LVwG-750310/2/BP/SA

Linz, 09.12.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde der M L, geb. x, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Dr. H B, x, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 3. November 2015, GZ: Pol18-2786, mit dem der Erstantrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehörige“ zurückgewiesen wurde,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm § 47 Abs. 2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes – NAG, wird der Beschwerde insoweit stattgegeben, als der angefochtene Bescheid aufgehoben wird.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

 

1. Mit Bescheid vom 3. November 2015, GZ: Pol18-2786, wies die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (im Folgenden: belangte Behörde) namens des Landeshauptmannes von Oberösterreich den Erstantrag der Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf) vom 20.2.2015 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gemäß § 21a Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2005 - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF zurück.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst Folgendes aus:

 

Sie haben am 20.02.2015 bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger" eingebracht.

 

Als familienangehörige Bezugsperson haben Sie Ihren Ehegatten, O L, geb. x, österreichischer Staatsbürger, angegeben; als beabsichtigten Wohnsitz die Adresse x.

 

Mit Schreiben vom 19.10.2015, von Ihnen nachweislich übernommen am 20.10.2015, wurde Ihnen mitgeteilt, dass die hs. Niederlassungsbehörde beabsichtigt, Ihren Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger" zurück bzw. abzuweisen. Gleichzeitig wurde Ihnen die Möglichkeit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Erhalt des zitierten Schreibens schriftlich Stellung zu nehmen.

 

Dazu haben Sie wie folgt Stellung genommen:

„Die Staatsanwaltschaft Linz hat die Strafsache (Vorfall 20.2.15) gegen mich mit schriftlicher Mitteilung vom 24.6.15 eingestellt. Somit liegt also von mir keine Straftat vor. Ich bin nicht vorbestraft. Mein Mann, mein Sohn mit Gattin und meinem Enkel, leben hier in Österreich und ich habe das Recht bei meinem Mann zu leben. Ich habe It. Ihrem Schreiben den geforderten Nachweis über Kenntnisse der deutschen Sprache nicht erbracht und Sie den Erstantrag zurückweisen wollen. Ich bin gerne bereit (und das muss ich auch) den geforderten Sprachkurs in Österreich zu absolvieren, damit die erforderlichen Kriterien erfüllt sind."

 

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem durchgeführten Ermittlungsverfahren, insbesondere aus den, Ihrem Antrag beigefügten Unterlagen.

 

In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

 

Gemäß § 21a Abs. 1.NAG haben Drittstaatsangehörige mit der Stellung eines Erstantrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 2, 4, 5, 6 oder 8 Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen. Dieser Nachweis hat mittels eines allgemein anerkannten Sprachdiploms oder Kurszeugnisses einer durch Verordnung gemäß Abs. 6 oder 7 bestimmten Einrichtung zu erfolgen, in welchem diese schriftlich bestätigt, dass der Drittstaatsangehörige über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau verfügt. Das Sprachdiplom oder das Kurszeugnis darf zum Zeitpunkt der Vorlage nicht älter als ein Jahr sein.

 

Als Nachweis über Ihre Deutschkenntnisse haben Sie Ihrem Antrag ein G-Zertifikat über die erfolgreiche Ablegung der zentralen Mittelstufenprüfung vorgelegt. Dieses Zertifikat wurde von uns dem G-Institut zur Überprüfung übermittelt. Im Zuge dieser Überprüfung wurde vom G-Institut festgestellt, dass es sich bei dem von Ihnen vorgelegten Zertifikat eindeutig um eine Fälschung handelt.

 

In Folge dessen haben Sie auch keinen gültigen Nachweis über elementare Deutschkenntnisse erbracht. Da § 21a Abs. 1 NAG aber normiert, dass schon bei Stellung des Erstantrages Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen sind, war Ihr Antrag auch zurückzuweisen.

 

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitige, durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter eingebrachte Beschwerde der Bf vom 27. November 2015, worin ua. ausgeführt wird:

 

Gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, Poll8-2786, vom 3.11.2015, zugestellt am 5.11.2015, erhebe ich innerhalb offener Frist durch meinen nunmehrigen Rechtsvertreter

Beschwerde

 

und stelle die Anträge, das Verwaltungsgericht möge:

a. eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen und

durchführen; sowie

b. den hier angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-

Land vom 3.11.2015, GZ. Poll8-2786, dahingehend abändern, dass

meinem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels

Familienangehöriger vom 20.2.2015 stattgegeben wird; in eventu

c. den hier angefochtenen Bescheid der Erstbehörde aufheben und dieser

die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftragen.

 

Meine Beschwerde begründe ich wie folgt:

 

Mein am 20.2.2015 eingebrachter Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger" wird zurückgewiesen, da ich einen Nachweis über die absolvierte Deutschprüfung A1 nicht beibringen hätte können. Das von mir vorgelegte Zertifikat des G Institut wurde als Fälschung qualifiziert und wurde daher mein Antrag zurückgewiesen. Ich ersuche um Berücksichtigung, dass das gegen mich eingeleitete Strafverfahren mit einem Freispruch endete und ersuche auch zu berücksichtigen, dass ich mittlerweile am 18.11.2015 in Österreich beim B O die AI Prüfung nochmals absolviert habe. Die entsprechende Anmeldebestätigung übermittle ich in der Anlage zu Ihrer Kenntnisnahme. Das Prüfungszertifikat werde ich umgehend nach Erhalt weiterleiten, sodass die Voraussetzungen für die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels nunmehr gegeben sind und ich daher beantrage, den entsprechenden Aufenthaltstitel zu erteilen.

