LVwG-780019/40/Gf/Mu
Linz, 30.12.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K !
Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat durch seinen Einzelrichter Dr. Alfred Grof über die Beschwerde der N T Q, vertreten durch RA Mag. T B, gegen die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Exekutivorgane der Landespolizeidirektion Oberösterreich am 11. Juni 2014
z u R e c h t e r k a n n t:
I. In Bindung an die vom Verwaltungsgerichtshof in dessen Erkenntnissen vom 24. März 2014, Ra 2014/21/0058, und vom 12. November 2015, Ra 2015/21/0103, geäußerte Rechtsansicht wird die Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 3 B-VG i.V.m. § 28 VwGVG als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass die am 11. Juni 2014 von Exekutivbeamten der Landespolizeidirektion Oberösterreich durchgeführte Festnahme und anschließende Zurückschiebung der Beschwerdeführerin nach Deutschland nicht rechtswidrig war.
II. Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Verfahrenspartei: Landespolizeidirektion Oberösterreich) Kosten in einer Höhe von insgesamt 887,20 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
1.1. Mit Schriftsatz vom 16. Juli 2014 brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie eine bolivianische Staatsangehörige und seit dem 10. Dezember 2010 mit einem italienischen (nachfolgend korrigiert auf: deutschen) Staatsbürger verheiratet sei. Sie habe zwar ihren Hauptwohnsitz in Deutschland, aber – beginnend mit 11. Juni 2014 – in einem Haus in L bei L auch eine Wohnung gemietet, um dort einer selbstständigen Erwerbstätigkeit als Prostituierte nachgehen zu können.
Am 11. Juni 2014 sei sie um 11.50 Uhr von drei Exekutivbeamten der Landespolizeidirektion Oberösterreich (im Folgenden: LPD OÖ) festgenommen worden; etwa vier Stunden später sei sie unter Polizeibegleitung zum L Bahnhof eskortiert und dazu angehalten worden, umgehend das Bundesgebiet zu verlassen.
1.2. Gegen dieses vermeintlich widerrechtliche Vorgehen hat die Rechtsmittelwerberin eine am 21. Juli 2014 ho. eingelangte – und damit jedenfalls rechtzeitige –, auf Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B‑VG i.V.m. § 88 des Sicherheitspolizeigesetzes gestützte Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich erhoben.
Mit dieser wurde einerseits beantragt, eine Verletzung in ihren subjektiven Rechten durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, nämlich sowohl durch ihre Festnahme als auch durch ihre Ausweisung nach Deutschland, kostenpflichtig festzustellen sowie andererseits begehrt, der Beschwerde gemäß § 22 VwGVG aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Begründend wurde dazu im Wesentlichen vorgebracht, dass die Rechtsmittelwerberin über eine deutsche Niederlassungserlaubnis verfüge und daher ihre Einreise nach Österreich und ein Aufenthalt im Bundesgebiet bis zu 3 Monaten ohne Visum zulässig sei. Außerdem stünden einer kurzfristigen selbständigen Tätigkeit als Prostituierte gesetzliche Hindernisse, insbesondere § 24 des Fremdenpolizeigesetzes, nicht entgegen, zumal eine längere Niederlassung in Österreich gar nicht beabsichtigt sei.
1.3. Mit hg. Beschluss vom 30. Juli 2014, LVwG-780019/2/Gf/UD/Rt, wurde der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung als unzulässig zurückgewiesen.
1.4. In der Folge hat die LPD OÖ den do. Bezug habenden Akt zu Zl. 21087/FRB vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, mit der die kostenpflichtige Abweisung der gegenständlichen Maßnahmenbeschwerde beantragt wird.
Begründend wurde dazu ausgeführt, dass sich die Rechtsmittelwerberin trotz Vorliegens eines gültigen deutschen Aufenthaltstitels deshalb nicht i.S.d. § 31 Abs. 1 Z. 3 des Fremdenpolizeigesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, weil sie hier – wie sich auch aus der Strafverfügung der LPD OÖ vom 11. Juni 2014, Zl. VStV/914300415575/2014 ergebe – einer unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen sei.
