LVwG-000087/13/WEI

Linz, 22.12.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des Ing. R S, Qualitätsmanager der Fa H KG, vertreten durch Dr. J H und Mag. Dr. T H, LL.M., Rechtsanwälte in W, Dr.-K-Straße 2, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 4. Dezember 2014, Zl. SanRB96-40-2013, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 90 Abs 1 Z 1 iVm § 5 Abs 2 Z 1 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz – LMSVG nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 22. September 2015

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 50 VwGVG  wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs 1 Z 1 VStG iVm § 38 VwGVG eingestellt.

 

II.       Der Beschwerdeführer hat weder einen Kostenbeitrag zum Verwaltungsstrafverfahren vor der belangten Behörde (§ 66 Abs 1 VStG) noch einen Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren vor dem Oö. Landesverwaltungsgericht (§ 52 Abs 9 VwGVG) zu leisten. Weiters entfällt auch die Verpflichtung zum Ersatz von Kosten der Lebensmitteluntersuchung gemäß § 71 Abs 3 LMSVG.

 

III.     Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Mit dem bezeichneten Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck wurde über den Beschwerdeführer (Bf) wie folgt abgesprochen:

 

„Straferkenntnis

 

Sie haben als gemäß § 9 Abs. 2 VStG. 1991 idgF verantwortlicher Beauftragter für die Einhaltung des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes des Lebensmittelunternehmens H KG mit dem Sitz in S, L, folgendes zu verantworten:

 

Das Lebensmittelunternehmen H KG, S, L ,hat die als Lebensmittel einzustufende Ware „N L 6 % F P l W", Charge: L, Verbrauchsdatum: 31.03.2014, hergestellt und am 24.03.2014 durch die durch die gekühlte Aufbewahrung im Lager für Verkaufszwecke bereitgehalten und somit in Verkehr gebracht.

 

 

Bei einer lebensmittelpolizeilichen Überprüfung-am 24.03.2014 um 14:50 Uhr im Kühllager des Lebensmittelunternehmens H KG,  S, L, wurden 6 Packungen (6 x 110 g) „N L 6 % F P l W" als amtliche Probe mit dem Probenzeichen x gezogen und dem Institut für L W, S, W, zur Begutachtung übergeben.

 

Laut Gutachten des Institutes für L W, S, W,

vom 14.04.2014, Dok.Nr. D-2793340x, wurde folgender Sachverhalt festgestellt:

Die Probe mit der Bezeichnung „"N L 6 % F P l W" wird im Rahmen der Nährwertkennzeichnung mit folgenden Angaben ausgelobt:

„Durchschnittliche Nährwerte pro 100 g

    -    Fett 6 g

In der chemischen Analyse wurde jedoch ein Fettgehalt von 8,30 ± 0,24 % ermittelt.

Der deklarierte Wert steht somit im Widerspruch zum Analysenwert und stellt eine zur Täuschung geeignete Angabe im Hinblick auf die Zusammensetzung des Produktes dar.

 

Die Probe wird daher mit zur Irreführung geeigneten Angaben in Verkehr gebracht, obwohl es gemäß § 5 Abs. 2 Ziffer 1 LMSVG verboten ist, Lebensmittel mit zur Irreführung geeigneten Angaben in Verkehr zu bringen.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 90 Abs. 1 Ziffer 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 2 Ziffer 1 Lebensmitteisicherheits- und Verbraucherschutzgesetz, BGBl. I Nr. 13/2006 sowie Art. 3 Ziffer 3 und 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002“

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung verhängte die belangte Behörde über den Bf „gemäß § 90 Abs. 1 Ziffer 1 LMSVG, BGBl. I Nr. 13/2006“ eine Geldstrafe in Höhe von 500 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 96 Stunden). Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden 50 Euro (10% der Strafe) und als Ersatz der Barauslagen für Lebensmitteluntersuchungskosten 375,61 Euro vorgeschrieben.

 

I.2. Zur Begründung des Straferkenntnisses führt die belangte Behörde aus:

 

„Anlässlich einer lebensmittelpolizeilichen Revision am 24.03.2014 um 14:50 Uhr im Lebensmittelunternehmen H KG in S, L, wurden durch ein Lebensmittelaufsichtsorgan 6 Packungen (6 x 110 g) „N L 6 % F P l W", Charge: Lx, Verbrauchsdatum: 31.03.2014, als amtliche Probe gezogen und dem Institut für L W zur Begutachtung übermittelt.

 

Im Gutachten des Institutes für Lebensmittelsicherheit Wien vom 14.04.2014, D-2793340x, wurde folgendes festgestellt:

 

"Die vorliegende Probe mit der Bezeichnung „N L 6 % F P l W" wird Ihm Rahmen der Nährwertkennzeichnung mit folgenden Angaben ausgelobt:

„Durchschnittliche Nährwerte pro 100 g -   Fett 6g"

In der chemischen Analyse wurde jedoch ein Fettgehalt von 8,30 * 0,24 % ermittelt.

 

Der deklarierte Wert steht somit im Widerspruch zum .Analysenwert und stellt eine zur Täuschung geeignete Angabe in Hinblick auf die Zusammensetzung des Produktes dar.

 

Die Probe wird daher mit zur Irreführung geeigneten Angaben in Verkehr gebracht, obwohl es gemäß § 5 Abs. 2 Ziffer 1 LMSVG verboten ist, Lebensmittel mit zur Irreführung geeigneten Angaben in Verkehr zu bringen.

 

Der verantwortlich Beauftragte des Lebensmitteiunternehmens H KG, Herr Ing. R S, wurde mit Schreiben vom 27.05.2014 aufgefordert, sich binnen 14 Tagen zu der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung zu rechtfertigen.

 

Mit Eingabe vom 20.06.2014 wurde von den Rechtsvertretern des Beschuldigten folgende Rechtfertigung abgegeben:

 

„Der Beschuldigte bestreitet den ihm zur Last gelegten Sachverhalt, er bekennt sich nicht schuldig, beantragt das Verwaltungsstrafverfahren gegen ihn einzustellen und wendet ein:

Auf der Grundlage des Gutachtens der AGES vom 14.04.2014, Dok.Nr.-D-2793340x, wird der Vorwurf erhoben, der Beschuldigte habe es zu vertreten, die Probe mit der Bezeichnung „N L 6 % F P l W" sei mit zur Irreführung geeigneten Angaben in Verkehr gebracht worden. Der angegebene Fettgehalt habe nicht 6 Gramm sondern 8,3 Gramm +/- 0,24 betragen. Der Vorwurf ist unrichtig.

 

1.

Aus Anlass der Probenahme wurde auch eine Gegenprobe genommen. Die H KG hat diese bei A untersuchen lassen. Nach dem Gutachten vom 10.06.2014 beträgt der Fettgehalt 7,9 % Das Produkt ist verkehrsfähig, auch im Hinblick auf die Deklaration.

 

Unter einem wird dieses Gutachten vorgelegt.

Beweis:

Gutachten A vom 10.06.2014, G2000140/2014.

 

2. Zur Nährwertkennzeichnungsverordnung:

Gemäß § 8 Abs. 2 NWKV idgF sind durchschnittliche Werte anzugeben. Diese beruhen je nach Fall auf

a) der Lebensmittelanalyse der Hersteller,

b) der Berechnung auf der Grundlage der bekannten, tatsächlichen oder durchschnittlichen Werte der verwendeten Zutaten,

c) der Berechnung auf der Grundlage von generell nachgewiesenen und akzeptierten Daten.

