LVwG-700128/2/MB/SA

Linz, 03.12.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Brandstetter über die Beschwerde des Herrn D B, L, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. F M, G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 8. Oktober 2015, GZ: Pol96-38-2015, wegen einer Übertretung des Oö. Polizeistrafgesetzes,

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

II.      Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom
8. Oktober 2015, GZ: Pol96-38-2015, wurde über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) gemäß § 10 Abs. 1 lit. a Oö. Polizeistrafgesetz 1979 eine Geldstrafe in der Höhe von 50 Euro sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 20 Stunden verhängt.

 

Die belangte Behörde führt dabei folgenden Tatvorwurf aus:

 

„Sie haben am 15.06.2015 um 16:10 Uhr in F, auf Höhe des Hauses D 36, den öffentlichen Anstand verletzt, indem Sie eine Jacke mit dem Aufnäher "A.C.A.B" („All cops are bastards") öffentlich wahrnehmbar trugen. Ihr Verhalten hat in der Öffentlichkeit einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte dargestellt.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 1 Abs. 1 iVm. § 10 Abs. 1 lit. a Oö. Polizeistrafgesetz 1979, LGBI. Nr. 36/1979 i.d.g.F.

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von         falls diese uneinbringlich ist, Gemäß

  Ersatzfreiheitsstrafe von

50,00 Euro 20 Stunden § 10 Abs. 1 lit. a

Oö. Polizeistrafgesetz 1979

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen: 10,00 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe, mindestens jedoch 10,00 Euro (ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100,00 Euro).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 60,00 Euro

 

Zahlungsfrist:

Wird keine Beschwerde erhoben, so ist dieses Straferkenntnis sofort vollstreckbar. Der Gesamtbetrag ist in diesem Fall binnen zwei Wochen entweder mit dem beiliegenden Zahlschein zu überweisen oder bei uns einzuzahlen. Bitte bringen Sie in diesem Fall dieses Straferkenntnis mit.

 

Erfolgt binnen dieser Frist keine Zahlung, kann der Gesamtbetrag eingemahnt werden. In diesem Fall ist ein pauschalierter Kostenbeitrag in der Höhe von fünf Euro zu entrichten. Erfolgt dennoch keine Zahlung, wird der ausstehende Betrag vollstreckt und im Fall seiner Uneinbringlichkeit die diesem Betrag entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe vollzogen.“

 

 

 

 

In ihrer Begründung führt die belangte Behörde Folgendes aus:

 

„A.) Sachverhalt:

 

Sie wurden von der Polizeiinspektion A i. H. am 23.06.2015 wegen Übertretung nach § 1 Abs. 1 Oö. Polizeistrafgesetz zur Anzeige gebracht.

Gegen die Strafverfügung vom 08.07.2015 brachte Ihr Rechtsvertreter am 21.07.2015 in offener Frist Einspruch ein und begründete diesen wie folgt:

 

„Der Einschreiter arbeitet auf einem Kfz-Schrottplatz und hat die Jacke, welche er bei der Anhaltung am 15.06.2015 getragen hat, in einem zur Verwertung bereitgestellten Fahrzeug gefunden und - da zum damaligen Zeitpunkt ganz offensichtlich kein zivilrechtliches Eigentum an dieser Jacke mehr bestand - beschlossen, diese zu behalten und als „Arbeitsjacke" zu verwenden.

 

Es trifft zu, dass an dieser Jacke der in der Strafverfügung angeführte Schriftzug „A. C.A.B." angebracht war; jedoch entzog es sich bis zum 15.06.2015 der Kenntnis des Einschreiters, wofür die genannte Abkürzung „A.C.A.B." steht. Erst durch die einschreitenden Beamten wurde der Einschreiter in Kenntnis gesetzt, dass in diversen Kulturkreisen diese Abkürzung offensichtlich als Abkürzung für die englisch-sprachige Aussage „All cops are bastards" wörtlich übersetzt „Alle Polizisten sind Bastarde" verwendet wird.

 

Im Übrigen ist der Einschreiter aufgrund des Umstandes, dass er in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik aufgewachsen ist, der englischen Sprache nicht mächtig. Selbst bei Kenntnis des entsprechenden Langtextes „All cops are bastards" hätte der Einschreiter die Bedeutung dieser Aussage nicht entsprechend zuordnen können, sodass ihm nicht erkennbar war, dass mit dieser Buchstabenkombination offensichtlich die Beleidigung eines Kollektivs beabsichtig ist.