Davon ausgehend sei aber die Vorgangsweise der einschreitenden Sicherheitsorgane sowohl hinsichtlich der Festnahme als auch in Bezug auf die Zurückschiebung der Beschwerdeführerin jeweils vertretbar und sohin rechtmäßig gewesen.
1.5. Die Rechtsmittelwerberin hat zu dieser Gegenschrift in der öffentlichen Verhandlung eine schriftliche Stellungnahme vorgelegt (vgl. die Beilage zum Verhandlungsprotokoll, ONr. 11 des hg. Aktes).
1.6. In der Folge hat das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der LPD OÖ zu Zl. 21087/FRB sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 17. September 2014, zu der als Parteien einerseits der Vertreter der Beschwerdeführerin, RA Mag. T B, und andererseits Hofrat Dr. K W als Vertreter der LPD OÖ sowie die Zeugen AI M M, GI M H, GI T H, GI J K und Insp. K H erschienen sind.
1.6.1. Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:
1.6.1.1. Am 11. Juni 2014 haben drei Beamte des Landeskriminalamtes Oberösterreich (die drei erstgenannten Zeugen) eine Kontrolle im Etablissement „Laufhaus L“ durchgeführt. Im Zuge dieser Nachschau wurde eine größere Anzahl von Frauen, die dort jeweils als Prostituierte arbeiteten – darunter auch die Beschwerdeführerin –, angetroffen. Bei der Rechtsmittelwerberin wurde festgestellt, dass sie lediglich über einen bolivianischen Reisepass und einen deutschen Aufenthaltstitel verfügte; außerdem gab sie an, seit einigen Tagen in L zu sein und hier als Prostituierte zu arbeiten.
Insgesamt resultierte daraus für die Sicherheitsorgane der Verdacht, dass sich die Beschwerdeführerin illegal in Österreich aufhält, da sie nur einen für Deutschland gültigen Aufenthaltstitel, jedoch keine Arbeitserlaubnis vorzuweisen hatte, sodass sie sich zwar in Österreich – z.B. als Touristin – aufhalten, nicht aber auch erwerbstätig hätte sein dürfen.
Daher wurde die Rechtsmittelwerberin gegen 11:50 Uhr zum Zweck der Vorführung vor die Behörde festgenommen und umgehend ins Polizeianhaltezentrum L verbracht.
1.6.1.2. In der Folge wurde sie zwischen 16:00 und 17:00 Uhr von zwei anderen Polizeibeamten (den beiden letztgenannten Zeugen) nochmals zu ihrer Unterkunft in L begleitet, um dort ihre persönlichen Sachen abholen zu können. Anschließend wurde sie mit dem Dienstfahrzeug zum L Hauptbahnhof gefahren, wo sie ihre Zugfahrkarte nach F löste.
Sodann wurde auf die Abfahrt des Zuges gewartet und schließlich deren Ausreise nach Deutschland von den beiden Polizeibeamten überwacht, wobei es während der gesamten Amtshandlung zu keinerlei Widerstand seitens der Beschwerdeführerin gekommen war.
1.6.2. Diese – im Übrigen auch von der Rechtsmittelwerberin nicht bestrittenen – Sachverhaltsfeststellungen ergaben sich aus den glaubwürdigen und sowohl in sich als auch wechselseitig widerspruchsfreien Aussagen der in der öffentlichen Verhandlung einvernommen Zeugen sowie aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt.
1.7. Davon ausgehend hat das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich die Beschwerde der Rechtsmittelwerberin mit Erkenntnis vom 30. September 2014, LVwG-780019/12/Gf/Rt, als unbegründet abgewiesen.
1.7.1. Begründend wurde dazu zunächst ausgeführt, dass die Verwaltungsgerichte der Länder gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 88 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl.Nr. 566/1991 i.d.g.F. BGBl.Nr. I 73/2014, über Beschwerden von Menschen erkennen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein.