 

Die von der H KG angegebenen Nährwerte entsprechen dieser Bestimmung sowie § 6 Abs. 10 NWKV:

Durchschnittswert: Der Wert, der die in einem bestimmten Lebensmittel enthaltenen Nährstoffmengen am besten repräsentiert und jahreszeitlich bedingte Unterschiede, Verbrauchsmuster und sonstige Faktoren berücksichtigt, die eine Veränderung des tatsächlichen Wertes bewirken können.

 

Der angegebene Mittelwert von 6 % entspricht dieser Verordnung.

 

3. Zur Lebensmittel-Informationsverordnung:

 

Die LMIV (EG) 1169/2011 sieht in Artikel 31 Abs. 4 eine analoge Regelung vor:

 

Die angegebenen Zahlen sind Durchschnittswerte, die je nach Fall beruhen auf

a) der Lebensmittelanalyse des Herstellers,

b) einer Berechnung auf der Grundlage der bekannten oder tatsächlichen durchschnittlichen Werte der verwendeten Zutaten oder

c) einer Berechnung auf der Grundlage von allgemein nachgewiesenen und akzeptierten Daten.

 

Die Kommission kann Durchführungsrechtsakte erlassen, in denen Durchführungsbestimmungen für die einheitliche Durchführung dieses Absatzes hinsichtlich der Genauigkeit der angegebenen Werte, etwa im Hinblick auf die Abweichungen zwischen den angegebenen und den bei amtlichen Überprüfungen festgestellten Werten, festgelegt sind. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 48 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

 

Der entsprechende Leitfaden in Bezug auf die Festlegung von Toleranzen für auf dem Etikett angegebene Nährwerte vom Dezember 2012 sieht im Punkt 2.4 jedenfalls zur Beurteilung eine Vielzahl weiterer Aspekte vor.

Insbesondere die Inhomogenität des Produktes (Buchstabe g) ist ausschlaggebend und zu berücksichtigen.

 

Das Produkt hat eine geringe Homogenität; diese ist im Schnittbild erkennbar. Die analysierten Werte sind einwandfrei und nicht zu beanstanden.

 

Der Beschuldigte wiederholt daher seinen Antrag auf Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens."

 

Das Institut für Lebensmittelsicherheit Wien hat dazu am 04.11.2014 folgende Stellungnahme abgegeben:

 

„Im Leitfaden der Europäischen Kommission vom Dezember 2012 für zuständige Behörden -Kontrolle der Einhaltung der EU-Rechtsvorschriften in Bezug auf die Festlegung von Toleranzen für auf dem Etikett angegebene Nährwerte

(http://ec.europa.eu/food/food/labellingnutrition/nutritionlabel/guidance tolerances-december-2012-de.pdf) wurden im Kapitel 3 Toleranzen bei der Nährwertangabe auf Lebensmitteln festgelegt.

 

Für den Fettgehalt im Bereich unter 10g pro 100g beträgt diese Toleranz +/- 1,5g.

 

Im vorliegenden Fall wird ein Fettgehalt von 6g pro 100g deklariert. Der akzeptable Toleranzbereich erstreckt sich somit von 4,5g bis 7,5g.

 

Der in der chemischen Analyse festgestellte Fettgehalt der Probe beläuft sich auf 8,3g pro 100g und liegt somit eindeutig über dem maximal tolerierbaren Fettgehalt.

 

In der untersuchten Gegenprobe wurde ein Fettgehalt von 7,9g pro 100g festgestellt. Auch dieser Wert liegt eindeutig über dem maximal tolerierbaren Fettgehalt und bestätigt somit das Ergebnis der amtlichen Untersuchung."

 

Darüber hat die Behörde erwogen:

 

Gemäß § 90 Abs, 1 Ziffer 1 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz, BGBI..I Nr. 13/2006 idgF. begeht, wer Lebensmittel, die für den menschlichen Verzehr ungeeignet oder mit irreführenden oder krankheitsbezogenen Angaben versehen sind, oder in irreführender oder krankheitsbezogener Aufmachung, in Verkehr bringt, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50 000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu

100 000 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Bei vorsätzlichen Verstößen gegen Z. 1 und 2, die in Kenntnis der Rechtswidrigkeit des Handels begangen werden, ist, sofern die Folgen der Übertretung nicht unbedeutend sind, eine Geldstrafe in der Höhe von zumindest 700 Euro, bei Wiederholung von 4000 Euro festzusetzen. Im Fall der Uneinbringlichkeit ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen festzusetzen.

 

Es ist gemäß § 5 Abs. 2 Ziffer 1 leg.cit. verboten, Lebensmittel mit zur Irreführung geeigneten Angaben in Verkehr zu bringen oder zu bewerben. Zur Irreführung geeignete Angaben sind insbesondere zur Täuschung geeignete Angaben über die Eigenschaften des Lebensmittels, wie Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung oder Herkunft und Herstellungs- oder Gewinnungsart.

 

Zu den Rechtfertigungsangaben der Rechtsvertreter des Beschuldigen wird folgendes ausgeführt:

 

Laut Gutachten des Institutes für Lebensmittelsicherheit Wien wurde in der chemischen Analyse der Probe ein Fettgehalt von 8,30 ± 0,24 % ermittelt. Die Probe wurde im Rahmen der Nährwertkennzeichnung jedoch mit folgenden Angaben ausgelobt: Durchschnittliche Nährwerte pro 100 g - Fett 6g".

 

Der deklarierte Wert steht somit im Widerspruch zum Analysenwert und stellt eine zur Täuschung geeignete Angabe im Hinblick auf die Zusammensetzung des Produktes dar.

 

Auch in der untersuchten Gegenprobe wurde ein Fettgehalt von 7,9 g pro 100 g festgestellt. Auch dieser Wert liegt somit eindeutig über dem maximal tolerierbaren Fettgehalt.

 

Es liegt somit eindeutig eine Übertretung des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucher-schutzgesetzes, BGBl. I Nr. 13/2006 idgF vor. Der zur Last gelegte Sachverhalt stützt sich auf das Gutachten des Institutes für Lebensmittelsicherheit Wien und ist somit fachlich untermauert.

 

Die Einspruchsangaben konnten zu keiner Änderung dieses Ergebnisses führen.

 

Gemäß § 16 Abs. 2 und 19 VStG 1991 idgF sind im ordentlichen Verfahren die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen.

 

Demzufolge ist die Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die Bestimmungen der §§ 32 - 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß zu verwenden.

 

Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten müssen ebenfalls berücksichtigt werden.

 

Der Unrechtsgehalt der Tat ist im vorliegenden Fall durch die Tatsache, dass der deklarierte Fettgehalt im Widerspruch zum Analysenwert steht gegeben.

 

Hinsichtlich des Ausmaßes des Verschuldens wird die Schuldform zumindest der Fahrlässigkeit angenommen.

 

Strafmilderungsgründe konnten keine festgestellt werden. Straferschwerend war die Tatsache, dass der Beschuldigte bereits wegen Übertretung des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes mit Erkenntnis des OÖ. Landesverwaltungsgerichtes vom 27.05.2014 rechtskräftig mit 150 Euro bestraft wurde.

 

Die verhängte Strafe entspricht daher dem Unrechtsgehalt der Tat und dem Grad des Verschuldens.

 

Unter Heranziehung der in den §§ 32 bis 35 StGB genannten Bestimmungen ist jedoch aus dem Text des § 19 Abs. 2 VStG. 1991 auch auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und anfällige Sorgepflichten entsprechend Rücksicht zu nehmen.