 

Es mangelt sohin an der Vorwerfbarkeit des in der Strafverfügung dargestellten Sachverhaltes, weshalb der Einschreiter den Antrag stellt, das gegen ihn geführte Verwaltungsstrafverfahren einzustellen."

 

Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wurde eine Stellungnahme der Polizeiinspektion A i. H. eingeholt. Darin wurde am 31.07.2015 mitgeteilt, dass die im Einspruch erwähnten Angaben nicht der Wirklichkeit entsprechen würden. Sie seien von den Beamten im Zuge der Amtshandlung gefragt worden, ob Sie wüssten, was „A.C.A.B." heiße. Sie hätten geantwortet, dass es sich um die Abkürzung „All cops are bastards" handle. Dies sei von Insp. A M gehört worden. Die Angabe, nicht zu wissen was „A.C.A.B." heiße, sei insoferne auch unglaubwürdig, zumal Sie auf Ihrer Facebook-Seite eine „Gefällt mir-Angabe" bei einer „A.C.A.B.-Seite" getätigt hätten.

Dieser Stellungnahme wurde ein Lichtbildbeweis beigelegt, der die Jacke mit dem „A.C.A.B."-Aufnäher zeigt.

 

Mit Schreiben vom 04.08.2015 wurden Sie vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und aufgefordert, Ihre persönlichen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse bekannt zu geben, ansonsten ein monatliches Einkommen in der Höhe von 1.500 Euro angenommen werden würde.

 

In der Stellungnahme vom 19.08.2015 führten Sie folgendes aus:

 

„Es trifft nicht zu, dass dem Einschreiter die Bedeutung der Abkürzung „A. CA. B." bekannt war. Das Vorbringen im Einspruch vom 21.07.2015, auf welches zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, bleibt sohin vollinhaltlich aufrecht.

Durch das Verhalten des Einschreiters wäre jedoch der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Oö. PolStG selbst bei einer entsprechenden Kenntnis des Einschreiters über die Bedeutung dieser Buchstabenkombination nicht verwirklicht. Dies in erster Linie deshalb, weil es an der für diese Gesetzesstelle notwendigen Öffentlichkeit fehlt, zumal der Einschreiter von den einschreitenden Polizisten in einem Fahrzeug angehalten wurde. Aufgrund der konkreten Anbringungsstelle des genannten Schriftzuges an der vom Einschreiter getragenen Jacke war eine Erkennbarkeit für nicht beteiligte Dritte nicht möglich.

 

Aus diesem Grund stellt der Einschreiter den Antrag, die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck möge das gegen den Einschreiter geführte Verwaltungsstrafverfahren einstellen."

 

B.) Rechtslage:

 

Gemäß § 1 Abs. 1 Oö. Polizeistrafgesetz 1979 begeht, außer in den Fällen einer sonst mit Verwaltungsstrafe oder einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung, eine Verwaltungsübertretung, wer den öffentlichen Anstand verletzt.

 

Gemäß § 1 Abs. 2 Oö. Polizeistrafgesetz 1979 ist als Anstandsverletzung im Sinne des Abs. 1 jedes Verhalten in der Öffentlichkeit anzusehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 lit. a Oö. Polizeistrafgesetz 1979 sind Verwaltungsübertretungen gemäß §§ 1 und 3 von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion von dieser, mit Geldstrafe bis 360 Euro zu bestrafen.

 

Gemäß § 19 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders bedacht zu nehmen.

Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

 

C.) Rechtliche Beurteilung:

 

Eine Verletzung des öffentlichen Anstandes iSd früheren Art VIII Abs. 1 lit a zweiter Fall EGVG1950 (seit der B-VG Novelle 1974 Landessache) setzt voraus, dass zumindest die konkrete Möglichkeit der Kenntnisnahme der Anstandsverletzung über den Kreis der Beteiligten hinausgegangen sein muss (VwGH vom 08.02.1965, GZ: 1330/64).

 

Die Öffentlichkeit bei einer Anstandsverletzung ist zu bejahen, wenn die Möglichkeit bestand, dass die Handlung durch einen Zeugen im Hinblick auf den mit der Tat verbundenen Belästigungseffekt auch einer anderen Person bekannt werden würde (sog. "Sukzessivöffentlichkeit") (VwGH vom 30.09.1985, GZ: 85/10/0120).