Nach § 31 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005 i.d.g.F. BGBl.Nr. I 144/2013 (im Folgenden: FPG), halten sich Fremde dann bis zu drei Monaten rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen.
Gemäß § 120 Abs. 1a FPG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 500 Euro bis zu 2.500 Euro zu bestrafen, der sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.
Nach § 3 Abs. 1 des Oö. Sexualdienstleistungsgesetzes, LGBl.Nr. 80/2012 i.d.g.F. LGBl.Nr. 90/2012 (im Folgenden: OöSDLG), darf eine Sexualdienstleistung von Personen, die ein gültiges Gesundheitsbuch nicht besitzen (Z. 3) oder bei denen eine Untersuchung gemäß § 1 Z. 6 der Oö. Tuberkulose-Reihenunter-suchungsverordnung, LGBl.Nr. 80/1999 i.d.g.F. LGBl.Nr. 18/2010 (im Folgenden: Tbc-RV), nicht durchgeführt wurde (Z. 4), weder angebahnt noch ausgeübt werden.
Nach § 39 Abs. 1 Z. 1 FPG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dazu ermächtigt, einen Fremden zum Zweck einer für die Sicherung des Verfahrens unerlässlichen Vorführung vor die Landespolizeidirektion festzunehmen und bis zu 24 Stunden anzuhalten, wenn sie ihn bei Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 120 auf frischer Tat betreten.
Gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 FPG können Fremde von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag der Landespolizeidirektion u.a. dann zur Rückkehr in einen Mitgliedstaat verhalten werden (Zurückschiebung), wenn sie innerhalb von sieben Tagen, nachdem ihr visumpflichtiger Aufenthalt im Bundesgebiet nicht mehr rechtmäßig ist, betreten werden; in solchen Aufträgen kann nach § 45 Abs. 2 FPG auch die Begleitung der Zurückschiebung eines Fremden angeordnet werden.
1.7.2. Vor diesem rechtlichen Hintergrund sei im gegenständlichen Fall zwischen den Verfahrensparteien in erster Linie die Rechtsfrage strittig, ob die Beschwerdeführerin dazu berechtigt war, in Österreich selbständig und erwerbsmäßig die Prostitution auszuüben.
Dies treffe aber schon deshalb nicht zu, weil die Rechtsmittelwerberin weder über ein Gesundheitsbuch verfügte noch an ihr zuvor die erforderliche Tuberkuloseuntersuchung durchgeführt worden war. Dementsprechende Nachweise seien nämlich weder von ihr selbst vorgelegt worden noch hätten sich entsprechende Hinweise aus dem Akt der belangten Behörde ergeben, im Gegenteil: Im Übergabebericht der LPD OÖ vom 11. Juni 2014, Zl. E1/67507/2014-Ham, sei ausdrücklich festgehalten, dass die Beschwerdeführerin „nicht im Besitz einer entsprechenden Arbeitserlaubnis“ war (vgl. S. 2) und auch im Zuge der öffentlichen Verhandlung habe der erste Zeuge ausgeführt, dass diese „allerdings die hierfür erforderlichen Papiere nicht hatte“ (vgl. S. 3 des Verhandlungsprotokolls, ONr. 11 des hg. Aktes).
Damit sei ihr aber schon aus diesem Grund sowohl die Anbahnung als auch die Ausübung der Prostitution – und zwar einerlei, ob diese tatsächlich selbständig oder in Form eines arbeitsrechtlichen Verhältnisses, für welches im Übrigen auch allseits unbestritten keine Arbeitserlaubnis nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz vorgelegen wäre, erfolgte bzw. hätte erfolgen sollen – gemäß § 3 Abs. 1 Z. 4 OöSDLG untersagt gewesen.