 

Mit Schreiben vom 30.05.2014 wurde der Beschuldigte aufgefordert, binnen 14 Tagen seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten bekanntzugeben.

 

Es wurde daraufhin von den Rechtsvertretern des Beschuldigten mitgeteilt, dass er kein Vermögen besitzt, sein monatliches Nettoeinkommen ca. 2000 Euro beträgt und keine Sorgepflichten bestehen.

 

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien und im Hinblick auf den gesetzlich vorgeschriebenen Strafrahmen in der Höhe bis zu 50 000 Euro stellte nach Ansicht der Behörde der Betrag von 500 Euro die unterste Grenze darf, die gerade noch ausreichen müsste, den Beschuldigten in Hinkunft von der Begehung derartiger Verwaltungsübertretungen abzuhalten.

 

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

 

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.“

 

II. Gegen dieses dem Bf zu Händen seiner Rechtsvertreter am 30. Dezember 2014 zugestellte Straferkenntnis wendet sich die rechtsfreundlich eingebrachte Beschwerde vom 26. Jänner 2015 (rechtzeitige Postaufgabe), die bei der Strafbehörde am 28. Jänner 2015 einlangte. Zur Begründung führt die Beschwerde aus:

 

„Gegen das Straferkenntnis der BH Vöcklabruck vom 04.12.2014 erhebt der Beschwerdeführer

 

BESCHWERDE

 

an das Verwaltungsgericht. Er ficht die Entscheidung zur Gänze an und zwar aus folgenden Gründen:

 

1. Angefochtener Bescheid:

 

Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 04.12.2014, SanRB96-40-2013.

 

2. Belangte Behörde:

 

Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck.

 

3. Ablehnungsantrag gegen AGES:

 

Die Behörde bezieht sich auf ein Gutachten des Institutes für Lebensmittelsicherheit Wien. Aus der Aktenlage kann der Beschwerdeführer nicht feststellen, ob damit die AGES gemeint ist. Er lehnt jedenfalls die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES) hiermit ab. Zu den Ablehnungsgründen verweist er auf die Beschwerde, welche im Verfahren SanRB-96-97-2012 anhängig ist.

 

4. Gründe:

 

a) Mangelhaftigkeit des Verfahrens:

 

Die Behörde bezieht sich auf Seite 3 des angefochtenen Bescheides auf die Stellungnahme des Instituts für Lebensmittelsicherheit Wien vom 04.11.2014. Nach der dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers vorliegenden Aktenlage wurde diese Stellungnahme weder dem Beschwerdeführer, noch dessen Rechtsvertreter zur Kenntnis gebracht. Der Beschwerdeführer hatte keine Gelegenheit, sich im Verwaltungsverfahren mit dieser Stellungnahme auseinander zu setzen. Die belangte Behörde hat damit das rechtliche Gehör nicht gewahrt. Hätte der Beschwerdeführer diese Stellungnahme gekannt, so hätte er dazu Stellung nehmen können und es wäre die Behörde zu einem anderen Bescheid gekommen, wie im Folgenden auszuführen ist.

 

b) Begründungsmängel:

 

Die Begründung des angefochtenen Bescheides ist mangelhaft. Die Behörde gibt zunächst das Gutachten wieder, es folgt die Rechtfertigung des Beschwerdeführers vom 20.06.2014, sodann wird die Stellungnahme des Instituts für L W vom 04.11.2014 zitiert. Im Zuge der Erwägungen gibt die belangte Behörde die Rechtslage (unvollständig) wieder, stützt sich auf das Gutachten und das Untersuchungszeugnis über die Gegenprobe, zieht daraus den Schluss, es liege eine Verwaltungsübertretung vor und begründet dies letztlich mit dem Satz: „Die Einspruchsangaben konnten zu keiner Änderung dieses Ergebnisses führen."

 

Die Behörde hat sich mit den einzelnen Beweisergebnissen, vor allem aber mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers zur Lebensmittelinformationsverordnung nicht auseinandergesetzt. Der Begründung ist nicht zu entnehmen, aus welchen Erwägungen den Angaben des Beschwerdeführers und seiner Rechtfertigung, vor allem aber seinen rechtlichen Argumenten, keine Bedeutung zukommen soll. Damit ist die Begründung mangelhaft geblieben.

 

c) Unrichtige rechtliche Beurteilung:

 

1. Zur Nährwertkennzeichnungsverordnung:

 

Gemäß § 8 Abs 2 NWKV idgF sind durchschnittliche Werte anzugeben. Diese beruhen je nach Fall auf

a) der Lebensmittelanalyse der Hersteller,

b) der   Berechnung   auf   der   Grundlage   der   bekannten,   tatsächlichen   oder durchschnittlichen Werte der verwendeten Zutaten,

c) der Berechnung auf der Grundlage von generell nachgewiesenen und akzeptierten Daten.

 

Die von der H KG angegeben Nährwerte entsprechen dieser Bestimmung sowie § 6 Abs 10 NWKV:

Durchschnittswert: Der Wert, der die in einem bestimmten Lebensmittel enthaltenen Nährstoffmengen am besten repräsentiert und jahreszeitlich bedingte Unterschiede, Verbrauchsmuster und sonstige Faktoren berücksichtigt, die eine Veränderung des tatsächlichen Wertes bewirken können.

 

Der angegebene Mittelwert von 6% entspricht dieser Verordnung.

 

2. Zur Lebensmittel-Informationsverordnung:

 

Die LMIV (EG) 1169/2011 sieht in Artikel 31 Abs 4 eine analoge Regelung vor:

 

Die angegebenen Zahlen sind Durchschnittswerte, die je nach Fall beruhen auf

 

a) der Lebensmittelanalyse des Herstellers,

b) einer  Berechnung  auf  der  Grundlage  der  bekannten   oder  tatsächlichen durchschnittlichen Werte der verwendeten Zutaten oder

c) einer Berechnung auf der Grundlage von allgemein nachgewiesenen und akzeptierten Daten.

 

Die Kommission kann Durchführungsrechtsakte erlassen, in denen Durchführungs-bestimmungen für die einheitliche Durchführung dieses Absatzes hinsichtlich der Genauigkeit der angegebenen Werte, etwa im Hinblick auf Abweichungen zwischen den angegebenen und den bei amtlichen Überprüfungen festgestellten Werten, festgelegt sind. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 48 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

 

Der entsprechende Leitfaden in Bezug auf die Festlegung von Toleranzen für auf dem Etikett angegebene Nährwerte vom Dezember 2012 sieht im Punkt 2.4 jedenfalls zur Beurteilung eine Vielzahl weiterer Aspekte vor.

Insbesondere die Inhomogenität des Produktes (Buchstabe g) ist ausschlaggebend und zu berücksichtigen.

 

Das Produkt hat eine geringe Homogenität; diese ist im Schnittbild erkennbar. Die analysierten Werte sind einwandfrei und nicht zu beanstanden.

