LVwG-780046/19/MZ

Linz, 18.01.2016

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde des A F, geb x, vertreten durch H N Rechtsanwälte GmbH, L, wegen der Ausübung von unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe der Polizeiinspektion Pregarten am 13.9.2015 in Form des:

             Ausspruches einer auf § 38a SPG gestützten Wegweisung und eines Betretungsverbotes betreffend die Adresse F 13, W,

nach Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 28 Abs 1 und 6 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Akt verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt.

 

II.       Der Kostenersatzantrag der belangten Behörde wird abgewiesen. Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmannschaft Freistadt) hat dem Beschwerdeführer gemäß § 35 Abs 1 und 6 VwGVG iVm § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl II Nr 517/2013, die Kosten in Höhe von 1.659,60 Euro (Schriftsatzaufwand und Verhandlungsaufwand) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

III.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

 

1. Mit Schriftsatz vom 27.10.2015 erhob der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) Maßnahmenbeschwerde wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 13.9.2015 in Form des:

·         Ausspruches einer auf § 38a SPG gestützten Wegweisung und eines Betretungsverbotes betreffend die Adresse F 13, W,

durch dem Bezirkshauptmann des Bezirks Freistadt (in der Folge: belangte Behörde) zurechenbare Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes.

 

Die Beschwerde begründet sich wie folgt:

„1.      Beschwerdegegenstand

 

Gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch die Organe Grlnsp Ho und GrInsp Ha, zurechenbar jeweils dem Bezirkshauptmann von Freistadt als belangter Behörde, durch Ausspruch einer auf § 38a SPG gestützten Wegweisung und eines Betretungsverbotes am 13.09.2015 gemäß S 3 oben des beiliegenden Berichts der LPD , PI Pregarten, Beilage ./1, in F 13, "F" (richtig: W), erhebt der Beschwerdeführer gemäß Art 130 Abs 1 Z2 und Art 132 Abs 2 B-VG binnen offener Frist nachstehende

 

BESCHWERDE

 

an das Oö. Landesverwaltungsgericht:

 

2.      Sachverhalt

 

2.1       Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Republik Senegal und seit 06.09.2011 mit K F verheiratet. Der Ehe mit K F entstammt eine Tochter, K S, geboren am x.x.2013. Seit Juli 2013 lebt der Beschwerdeführer mit seiner Ehefrau und der gemeinsamen Tochter in F 13, W. Derzeit ist ein Ehescheidungsverfahren beim BG Freistadt zu 1 C 47/15y anhängig.

 

2.2       Am Abend des 13.09.2015 beabsichtigte der Beschwerdeführer zusammen mit seiner Tochter spazieren zu gehen. Als der Beschwerdeführer mit seiner Tochter im Arm die Wohnung verließ und auf die Straße ging um den geplanten Spaziergang anzutreten, hielt ihn seine Ehefrau unerwarteter und unverständlicher Weise auf. In weiterer Folge kam es - da die Ehefrau des Beschwerdeführers den Spaziergang offenkundig verhindern wollte - zu einer Diskussion.

 

Im Zuge dieser Diskussion redete sich die Ehefrau zunehmend in Rage; offenkundig konnte sie nicht nachvollziehen, dass der Beschwerdeführer trotz des Scheidungsverfahrens seine Tochter sehen will. Als der Beschwerdeführer von dieser Position nicht abrückte, ersuchte die Ehefrau des Beschwerdeführers einen Nachbarn, Herrn D S, um "Hilfe". Herr S wohnte anschließend der fortdauernden Diskussion der beiden Eheleute auf der Straße bei. Nach einiger Zeit kehrte der Beschwerdeführer - um eine Eskalation der Situation zu vermeiden - freiwillig mit seiner Tochter (und seiner Ehefrau) in die Wohnung zurück. Nachdem die Diskussion dort fortdauerte, muss Herr S die Polizei verständigt haben. Festzuhalten ist, dass es zu keiner Zeit zu wie auch immer gearteten Übergriffen oder gar körperlicher Gewalt des Beschwerdeführers gegen seine Frau oder seine Tochter kam.

 

Beweis:        PV.

 

2.3       Als die belangten Organe an der Wohnadresse des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau ankamen, fanden sie einen auf Grund der Vorgänge noch angespannten Beschwerdeführer vor, die Angespanntheit ließ aber bald nach.

 

Beweis:        PV.

 

2.4       Im Bericht der PI Pregarten vom 13.09.2015 wurde in der Dokumentation zum Beschwerdeführer festgehalten, dass dessen psychischer und emotionaler Zustand bei Eintreffen der Exekutivbeamten aufgebracht gewesen sei. Zum Verhalten gegenüber den einschreitenden Beamten wurde notiert, dass der Beschwerdeführer aufgebacht gewesen sei und Zeit geschindet habe, sich aber nach längerer Zeit

beruhigt habe.

 

Hinweise auf gefährliche Drohungen, Nötigungen oder andere strafbare Handlungen gab es freilich keine. Auch gab es keine Hinweise auf Waffen, Drohungen mit Waffen oder die Anwendung von Waffen. Sonstige Auffälligkeiten - wie Alkohol-, Drogen-, Medikamentenmissbrauch oder Selbstmorddrohungen - gab es ebenfalls keine.

 

Laut Angaben der gefährdeten Person habe der Beschwerdeführer ihr das gemeinsame Kind aus der Hand gerissen, um mit ihm spazieren zu gehen und ihr dabei eine Stoß gegeben. Danach sei der Beschwerdeführer mit dem Kind auf die Straße gegangen und habe nicht gesagt, wohin er gehen wollte. Der Beschwerdeführer solle sich anschließend aggressiv verhalten, herumgeschrien und auf die Handtasche der gefährdeten Person auf dem Tisch geschlagen haben. Verletzt worden sei die gefährdete Person aber nicht.

 

Der Beschwerdeführer hat demgegenüber behauptet, seine Noch-Ehegattin wollte verhindern, dass er mit der gemeinsamen Tochter spazieren geht. Als er trotzdem mit der Tochter hinausgegangen ist, sei sie ihm nachgelaufen und habe geschrien. Der Beschwerdeführer habe sie aber nicht gestoßen.

 

Der Nachbar (Herr D S) gab an, dass der Beschwerdeführer mit dem Kind im Arm aus der Wohnung gekommen und seine Frau ihm nachgelaufen sei und sie um das Kind gestritten hätten. Nachdem der Nachbar zusammen mit dem Ehepaar mit in die Wohnung gegangen ist, sollen die Eheleute weiter gestritten haben und der Beschwerdeführer sehr aufgebracht gewesen sein. Um die Frau zu schützen habe der Nachbar die Polizei gerufen.

 

2.5 Schließlich sprachen die belangten Organe eine Wegweisung und ein Betretungsverbot hinsichtlich der ehelichen Wohnung gegen den Beschwerdeführer beginnend am 13.09.2015 um 18:00 Uhr aus, welche von der Bezirkshauptmannschaft Freistadt gemäß § 38a Abs 6 SPG nicht aufgehoben wurde.