 

3. Das Oö. Landesverwaltungsgericht (Oö. LVwG) ist gemäß § 2 VwGVG zur Entscheidung durch Einzelrichter berufen, zumal das Materiengesetz keine Senatszuständigkeit vorsieht.

 

4.1. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den mit Schreiben vom 30. November 2015 von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vorgelegten Verwaltungsakt. Aus dem Verwaltungsakt ließ sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt widerspruchsfrei feststellen.

 

4.2. Von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 VwGVG abgesehen werden, zumal der relevante Sachverhalt geklärt und bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war.

 

5.1. Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht bei seiner Entscheidung von dem unter Punkt I.1 und I.2. dieses Erkenntnisses dargestelltem relevanten Sachverhalt aus.

 

 

II.

 

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt.

 

 

III.

 

1. Das 2. Hauptstück des 2. Teils des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (im Folgenden: NAG) hat „Familienangehörige und andere Angehörige von dauernd in Österreich wohnhaften Zusammenführenden“ zum Gegenstand, wobei § 47 NAG nähere Regelungen für den Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ enthält.

 

Gemäß § 47 Abs. 1 NAG sind Zusammenführende im Sinne der Abs. 2 bis 4 Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und nicht ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben.

 

Gemäß § 47 Abs. 2 NAG ist Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden sind, ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen.

 

Familienangehöriger ist gemäß § 2 Abs. 1 Z 9 NAG: „wer Ehegatte oder minderjähriges lediges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind, ist (Kernfamilie); dies gilt weiters auch für eingetragene Partner; Ehegatten und eingetragene Partner müssen das 21. Lebensjahr zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits vollendet haben; lebt im Fall einer Mehrfachehe bereits ein Ehegatte gemeinsam mit dem Zusammenführenden im Bundesgebiet, so sind die weiteren Ehegatten keine anspruchsberechtigten Familienangehörigen zur Erlangung eines Aufenthaltstitels“.

 

Gemäß § 21a Abs. 1.NAG haben Drittstaatsangehörige mit der Stellung eines Erstantrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 2, 4, 5, 6 oder 8 Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen. Dieser Nachweis hat mittels eines allgemein anerkannten Sprachdiploms oder Kurszeugnisses einer durch Verordnung gemäß Abs. 6 oder 7 bestimmten Einrichtung zu erfolgen, in welchem diese schriftlich bestätigt, dass der Drittstaatsangehörige über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau verfügt. Das Sprachdiplom oder das Kurszeugnis darf zum Zeitpunkt der Vorlage nicht älter als ein Jahr sein.

 

2.1. Im vorliegenden Fall ist nun unbestritten, dass die Bf als Drittstaatsangehörige und Ehegattin eines österreichischen Staatsbürgers betreffend die Erlangung eines Aufenthaltstitels „Angehöriger“ unter das Regime des § 47 Abs. 2 NAG fällt. Dieser verweist grundsätzlich auf das Erfordernis des Vorliegens der Voraussetzungen des 1. Teiles des NAG. Neben zahlreichen anderen Voraussetzungen normiert § 21a NAG den Nachweis von Deutschkenntnissen auf einem Mindestniveau.

 

Als Nachweis über ihre Deutschkenntnisse hatte die Bf ihrem Antrag ein G-Zertifikat über die erfolgreiche Ablegung der zentralen Mittelstufenprüfung beigelegt. Dieses Zertifikat wurde dem G-Institut zur Überprüfung übermittelt. Im Zuge dieser Überprüfung wurde vom G-Institut festgestellt, dass es sich bei dem vorgelegten Zertifikat eindeutig um eine Fälschung handelt. Dieser Umstand veranlasste die belangte Behörde – nach Verständigung der Bf über das Ergebnis der Beweisaufnahme – den Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels als unzulässig zurückzuweisen. Es stellt sich aber nun die Frage, ob die Zurückweisung per se zulässig war.

 

2.2. Die in § 21a NAG geforderte Bedingung des Nachweises von Grundkenntnissen der deutschen Sprache ist eine in § 47 Abs. 2 NAG genannte materielle Voraussetzung der Erfüllung des 1. Teiles des NAG. Die belangte Behörde hat also inhaltlich zu prüfen, ob sämtliche Bedingungen erfüllt sind. Bei Nicht-Vorliegen einer oder mehrerer Voraussetzungen ist nach materieller Prüfung ein Antrag als unbegründet abzuweisen, nicht aber als unzulässig zurückzuweisen. Die belangte Behörde hat sich vor diesem Hintergrund konsequent auch inhaltlich mit der Frage der Echtheit des vorgelegten Prüfungsdokumentes beschäftigt.

 

Sohin wäre der Antrag – aus Sicht der belangten Behörde - als unbegründet abzuweisen gewesen, weil ja eine Voraussetzung von der Bf für die Erteilung des in Rede stehenden Aufenthaltstitels nicht erfüllt wurde.

 

Nachdem Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Zurückweisung des in Rede stehenden Antrages war, ist dem LVwG eine Entscheidung über dessen Begründetheit verwehrt.

 

2.3. Im Ergebnis war daher der Beschwerde insoweit stattzugeben, als der angefochtene Bescheid aufzuheben war. 

 

3. Aber auch wenn man zu dem Schluss kommen würde, dass das Nichtvorlegen eines gültigen Sprachdiploms einen Mangel des ursprünglichen Antrages darstellen würde, so hätte die belangte Behörde die Verbesserung des Mangels unter Setzung einer entsprechenden Frist auftragen müssen, was sie im Fall des Sprachdiploms aber nicht getan hat. Auch bei einer derartigen Betrachtungsweise wäre der angefochtene Bescheid also aufzuheben gewesen. 

 

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Bernhard Pree