 

3. Zum Leitfaden:

 

Dieser findet in der Stellungnahme des Instituts für L W vom 04.11.2014 Erwähnung. Hätte die Behörde dem Beschwerdeführer die Stellungnahme übermittelt, dann hätte er seine Argumente dazu vortragen können. Die Behörde wäre dann zu einer Einstellung des Verfahrens gelangt, weil der Beschwerdeführer darlegen hätte können, weshalb es zu Abweichungen kommen konnte. Bereits in seiner Rechtfertigung vom 20.06.2014 hat der Beschwerdeführer Punkt 2.4 des Leitfadens angesprochen. Der Abschnitt lautet wie folgt:

 

2.4 Aspekte, die zu berücksichtigen sind, wenn der Messwert außerhalb des Toleranzbereichs des angegebenen Wertes liegt

Befindet sich der Messwert außerhalb des Toleranzbereichs des angegebenen Werts, sollte eine besondere

Bewertung vorgenommen werden, anhand deren entschieden wird, ob irgendwelche Maßnahmen ergriffen

werden sollten. Dabei sollten beispielsweise folgende Aspekte berücksichtigt werden:

a) fraglicher Nährstoff

b) Ausmaß der Abweichung

c) Art der Abweichung (zu hohe oder zu geringe Menge des betreffenden Nährstoffs)

d) natürliche hohe Schwankungsbreite des betreffenden Nährstoffs, auch jahreszeitlich

bedingt

e) besonders hohe Abbaugeschwindigkeit bei Nährstoffen in bestimmten Lebensmittelmatrizen

f) besonders hohe analytische Variabilität bei Nährstoffen in einer bestimmten

Lebensmittelmatrize

g) besonders geringe Homogenität eines Produkts, die zu besonders hohen Schwankungen des

Nährwertgehalts führt, die nicht mit einem entsprechenden Probenahmeverfahren

ausgeglichen

werden kann

h) Einhaltung des Toleranzbereichs bei der Mehrheit der Proben aus der gleichen Partie, falls

solche

Daten verfügbar sind

i) Validität des vom Hersteller zur Bestimmung der angegebenen Nährwerte verwendeten

Verfahrens

j) allgemeine Funktionstüchtigkeit der Selbstüberwachung des Herstellers

k) frühere Probleme oder frühere Sanktionierung des Unternehmens

Diese Aspekte haben außerdem Einfluss auf das Ausmaß eventueller Sanktionen, falls solche für nötig

erachtet werden; beispielsweise darauf ob ausführlichere Anleitungen oder Verwarnungen ausgesprochen

oder rechtsverbindliche Zwangsmaßnahmen oder Bußgelder auferlegt werden.

Hersteller können aufgefordert werden, Abweichungen von den Toleranzen ausführlich zu

begründen.

 

Die belangte Behörde hat sich mit den obigen Aspekten gemäß lit a-k) überhaupt nicht auseinandergesetzt. Diese Aspekte haben aber Einfluss auf das Ausmaß eventueller Sanktionen falls solche für nötig erachtet werden. Eine Abwägung ist dem angefochtenen Straferkenntnis nicht zu entnehmen. Die Behörde härte die einzelnen Aspekte untersuchen und deren Einfluss feststellen müssen, um dann Überlegungen anzustellen, ob an die H KG Anleitungen zu richten sind. Mit der bloßen Verhängung einer Strafe ist es nicht getan.

 

In Bezug auf Energie- und Nährwertgehalt sieht das Sekundärrecht vor, dass ein Durchschnittswert anzugeben ist, also der Wert, der die in einem bestimmten Lebensmittel enthaltenen Nährstoffmengen am besten repräsentiert und natürlich oder jahreszeitlich bedingte Unterschiede, Verbrauchsmuster und sonstige Faktoren berücksichtigt, die eine Veränderung des tatsächlichen Wertes bewirken können (Leitfaden Punkt 1.2).

 

Der tatsächliche Gehalt eines bestimmten Nährstoffs in einem Produkt kann sich von dem auf dem Etikett angegebenen Wert auf verschiedenen Gründen unterscheiden (Leitfaden Punkt 2.). Toleranzen bei der Angabe von Nährstoffen auf Etiketten sind wichtig, da Lebensmittel aufgrund natürlicher Schwankungen und Veränderungen durch Herstellung und Lagerung nicht immer genau den angegebenen Nähr- oder Brennwert enthalten können (Leitfaden 2.3).

 

Sodann liegen rechtliche Begründungsmängel vor: Die Behörde hat sich weder mit der Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers gemäß § 9 VStG, noch mit dem Schuldprinzip auseinandergesetzt. Dazu fehlen Feststellungen im Sachverhalt in der rechtlichen Begründung wird dies nicht einmal erwähnt. Selbst wenn der objektiv festgestellte Sachverhalt rechtlich zu beanstanden wäre, was ausdrücklich bestritten wird, ist damit noch nicht die Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers begründet. Darüber hinaus fehlt es an einem Verschulden. Der Beschwerdeführer hat geeignete Kontrollmechanismen eingeführt und es wird die Produktion laufend überwacht. Im Rahmen der Eigenkontrolle werden extern Analysen eingeholt und es werden auch die Gegenproben untersucht. Dem Beschwerdeführer können weder Ursache, noch Verschulden vorgeworfen werden.

 

Auch im Falle der Beiziehung von Sachverständigen trifft den lebensmittelrechtlich Verantwortlichen eine Kontrollpflicht. Er hat das Gutachten des SV nicht nur auf seine Vollständigkeit, sondern auch daraufhin zu überprüfen, ob ihm sonstige, auch für einen Laien bei Anwendung der nötigen und zumutbaren Sorgfalt erkennbaren Mängel anhaften, wie etwa dass es auf offenkundig unrichtigen Voraussetzungen beruht. Da sich die H KG im Zuge der Gegenprobenanalyse und der laufenden Eigenkontrolle auf zertifizierte Sachverständige bezieht, welche auch beeidet sind, scheidet ein Verstoß gegen Sorgfaltspflichten aus.

 

Beweis:

Gutachten von A vom 24.01.2014, G194568/2014

Einvernahme des Beschwerdeführers

 

5. Begehren:

 

Der Beschwerdeführer stellt hiermit den

 

ANTRAG,

 

eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weil Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, weil der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf sowie wegen Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

6. Rechtzeitigkeit:

 

Das angefochtene Straferkenntnis wurde dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 30.12.2014 zugestellt. Innerhalb offener Frist von vier Wochen, nämlich mit am 26.01.2015 zur Post gegebenem Schriftsatz wird die Beschwerde fristgerecht erhoben.

 

 

W, am 26.01.2015 Ing. R S“

 

 

III. Das Landesverwaltungsgericht hat am 22. September 2015 eine öffentliche mündliche Verhandlung in Gegenwart des Bf, seines Rechtsvertreters und eines Vertreters der belangten Behörde durchgeführt, in der die eingeholten Gutachten und Stellungnahmen der Lebensmittelgutachter erörtert und der Bf zur Sache einvernommen wurde. Auf Grund der Aktenlage und der durchgeführten Verhandlung ergibt sich der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t :

 

III.1. Bei der am Standort des Lebensmittelunternehmens H KG in S, L, durchgeführten Lebensmittelkontrolle vom 24. März 2014 wurde vom Lebensmittelaufsichtsorgan um 14:50 Uhr im Kühllager eine amtliche Probe von 6 Packungen (6 x 110 g) „N L 6 % F P l W" (Probekennung Zl. 4000MUER0043/14) gezogen und in weiterer Folge zur Begutachtung bei der Agentur für G und E (A) eingereicht. Eine entsprechende Gegenprobe als augenscheinlich gleiche Wareneinheit wurde laut Probenbegleitschreiben ausgefolgt.

 

Im Amtlichen Untersuchungszeugnis der A, Institut für L W, vom 14. April 2014, Dok.Nr.: 2793340, wird im Teil „Gutachten“ - wie von der belangten Behörde wiedergegeben – ausgeführt, dass bei der chemischen Analyse ein Fettgehalt von 8,3 ± 0,24 % ermittelt worden sei, der zum deklarierten Wert in Widerspruch stehe und eine zur Täuschung geeignete Angabe im Hinblick auf die Zusammensetzung des Produkts darstelle. Die Probe sei daher gemäß § 5 Abs. 2 Z. 1 LMSVG mit zur Irreführung geeigneten Angaben in Verkehr gebracht worden.