 

Es genügt die sogenannte "Sukzessivöffentlichkeit", d.h. die "Öffentlichkeit" der Anstandsverletzung ist zu bejahen, wenn die Möglichkeit bestand, dass die Handlung durch einen Zeugen in Hinblick auf den mit der Tat verbundenen Belästigungseffekt auch einer anderen Person bekanntwerden würde (VwGH vom 29.04.1985, GZ: 85/10/0038).

Damit eine Anstandsverletzung als "öffentlich" begangen anzusehen ist, genügt es nach dem PolStrafG, dass sie nur von einer Person unmittelbar wahrnehmbar war, wenn die Möglichkeit bestand, dass die Handlung durch diesen einen Zeugen im Hinblick auf den mit der Tat verbundenen Belästigungseffekt auch einer anderen Person bekannt werden würde ("Sukzessivöffentlichkeit"), (VwGH vom 18.06.1984, GZ: 84/10/0023)

Zentrales Tatbestandsmerkmal ist der „Anstand". Von seiner eigentlichen Wortbedeutung her bzw. dem allgemeinen Sprachgebrauch nach, bedeutet „Anstand": „gute Sitte" oder auch „gutes Benehmen" bzw. ein „den guten Sitten entsprechende Benehmen". Das Gesetz verlangt demnach von Personen - um sich nicht strafbar zu machen - außerhalb des engeren Privatbereiches, somit in der von der Öffentlichkeit grundsätzlich wahrnehmbaren Sphäre, ein äußeres Verhalten („Benehmen"), welches der Würde der sittlichen Persönlichkeit des Menschen entgegenspricht. Die sittliche Persönlichkeit des Menschen kann entweder dadurch herabgewürdigt werden, dass sich die Person selbst auf eine Ebene begibt, welche eines sittlichen Menschen unwürdig ist, oder aber dadurch, dass die Person die sittliche Persönlichkeit anderer missachtet (Hansjörg Rangger, Oö. Landespolizeirecht, 2009).

 

Nach der Judikatur des VwGH bildet ua. ein anstandsverletzendes Verhalten, wer ein Verhalten setzt, das geeignet ist, das Ansehen dieser Personen herabsetzen und jene Rücksichten vermissen lassen, die für die Begegnung mit anderen Menschen in der Öffentlichkeit verlangt werden müssen. (Hansjörg Rangger, Oö. Landespolizeirecht, 2009).

 

Das zu beurteilende Verhalten eines Menschen muss daher - um als anstandsverletzend gelten zu können - vorerst einen Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte darstellen. Zudem muss dieser Verstoß noch ein „grober" sein. Als „grob" in diesem Sinnzusammenhang wird man ein Verhalten zu werten haben, welches mit erheblich ausgeprägter Rücksichtslosigkeit oder zumindest mit einer solchartigen Gleichgültigkeit gegenüber dem geschützten Rechtsgut gesetzt wird. (Hansjörg Rangger, Oö. Landespolizeirecht, 2009)

 

Der Gebrauch von (unflätigen und/oder obszönen) Schimpfwörtern und „wörtliche Auseinandersetzungen", sowie von Ausdrücken wegen ihrer Derbheit oder ihres unziemlichen Inhaltes in jedweder Form wurde als tatbildlich qualifiziert (Hansjörg Rangger, Oö. Landespolizeirecht, 2009).

 

Sohin ist der Ausdruck „A.C.A.B." (steht allgemein bekannt als Abkürzung für „All cops are bastards = „Alle Polizisten sind Bastarde") jedenfalls tatbildlich.

Für die Behörde gilt als erwiesen, dass Sie zum Tatzeitpunkt die Jacke mit der Aufschrift „A.C.A.B." öffentlich wahrnehmbar getragen haben. Die geforderte „Sukzessiv-öffentlichkeit" war jedenfalls gegeben.

Ihren Angaben, nicht gewusst zu haben, was „A.C.A.B" bedeutet, kann keinen Glauben geschenkt werden, zumal Sie auch auf der Internet-Plattform facebook die Seite „A.C.A.B"geliked haben. Die Anstandsverletzung ist auch als „grob" zu werten, da es nicht toleriert werden kann, wenn die Würde und das Ansehen von Polizeibeamtlnnen, die für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit sorgen, in solch unflätiger Weise herabzusetzten versucht wird.