 

3.      Zulässigkeit der Beschwerde

 

3.1       Nach herrschender Auffassung handelt es sich bei einer Wegweisung zum Schutz vor Gewalt gemäß § 38a SPG um die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (vgl Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz2, S 346. "Die Verhängung eines Rückkehrverbotes ist so wie die Wegweisung ein Akt unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt“).

 

Ob auch das Betretungsverbot selbst einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt darstellt, ist nach Helm unter Verweis auf Hauer/Keplinger zu bejahen. Praktisch hat die Frage aber ohnehin keine Bedeutung, "weil sie nicht über das "ob" der Anfechtbarkeit, sondern nur darüber entscheidet, ob die Beschwerdemöglichkeit nach § 88 Abs 1 oder nach § 88 Abs 2 SPG eröffnet ist“ (Helm in Eisenberger/Ennöckl/Helm, Die Maßnahmenbeschwerde1 S 191f).

 

Da somit in concreto ein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorliegt, ist gegenständlich eine Beschwerde nach Art 130 Abs 1 Z2 und Art 132 Abs 2 B-VG bzw das einzubringende Rechtsmittel zulässig.

 

3.2       Die sachliche Zuständigkeit des Oö. Landesverwaltungsgerichts ergibt sich aus § 88 SPG, wonach die Landesverwaltungsgerichte über Beschwerden von Menschen erkennen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein (Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG). Die örtliche Zuständigkeit des Oö. Landesverwaltungsgerichts ergibt sich aus § 3 Abs 2 Z 2 VwGVG, wonach sich die örtliche Zuständigkeit in den Fällen des Art 130 Abs 1 Z2 B-VG nach dem Ort, an dem die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt begonnen wurde, richtet. Die gegenständlich angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt begann in der gemeinsamen Ehewohnung in O, F 13, W. Das angerufene Verwaltungsgericht ist somit sachlich und örtlich zuständig.

 

3.3       Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG sechs Wochen. Sie beginnt in den Fällen des Art 132 Abs 2 B-VG mit dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat. Kenntnis erlangte der Beschwerdeführer im Zuge der Ausübung der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt am 13.09.2015. Die vorliegende Beschwerde ergeht sohin binnen offener Frist.

 

3.4       Die Beschwerdelegitimation ergibt sich klar aus dem Umstand, dass Adressat der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt der Beschwerdeführer ist.

 

3.5       Zusammengefasst liegt damit eine zulässige und rechtzeitige Beschwerde gemäß Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG vor.

 

4.      Beschwerdegründe

 

4.1 Die Voraussetzungen für die Erlassung einer Wegweisung und eines Betretungsverbotes gemäß § 38a Abs 1 SPG lagen selbst nach den Ausführungen der belangten Organe in Beilage ./1 nicht vor, sodass die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt zufolge mehrfacher Grundrechtsverletzungen rechtswidrig war. Ebenso wurde durch die Entscheidung der belangten Behörde, das Betretungsverbot gemäß § 38a Abs 6 SPG nicht aufzuheben, der Beschwerdeführer in seinen verfassungsmäßig gewährleisteten Rechten verletzt. Dazu im Einzelnen:

 

4.2     § 38a Abs 1 Z 1 SPG normiert:

 

"Ist auf Grund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen eines vorangegangenen gefährlichen Angriffs, anzunehmen, es stehe ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit bevor, so sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einen Menschen, von dem die Gefahr ausgeht (Gefährder), das Betreten [...] einer Wohnung, in der ein Gefährdeter wohnt, und deren unmittelbarer Umgebung [...] zu untersagen"

 

Voraussetzung für eine Wegweisung und ein Betretungsverbot ist somit die begründete Annahme, es stehe ein - vom Adressaten des Verbotes oder der Wegweisung ausgehender - gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit eines in der betreffenden Wohnung lebenden Menschen bevor. Diese Gefährlichkeitsprognose muss sich auf "bestimmte Tatsachen" gründen. Als solche "bestimmten Tatsachen" kommen in erster Linie Angaben der gefährdeten Person in Betracht; idR betreffen diese Angaben einen "vorangegangenen gefährlichen Angriff', also die für die Einschaltung der Behörden aktuell maßgebliche Gewalttat (Helm in Eisenberger/Ennöckl/Helm, Die Maßnahmenbeschwerde1 S 192).

 

Auf welche bestimmten Tatsachen sich die Wegweisung und das Betretungsverbot gemäß Beilage ./1 stützt, ist in diesem Lichte nicht nachvollziehbar.

 

Laut Angaben der gefährdeten Person habe der Beschwerdeführer sie geschubst, wodurch sie aber nicht verletzt worden sei. Nähere Angaben, wann sich der behauptete Vorfall ereignet haben soll und wo im Bereich der Wohnung bzw außerhalb der Wohnung der Vorfall gewesen sein soll, sind dem Bericht nicht zu entnehmen.

 

Für die Prognoseentscheidung bzw zur Überprüfung, welche bestimmten Tatsachen vorliegen, um einen Grundrechtseingriff nach § 38a Abs 1 SPG zu rechtfertigen, ist jedoch ein Mindestmaß an konkreten Ermittlungen erforderlich. Dies entspricht auch der Richtlinienverordnung (BGBl Nr 266/1993), wonach die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes bei Fällen der Ausübung von verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dafür zu sorgen haben, dass die für ihr Einschreiten maßgeblichen Umstände später nachvollzogen werden können.

 

Die von den belangten Organen festgehaltenen Äußerungen des Opfers sind nicht nach Zeit und Ort konkretisiert und stellen daher keinerlei geeignete Grundlage dar, bestimmte Tatsachen hinsichtlich einer Prognoseentscheidung festzustellen. Offensichtlich genügte den belangten Organen lediglich die Aussage der Ehegattin Angst zu haben, ohne die Angaben hinsichtlich eines Mindestmaßes an Konkretisierung zu hinterfragen.

 

Keinesfalls vermögen aber bloße, nicht näher spezifizierte Angstgefühle oder -zustände für sich eine Prognose zu begründen (Helm in Eisenberger/Ennöckl/Helm, Die Maßnahmenbeschwerde1 S 192). Auch kann allein aufgrund der Tatsache, dass ein Scheidungsverfahrens anhängig ist (wie in Beilage ./1 als Merkmal für einen bevorstehenden gefährlichen Angriff festgehalten), keine Gefährlichkeitsprognose abgegeben werden. Für sich genommen ist ein laufendes Scheidungsverfahren nämlich kein Grund zur Wegweisung, läuft doch die weit überwiegende Zahl der Scheidungsverfahren ohne Gewalttaten von Seiten eines Ehegatten ab. Ebenso sind etwa lautstarke Auseinandersetzungen zwischen Ehegatten keineswegs unüblich und vermögen daher ohne weitere ergänzende Tatsachen keine Gefährdungsprognose zu begründen (Helm in Eisenberger/Ennöckl/Helm, Die Maßnahmenbeschwerde1 S 193f).

 

Entscheidend ist stets, dass daraus gesamthaft betrachtet die Prognose ableitbar ist, dass ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit einer gefährdeten Person bevorstehe; auf Grund des sich den einschreitenden Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bietenden Gesamtbildes muss mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein, dass ein gefährlicher Angriff im genannten Sinn durch den Wegzuweisenden bevorstehe. Drohende "bloße" Belästigungen unter der Schwelle eines gefährlichen Angriffs reichen daher nicht aus (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0003).

