch ich Bedenken bekommen.
Mein Bruder wurde – betreffend seinen Autokauf, nicht jedoch betreffend meinen Autokauf – von der Polizei einvernommen.
Bei dieser Gelegenheit ersuchte ich den meinen Bruder einvernehmenden Polizei-beamten auch betreffend mein Fahrzeug zu überprüfen, ob alles in Ordnung sei.
Die Unstimmigkeiten mit der Fahrgestellnummer wurden erst einige Monate nach der Zeugeneinvernahme meines Bruders durch Beamte des Landeskriminalamtes Oberösterreich festgestellt.
Der gesamte Fahrzeugkauf hat mich ca. 30.000 bis 31.000 Euro (Kaufpreis: 26.500 Euro + NOVA: 3.000 Euro + Kosten für Flug und Heimfahrt) gekostet.
In Österreich hätte ich für ein gleiches Fahrzeug ca. 35.000 bis 36.000 Euro bezahlt.
Die Ersparnis beträgt daher geschätzt eine Größenordnung
von ca. 4.000 bis 5.000 Euro.
Das von mir in Neapel gekaufte Fahrzeug hat fast exakt meinen Vorstellungen entsprochen (Automatik, Farbe usw.).
Ein derartiges Fahrzeug habe ich in Österreich – zum damaligen Zeitpunkt – nicht „entdecken“ können.
Schlussäußerung des Rechtsvertreters des Bf:
Ich verweise auf meine bisherigen Schriftsätze und auf das Ergebnis der heutigen mündlichen Verhandlung.
Der Bf hat den verfahrensgegenständlichen PKW gutgläubig erworben.
Bis zum heutigen Tag hat weder der/die Bestohlene noch eine allfällige Versicherung, welche einen Diebstahl versichert haben könnte, eine Klage auf Herausgabe dieses PKW eingebracht.
Beantragt wird daher, der Beschwerde stattzugeben und den behördlichen Bescheid – Punkt 2. aufzuheben.“
Anmerkung: Der Name des Bf wurde durch die Wendung „Bf“ ersetzt.
Punkt 1. des behördlichen Bescheides (Wiederaufnahme
des Zulassungsverfahrens) ist – mangels Anfechtung – in Rechtskraft erwachsen.
Zu Punkt 2. des behördlichen Bescheides –
Abweisung des Antrages auf Zulassung des verfahrensgegenständlichen Fahrzeuges einschl. Ausstellung eines Zulassungsscheines:
Entscheidungswesentlich ist im vorliegenden Fall einzig und allein, ob hinsichtlich dieses PKW der Bf redlicher Besitzer iSd ABGB bzw. rechtmäßiger Besitzer iSd
§ 37 Abs.2 KFG ist.
Unstrittig steht fest, dass der Bf den verfahrensgegenständlichen PKW von einer Privatperson und somit nicht iSd § 367 Abs.1 ABGB
· in einer öffentlichen Versteigerung
· von einem Unternehmer im gewöhnlichen Betrieb seines Unternehmens oder
· von jemandem, dem sie der vorige Eigentümer anvertraut hatte
erworben hat. –
Es liegt daher ein „gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten“ vor.
Der Bf hat bei der mVh einen glaubwürdigen und seriösen Eindruck hinterlassen und hat der erkennende Richter keinen Anlass, an dessen Angaben zu zweifeln.
Die Redlichkeit des Erwerbers (= im gegenständlichen Fall: des Bf) ist im Zweifel zu vermuten. Dass der Erwerber nicht im guten Glauben gehandelt hat, müsste der die Herausgabe der Sache begehrende Kläger beweisen;
OGH vom 07.07.1992, 4 Ob 536/92 ua. = RS 0062464.
Beisatz: Die Unredlichkeit wird im Zweifel nicht vermutet.
Dem behördlichen Verfahrensakt ist zu entnehmen, dass die Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis die Sicherstellung des verfahrensgegenständlichen Fahrzeuges angeordnet hat (mündlich angeordnet am 28. Mai 2014).
Das Landesgericht Ried im Innkreis hat jedoch mit Beschluss vom 18.11.2014, 11HR 242/14f verfügt, dass dem Bf dieses Fahrzeug wieder auszufolgen ist.
vgl. dazu auch OGH vom 21.08.2003, 15 Os 97/03 ua. = RS0118018.
Aufgrund dieser Verfügung des Landesgerichtes Ried im Innkreis sowie dem Ergebnis der mVh steht für das LVwG Oö. fest, dass der Bf redlicher Besitzer
des verfahrensgegenständlichen Fahrzeuges ist.
Gemäß § 367 ABGB wäre zwar eine Eigentumsklage gegen den Bf möglich –
z.B. von jener Person, welcher dieses Fahrzeug gestohlen wurde oder allenfalls von einer Diebstahlsversicherung.
Eine derartige Klage wurde jedoch – aufgrund der glaubwürdigen Vorbringen
des Bf in der mVh – bis heute nicht erhoben.
Gemäß § 338 ABGB ist der Bf solange redlicher Besitzer dieses Fahrzeuges, bis er „durch richterlichen Ausspruch zur Zurückstellung der Sache verurteilt wird“.
Ein derartiger „richterlicher Ausspruch“ existiert nicht – somit ist der Bf hinsichtlich dieses Fahrzeuges (auch) nach heutiger Sach- und Rechtslage
· der redliche Besitzer iSd ABGB bzw.
· der rechtmäßige Besitzer iSd § 37 Abs.2 KFG.
Betreffend Punkt 2. des behördlichen Bescheides war daher der Beschwerde stattzugeben, der behördliche Bescheid aufzuheben und
festzustellen, dass der auf den Bf für das verfahrensgegenständliche Fahrzeug ausgestellte Zulassungsschein nach wie vor rechtsgültig ist.
II. Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.
Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag
der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) und/oder einer außerordentlichen Revision
beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH).
Eine Beschwerde an den VfGH ist unmittelbar bei diesem einzubringen,
eine Revision an den VwGH beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich.
Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision
müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Josef Kofler
Beachte:
Das angefochtene Erkenntnis wurde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
VwGH vom 30. Juni 2016, Ra 2016/11/0044-5