 

Zur Strafbemessung:

 

Da Sie kein Einkommen bekannt gegeben haben, wurde dieses mit 1.500 Euro geschätzt. Die Strafhöhe liegt im unteren Bereich des Strafrahmens und ist aus generalpräventiven Gründen erforderlich, um Anstandsverletzungen gegen Polizeibeamtinnen, die einen wertvollen Dienst zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit leisten, entgegenzutreten.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“

 

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Bf binnen offener Frist die Beschwerde vom 6. November 2015 beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich.

 

Begründet wurde dies wie folgt:

 

„1.) Beschwerdegegenstand:

Gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 08.10.2015, GZ Pol96-38-2015, dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers zugestellt am 12.10.2015, erhebt der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter gem. Art 130 Abs 1 Z 1 und Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG binnen offener Frist nachstehende

 

Beschwerde:

 

an das oberösterreichische Landesverwaltungsgericht.

 

 

2.) Sachverhalt:

Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 08.10.2015 wurde über den Beschwerdeführer wegen einer Verletzung von § 1 Abs. 1 iVm § 10 Abs. 1 lit. a Oö. Polizeistrafgesetz 1979 eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 50 (Ersatzfreiheitsstrafe: 20 Stunden) verhängt. Gleichzeitig wurde die Tragung eines anteiligen Kostenbeitrages zum erstinstanzlichen Verfahren in der Höhe von EUR 10 auferlegt.

 

In diesem Straferkenntnis wird dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe am 15.06.2015 um 16:10 Uhr in F, auf Höhe des Hauses D 36, den öffentlichen Anstand verletzt, indem er eine Jacke mit dem Aufnäher „A.C.A.B." („All Cops Are Bastards") öffentlich wahrnehmbar trug. Sein Verhalten habe in der Öffentlichkeit einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte dargestellt. Er habe hierdurch § 1 Abs.1 iVm. §10 Abs.1 lit.a Oö. Polizeistrafgesetz 1979 verletzt.

 

Dieses Straferkenntnis wurde dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 12.10.2015 zugestellt.

 

3.) Zulässigkeit der Beschwerde:

Gegen dieses Straferkenntnis ist die Beschwerde gem. Art 130 Abs 1 Z 1 iVm Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG statthaft. Als Bescheidadressat ist der Beschwerdeführer zur Beschwerde legitimiert.

Die Beschwerde gegen das am 12.10.2015 dem Beschwerdeführer zugestellte Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 08.10.2015 ergeht innerhalb der 4-wöchigen Beschwerdefrist und ist sohin auch rechtzeitig.

 

4.) Beschwerdepunkte und Begründung:

Das bekämpfte Straferkenntnis verletzt den Beschwerdeführer in seinem einfachgesetzlich gewährleisteten Recht, nicht ohne gesetzliche Grundlage verwaltungsrechtlich bestraft zu werden und ergibt sich diese Rechtsverletzung im Detail aus folgenden Überlegungen:

 

Gemäß §1 Abs. 1 Oö PolStG, LGBI. Nr. 76/1979 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung begeht jemand eine Verwaltungsübertretung, der den öffentlichen Anstand verletzt. Gemäß § 1 Abs. 2 Oö PolStG ist als Anstandsverletzung im Sinne des § 1 Abs. 1 Oö PolStG jedes Verhalten in der Öffentlichkeit anzusehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.

Aus § 1 Abs. 2 Oö PolStG ergibt sich nun in Konkretisierung des § 1 Abs. 1 Oö PolStG, dass nur dann eine Anstandsverletzung gegeben ist, wenn die Tathandlung des Tatsubjektes in der Öffentlichkeit gesetzt wird. Insofern kann hieraus wiederum zweierlei geschlossen werden: einerseits ist nur unter Strafe gestellt, wenn die Tathandlung derart gesetzt wird, dass eine (konkrete) Gefährdung im Sinne der Möglichkeit der Kenntnisnahme durch Dritte (nicht: Beteiligte) konkret möglich ist und andererseits muss dieser „Erfolgseintritt" von der Behörde dem Beschwerdeführer auf der Schuldebene nachweislich zugerechnet werden.

Für die Bewertung der Aufschrift „A.C.A.B." auf der vom Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt getragenen Jacke ist es daher notwendig, die Lokalität der Tathandlung genau zu bestimmen.