 

Damit erweist sich die Wegweisung und das Betretungsverbot als rechtswidriger Eingriff in das verfassungsmäßig gewährleistete Recht gern Art 8 EMRK und auch als Verletzung des Eigentumsrechtes. Der rechtswidrige Eingriff nach Art 8 EMRK wiegt umso schwerer, weil ein Einsatz mit einem Streifenwagen mit Blaulicht in den Abendstunden durchgeführt wurde und das zweijährige Kind miterleben musste, wie sein Vater unter Polizeiassistenz die Wohnung verlassen musste. Dass dies bei einem Kind im Alter von zwei Jahren traumatisierende Schäden bewirken kann, bedarf wohl keiner weiteren Erörterung.

 

Von einschreitenden Beamten wäre wohl zu erwarten, dass sie anlässlich der Behauptung eines tätlichen Angriffs Zeit, Ort, etc feststellen. Aus dem Bericht geht auch hervor, dass der Beschwerdeführer laut Behauptungen seiner Ehegattin auf ihre Tasche geschlagen hätte. Auch diesbezüglich haben die einschreitenden Beamten keinerlei nähere Nachfragen getätigt oder eventuelle Spuren gesichert, um die Objektivität und Glaubwürdigkeit der Aussage überprüfen zu können.

 

4.3 Als Indikatoren für die Wahrscheinlichkeit eines gefährlichen Angriffes kommen nach dem BMI zudem vor allem das Verhalten des Betroffenen am Einsatzort, vorangegangene einschlägige Vorfälle, Vorstrafen, Verletzungen und Spuren am Einsatzort in Betracht (vgl Erlass des BMI vom 02.05.1997, ZI 64.000/140-11/20/97).

 

Im der gegenständlichen Beschwerde zugrundliegenden Fall mag sich der Beschwerdeführer - angesichts der geführten Diskussion und der für ihn unverständlichen Polizeipräsenz - zwar zunächst angespannt verhalten haben, hat sich danach - wie in Beilage ./1 auch dokumentiert ist - mit nachlassender Anspannung aber beruhigt. Dem Geschehen vom 13.09.2015 (auch dieses rechtfertigt für sich keine Vorgangsweise nach § 38a SPG!) sind keine einschlägigen Vorfälle vorangegangen und hat der Beschwerdeführer auch keine Vorstrafen. Zu keiner Zeit fügte der Beschwerdeführer seiner Frau oder Tochter jemals Gewalt oder gar Verletzungen an der körperlichen Integrität zu. Auch fanden sich am Einsatzort keine Spuren einer vorangegangenen gewalttätigen Auseinandersetzung. Sämtliche Indikatoren sprechen somit gegen die Wahrscheinlichkeit eines gefährlichen Angriffes.

 

Bei einer Gesamtbetrachtung der Umstände kann somit nicht erkannt werden, aufgrund welcher Tatsachen das Bevorstehen eines gefährlichen Angriffs auf Leben, Gesundheit oder Freiheit einer gefährdeten Person erwartet wurde. Ein gefährlicher Angriff im Sinne des SPG lag bis dato jedenfalls nicht vor, auch Gewalttätigkeiten unterhalb der Schwelle eines gefährlichen Angriffs sind nicht bekannt. Das als "aufgebracht" beschriebene Verhalten des Beschwerdeführers bei Erscheinen der Beamten in der Wohnung gab ebenfalls keinen Hinweis auf einen bevorstehenden gefährlichen Angriff gegen eines der in § 38a SPG genannten Rechtsgüter.

 

Beim gegenständlichen Geschehensablauf fehlt es somit - selbst nach den Ausführungen in Beilage ./1 - an jeglichem Hinweis auf eine Bedrohung von Leben, Gesundheit oder Freiheit und liegt eine Grundrechtsverletzung des Beschwerdeführers vor.

 

Die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt ist der belangten Behörde zuzurechnen. Unabhängig davon hat auch diese die vorgenannten Grundrechtsverletzungen zu verantworten, weil sie verpflichtet gewesen wäre, gemäß § 38a Abs 6 SPG das Vorliegen der Voraussetzungen zu überprüfen. Eine solche Überprüfung hat nicht stattgefunden. Anlässlich der gesetzlich vorgeschriebenen Überprüfung hätte nämlich der belangten Behörde auffallen müssen, dass sich die Prognoseentscheidung bzw die vom Gesetz geforderten „bestimmten Tatsachen" auf substanzlose Behauptungen der Ehegattin beziehen, die einer näheren Überprüfung nicht zugänglich sind.

 

Zusammenfassend stellt sich daher das Verhalten der belangten Organe als auch jenes der belangten Behörde (sie ging nicht mit Aufhebung gemäß § 38a Abs 6 SPG vor!) als grundrechtswidriger Eingriff in verfassungsmäßig gewährleistete Rechte des Beschwerdeführers dar, insbesondere des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie der Wohnung (Art 8 EMRK) und des Rechts auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art 5 StGG).

 

5.      Beschwerdeanträge

 

Es werden sohin gestellt die

 

ANTRÄGE:

 

Das zuständige Verwaltungsgericht wolle nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß § 28 Abs 6 VwGVG für rechtswidrig erklären sowie dem Rechtsträger der belangten Behörde gemäß § 35 VwGVG den Ersatz der dem Beschwerdeführer entstandenen Verfahrenskosten im gesetzlichen Ausmaß binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution auftragen.“

2. Mit Schreiben vom 3.11.2015 forderte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die belangte Behörde zur Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift auf. Die belangte Behörde beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde und begründet dies wie folgt:

 

„Die belangte Behörde erstattet nachstehende

G E G E N S C H R I F T

Und legt den Verwaltungsakt Sich01-164-2015 samt Aktenverzeichnis mit der Mitteilung vor, dass keine Akten oder Aktenteile von der Akteneinsicht auszuschließen sind.

 

I. Sachverhalt:

Am 13.9.2015, 18:00 Uhr wurde gegen den Beschwerdeführer eine Wegweisung und Betretungsverbot ausgesprochen. Grundlage hiefür war das unmittelbare Verhalten des Beschwerdeführers gegenüber seiner Gattin vor Einlangen der Exekutivbeamten am 13.9.2015.

Auf Grund des sich den Exekutivbeamten dargestellten Sachverhaltes war mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit eines in der betreffenden Wohnung lebenden Menschen bevorstand. Die Gefährlichkeitsprognose bezog sich auf die Tatsache, dass Hr. F seiner Gattin offenbar das gemeinsame Kind aus der Hand entriss, seiner Gattin einen Stoß versetzte und mit der Hand auf die Handtasche auf den Tisch schlug. Auch während der Anwesenheit der Exekutivbeamten beruhigte sich der Beschwerdeführer vorerst nicht und schrie lautstark mit allen Anwesenden. Dieses Gesamtverhalten hat für die einschreitenden Exekutivbeamten die Prognose erhärtet dass ein gefährlicher Angriff bevor stand.