1.7.3. Davon ausgehend habe sich aber die Annahme der einschreitenden Sicherheitsorgane, dass sie die Rechtsmittelwerberin bei der Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 120 Abs. 1a FPG betreten hätten, weshalb sich ihr Aufenthalt im Bundesgebiet ungeachtet ihrer gültigen deutschen Niederlassungsbewilligung als rechtswidrig erweise, ex ante betrachtet offenkundig nicht als unvertretbar (und im Nachhinein besehen auch als zutreffend) erwiesen, sodass die in der Folge auf § 39 Abs. 1 Z. 1 FPG (der sich insoweit als eine lex specials zu § 35 VStG erweist) gegründete Festnahme zwecks deren Vorführung vor die LPD OÖ und deren umgehende Zurückschiebung rechtmäßig gewesen sei.
Gleiches gelte für die in der Folge vorgenommene tatsächliche Durchführung der Zurückschiebung und deren Überwachung durch Sicherheitsorgane gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 FPG i.V.m. § 45 Abs. 2 FPG, wobei in diesem Zusammenhang allseits unbestritten ohnehin keinerlei Zwangsausübung oder -androhung i.S.d. Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B‑VG erfolgt sei.
1.7.4. Vor diesem Hintergrund habe auch die Frage der Nichtanwendbarkeit des § 24 Abs. 1 Z. 1 FPG für den gegenständlichen Fall auf sich beruhen können, weil die Anwendbarkeit dieser Bestimmung ersichtlich ohnehin ebenfalls davon ausgehe, dass eine gesetzlich erlaubte Erwerbstätigkeit vorliegen muss.
Dass hierbei eine nach österreichischen Rechtsvorschriften erlaubte Tätigkeit gefordert sei – und sohin eine nach ausländischen Bestimmungen erteilte Berechtigung auch im Lichte der Schengen-Bestimmungen für eine erlaubte Erwerbstätigkeit nicht hinreiche –, werde schon daran deutlich, dass der Erteilung solcher Bewilligungen jeweils völlig unterschiedliche ordnungsrechtliche Zielvorstellungen zu Grunde liegen könnten, die im autonomen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des jeweiligen Mitgliedsstaates liegen würden.
Davon abgesehen, dass aus der mit der deutschen Aufenthaltserlaubnis der Beschwerdeführerin verbundenen Berechtigung „Erwerbstätigkeit gestattet“ ohnehin nicht einmal dezidiert hervorgehe, dass darauf gestützt in Deutschland die Prostitutionsausübung zulässig wäre, könne daraus jedenfalls nicht abgeleitet werden, dass es sich bei der ohne Gesundheitsbuch und vorherige Untersuchung nach der Tbc-RV beabsichtigten Ausübung der Prostitution in Oberösterreich um eine zulässige und daher erlaubte Tätigkeit handeln würde.
1.7.5. Da somit der Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet aus allen diesen Gründen nicht rechtmäßig gewesen sei, erweise sich sowohl deren Festnahme zum Zweck ihrer Vorführung vor die LPD OÖ als auch die Überwachung von deren Zurückschiebung nach Deutschland schon von vornherein nicht als rechtswidrig, weshalb die vorliegende Maßnahmenbeschwerde gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen gewesen sei.
1.8. Gegen diese Entscheidung wurde von der Rechtsmittelwerberin eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) erhoben.
1.9. Mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2014, Zl. 21087/FRB, hat die LPD Oberösterreich mitgeteilt, dass gegen die Beschwerdeführerin wegen Übertretung des § 120 Abs. 1a FPG am 11. Juni 2014 eine Geldstrafe in Höhe von 500 Euro verhängt und am 3. Dezember 2014 eine Anzeige wegen Verdachtes der Urkundenfälschung erstattet worden sei.