Da die belangte Behörde im Spruch ihres Straferkenntnisses lediglich eine Adressbezeichnung ohne jede weitere Konkretisierung anführt, kann die notwendige Konkretisierung der Lokalität nicht vorgenommen werden. Sohin ist das schlichte Tragen einer Jacke mit der genannten Aufschrift nicht mit Strafe bedroht, da für die Verwirklichung des Straftatbestandes ein weiteres Tatbildmerkmal - nämlich das konkret potenzielle Publikum - gefordert ist.

Dies führt sohin dazu, dass im Ergebnis die von der belangten Behörde angelastete Tat nicht mit Strafe bedroht ist, da sämtliche Sachverhaltselemente bezüglich des eigentlichen Tatbildmerkmales der Öffentlichkeit fehlen. Der Beschwerdeführer wurde zudem im Straferkenntnis genannten Tatzeitpunkt von den einschreitenden Beamten in seinem Fahrzeug sitzend angehalten, um eine Verkehrskontrolle durchzuführen. Erst nachdem der Beschwerdeführer von den Beamten zum Aussteigen aus seinem Fahrzeug aufgefordert wurde, konnte der Schriftzug an der Jacke wahrgenommen werden. Aufgrund der konkreten Anbringungsstelle dieses Schriftzuges an der Jacke im Bereich unter der Achselhöhle konnte der Schriftzug auch nur bei einem Anheben der Arme des Beschwerdeführers wahrgenommen werden. In der Haltung, welche der Beschwerdeführer beim Sitzen in seinem Fahrzeug eingenommen hat, war dieser Schriftzug an der Jacke nicht ersichtlich.

In diesem Zusammenhang wird auf das Erkenntnis des Oö LVWG vom 05.05.2014 GZ LVwG - 700044/2/MB hingewiesen.

 

Weiters übersieht die belangte Behörde, dass zur im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmung des § 1 Nö. PolStG 1975 vom UVS Niederösterreich mit Erkenntnis vom 02.10.2012, GZ Senat - MD - 11 - 0116 bereits ausgesprochen wurde, dass die Parole „A.C.A.B." ohne weitere Bezugnahme auf einen bestimmten Polizisten weder eine strafbare Beleidigung noch ein Verhalten darstellt, das geeignet wäre, den öffentlichen Anstand im Sinne des Polizei-strafgesetzes zu verletzen.

Auch vor diesem Hintergrund ist sohin die im bekämpften Straferkenntnis angeführte Tat nicht mit Strafe bedroht.

 

5.) Beschwerdeanträge:

Nach Ansicht des Beschwerdeführers kann die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht unterbleiben, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der gegenständlichen Beschwerde angefochtene Bescheid zu beheben ist. Zudem kommt auch die Bestimmung des § 44 Abs. 3 Z 3 VwGVG zur Anwendung.

Aus den vorgetragenen Gründen richtet daher der Beschwerdeführer an das Oö Landesverwaltungsgericht den

Antrag,

 

 

der Beschwerde stattzugeben und den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde zu beheben.“

 

3. Mit Schreiben vom 17. November 2015 legte die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Landes-verwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vor. Darin verzichtete sie auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und beantragte gleichzeitig die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

 

 

 

II.

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und das Beschwerdevorbringen. Von der Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte Abstand genommen werden, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass das Straferkenntnis der belangten Behörde zu beheben war (§ 44 Abs. 2 VwGVG).

 

 

III.

 

1. Gemäß § 1 Abs. 1 Oö. Polizeistrafgesetz 1979 begeht, außer in den Fällen einer sonst mit Verwaltungsstrafe oder einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung, eine Verwaltungsübertretung, wer den öffentlichen Anstand verletzt.

 

Gemäß § 1 Abs. 2 Oö. Polizeistrafgesetz 1979 ist als Anstandsverletzung im Sinne des Abs. 1 jedes Verhalten in der Öffentlichkeit anzusehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 lit. a Oö. Polizeistrafgesetz 1979 sind Verwaltungsübertretungen gemäß §§ 1 und 3 von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion von dieser, mit Geldstrafe bis 360 Euro zu bestrafen.

 

2.1. Strafbar im Sinn des § 1 Abs. 1 PolStG ist sohin ein Verhalten, das den Anstand verletzt und nicht durch eine andere Verwaltungsstrafnorm oder durch einen gerichtlichen Straftatbestand sanktioniert wird. Nach § 1 Abs. 2 Oö. PolStG ist unter Anstandsverletzung jenes Verhalten zu verstehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitten bildet und zudem in der Öffentlichkeit gesetzt wird.