 

II. Rechtliche Erwägungen:

Hinsichtlich des Vorhaltes, dass das Einschreiten der Exekutivbeamten ein Eingriff nach Art 8 EMRK wäre und umso schwerer wog, weil der Einsatz mit einem Streifenwagen mit Blaulicht in den Abendstunden durchgeführt wurde und das zweijährige Kind miterleben musste wie sein Vater unter Polizeiassistenz die Wohnung verlassen musste wird festgehalten, dass es den Exekutivbeamten normalerweise nicht möglich ist, den sich bietenden Sachverhalt vorherzusehen. Gerade zum Schutz minderjähriger Kinder ist ein rasches Eintreffen beim Tatort notwendig, was jedenfalls den Einsatz des Blaulichtes rechtfertigt und gerade die Anwesenheit eines schutzbedürftigen Kindes bei einem aggressiven Verhalten einer Person zieht ein erhöhtes Augenmerk hinsichtlich der Beurteilung möglicher Gefährdungen und wahrscheinlicher gefährlicher Angriffe nach sich.

 

Wenn der Beschwerdeführer anführt, dass auf Grund des sich den einschreitenden Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bietenden Gesamtbildes mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein muss, dass ein gefährlicher Angriff durch den Wegzuweisenden bevorsteht und drohende „bloße“ Belästigungen nicht ausreichen würden, wird entgegengehalten, dass im gegenständlichen Fall gerade mit einiger Wahrscheinlichkeit für die einschreitenden Organe zu erwarten sein musste, dass ein gefährlicher Angriff bevorstand. Von „bloßen Belästigungen“ kann keine Rede sein. Gerade die Anwesenheit des Kindes stellte an die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zusätzlich eine erhöhte Verpflichtung dar, wahrscheinlich bevorstehende Gefährdungen zu verhindern. Dabei geht es nicht vordergründig um die Beurteilung einzelner aus einem Trennungs- oder Scheidungsverfahren resultierender Schuldzuweisungen, sondern um eine kurzfristig zu treffende Entscheidung über ein mögliches Gefährdungspotential auf Grund des sich bietenden Gesamtbildes. Der Umstand, dass ein an sich nicht beteiligter Nachbar die Polizei zum Schutz von K F verständigt hat und offensichtlich ein Streit um das gemeinsame Kind (sogar außerhalb des Hauses für andere Personen wahrnehmbar) stattgefunden hat, bei dem der Beschwerdeführer neben dem Kind in aggressiver Weise herumschreit und auf die Handtasche der gefährdeten Person auf dem Tisch geschlagen hat, spricht dafür, dass sich das Gesamtbild als durchaus ernst für Frau F dargestellt hat und das „Aufgebrachtsein“ des Beschwerdeführers einen gefährlichen Angriff als wahrscheinlich erscheinen lassen. Den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes blieb somit gar keine andere Wahl als von einem wahrscheinlichen gefährlichen Angriff auszugehen und Wegweisung und Betretungsverbot auszusprechen.

 

Hinsichtlich des Vorhaltes an die belangte Behörde, dass eine Überprüfung gem. § 38 a Abs 6 SPG nicht stattgefunden hätte wird festgehalten, dass diese Überprüfung am 14.9.2015 durch die Behörde stattgefunden hat und mittels Aktenvermerk auch dokumentiert wurde.

 

Der Beschwerdeführer führt als Indikatoren für die Wahrscheinlichkeit eines gefährlichen Angriffes vorangegangene einschlägige Vorfälle und Verletzungen an. Gerade diese liegen im gegenständlichen Fall vor. Der Behörde war bei der Überprüfung der Wegweisung gem. § 38 a Abs 6 SPG sehr wohl ein Vorfall vom 25.1.2015 bekannt, wo K F angezeigt hat, dass sie von Ihrem Gatten leicht gekratzt wurde. Eine Wegweisung und ein Betretungsverbot wurden zum damaligen Zeitpunkt von den erhebenden Exekutivbeamten nicht ausgesprochen, jedoch bei Überschreitung der Grenzen des Beschwerdeführers gegebenenfalls in Aussicht gestellt.

Die Richtigkeit der Prognoseentscheidung der Exekutivbeamten für den Ausspruch der Wegweisung und das Betretungsverbot am 13.9.2015 wurde auf Grund dieses der Behörde bekannten Vorfalles erhärtet und stellt sich daher die Prognoseentscheidung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes als völlig rechtskonform dar.

 

Ein grundrechtswidriger Eingriff in verfassungsmäßig gewährleistete Rechte des

Beschwerdeführers liegt somit in keiner Weise vor.

 

III. Anträge:

Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt als belangte Behörde stellt die

 

Anträge:

 

Das Verwaltungsgericht des Landes . möge

1. die Maßnahmenbeschwerde abweisen.

2. dem Beschwerdeführer auftragen, den dem Rechtsträger der belangten Behörde

entstandenen Aufwand gemäß der VwG-Aufwandersatzverordnung im gesetzlichem

Ausmaß binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu erstatten.“

 

II.

 

II.

 

1. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den vorgelegten Akt, die eingebrachten Schriftsätze und die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung unter Ladung der handelnden Organe und weiterer Zeugen.

 

2. Aufgrund der aufgenommenen Beweise ist nachfolgender Sachverhalt festzustellen:

 

Der Bf stammt aus der Republik Senegal und ist (derzeit noch) mit Frau K F verheiratet [Anm: im Verhandlungszeitpunkt existiert ein nicht rechtskräftiges Scheidungsurteil]. Der Ehe entstammt eine am x.x.2013 geborene Tochter.

 

Am 13.9.2015 kehrten Frau F und die Tochter von einer mehrtägigen Urlaubsreise nach Hause. Frau F fand ihren Gatten beim Hantieren mit einer gepackten Reisetasche vor. Der Bf begrüßte seine Tochter und übergab ihr (verfrüht) ein Geschenk für den x Tage später heranstehenden Geburtstag, woraus Frau F schloss, der Bf werde für einige Tage verreisen. Im Anschluss begab sich der Bf mit seiner Tochter zum Spielen in den Garten.

 

Bei der Wiederkehr in die Wohnung entwickelte sich ein Streit. Der Aussage des Bf zufolge entschloss er sich zur Abkühlung der Gemüter, einen abendlichen Spaziergang zu machen. Da sie um den ausreichenden Schlaf ihrer Tochter fürchtete, beharrte Frau F in Folge darauf, dass diese den Bf nicht begleiten solle. Der Streit entflammte daraufhin neu; laut Aussage von Frau F begann der Bf zu schreien, versperrte ihr den Ausgang aus einem Raum, und versetzte ihr, als sie bei ihm vorbeigehen wollte, einen Stoß, der sie gegen den Heizkörper warf und in Folge einen Stoß, welcher sie gegen den Tisch warf. Daraufhin – so Frau F – habe ihr Mann mit der flachen Hand auf den Tisch geschlagen und die darauf befindlichen Gegenstände zu Boden geworfen. Frau F sei daraufhin aus der Wohnung auf die Straße geflüchtet, wobei Herr F sie schimpfend und schreiend verfolgt habe. Frau F habe daraufhin versucht, dem Bf die in seinem Arm befindliche Tochter abzunehmen. Dieser habe sich geweigert und mitgeteilt, dass er mit seiner Tochter unternehmen könne was er wolle und er mit ihr hingehen könne wohin er wolle.