1.10. Mit Erkenntnis vom 24. März 2015, Zl. Ra 2014/21/0058, hat der VwGH der außerordentlichen Revision der Beschwerdeführerin stattgegeben und das hg. Erkenntnis vom 30. September 2014 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Begründend wurde dazu ausgeführt, dass sich die Rechtsmittelwerberin zu Recht darauf habe berufen können, dass vom Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich in dessen rechtliche Würdigung solche Sachverhaltselemente einbezogen worden seien, die ihr ihr zuvor nicht bekannt gewesen bzw. vorgehalten worden seien; denn die Begründung der Entscheidung verstoße insoweit, als sie darauf gestützt wurde, dass sie nicht über das erforderliche Gesundheitsbuch und über eine Tuberkuloseuntersuchung verfüge, gegen das Überraschungsverbot, weil diese Umstände von den Verfahrensparteien nicht geltend gemacht worden seien und ihnen hierzu kein Parteiengehör eingeräumt worden sei.
Im Übrigen hätte diese Begründung das abweisende Erkenntnis auch deshalb nicht tragen können, weil der letzte Halbsatz des § 31 Abs. 1 Z. 3 FPG nach seinem Telos (vgl. dazu die E zur RV, 330 BlgNR, 24. GP, S. 29) darauf abstelle, ob der Fremde während seines Aufenthalts in Österreich einer Erwerbstätigkeit nachgeht, die nicht von dem ihm erteilten Aufenthaltstitel eines anderen Schengen-Staates umfasst ist. Nur unter dieser Voraussetzung könne der Aufenthalt eines Fremden, der Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels ist, unter dem Gesichtspunkt des letzten Halbsatzes des § 31 Abs. 1 Z. 3 FPG als unrechtmäßig qualifiziert werden, nicht aber schon dann, wenn bestimmte Rahmenbedingungen für die Aufnahme einer grundsätzlich erlaubten Erwerbstätigkeit (fallbezogen nach dem OöSDLG oder nach der GewO) fehlen.
1.11. Unter Bindung an diese vom VwGH geäußerte Rechtsmeinung (vgl. § 63 Abs. 1 VwGG) wurde der Beschwerde der Rechtsmittelwerberin mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich vom 30. April 2015, LVwG-780019/29/Gf/Mu, stattgegeben und festgestellt, dass die am 11. Juni 2014 von Exekutivorganen der Landespolizeidirektion Oberösterreich durchgeführte Festnahme und anschließende Zurückschiebung der Beschwerdeführerin nach Deutschland rechtswidrig gewesen sei.
Begründend wurde festgestellt, dass in den Gesetzesmaterialien zu § 31 Abs. 1 Z. 3 FPG i.d.F. der Novelle BGBl.Nr. I 122/2009 ausgeführt wird (vgl. 330 BlgNR, 24. GP, S. 29):
„Die Ergänzung in Z. 3 soll klarstellen, dass ein Aufenthalt von Fremden, die über einen Aufenthaltstitel eines anderen Schengen-Staates verfügen, in Österreich nur dann rechtmäßig ist, wenn sie während ihres Aufenthalts in Österreich keiner nicht von diesem Aufenthaltstitel umfassten Erwerbstätigkeit, also in diesem Sinne unerlaubten Erwerbstätigkeit, nachgehen.“
Daraus sowie i.V.m. der vom VwGH in dessen Erkenntnis vom 24. März 2015, Zl. Ra 2014/21/0058, geäußerten Rechtsansicht gehe hervor, dass aus fremdenpolizeirechtlicher Sicht dann, wenn ein Fremder in Österreich eine Erwerbstätigkeit ausübt, ein unerlaubter Aufenthalt dieses Fremden nur dann vorliege, wenn die Art des ausgeübten Gewerbes als solche vom Aufenthaltstitel des anderen Mitgliedstaates schon von vornherein nicht erfasst ist. Hingegen bilde die bloße Nichterfüllung von innerstaatlichen, auf die konkrete Erwerbstätigkeit bezogenen Ordnungsvorschriften allenfalls einen Verstoß gegen diese; sie führe jedoch nicht zu einer Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts des Fremden.