 

Nach Aufforderung zur Rechtfertigung vom 27. Mai 2014 brachte der Bf durch seine Rechtsvertreter den Schriftsatz vom 20. Juni 2014 ein und führte aus, wie im angefochtenen Straferkenntnis wiedergegeben.

 

Die überlassene amtliche Gegenprobe (Probenkennung Zl. 4000MUER0043/14) wurde von der H KG beim akkreditierten Institut „A“ Labor für L und U (DI H F & DI C F Z-GmbH) in S zur Begutachtung durch einen Ziviltechniker eingereicht und am 25. März 2014 untersucht. Im Untersuchungszeugnis vom 12. Mai 2014, Zl. P200140/2014, wurde u.A. ein Fettgehalt von 7,9 % mit der Methode „QAM 2-02.1-07“ (Bestimmung des Fettgehalts durch Fettextraktion mit organischem Lösungsmittel und anschließender Trocknung; Messunsicherheit ±0,3%) festgestellt. Im dazugehörigen Gutachten des Lebensmittelgutachters gemäß § 73 LMSVG vom 10. Juni 2014, Zl. G200140/2014, wird die Ware substanziell und auch in Bezug auf die Deklaration als verkehrsfähig angesehen.

 

Über Ersuchen der belangten Behörde nahm die A zur Rechtfertigung des Bf mit „Amtlichem Untersuchungszeugnis“ vom 4. November 2014 unter „GUTACHTEN“ Stellung. Sie verwies auf die im Leitfaden der Europäischen Kommission vom 2012 für den Fettgehalt bis 10g pro 100g vorgesehene Toleranz von +/- 1,5g. Der tolerable Toleranzbereich erstrecke sich daher gegenständlich von 4,5g bis 7,5g. Der in der Probe festgestellte Fettgehalt von 8,3g pro 100g liege somit über dem maximal tolerierbaren Fettgehalt. Auch der Fettgehalt der Gegenprobe von 7,9g pro 100g liege darüber und bestätige das Ergebnis der amtlichen Untersuchung.

 

III.2. Mit Schreiben vom 13. Februar 2015 ersuchte das Oö. Landesverwaltungsgericht die A bzw deren Institut für L W unter Hinweis auf die Argumentation der Beschwerde mit Punkt 2.4 des Leitfadens der Europäischen Kommission und der behaupteten geringen Homogenität des Produkts um ergänzende fachliche Beurteilung. Dabei wurde auf die bisher unbeantwortet gebliebene wesentliche Frage, ob bei gegebener Inhomogenität des Produkts besonders hohe Schwankungen des Nährwertgehalts (konkret: Fettgehalts) jenseits der von der Kommission im Normalfall empfohlenen Toleranzen (hier +/- 1,5 %) entstehen können oder sogar unvermeidlich sind, und inwieweit bzw in welchem Rahmen diese Schwankungen vom Hersteller des Produkts kontrollierbar sind, ausdrücklich hingewiesen.

 

Die A übermittelte ein weiteres „Amtliches Untersuchungszeugnis“ vom 31. März 2015 samt Kostenmitteilung, das eine als „Gutachten“ bezeichnete Antwort auf das hg. Ersuchen mit folgendem Inhalt enthält:

 

„G U T A C H T E N

 

 

Stellungnahme zur ergänzenden Fachfraqe vom 13. Februar 2015 zu LVwG-000087/2/WEI (Auftragsnummer: 14Q306Q2):

 

Bei der vorliegenden Probe "N L 6% F P l W" handelt es sich nicht um ein Produkt mit geringer Homogenität gemäß Punkt 2.4 lit g des Leitfadens der Europäischen Kommission in Bezug auf die Festlegung von Toleranzen für auf dem Etikett angegebene Nährwerte.

 

Darunter wären Fleischerzeugnisse zu verstehen, die aus einem Stück gewachsenem Fleisch bestehen wie zum Beispiel Bauchspeck. Der Fettgehalt eines derartigen Produktes ist von verschiedenen Faktoren abhängig wie dem Nährzustand des Einzeltieres von dem es stammt, vom durchschnittlichen Fettansatz der Rasse des Schweines, davon ob das Speckstück aus dem vorderen oder dem hinteren Teil des Bauches stammt u. dgl.

 

Bei der Probe "N L 6% F P l W" handelt es sich jedoch um ein hoch verarbeitetes Produkt, das aus Verarbeitungsfleisch mit klar definierten Fettgehalten hergestellt wird und bereits mehreren Homogenisierungsschritten unterzogen wurde. Es besteht zu etwa einem Drittel aus Brät (einer Art Fleischmus), in dem Fleisch mit kleiner Körnung (3mm) homogen verteilt vorliegt. Zudem wird die Probe vor der Untersuchung einer nochmaligen Homogenisierung unterzogen, wodurch eine homogene, streichfähige Masse entsteht. Aus dieser Masse wird der Fettgehalt zweimal bestimmt. Weichen diese beiden Einzelmesswerte zu weit voneinander ab (ein Zeichen für Inhomogenität), muss die Messung wiederholt werden. Dies war bei der vorliegenden Probe jedoch nicht der Fall.“

 

III.3. In der mündlichen Verhandlung wurde die ergänzende Stellungnahme der A verlesen und mit den Parteien erörtert. Als Gegenbeweis zum Gutachten der A legte der Bf ergänzend eine schon zuvor von der H KG eingeholte Stellungnahme des Ziviltechnikers und Lebensmittelgutachters DI C F („A“) vom 15. Jänner 2015, Zahl: HÜS150115, vor, in der zu den Toleranzen bei Deklaration der Nährwerte und im Besonderen zum gegenständlichen Produkt „N L 6 % F P l W“ und seiner Struktur wie folgt Stellung genommen wird:

 

„Sehr geehrter Herr S,

 

bezüglich der Straferkenntnis Ihres Produktes „N L 6% F P l W" durch die BH Vöckiabruck (Zahl SanRB96-10-2013) kann ich Ihnen folgende Stellungnahme übermitteln:

 

Es wurde beanstandet, dass bei ggst. Produkt der ermittelte Fettgehalt ( 8,30 +0,24 %) vom deklarierten Fettgehalt (6%) zu stark abweicht und daher die Deklaration als irreführend anzusehen ist.

 

Es ist festzuhalten, dass es zur Zeit keine rechtliche Bestimmung gibt weiche Toleranzen bei der Deklaration der Nährwerte verbindlich anzuwenden sind. Der in der Straferkenntnis angeführte Leitfaden der Europäischen Kommission ist als solcher zu verstehen. Bereits auf der ersten Seite dieses Leitfadens wird hervorgehoben, dass dieser keinen formalen rechtlichen Status besitzt!

 

Bei der Beurteilung von Abweichungen ist vielmehr in jedem Einzelfall abzuwägen, inwieweit Toleranzen anwendbar sind oder nicht. Für eine Vielzahl an Produkten werden diese empfohlenen Toleranzen zu eng sein, als dass diese bei jeder Einzelpackung dementsprechend sind. (zB Fleischerzeugnisse wie Schinkenspeck, Rohwürste, Fleischwürste,...) Hier bedarf es einer einzelnen Betrachtung auch mit dem Hintergrund der Herstellungspraxis und Usancen der jeweiligen Branche. Darauf verweist die Europäische Kommission in Ihrem Leitfaden unter Punkt „2.4 Aspekte, die zu berücksichtigen sind, wenn der Messwert außerhalb des Toleranzbereichs des angegebenen Wertes liegt". Es ist zu hinterfragen warum das Institut für L W in deren Stellungnahme vom 04.11.2014 nicht auf den Hinweis der geringen Homogenität und folglich auf den zitierten Punkt 2.4 eingegangen ist.