 

Der lautstark geführte Streit erregte schließlich die Aufmerksamkeit zweier Nachbarn, darunter jene des Zeugen Herrn S.

 

Herr S versuchte, beruhigend auf den Bf einzuwirken und forderte diesen auf, die Tochter an Frau F zu übergeben, was dieser jedoch verneinte. Herr S teilte dem Bf in Folge mit, dass er, wenn er sich nicht beruhige, die Polizei rufen werde. Der Bf erwiderte, dass er sich vor der Polizei nicht fürchte und diese ohne weiteres gerufen werden könne. In weiterer Folge erfolgte durch den ebenfalls herbeigeeilten Herrn P der Anruf.

 

Laut Aussage von Frau F gelang es ihr daraufhin, gemeinsam mit Herrn S, den Bf dazu zu überreden, wieder zurück in die Wohnung zu kommen. In der Wohnung habe der Bf unkontrolliert zu schreien begonnen, einen Weinkrampf bekommen und seine Augen hätten sich unnatürlich nach oben verdreht. Der Bf habe durchgehend „Meine Tochter, meine Tochter!“ geschrien und offensichtlich Angst davor gehabt, dass ihm die Gattin die gemeinsame Tochter wegnehmen wolle. Nach einiger Zeit habe sich der Bf beruhigt und Frau F die Tochter übergeben. Frau F habe sich daraufhin mit der Tochter auf die Terrasse begeben, um sie dort zu beruhigen, während der Bf gemeinsam mit Herrn S auf das Eintreffen der Polizei gewartet habe. Beim Eintreffen der Polizeibeamten sei einer zu Frau F auf die Terrasse gekommen, der andere Beamte habe im Wohnzimmer ein Gespräch mit dem Bf und Herrn S geführt. Frau F habe dem sie befragenden Beamten den soeben geschilderten Sachverhalt mitgeteilt und auch angemerkt, dass die Polizei in einer ähnlichen Angelegenheit schon einmal im Haus gewesen sei. In Folge sei von der Polizei die Wegweisung erfolgt und das Betretungsverbot ausgesprochen worden. Der Bf wies darauf hin, dass er nicht wisse, wohin er solle, und lieh sich in Folge von seiner Gattin 20,- EUR, um ein Zugticket kaufen zu können.

 

Auf Nachfrage des Verhandlungsleiters hinsichtlich von Vorfällen im Zeitraum vor dem 13.9.2015 gab Frau F an, mit dem Bf immer wieder lautstark gestritten zu haben. Ihr Mann habe sie zwar des Öfteren bespuckt, sie jedoch nie geschlagen. Einmal habe ihr der Bf einen Stoß auf den Rücken versetzt, einmal habe er sie am Kragen gepackt und einmal habe er sie gezwungen etwas vom Boden aufzuheben, indem er ihre Hand geführt habe. Zu diesen Zeitpunkten hätte sie Angst vor dem Bf gehabt.

 

Der Zeuge GI Ho sagte in der öffentlichen mündlichen Verhandlung aus, beim Betreten der Wohnung des Bf habe eine aggressive Stimmung vorgeherrscht. In weiterer Folge sei Frau F befragt worden, ob sie verletzt worden sei. Wer mit Frau F gesprochen habe, könne er nicht mehr sagen. Auch der Bf sei – von wem auch immer – befragt worden. In Folge sei ihm und dem Kollegen mitgeteilt worden, dass der Bf das Kind habe an sich nehmen und weglaufen wollen bzw dass dieser mit Kind das Haus bereits verlassen gehabt hat. Eine genaue Erinnerung an den weiteren Ablauf habe er nicht mehr. Der Bf sei während seiner  Anwesenheit aufgebracht gewesen; Anzeichen für Handgreiflichkeiten oder Drohungen habe es keine gegeben. Aufgrund der aggressiven Stimmung und der im Raum stehenden „Entführung“ des Kindes hätten er und sein Kollege sich veranlasst gesehen, eine Wegweisung und ein Betretungsverbot auszusprechen.

Auf Nachfrage des Vertreters der belangten Behörde gab der Zeuge an sich zu erinnern, dass Frau F mitgeteilt habe, der Bf habe vor unserem Eintreffen auf eine am Tisch liegende Tasche geschlagen. Ob Frau F von ihr versetzten Stößen berichtet habe, entziehe sich seiner Erinnerung. Auf Nachfrage des rechtsfreundlichen Vertreters des Beschwerdeführers gab der Bf an, konkrete Anzeichen dafür, dass der Bf das Kind „entführen“ habe wollen, nicht erkannt zu haben.

 

Der Zeuge Ha gab zu Protokoll, dass er sich an Details der Amtshandlung nicht mehr erinnere. Er wisse auch nicht mehr, ob er oder sein Kollege mit den Beteiligten welche Gespräche geführt hat. Der Bf sei jedenfalls emotional sehr aufgebracht gewesen, habe laut geschrien, gestikuliert und sich schreiend den übrigen Beteiligten genähert, was der Zeuge als bedrohlich empfunden habe. Frau F habe mitgeteilt, dass ihr Gatte bereits mit der gemeinsamen Tochter das Haus verlassen hatte und versucht habe, sich mit ihr zu entfernen. Da der Bf auch während seiner Anwesenheit immer wieder versucht habe zu seinem Kind zu gelangen, entstand der Verdacht, dass er eventuell versuchen könnte, mit dem Kind „das Weite zu suchen“. In Folge seien die Wegweisung und das Betretungsverbot aufgrund der im Raum stehenden „Entführung“ verhängt worden. Allfällige im Raum stehende Handgreiflichkeiten wären nicht ausschlaggebend gewesen.

 

Dem vom Zeugen Ho erstellten Bericht über die Amtshandlung, GZ: E1/4639/2015-Ho, ist zu entnehmen, dass sich der Bf gegenüber den einschreitenden Beamten „vorerst aufgebracht, zeitschindend“ verhalten, sich nach längerer Zeit aber beruhigt habe. Unter der Überschrift „Angaben des Gefährders“ steht im Bericht: „Ich wollte spazieren gehen mit der Tochter …, K wollte das verhindern, ich bin trotzdem mit der Tochter hinausgegangen, sie lief mir nach und schrie, ich habe sie aber nicht gestoßen.“

Unter der Überschrift „Angaben der gefährdeten Person“ ist zu lesen: „Mein Mann hat mir unser Kind aus der Hand gerissen, um mit ihr spazieren zu gehen. Dabei gab er mir einen Stoß. Er ging dann auf die Straße mit dem Kind und sagte nicht, wohin er gehen will. Ich lief ihm nach und ersuchte einen Nachbarn um Hilfe. Er verhielt sich dann sehr aggressiv, schrie herum und schlug auf meine Handtasche auf dem Tisch. Verletzt wurde ich nicht. Ich habe aber Angst vor ihm, ich traue ihm in seiner Rage alles zu“.