Im vorliegenden Fall habe die Beschwerdeführerin allseits unbestritten über einen deutschen Aufenthaltstitel, der ihr dort eine Erwerbstätigkeit als Prostituierte gestattete, verfügt. Davon ausgehend sei ihr aber diese Art der Erwerbstätigkeit dem Grunde nach auch während ihres Aufenthalts in Österreich gestattet gewesen, sodass sich dieser im Lichte des § 31 Abs. 1 Z. 3 FPG auch nicht als rechtswidrig erwies; darauf, ob sie im Zuge der Ausübung dieses Gewerbes auch sämtliche hierfür maßgeblichen Ordnungsvorschriften (insbesondere jene des OöSDLG) beachtete, sei es hingegen aus fremdenpolizeilicher Sicht nicht angekommen.
Damit hätte die Beschwerdeführerin aber am Vorfallstag weder zum Zweck ihrer Vorführung vor die Behörde festgenommen noch nach Deutschland zurückgeschoben werden dürfen, weshalb ihrer Maßnahmenbeschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 3 B-VG i.V.m. § 28 VwGVG stattzugeben und festzustellen gewesen sei, dass die am 11. Juni 2014 von Organen der LPD OÖ durchgeführte Festnahme und anschließende Zurückschiebung der Rechtsmittelwerberin in die BRD rechtswidrig war.
1.12. Gegen dieses Erkenntnis hat die LPD OÖ eine außerordentliche Amtsrevision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.
1.13. Mit Erkenntnis vom 12. November 2015, Ra 2015/21/0103, hat der VwGH dieser Revision stattgegeben und das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich neuerlich wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründend wurde dazu – zusammengefasst – ausgeführt, dass der VwGH zur Stammfassung des § 31 Z. 3 FPG („Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie Inhaber eines vom Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitel sind“) in seinem Erkenntnis vom 24. November 2009, 2008/21/0436, festgestellt habe, dass der allgemein gehaltene Wortlaut keinerlei Einschränkung dahin enthalte, dass die Rechtmäßigkeit des inländischen Aufenthalts im Fall von Erwerbstätigkeit eine entsprechende Bewilligung verlange. Davon ausgehend sei diese Bestimmung bereits mit dem Fremdenrechts-Änderungsgesetz 2009 (mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2010) entsprechend geändert worden („Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Tätigkeit nachgehen“). Vor diesem Hintergrund sei die im VwGH-Erkenntnis vom 24. März 2015, Ra 2014/21/0058, unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien vertretene Ansicht, dass es nach dem Telos dieser Bestimmung darauf ankomme, ob der Fremde in Österreich einer Erwerbstätigkeit nachgehe, die vom Aufenthaltstitel eines anderen Schengen-Staates umfasst ist, dahin zu verstehen gewesen, dass die Ausübung dieser Tätigkeit nach dem Unionsrecht und dem österreichischen Recht (und nicht nach dem nationalen Recht des Vertragsstaates) erlaubt ist.
Vor diesem Hintergrund ergebe sich aus dem Zusammenhalt des § 31 Abs. 1 Z. 3 FPG in der seit dem 18. April 2013 geltenden Fassung („Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind bis zu drei Monaten [Artikel 21 SDÜ gilt], sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen“) und des Art. 21 Abs. 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens („Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, können sich aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu drei Monaten in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaates bewegen, .....“), dass der von einem anderen Mitgliedsstaat ausgestellte Aufenthaltstitel nur zu einem vorübergehenden Aufenthalt berechtige, jedoch dadurch keine Erlaubnis für eine Erwerbtätigkeit eingeräumt werde; entgegen der Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin lasse sich eine solche im Übrigen auch aus anderen unionsrechtlichen Grundlagen – wie etwa der Freizügigkeitsrichtlinie 2004/28/EG oder der RL 2003/109/EG – nicht ableiten.