 

Da spätestens mit 13.12.2016 bei Fleischwürsten die Nährwertdeklaration verpflichtend sein wird, bleibt hier keine andere Wahl, als den Durchschnittswert der Ware anzuführen, auch wenn Produktschwankungen höher sind als Toleranzen eines Leitfadens!

 

Das gegenständliche Produkt weist eine grobe Struktur auf, welche für W und P-W gemäß ÖLMB Codex B14 üblich ist. (Siehe nicht maßstabsgetreue Abbildung im Anhang). Aufgrund der Textur läßt sich hier bereits erkennen, dass das Produkt kein Brät wie zB Extrawurst aufweist, welches hinsichtlich der Nährwerte deutlich leichter einstellbar wäre. Außerdem ist auch zu berücksichtigen, dass die eingesetzten Ausgangsmaterialien nicht dementsprechend standardisiert sind, dass immer genau die selben Fettgehalte zu erwarten sind.

 

Eine direkte Anwendbarkeit der Toleranzen des Leitfadens der Europäischen Kommission sind hier von gutachterlicher Sicht stark zu hinterfragen. Aus gutachterlicher Sicht bietet das Produkt bzgl. des ermittelten Fettgehaltes keinen Anlaß zur Beanstandung und führt zu keiner Irreführung des Konsumenten.

 

Es wird darauf hingewiesen dass die Auslegung des Rechts in Streitfällen letztlich dem Gerichtshof der Europäischen Union unterliegt.

 

Ich hoffe mit den Angaben ausreichend informiert zu haben und verbleibe mit freundlichen Grüßen

 

A

DI C F“

 

Als Anhang war die Abbildung der Textur des Produkts aus dem Untersuchungszeugnis (Prüfbericht) der „A“ vom 12. Mai 2014, Zl. P200140/2014, betreffend die Gegenprobe angeschlossen.

 

III.4. Die Annahme der A, dass ein hoch verarbeitetes Produkt unter Verwendung von Verarbeitungsfleisch mit klar definierten Fettgehalten und damit kein Produkt von geringer Homogenität vorliege, wird vom Bf unter Hinweis auf die Stellungnahme der „A“ mit guten Gründen bestritten. Nach deren wesentlicher Aussage kann schon aus der groben Struktur entsprechend der Textur des Produkts (vgl Abbildung im Anhang) abgeleitet werden, dass kein Brät wie zB bei Extrawurst verwendet wird, bei dem die Nährwerte deutlich leichter einstellbar wären. Die Ausgangsmaterialien seien nicht so standardisiert, dass immer genau dieselben Fettgehalte zu erwarten seien. Der Gutachter der „A“ geht von einer geringen Homogenität des Produkts aus und hält die Toleranzen im Leitfaden der Europäischen Kommission im Hinblick auf die zu berücksichtigenden Aspekte nach Punkt 2.4 für nicht direkt anwendbar. Aus seiner Sicht kann das Produkt unter den gegebenen Umständen wegen des ermittelten Fettgehaltes nicht beanstandet werden.

Schon die Ausgangsannahme der A, dass das gegenständliche Produkt aus Verarbeitungsfleisch mit klar definierten Fettgehalten hergestellt und mehreren Homogenisierungsschritten unter Verwendung von einem Drittel Brät (Fleischmus) unterzogen werde, erscheint vor dem Hintergrund der zitierten Stellungnahme der „A“ und des Vorbringens des Bf nicht folgerichtig und vermag daher nicht zu überzeugen. Die angeblich klar definierten Fettgehalte des verwendeten Verarbeitungsfleisches sind mit Rücksicht auf die von der A selbst eingeräumten Rohmaterialschwankungen beim Fettgehalt von gewachsenem Fleisch, die von verschiedenen Faktoren abhängen (zB Fettansatz, Rasse und Nährzustand des Tieres), nicht nachvollziehbar. Wie auch vom Bf dagegen zutreffend vorgebracht wurde (vgl Tonbandprotokoll, ON 12ad, Seite 2), kann je nach Haltung (Bewegungsmöglichkeiten, Fütterung) der Tiere der intramuskuläre Fettgehalt mehr oder weniger ausgeprägt sein, weshalb klar definierte Fettgehalte gar nicht möglich sind. Auch die Behauptung der A, dass das Produkt zu etwa einem Drittel aus Brät bestehe, scheint einerseits nur eine grobe Schätzung zu sein und steht andererseits im Widerspruch zur Fachmeinung der „A“, die nach der Abbildung der Textur gerade nicht von einem zugesetzten Brät wie bei Extrawurst ausgeht.

 

Die Homogenisierung der Probe durch die A, wodurch eine homogene streichfähige Masse entsteht, aus der der Fettgehalt zwei Mal bestimmt werde, erlaubt keine Rückschlüsse darauf, ob das so veränderte - homogenisierte - Produkt schon zuvor homogen war oder nicht. Weichen die zwei Messungen zu weit voneinander ab, so ist dies zwar ein Zeichen für Inhomogenität, allerdings nur infolge einer nicht ausreichend vorgenommenen Homogenisierung der Probe.

 

III.5. Der Bf erläuterte bei seiner Einvernahme (vgl Tonbandprotokoll ON 12ad, Seiten 2 f), dass beim gegenständlichen Produkt mit reduziertem Fettgehalt, das in Konkurrenz mit vergleichbaren Produkten anderer Hersteller tritt, zunächst die chemischen Parameter aus verschiedenen Chargen analysiert wurden und dann ein Mittelwert für die Angabe des Fettgehalts herangezogen wurde. Um den Mittelwert zu gewährleisten, wird eine entsprechende Rezeptur erstellt. Dennoch können auf Grund von Rohmaterialschwankungen Abweichungen vorkommen. Wenn man aber alle Packungen untersuchte, wäre der Mittelwert eingehalten worden. Bei der Nährwertkennzeichnung gehe es immer nur um durchschnittliche Werte. Die übliche Toleranz von +/- 1,5g für die Fettangabe nach dem Leitfaden der Europäischen Kommission könne man entgegen der A nicht anwenden, zumal im gegebenen Kontext die Inhomogenität des Produkts zu berücksichtigen gewesen wäre.

 

Dieser plausible Standpunkt des Bf wird durch die vorgelegten gutachterlichen Stellungnahmen der „A“ untermauert. Der Bf ist dem Amtlichen Untersuchungszeugnis der A durch Gutachten der „A“ (Lebensmittelgutachter gemäß § 73 LMSVG) auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Außerdem hat sich gezeigt (vgl III.3. und III.4.), dass die Ausführungen der A in der vom Landesverwaltungsgericht eingeholten ergänzenden Stellungnahme vom 31. März 2015 auf zweifelhaften Annahmen in der Frage der Ausgangsmaterialien für das gegenständliche Produkt beruhen. Da mehr Argumente für die Inhomogenität des Produkts als dagegen sprechen, muss zumindest im Zweifel der günstigere Sachverhalt angenommen werden. Deshalb können die Schlussfolgerungen der A in Anwendung der üblichen Toleranzen des zitierten Leitfadens der Europäischen Kommission nicht geteilt werden. Die tatsächliche Voraussetzung dafür (Ausschluss der Aspekte im Punkt 2.4.) ist mit der erforderlichen Sicherheit nicht festzustellen.