Unter der Überschrift „Angaben von Zeugen“ steht: „D S (Nachbar) gab an, A F sei mit dem Kind am Arm aus dem Haus gekommen, seine Frau kam nach und sie stritten um das Kind. Anschließend ging er mit ihnen wieder in die Wohnung, dort stritten die Eheleute, wobei A sehr aufgebracht war. Um die Frau zu schützen, verständigte er die Polizei.“

Auf Seite 3 des vom Zeugen Ho verfassten Berichtes werden als „Merkmale für einen bevorstehenden gefährlichen Angriff“ die „bevorstehende Scheidung, längere Streitigkeiten“ sowie eine „beantragte einstweilige Verfügung“ genannt. Als „Merkmale für eine erhöhte Gefährlichkeit des Gefährders“ finden sich „[a]ktuelle Stessoren (wie Arbeitslosigkeit, Scheidung, Trennung von Kindern/PartnerIn …)“.

 

III.

 

1.1. Gemäß Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit.

 

Nach Art 132 Abs 2 B-VG kann gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch sie in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

 

Gemäß § 9 Abs 1 VwGVG hat die Beschwerde zu enthalten:

  1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder der angefochtenen Weisung,
  2. die Bezeichnung der belangten Behörde,
  3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,
  4. das Begehren und
  5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.

 

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

 

Gemäß § 28 Abs 6 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben.

 

1.2. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl 1991/566 in der Fassung BGBl I 2014/97 (SPG), lauten auszugsweise:

 

"Allgemeine Gefahr; gefährlicher Angriff; Gefahrenerforschung

§ 16. (1) …

(2) Ein gefährlicher Angriff ist die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand

1. nach dem Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974, ausgenommen die Tatbestände nach den §§ 278, 278a und 278b StGB, oder

2. nach dem Verbotsgesetz, StGBl. Nr. 13/1945, oder

3. nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, oder

4. nach dem Suchtmittelgesetz (SMG), BGBl. I Nr. 112/1997, handelt, es sei denn um den Erwerb oder Besitz eines Suchtmittels zum eigenen Gebrauch.

(3) Ein gefährlicher Angriff ist auch ein Verhalten, das darauf abzielt und geeignet ist, eine solche Bedrohung (Abs. 2) vorzubereiten, sofern dieses Verhalten in engem zeitlichen Zusammenhang mit der angestrebten Tatbestandsverwirklichung gesetzt wird.

(4) …

 

Wegweisung und Betretungsverbot bei Gewalt in Wohnungen

§ 38a. (1) Ist auf Grund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen eines vorangegangenen gefährlichen Angriffs, anzunehmen, es stehe ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit bevor, so sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einen Menschen, von dem die Gefahr ausgeht, aus einer Wohnung, in der ein Gefährdeter wohnt, und deren unmittelbarer Umgebung wegzuweisen. Sie haben ihm zur Kenntnis zu bringen, auf welchen räumlichen Bereich sich die Wegweisung bezieht; dieser Bereich ist nach Maßgabe der Erfordernisse eines wirkungsvollen vorbeugenden Schutzes zu bestimmen.

(2) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einem Menschen das Betreten eines nach Abs. 1 festzulegenden Bereiches zu untersagen; die Ausübung von Zwangsgewalt zur Durchsetzung dieses Betretungsverbotes ist jedoch unzulässig. Bei einem Verbot, in die eigene Wohnung zurückzukehren, ist besonders darauf Bedacht zu nehmen, daß dieser Eingriff in das Privatleben des Betroffenen die Verhältnismäßigkeit (§ 29) wahrt. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, dem Betroffenen alle in seiner Gewahrsame befindlichen Schlüssel zur Wohnung abzunehmen; sie sind verpflichtet, ihm Gelegenheit zu geben, dringend benötigte Gegenstände des persönlichen Bedarfs mitzunehmen und sich darüber zu informieren, welche Möglichkeiten er hat, unterzukommen. Sofern sich die Notwendigkeit ergibt, daß der Betroffene die Wohnung, deren Betreten ihm untersagt ist, aufsucht, darf er dies nur in Gegenwart eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes tun.

(3) …

(4) …

(5) …

(6) Die Anordnung eines Betretungsverbotes ist der Sicherheitsbehörde unverzüglich bekanntzugeben und von dieser binnen 48 Stunden zu überprüfen. Hiezu kann die Sicherheitsbehörde alle Einrichtungen und Stellen beiziehen, die zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes beitragen können. Die Bezirksverwaltungsbehörde als Sicherheitsbehörde kann überdies die im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Ärzte heranziehen. Stellt die Sicherheitsbehörde fest, daß die Voraussetzungen für die Anordnung des Betretungsverbotes nicht bestehen, so hat sie dieses dem Betroffenen gegenüber unverzüglich aufzuheben; der Gefährdete ist unverzüglich darüber zu informieren, daß das Betretungsverbot aufgehoben werde; die Aufhebung des Betretungsverbotes sowie die Information des Gefährdeten haben nach Möglichkeit mündlich oder telefonisch durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder schriftlich durch persönliche Übergabe zu erfolgen. Die nach Abs. 2 abgenommenen Schlüssel sind mit Aufhebung des Betretungsverbotes dem Betroffenen auszufolgen, im Falle eines Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach §§ 382b und 382e EO bei Gericht zu erlegen.

(7) Die Einhaltung eines Betretungsverbotes ist zumindest einmal während der ersten drei Tage seiner Geltung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu überprüfen. Das Betretungsverbot endet zwei Wochen nach seiner Anordnung; es endet im Falle eines binnen dieser Frist eingebrachten Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach §§ 382b und 382e EO mit der Zustellung der Entscheidung des Gerichts an den Antragsgegner, spätestens jedoch vier Wochen nach Anordnung des Betretungsverbotes. Von der Einbringung eines Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach §§ 382b und 382e EO hat das Gericht die Sicherheitsbehörde unverzüglich in Kenntnis zu setzen."

 

2. Eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt nach der höchstgerichtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen und hierbei physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht (vgl VwGH 29.6.2000, 96/01/0596 mwN). Entscheidend ist dabei, dass es sich um einen Hoheitsakt einer Verwaltungsbehörde handelt, mit dem in die Rechte von natürlichen oder juristischen Personen eingegriffen wird, ohne dass es zu einer Bescheiderlassung kommt (vgl Köhler in Korinek/Holoubek [Hrsg], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 129a f B-VG Rz 45). Nach der Judikatur des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofs muss es sich bei einer mit Beschwerde bekämpfbaren Maßnahme um die Anwendung physischen Zwangs oder die Erteilung eines Befehls mit unverzüglichem Befolgungsanspruch handeln (vgl VfSlg 11.935/1988; VwGH 28.5.1997, 96/13/0032; 16.4.1999, 96/02/0590). Das bedeutet, dass dem Betroffenen bei Nichtbefolgung des Befehls unmittelbar, dh unverzüglich und ohne weiteres Verfahren, eine physische Sanktion droht (vgl VfSlg 10.662/1985). Liegt ein Befolgungsanspruch aus einer solchen, dem Befehlsadressaten bei Nichtbefolgung des Befehls unverzüglich drohenden physischen Sanktion (objektiv) nicht vor, so kommt es darauf an, ob bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist (vgl VwGH 28.10.2003, 2001/11/0162M; 29.9.2009, 2008/18/0687).

