LVwG-490028/3/HW/MD
Linz, 04.01.2016
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag.
Dr. Wiesinger über die Beschwerde der A K, X, L, vertreten durch Dr. F M, Rechtsanwalt, X, W, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 2. Dezember 2015, GZ: Pol96-116-4-2015, betreffend die Verhängung einer Zwangsstrafe (7 Tage Beugehaft),
I. zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 2. Dezember 2015, GZ: Pol96-116-4-2015, wird ersatzlos aufgehoben.
II. den Beschluss gefasst:
Der Antrag der Beschwerdeführerin, ihrer Beschwerde vom
11. Dezember 2015 die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
III. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1. Mit dem angefochtenen Bescheid verhängte die belangte Behörde unter Berufung auf § 5 VVG über die Bf eine Zwangsstrafe im Ausmaß von 7 Tagen Haft. Gleichzeitig wurde der Bf unter Setzung einer Frist bis 6. Dezember 2015 eine weitere Zwangsstrafe im Ausmaß von 14 Tagen Haft angedroht. Zur Begründung führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Bf mit Schreiben vom 10. September 2015 zur gänzlichen Schließung des Betriebs mit der Bezeichnung „W A“ in G, X, mit Wirkung ab 10. September 2015, 18.00 Uhr, aufgefordert worden sei. Da sie diese Verpflichtung bisher nicht erfüllt habe, werde die für den Fall der Nichterfüllung angedrohte Zwangsstrafe über sie verhängt.
I.2. Gegen diesen Bescheid erhob die Bf durch ihren Rechtsvertreter mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2015 Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit den Anträgen, das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung betreffend die Betriebsschließung auszusetzen, den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben und das Verfahren einzustellen, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen sowie der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
I.3. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2015, eingelangt am 22. Dezember 2015, legte die belangte Behörde dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsakt vor.
II.1. Vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich wird (ergänzend zu Punkt I.) folgender Sachverhalt als erwiesen angenommen:
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. September 2015,
GZ: Pol96-116-2015, wurde gegenüber der Bf unter Berufung auf § 56a GSpG die gänzliche Schließung des Betriebs mit der Bezeichnung „W A“ in
G, X, mit Wirkung ab 10. September 2015, 18.00 Uhr, angeordnet. Gleichzeitig wurde für den Fall der Wiederaufnahme des Betriebs entgegen der verfügten Betriebsschließung die Verhängung einer Zwangsstrafe in Höhe von € 8.000,-- angedroht. Gegen diesen Bescheid erhob die Bf durch ihren Rechtsvertreter mit Schriftsatz vom 28. September 2015 Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG-411112).
Mit Bescheid vom 21. September 2015, GZ: Pol96-116-1-2015, wurde von der belangten Behörde über die Bf eine Zwangsstrafe in Höhe von € 8.000,-- verhängt. Darüber hinaus wurde der Bf eine Frist bis 25. September 2015 gesetzt und eine weitere Geldstrafe in Höhe von € 12.000,-- angedroht. Gegen diesen Bescheid erhob die Bf durch ihren Rechtsvertreter mit Schriftsatz vom
16. Oktober 2015 Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG-490022).
Mit Bescheid vom 28. September 2015, GZ: Pol96-116-2-2015, wurde von der belangten Behörde über die Bf eine Zwangsstrafe in Höhe von € 12.000,-- verhängt. Darüber hinaus wurde der Bf eine Frist bis 2. Oktober 2015 gesetzt und eine weitere Geldstrafe in Höhe von € 16.000,-- angedroht. Gegen diesen Bescheid erhob die Bf durch ihren Rechtsvertreter mit Schriftsatz vom
23. Oktober 2015 Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG-490023).
Mit Bescheid vom 19. Oktober 2015, GZ: Pol96-116-3-2015, wurde von der belangten Behörde über die Bf eine Zwangsstrafe in Höhe von € 16.000,-- verhängt. Darüber hinaus wurde der Bf eine Frist bis 22. Oktober 2015 gesetzt und eine weitere Geldstrafe in Höhe von € 22.000,-- angedroht. Gegen diesen Bescheid erhob die Bf durch ihren Rechtsvertreter mit Schriftsatz vom
16. November 2015 Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG-490024).
Die mit dem angefochtenen Bescheid vom 2. Dezember 2015 verfügte Zwangsstrafe in Form einer 7-tägigen Haft wurde der Bf vor Erlassung des verfahrensgegenständlichen Bescheides nicht angedroht (AV vom 28.12.2015).
II.2. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus den im Akt befindlichen Unterlagen bzw. den Akten der beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zu LVwG-411112 sowie LVwG-490022 bis 490024 anhängigen Verfahren. Die Feststellungen zum Betriebsschließungsbescheid bzw. jenen drei Bescheiden, mit denen jeweils Geldstrafen als Zwangsmittel verhängt wurden, ergeben sich aus den diesbezüglichen Bescheiden. Dass die verfahrensgegenständliche Haftstrafe der Bf nicht angedroht wurde, folgt daraus, dass sich weder dem vorgelegten Behördenakt, noch den zitierten Akten der weiteren vier anhängigen Verfahren eine solche Androhung entnehmen lässt und es wurde dies zudem von der belangten Behörde gegenüber dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich bestätigt (siehe den AV vom
28. Dezember 2015).
III. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:
III.1. Rechtsvorschriften (in der jeweils maßgeblichen Fassung):
§ 5 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VVG):
„(1) Die Verpflichtung zu einer Duldung oder Unterlassung oder zu einer Handlung, die sich wegen ihrer eigentümlichen Beschaffenheit nicht durch einen Dritten bewerkstelligen läßt, wird dadurch vollstreckt, daß der Verpflichtete von der Vollstreckungsbehörde durch Geldstrafen oder durch Haft zur Erfüllung seiner Pflicht angehalten wird.