 

Im Strafverfahren darf ein den Beschuldigten belastender Sachverhalt nur angenommen werden, wenn entsprechende Feststellungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit getroffen werden können. Diese Möglichkeit scheidet nach Überzeugung des erkennenden Richters auf Basis der in Frage zu stellenden „Gutachten“ der A aus. Diese berücksichtigte ursprünglich den fachlichen Leitfaden der Europäischen Kommission überhaupt nicht und ging in der Folge von nicht gesicherten und zu wenig plausiblen Annahmen zur Herstellung des gegenständlichen Produkts und zu den verwendeten Ausgangsmaterialien aus.

 

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat rechtlich erwogen:

 

IV.1.Gemäß § 90 Abs 1 Z 1 LMSVG (BGBl I Nr. 13/2006, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 67/2014) begeht eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, und ist nach dem letzten Halbsatz mit Geldstrafe bis zu 50.000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 100.000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen,

 

wer Lebensmittel, die für den menschlichen Verkehr ungeeignet oder mit irreführenden oder krankheitsbezogenen Angaben versehen sind, oder in irreführender oder krankheitsbezogener Aufmachung in Verkehr bringt.

 

Bei vorsätzlichen Verstößen gegen Z 1 und 2, die in Kenntnis der Rechtwidrigkeit des Handelns begangen werden, ist, sofern die Folgen der Übertretung nicht unbedeutend sind, eine Geldstrafe in der Höhe von zumindest 700 Euro, bei Wiederholung von 4000 Euro, festzusetzen. Die Ersatzfreiheitsstrafe ist bis zu sechs Wochen festzusetzen.

 

IV.2. Was unter Inverkehrbringen zu verstehen ist, ergibt sich aus der Begriffsbestimmung nach § 3 Z 9 LMSVG, die zunächst grundsätzlich auf den Art 3 Z 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 verweist.

 

Nach dem Art 3 Z 8 der EG-BasisVO, das ist die Verordnung (EG) 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 (ABl 2020 L 31 idF ABl 2003 L 245 und ABl 2006 L 100), bezeichnet der Ausdruck "Inverkehrbringen" das Bereithalten von Lebensmitteln oder Futtermitteln für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jede andere Form der Weitergabe, gleichgültig ob unentgeltlich oder nicht, sowie den Verkauf, den Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst.

 

Im Absatz 2 des § 3 Z 9 LMSVG wird davon abweichend bei ursprünglich auf Grund des LMG 1975 erlassenen Verordnungen (wie im früher geltenden § 1 Abs 2 LMG 1975) angeordnet, dass als "Inverkehrbringen" auch das Gewinnen, Herstellen, Behandeln, Einführen, Lagern, Verpacken, Bezeichnen, Feilhalten, Ankündigen, Werben, Verkaufen, jedes sonstige Überlassen und das Verwenden für andere, sofern es zu Erwerbszwecken oder für Zwecke der Gemeinschaftsversorgung geschieht, zu verstehen ist. Bei Beurteilung einer Ware ist jedoch auch zu berücksichtigen, ob sich ihre etwaige den lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht entsprechende Beschaffenheit bloß aus der Besonderheit jener Phase des Inverkehrbringens ergibt, aus der sie stammt. Ein "Inverkehrbringen" liegt nicht vor, wenn sichergestellt ist, dass die Ware in ihrer den lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht entsprechenden Beschaffenheit nicht zum Verbraucher gelangt. Die Befugnisse der Aufsichtsorgane gemäß §§ 35, 39 und 41 LMSVG bleiben davon unberührt.

 

Das LMSVG kennt demnach zwei teilweise verschiedene Begriffe des "Inverkehrbringens", wobei grundsätzlich der engere Begriff nach der EG-BasisVO anzuwenden ist. Für die auf Grund des Lebensmittelgesetzes 1975 erlassenen Verordnungen (vgl zu deren Weitergeltung § 98 Abs 1 LMSVG) gilt der alte Begriff des § 1 Abs 2 LMG 1975 weiter (vgl Blass ua, LMR3 § 3 LMSVG Rz 35).

 

Das Inverkehrbringen der beanstandeten Ware wird durch die Lagerung im Kühllager des gegenständlichen Lebensmittelunternehmens für Verkaufszwecke in ausreichender Weise umschrieben. Das Bereithalten im Warenausgang, das die Weitergabe an Erwerber (seien es auch andere Unternehmer) oder Transporteure bezweckt, erfüllt jedenfalls die Voraussetzungen des § 3 Z 9 LMSVG. Damit wurde dem Bf ein Inverkehrbringen der Ware im Lebensmittelunternehmen, für das er verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich ist, angelastet.

 

IV.3. § 5 LMSVG regelt allgemeine Anforderungen beim Inverkehrbringen von Lebensmittel.

 

Nach § 5 Abs 2 LMSVG ist es verboten, Lebensmittel mit zur Irreführung geeigneten Angaben in Verkehr zu bringen oder zu bewerben. Zur Irreführung geeignete Angaben sind insbesondere

 

1. zur Täuschung geeignete Angaben über die Eigenschaften des Lebensmittels, wie Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung oder Herkunft und Herstellungs- oder Gewinnungsart;

2. Angaben von Wirkungen oder Eigenschaften, die das Lebensmittel nicht besitzt;

3. Angaben, durch die zu verstehen gegeben wird, dass das Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Eigenschaften besitzen.

 

Zum Merkmal der irreführenden Angaben im Straftatbestand des § 90 Abs 1 Z 1 LMSVG ergibt sich im Zusammenhang mit § 5 Abs 2 Z 1 LMSVG, dass insbesondere zur Irreführung geeignete Angaben gemeint sind, die dort als „zur Täuschung geeignete Angaben“ über die aufgezählten wesentlichen Eigenschaften eines Lebensmittels bezeichnet werden.

 

Zur Irreführung geeignete Angaben über Lebensmittel sind solche, bei denen die Vorstellung der angesprochenen Verkehrskreise über ihre Bedeutung mit den wahren Verhältnissen nicht im Einklang steht. Nicht nur unrichtige Angaben, sondern auch an sich richtige Behauptungen können im Zusammenhang mit täuschender Aufmachung, dem Verschweigen wesentlicher Umstände oder mehrdeutigen Wendungen einen bedenklichen Gesamteindruck hinterlassen, der von einem nicht unerheblichen Teil der Adressaten zu falschen Vorstellungen über Eigenschaften des Lebensmittels führen kann (vgl bspw VwGH 20.09.2012; Zl. 2011/10/0128: „Lebensmittelzubereitung“ als unzureichende Beschreibung für „Analogkäse“; VwGH 9.11.1992, Zl. 91/10/0105: Schweinskarree ohne Knochen als „Filet-Ersatz“; Blass ua, LMR³ § 5 LMSVG Rz 10).