 

Im ggst Fall steht außer Frage, dass es sich sowohl bei einer Wegweisung zum Schutz vor Gewalt als auch bei einem Betretungsverbot gemäß § 38a SPG um die Erteilung eines hoheitlichen Befehls mit unverzüglichem, sanktionsbewehrtem Befolgungsanspruch an eine natürliche Person, und damit um die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt handelt (dies implizierend etwa VwGH 24.10.2013, 2011/01/0158), was im Übrigen von keiner der Parteien bestritten wird. Die Beschwerde ist daher zulässig.

 

3.1. § 38a Abs 1 SPG ermächtigt Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur (formfreien) Wegweisung gefährlicher Menschen aus einer Wohnung, in der eine gefährdete Person wohnt. Unter den gleichen Voraussetzungen, unter denen eine Wegweisung nach Abs 1 leg cit zulässig ist, ermächtigt § 38a Abs 2 SPG Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur Verhängung eines (befristeten) Betretungsverbotes.

 

Wegweisung und Betretungsverbot sind gleichermaßen an die Voraussetzung geknüpft, dass auf Grund bestimmter Tatsachen (Vorfälle) anzunehmen ist, ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit einer gefährdeten Person stehe bevor. Ein gefährlicher Angriff ist nach § 16 Abs 2 SPG die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand ua nach dem Strafgesetzbuch handelt. Die Folge, dass wegen eines vorangegangenen gefährlichen Angriffs ein gefährlicher Angriff bevorsteht, wird vom Gesetz aber nicht vermutet, sondern ist vom einschreitenden Organ zu beurteilen. Welche Tatsachen als solche im Sinne des § 38a SPG in Frage kommen, sagt das Gesetz nicht (ausdrücklich). Diese Tatsachen müssen (auf Grund bekannter Vorfälle) die Annahme rechtfertigen, dass plausibel und nachvollziehbar bestimmte künftige Verhaltensweisen zu erwarten sein werden. Auf Grund des sich den einschreitenden Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bietenden Gesamtbildes muss mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein, dass ein gefährlicher Angriff im genannten Sinn durch den Wegzuweisenden bevorsteht. Bei dieser Prognose ist vom Wissensstand des Beamten im Zeitpunkt des Einschreitens auszugehen (vgl VwGH 31.5.2012, 2012/01/0018 mwN) und zunächst zu fragen, ob er vertretbar annehmen konnte, dass ein gefährlicher Angriff erfolgt ist und ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit bevorsteht (vgl VwGH 21.12.2000, 2000/01/0003).

 

3.2. Vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich wird festgehalten, dass es für die juristische Beurteilung der verfahrensgegenständlichen Beschwerde unterbleiben kann, festzustellen, was, insoweit sich die Aussagen insb des Bf und dessen Gattin widersprechen, tatsächlich am 13.9.2015 vorgefallen ist.

 

Zulaufen auf eine Person mit angedeuteten Aggressionsabsichten (s Aussage GI Ha), die Beschränkung der Bewegungsfreiheit in Verbindung mit heftigem Anschreien, das Versetzen von Stößen, aggressive Handlungen wie das Schlagen auf eine Tasche (s Aussage Frau F) usw können als der körperlichen Gewaltanwendung unmittelbar vorgelagerte Verhaltensweisen angesehen werden, die im Falle ihrer Häufung durchaus eine Gefährdungsprognose im Sinne des § 38a SPG zu rechtfertigen vermögen. Legt man den in der öffentlichen mündlichen Verhandlung (überwiegend) von Frau F nicht unglaubwürdig geschilderten Sachverhalt bei der Abwägung, ob eine Wegweisung und ein Betretungsverbot gerechtfertigt sind, zugrunde, scheint es prima vista vor diesem Hintergrund nicht rechtswidrig, den Bf als dermaßen gefährdend anzusehen, dass eine Maßnahme iSd § 38a SPG zum Schutz der Gefährdeten notwendig ist.

 

Mit Blick auf den verfahrensrelevanten Kenntnisstand der Polizeibeamten im Zeitpunkt der Amtshandlung bzw auf die von den Beamten in der öffentlichen mündlichen Verhandlung geschilderten Beweggründe für die Setzung der Maßnahme gelangt man jedoch zum gegenteiligen Ergebnis. In diesem Zusammenhang ist vorweg festzuhalten, dass die Einvernahme der Beamten nur äußerst unbefriedigende Ergebnisse lieferte, da diese bei der Mehrheit der Fragen angaben, sich nicht oder zumindest nicht mehr im Detail erinnern zu können. Es wird vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nicht verkannt, dass Polizeibeamte eine Vielzahl von Amtshandlungen durchführen und seit dem 13.9.2015 ca vier Monate vergangen sind. Wenn allerdings, wie von § 38a SPG gefordert, eine Amtshandlung nur bei einer besonderen Gefährdungssituation vorgenommen werden darf, sollte davon ausgegangen werden, dass diese Besonderheiten auch (zumindest im Wesentlichen) in Erinnerung bleiben.

 

Der Zeuge GI Ho sagte in der öffentlichen mündlichen Verhandlung aus, beim Betreten der Wohnung des Bf habe eine aggressive Stimmung vorgeherrscht. Eine Konkretisierung derselben war ihm jedoch nicht möglich. Der Bf sei während seiner Anwesenheit aufgebracht gewesen; Anzeichen für Handgreiflichkeiten oder Drohungen habe es keine gegeben. In Folge sei ihm und dem Kollegen mitgeteilt worden, dass der Bf das Kind habe an sich nehmen und weglaufen wollen bzw dass dieser mit Kind das Haus bereits verlassen gehabt hat. Aufgrund der aggressiven Stimmung und der im Raum stehenden „Entführung“ des Kindes hätten er und sein Kollege sich veranlasst gesehen, eine Wegweisung und ein Betretungsverbot auszusprechen. Konkrete Anzeichen dafür, dass der Bf das Kind „entführen“ habe wollen, habe er nicht erkannt.

 

Der Zeuge Ha gab zu Protokoll, der Bf sei emotional sehr aufgebracht gewesen, habe laut geschrien, gestikuliert und sich schreiend den übrigen Beteiligten genähert, was er als bedrohlich empfunden habe. Frau F habe mitgeteilt, dass ihr Gatte bereits mit der gemeinsamen Tochter das Haus verlassen hatte und versucht habe, sich mit ihr zu entfernen. Da der Bf auch während seiner Anwesenheit immer wieder versucht habe zu seinem Kind zu gelangen, entstand der Verdacht, dass er eventuell versuchen konnte, mit dem Kind „das Weite zu suchen“. In Folge seien die Wegweisung und das Betretungsverbot aufgrund der im Raum stehenden „Entführung“ verhängt worden. Allfällige im Raum stehende Handgreiflichkeiten wären nicht ausschlaggebend gewesen.