 

2.2. Es ist nun unbestritten, dass der Bf eine Jacke mit einem Aufnäher: „A.C.A.B.“ unter der rechten Armöffnung im vorgeworfenen Tatzeitpunkt getragen hat.

 

Die Parole „A.C.A.B." selbst wird häufig in Jugendsubkulturen bzw. in der Neonaziszene verwendet und steht für den englischen Satz „All Cops Are Bastards". Wie bereits der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) des Landes Oberösterreich am 21.03.2011 festgestellt hat, erfüllt ein öffentliches Zur-Schau-Stellen eines Transparentes mit der Aufschrift „all cops are bastards" den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Oö. PolstG (UVS Oberösterreich vom 21.03.2011, VwSen-301015/2/Gf/Mu). Der Inhalt dieser Botschaft hat eindeutig einen beleidigenden Charakter, der wenn entsprechend geäußert - in seiner Intensität – den Tatbestand eines groben Verstoßes gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitten bildet. Eine Bestrafung wegen Anstandsverletzung ist durch die in § 1 Abs. 1 Oö. PolStG normierte Subsidiaritätsklausel auch dann nicht gehindert, wenn sich die Beleidigung nicht gegen einzelne konkrete Polizeibeamte - womit eine Heranziehung des § 115 StGB ausscheidet -, sondern gegen die Polizei als solches (die als bloßes Hilfsorgan nicht unter den Behördenbegriff des § 116 StGB fällt; vgl zB OGH 21.7.1981, 10 Os 133/80; s Leukauf/Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch3 1992 Rz 7 zu § 116 StGB) richtete. (UVS Oberösterreich vom 21.03.2011, VwSen-301015/2/Gf/Mu).

 

2.3. Die belangte Behörde sieht jedoch als Tat das bloße „Tragen“ der Jacke mit einem entsprechenden Aufnäher unterhalb der Armöffnung an. Von einer zur Schau-Stellung iSd einer qualifizierten Präsentation der Wendung „A.C.A.B.“ kann hier nicht die Rede sein. Der Inhalt der Abkürzung vermag an sich als Verstoß gegen die Grundsätze der Schicklichkeit (VwGH 19.10.2005, 2003/09/0074 mwN) angesehen werden, jedoch wird vom oberösterreichischen Landesgesetzgeber gefordert, dass dieser Verstoß als entsprechend grob zu werten ist. In Zusammenschau mit dem Umstand der abgekürzten Wendung und der Art der Präsentation (Tragen einer Jacke mit einem Sticker unter der Armöffnung der Jacke) war sohin die Intensität der „Äußerung“ in Summe (noch) nicht als grober Verstoß zu werten.

 

3. Nachdem aber als Konsequenz der obigen Feststellungen nicht vom Vorliegen der objektiven Tatseite ausgegangen werden kann, war in Ansehung des Umstandes, dass ein Austausch der Tat(handlung) dem Oö. Landesverwaltungsgericht verwehrt ist, der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid zu beheben.

 

4. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben wird.

 

4.1. In diesem Sinn war dem Bf kein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem LVwG aufzuerlegen. Zudem hat der Bf keinen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor der belangten Behörde zu leisten

 

5. Am Rande sei erwähnt, dass auch im Rahmen der sukzessiven Öffentlichkeit im Sinne der Rsp des Verwaltungsgerichtshofes (bspw VwGH 26.6.1995, 93/10/0201) weitere Feststellungen zur Thematik der konkreten Möglichkeit der Kenntnisnahme über den Kreis der Beteiligten hinaus notwendig sind – dies wiederum in Zusammenschau mit Art 20 Abs 3 B-VG. Dies kann uU auch – wie im vom Bf vorgebrachten Fall zu LVwG-700044/2/MB – die präzise Feststellung der Örtlichkeit – je nach den Umständen des Einzelfalles – notwendig machen. Weiters sei darauf hingewiesen, dass § 1 Abs. 1 iVm § 10 Abs 1 lit. a. Oö. Polizeistrafgesetz 1979, in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung, ein Erfolgsdelikt ist und die Beweislastumkehr gem. § 5 VStG nicht zur Anwendung kommt.

 

 

IV.

 

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde / der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Dr. Markus Brandstetter