 

Bei der Beurteilung der Irreführungs- bzw Täuschungseignung einer Angabe in der Deklaration von Lebensmitteln kommt es nach der in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs auf die mutmaßliche (wahrscheinliche) Auffassung bzw Erwartung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers an (vgl mit Hinweisen auf EuGH-Judikatur VwGH 22.11.2006, Zl. 2003/10/0042; VwGH 20.09.2011, Zl. 2011/10/0128; VwGH 26.09.2011, Zl. 2010/10/0145 = VwSlg 18217 A/2011). Die nationalen Gerichte haben sich unter Berücksichtigung dieses normativen Maßstabs der mutmaßlichen Erwartung eines aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers eine Überzeugung zu bilden, ob bestimmte Angaben irreführen können. Dabei wird die Eignung zur Irreführung entsprechend der Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu § 2 UWG angenommen, wenn ein nicht unerheblicher Teil der Betroffenen durch bestimmte Angaben irregeführt werden kann (vgl mwN VwGH 27.07.2007, Zl. 2004/10/0172). Es handelt sich bei der Irreführungseignung bzw der Wirkung einer Ankündigung auf die angesprochenen Verkehrskreise grundsätzlich um eine Rechtsfrage (vgl etwa VwGH 04.09.2000, Zl. 97/10/0167; VwGH 18.10.1993, Zl.93/10/0143; Blass ua, LMR³ § 5 LMSVG Rz 10).

 

IV.4. § 8 Abs 1 der Verordnung über die Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln –NWKV (BGBl Nr. 896/1995; Verordnung tritt gemäß § 95 Abs 3 LMSVG mit Ablauf des 12.12.2016 außer Kraft) regelt die in Zahlen anzugebenden Einheiten für die Angabe des Brennwerts und des Gehaltes an Nährstoffen oder Nährstoffbestandteilen.

 

Gemäß § 8 Abs 2 NWKV sind die nach Abs 1 anzugebenden Zahlen durchschnittliche Werte, die je nach Fall auf

 

1. der Lebensmittelanalyse der Hersteller,

2. der Berechnung auf der Grundlage der bekannten, tatsächlichen oder durchschnittlichen Werte der verwendeten Zutaten,

3. der Berechnung auf der Grundlage von generell nachgewiesenen und akzeptierten Daten.

 

Die Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel sieht im Art 30 Abs 1 eine verpflichtende Nährwertdeklaration für den Brennwert und bestimmte Nährstoffe vor. Auch nach dem Art 31 Abs 4 dieser Verordnung sind Durchschnittswerte anzugeben, für die die gleichen Kriterien wie im § 8 Abs 2 NWKV genannt werden.

 

Der Leitfaden der Europäischen Kommission für zuständige Kontrollbehörden aus Dezember 2012 in Bezug auf Toleranzen für angegebene Nährwerte hat keinen formalrechtlichen Status. Es handelt sich nach ausdrücklichem Hinweis auch noch um keine endgültige Fassung, vielmehr sind Aktualisierungen auf Grund neuer Erfahrungen und Erkenntnisse vorgesehen. Der Leitfaden gibt eine Fachmeinung wieder. Er soll nach Punkt 1.1. Anleitungen geben für Kontrollbehörden und Lebensmittelunternehmer.

 

Im Punkt 3. werden die (normalen) Toleranzen (einschließlich Messunsicherheit) bei der Nährwertangabe auf Lebensmitteln behandelt. In der angeführten Tabelle ist für „Fett“ im Bereich von <10g pro 100g ± 1,5g vorgesehen, was gegenständlich 7,5 g pro 100g und damit 7,5 % zuließe.

 

Punkt 2.4. listet Aspekte auf, die zu berücksichtigen sind, wenn der Messwert außerhalb des Toleranzbereichs liegt. In einem solchen Fall sollte eine besondere Bewertung unter Berücksichtigung der Aspekte vorgenommen werden. Beispielsweise werden Aspekte wie das Ausmaß der Abweichung, die Art der Abweichung, natürliche hohe Schwankungsbreite des Nährstoffs (auch jahreszeitlich bedingt), besonders geringe Homogenität eines Produkts, die zu besonders hohen Schwankungen führt, angegeben.

 

Daraus ist abzuleiten, dass die in der Tabelle angegebenen Toleranzen nur den Normalfall betreffen und unter besonderen Umständen nicht maßgeblich bzw anwendbar sind, sondern auch überschritten werden können, wobei ein besondere fachliche Bewertung vorzunehmen ist.

 

Im vorliegenden Fall bewegt sich das Ausmaß der Abweichung von dem normalen Toleranzwert nur im Zehntelprozentbereich (Probe: 8,3 -7,5 = 0,8 bzw Gegenprobe 7,9 – 7,5 = 0,4). Dies erscheint zunächst nicht besonders hoch. Im Übrigen ist nach den getroffenen Feststellungen (vgl III.3. bis III.5.) im Zweifel zugunsten des beschuldigten Bf von einer geringen Homogenität des Produkts auszugehen, zumal in den Ausgangsmaterialien aus gewachsenem Fleisch eine relativ hohe Schwankungsbreite des Nährstoffs Fett vorkommen kann und nach der Textur auch kein hinsichtlich der Nährstoffe leichter einstellbares Brät wie etwa bei Extrawurst verwendet wird. Aus diesen Gründen schloss der Lebensmittelgutachter der „ANALYTEC“ die direkte Anwendbarkeit der Toleranzwerte aus und sah hinsichtlich des Fettgehalts keinen Anlass zur Beanstandung.

 

Die Maßfigur des „aufmerksamen und verständigen“ (mündigen) Durchschnittsverbrauchers, der sich gegebenenfalls auch noch nähere Informationen über Toleranzen bei der Nährwertkennzeichnung beschafft, wird erwarten, dass die Angaben zu Nährstoffen Durchschnittswerte sind, die im Einzelfall auch überschritten werden können. Nach Ansicht des erkennenden Gerichts kann bei diesem Auslegungsmaßstab „eine zur Irreführung geeignete Angabe“ in Bezug auf die Nährstoffangabe nicht vorliegen, soweit ein realistischer Durchschnittswert nach den oben genannten Kriterien angegeben wurde und die Abweichung von der üblichen Toleranz durch die Umstände des Einzelfalls begründbar erscheint. Letzteres ist gegenständlich der Fall. Ein Beweisergebnis, dass schon der ausgelobte Durchschnittswert von 6 % Fett von vornherein nicht zutreffend sein kann (vgl Kriterien im § 8 Abs 2 NWKV), ist im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen.

 

IV.5. Im Ergebnis kann die dem Bf angelastete Übertretung des Inverkehrbringens eines Lebensmittels mit einer zur Täuschung geeigneten Angabe über eine Eigenschaft iSd § 5 Abs 2 Z 1 LMSVG (Zusammensetzung des Produkts) nicht angenommen werden

 

Der Beschwerde war daher stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG iVm § 38 VwGVG mangels einer strafbaren Verwaltungsübertretung einzustellen.

 

Bei diesem Ergebnis entfällt sowohl die Verpflichtung zur Leistung eines Beitrags zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens (§ 66 Abs 1 VStG) als auch zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 52 Abs 9 VwGVG) und weiter die Verpflichtung gemäß § 71 Abs 3 LMSVG zum Ersatz von Kosten der Lebensmitteluntersuchung, zumal insofern ein Straferkenntnis und damit eine Verurteilung vorausgesetzt wird.

 

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ist in der Frage der Irreführungseignung von Angaben in der Deklaration von Lebensmitteln nicht vom normativen Maßstab der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu einem vergleichbaren Sachverhalt noch nicht vorliegen dürfte, bedeutet noch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Der Verwaltungsgerichtshof wäre sonst häufig zur Entscheidung berufen, obwohl die Rechtslage geklärt ist und es – wie im gegenständlichen Fall - im Wesentlichen um Fragen der Einzelfallgerechtigkeit geht (vgl etwa VwGH 23.9.2014, Zl. Ro 2014/01/0033). Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof  beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. W e i ß