 

Hinsichtlich der Wegweisung und des Betretungsverbotes aufgrund der „aggressiven Stimmung“ ist festzuhalten, dass es GI Ho nicht gelungen ist, Umstände aufzuzeigen, welche geeignet wären, als bestimmte Tatsache, die auf einen gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit einer gefährdeten Person schließen lässt, angesehen zu werden. Dass der Bf während der polizeilichen Anwesenheit aufgebracht gewesen ist, vermag nicht zu verwundern. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass bei Streitigkeiten grundsätzlich eine „aggressive Stimmung vorgeherrscht“. Inwiefern in der konkreten Situation, in der es laut der Zeugenaussage keine Anzeichen für Handgreiflichkeiten oder Drohungen gegeben hat, zu erwarten war, dass der Bf in Folge eine Handlung setzen wird, die das Leben oder die Gesundheit einer der beteiligten Personen beeinträchtigen könnte, ist nicht erkennbar, zumal sich der Bf laut Protokoll über die Amtshandlung, GZ: E1/4639/2015-Ho, „nach längerer Zeit beruhigte“. Umso weniger lässt sich aus dem vom Zeugen angefertigten Protokoll, in welchem als Merkmal für einen bevorstehenden gefährlichen Angriff die „bevorstehende Scheidung, längere Streitigkeiten“ und eine „beantragte einstweilige Verfügung“ genannt werden, eine nachvollziehbare Erklärung für die gewählte Vorgehensweise entnehmen. Für GI Ha waren, seiner Aussage zufolge, im Raum stehende Handgreiflichkeiten oä ohnehin nicht für die ergriffene Maßnahme ausschlaggebend.

 

Aus Sicht beider Polizeibeamter maßgeblich für die hier verfahrensgegenständliche Maßnahme war eine potentielle „Entführung“ der gemeinsamen Tochter des Bf und dessen Gattin. Unzweifelhaft stellt eine im Raum stehende Entführung einen gefährlichen Angriff auf die Freiheit einer Person dar und würde eine Wegweisung bzw ein Betretungsverbot rechtfertigen, wenn bei konkretem Tatverdacht auch eine Festnahme und eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft die geeignetere Vorgehensweise sein dürfte. Im vorliegenden Fall stellt sich freilich schon die Frage, ob – ohne Kenntnis der Obsorgeverhältnisse – ein rechtlich problematisches Verhalten vorliegen kann, wenn ein Vater mit seiner Tochter gegen den Willen der Mutter das Haus verlässt.

 

Unabhängig von der Beantwortung dieser Frage sagte der Zeuge GI Ho zum Thema „Entführung“ aus, es sei ihm und dem Kollegen mitgeteilt worden, dass der Bf das Kind habe an sich nehmen und weglaufen wollen bzw dass dieser mit Kind das Haus bereits verlassen gehabt hat. Konkrete Anzeichen dafür, dass der Bf das Kind „entführen“ habe wollen, habe er jedoch nicht erkannt. Der Zeuge GI Ha gab zu Protokoll, Frau F habe mitgeteilt, dass ihr Gatte bereits mit der gemeinsamen Tochter das Haus verlassen hatte und versucht habe, sich mit ihr zu entfernen. Da der Bf auch während seiner Anwesenheit immer wieder versucht habe zu seinem Kind zu gelangen, entstand der Verdacht, dass er eventuell versuchen könnte, mit dem Kind „das Weite zu suchen“.

 

Zunächst fällt in diesem Zusammenhang auf, dass von einer „Entführung“ oä im Bericht über die Amtshandlung, GZ: E1/4639/2015-Ho, unter der Überschrift „Merkmale für einen bevorstehenden gefährlichen Angriff“ auch nicht sinngemäß die Rede ist. Vielmehr hat der Bf – auf der vorigen Seite des Berichtes – angegeben, er wollte mit der Tochter spazieren gehen. Gleich unter dieser Aussage findet sich jene der Gattin des Bf, wonach dieser ihr das Kind aus der Hand gerissen hatte, „um mit ihr spazieren zu gehen. … Er ging dann auf die Straße mit dem Kind und sagte nicht, wohin er gehen will.“ Der Zeuge S sagte dem Bericht zufolge lediglich aus, der Bf und die Gattin hätten um das Kind gestritten.

 

Auch wenn den beiden Polizeibeamten – was im Verfahren nicht festgestellt werden konnte – möglicherweise zunächst kommuniziert wurde, der Bf habe mit seiner Tochter „das Weite suchen“ wollen, hätten die Polizisten spätestens aufgrund der im vorigen Absatz zitierten Aussagen Zweifel fassen müssen. Sowohl der Aussage des Bf als auch jener der Gattin ist zu entnehmen, dass der Bf lediglich einen Spaziergang mit der Tochter unternehmen wollte. Hätten die Beamten aufgrund der Anmerkung der Frau des Bf, der Bf habe nicht gesagt, wohin er gehen wolle, einen wie auch immer gearteten Verdacht geschöpft, wäre unzweifelhaft eine weitere Nachfrage, was damit gemeint sei, vonnöten gewesen. Bei einer solchen hätten die Beamten festgestellt, dass die Gattin des Bf den Spaziergang mit der Tochter verhindern wollte, weil sie um den mangelnden Schlaf der Tochter gefürchtet hat, und nicht weil sie davon ausging, dass der Bf die Tochter „entführen“ wollte. Auch dass der, aufgrund der bei der Ankunft der Familie nach der Urlaubsreise vorgefundenen gepackten Reisetasche, offenbar seinerseits eine Reise planende Bf der Tochter vorab ihr Geburtstagsgeschenk überreichte, spricht gegen eine Entführungsannahme. Schließlich spricht auch die Tatsache, dass der Bf nach der Wegweisung nicht wusste, wohin er sich wenden solle und sich von seiner Frau einen sehr geringen Geldbetrag für ein Zugticket borgen musste, gegen eine derartige Annahme. All dies hätten die Beamten, da sich eine „Entführung“ aufgrund ihres Wissensstandes im Zeitpunkt der Amtshandlung keinesfalls aufdrängte, ohne großen Aufwand vor Ort ermitteln können.

 

Entgegen der Auffassung der beiden Polizeibeamten geht das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich daher nicht davon aus, dass die Polizisten aufgrund des erlangten und in weiterer Folge nicht vertieften Wissensstandes berechtigt waren, eine Wegweisung und ein Betretungsverbot auszusprechen.

 

4. Gemäß § 35 Abs 1 VwGVG hat die obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterliegende Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, ist der Bf die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei. Gemäß § 35 Abs 6 VwGVG sind des Weiteren die §§ 52-54 VwGG auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß § 35 Abs 1 VwGVG anzuwenden.

 

Gemäß § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung – VwG-AufwErsV wird die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art 130 Abs 1 Z 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes – B-VG, BGBl Nr 1/1930, und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art 130 Abs 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wie folgt festgesetzt:

1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei         737,60 Euro

2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei    922,00 Euro

3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei     57,40 Euro

4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei           368,80 Euro

5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei       461,00 Euro

6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand)            553,20 Euro

7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand)            276,60 Euro

 

Beim oben erlangten Verfahrensergebnis ist dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach den §§ 35 VwGVG iVm der VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl II 2013/517, ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 1.659,60 Euro (Schriftsatzaufwand und Verhandlungsaufwand aufzuerlegen.

 

 

IV.

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da die gegenständliche Entscheidung nicht von der zitierten einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Zudem handelt sich im Hinblick auf die Erwartbarkeit eines gefährlichen Angriffs durch den Bf lediglich um eine im konkreten Sachverhalt gelegene Einzelfallentscheidung, welche der Verallgemeinerung nicht zugänglich ist.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Markus Zeinhofer