Im Besonderen wäre daher die erwerbsmäßige Ausübung der Prostitution sowohl in Form einer unselbständigen – weil es hierzu einer entsprechenden Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz bedurft hätte, die jedoch allseits unbestritten nicht vorlag – als auch in Form einer selbständigen Tätigkeit unzulässig gewesen: Denn auch die Aufnahme einer bloß vorübergehenden selbständigen Tätigkeit hätte nach § 24 Abs. 1 Z. 1 FPG (wenngleich nicht der vorangehenden Ausstellung eines Aufenthaltstitels mit entsprechendem Zweckumfang i.S.d. § 32 NAG, so doch zumindest) der Erteilung eines entsprechenden Visums bedurft, zumal eine vorübergehende Erwerbstätigkeit gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 FPG („innerhalb von zwölf Monaten nicht länger als sechs Monate“) offensichtlich auf eine längere Zeit als die nach Art. 21 SDÜ höchstens erlaubte Aufenthaltsdauer („drei Monate innerhalb von sechs Monaten“) ausgelegt sei.
Da die Beschwerdeführerin zudem über kein derartiges Visum verfügt habe, sei die von ihr ausgeübte Erwerbstätigkeit sohin jedenfalls i.S.d. § 31 Abs. 1 Z. 3 FPG unerlaubt gewesen, weshalb die von der LPD OÖ gegen sie ergriffenen Maßnahmen auch nicht rechtswidrig gewesen seien.
II.
1. In Bindung an diese, vom VwGH in den Erkenntnissen vom 24. März 2015 und vom 12. November 2015, Ra 2015/21/0103, zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht ergibt sich nunmehr für das gegenständliche Beschwerdeverfahren:
Davon ausgehend, dass die Ausübung der erwerbsmäßigen Prostitution durch die Rechtsmittelwerberin am 11. Juni 2014 weder in Form einer unselbständigen – nämlich ohne entsprechende Bewilligung nach dem AuslBG (über welche sie unstrittig nicht verfügte) – noch in Form einer selbständigen Tätigkeit (da sie – ebenfalls unstrittig – kein Visum i.S.d. § 24 Abs. 1 Z. 1 FPG hatte) zulässig war, lag am Vorfallstag gemäß § 31 Abs. 1 Z. 3 FPG zweifelsfrei ein unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet vor.
Im Lichte des § 120 Abs. 1a FPG wurde sie daher von den einschreitenden Exekutivbeamten bei der Begehung einer Verwaltungsübertretung – nämlich der Ausübung einer Erwerbstätigkeit als Drittstaatsangehörige ohne erforderliche arbeitsmarktrechtliche Bewilligung bzw. ohne entsprechendes Visum – auf frischer Tat betreten, sodass sowohl ihre Festnahme und nachfolgende Anhaltung gemäß § 39 Abs. 1 Z. 1 FPG als auch deren nachfolgende Zurückschiebung nach § 45 Abs. 1 Z. 3 FPG rechtmäßig waren.
Dem entsprechend war daher ihre auf Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B VG i.V.m. § 88 SPG gestützte Maßnahmenbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
2. Bei diesem Verfahrensergebnis war die Beschwerdeführerin dazu zu verpflichten, dem Bund (Verfahrenspartei: LPD OÖ) nach § 35 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z. 3 VwGVG i.V.m. § 1 Z. 3, Z. 4 und Z. 5 der VwG-Aufwandersatzverordnung BGBl.Nr. II 517/2013 dazu zu verpflichten, antragsgemäß Kosten in einer Höhe von insgesamt 887,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40; Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro; Verhandlungsaufwand: 461,00 Euro) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
III.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision unzulässig, weil im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG eine grundsätzliche, d.h. über die fallbezogen-konkreten Einzelheiten des Anlassfalles hinausgehende allgemein-rechtliche Bedeutung zukommt.
Weder weicht nämlich die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung (vgl. insbesondere VwGH vom 24. März 2015, Zl. Ra 2014/21/0058, und vom 12. November 2015, Ra 2015/21/0103); weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis kann eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Eine solche Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.
Gegen dieses Erkenntnis kann innerhalb derselben Frist auch eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden, die durch einen bevollmächtigen Rechtsanwalt abzufassen und beim Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich einzubringen ist; die Eingabegebühr von 240 Euro ist hingegen unmittelbar an den Verwaltungsgerichtshof zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. G r o f