(2) Die Vollstreckung hat mit der Androhung des für den Fall des Zuwiderhandelns oder der Säumnis zur Anwendung kommenden Nachteiles zu beginnen. Das angedrohte Zwangsmittel ist beim ersten Zuwiderhandeln oder nach fruchtlosem Ablauf der für die Vornahme der Handlung gesetzten Frist sofort zu vollziehen. Gleichzeitig ist für den Fall der Wiederholung oder des weiteren Verzuges ein stets schärferes Zwangsmittel anzudrohen. Ein angedrohtes Zwangsmittel ist nicht mehr zu vollziehen, sobald der Verpflichtung entsprochen ist.
(3) Die Zwangsmittel dürfen in jedem einzelnen Fall an Geld den Betrag von
726 Euro, an Haft die Dauer von vier Wochen nicht übersteigen.
(4) Die Vollstreckung durch Geldstrafen als Zwangsmittel ist auch gegen juristische Personen mit Ausnahme der Körperschaften des öffentlichen Rechts und eingetragene Personengesellschaften zulässig.“
§ 10 Abs. 2 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VVG):
„Die Beschwerde beim Verwaltungsgericht gegen die Vollstreckungsverfügung hat keine aufschiebende Wirkung.“
III.2. Zu Spruchpunkt I.:
Bei der mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. September 2015 angeordneten Verpflichtung zur Betriebsschließung handelt es sich um eine unvertretbare Verhaltensweise und um eine Unterlassung, welche grundsätzlich nach § 5 VVG zu vollstrecken sind (vgl. VwGH 31.3.1992, 92/04/0013).
Nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 2 VVG hat die Vollstreckung „mit der Androhung des [...] zur Anwendung kommenden Nachteiles zu beginnen“ bzw. ist das „angedrohte Zwangsmittel“ zu vollziehen. Die Androhung hat die Art und die Höhe der Zwangsstrafe genau zu benennen (Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht5 Rz 990). Die Vollstreckungsbehörde darf bei der Erzwingung von Duldungen, Unterlassungen und unvertretbaren Handlungen nur das bereits angedrohte Zwangsmittel verfügen. Die Anordnung einer anderen als der angedrohten Zwangsstrafe bzw. die Umwandlung einer Geldstrafe in eine „Ersatzhaftstrafe“ ist unzulässig (vgl. Thienel/Zeleny, Verwaltungsverfahren19, § 5 VVG Anm. 4; Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht5 Rz 991 FN 59; Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 1323; Mannlicher/Quell, Das Verwaltungsverfahren8, Seite 330 f). § 5 VVG ist dahingehend zu verstehen, dass „das angedrohte Zwangsmittel“ erst dann zu vollziehen ist, wenn ein Zuwiderhandeln nach der Androhung erfolgte (VwGH 13.10.2010, 2010/06/0172; 6.7.2011, 2009/06/0228).
Nachdem ein Zwangsmittel erst dann zu verfügen ist, wenn ein Zuwiderhandeln nach seiner Androhung erfolgte, der Bf jedoch vor Erlassung der angefochtenen Vollstreckungsverfügung vom 2. Dezember 2015 entgegen § 5 Abs. 2 VVG keine Haftstrafe angedroht wurde, erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig. Da die verfahrensgegenständliche Vollstreckungsverfügung bereits aus diesem Grund ersatzlos zu beheben war, erübrigt sich zum einen eine Auseinandersetzung mit dem weiteren Vorbringen der Bf in ihrer Beschwerde und kann es zum anderen dahingestellt bleiben, ob die sonstigen Voraussetzungen der Verhängung einer Haftstrafe gegenüber der Bf (etwa im Hinblick auf den in
§ 2 Abs. 1 VVG normierten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) erfüllt sind.
III.3. Zu Spruchpunkt II.:
Beim verfahrensgegenständlichen Bescheid, mit dem eine Zwangsstrafe verhängt wurde, handelt es sich um eine Vollstreckungsverfügung im Sinne des § 10 Abs. 2 VVG (Thienel/Zeleny, Verwaltungsverfahren19, § 5 VVG Anm. 5; Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10, Rz 1323). Eine dagegen erhobene Beschwerde beim Verwaltungsgericht hat – abweichend von § 13 Abs. 1 VwGVG – keine aufschiebende Wirkung. Da das Gesetz keine Ausnahmen vorsieht, kann eine aufschiebende Wirkung auch im Einzelfall nicht zuerkannt werden (vgl. VwGH 19.5.1993, 89/09/0005; Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht5, Rz 1002; Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10, Rz 1283 f; Mannlicher/Quell, Das Verwaltungsverfahren8, Seite 939).
Da damit ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine Vollstreckungsverfügung gesetzlich ebenso wenig vorgesehen ist, wie die Möglichkeit einer Zuerkennung von Amts wegen, war das diesbezügliche Begehren der Bf mit Beschluss als unzulässig zurückzuweisen.
III.4. Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben bzw. der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zurückzuweisen ist (vgl. § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG).
IV. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Aufhebung des angefochtenen Bescheids mangels Androhung der Haftstrafe bzw. die Zurückweisung des Antrags auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stehen im Einklang mit der Rechtsprechung des VwGH.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis bzw. diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Dr. Wiesinger