LVwG-050048/8/GS/LR

Linz, 23.11.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Gabriele Saxinger über die Beschwerde von Herrn Dr. E G, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, vom 24. Februar 2015, GZ:
SanRB01-137-2013, wegen Vorschreibung von Pflege-(Sonder-)gebühren nach dem  Oö. Krankenanstaltengesetz 1997 (Oö. KAG)

 

 

A.) den Beschluss gefasst:

 

Der Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird gemäß § 13 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

 

 

B.) zu Recht   e r k a n n t :

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

 

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den VerwaltungsgEtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (im Folgenden: belangte Behörde) vom 24. Februar 2015, GZ: SanRB01-137-2013, wurde dem vom Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) gegen die Pflegegebührenrechnung Nr. 9004338504, datiert mit 10.4.2013, betreffend seine Tochter erhobenen Einspruch keine Folge gegeben und dem Bf die Zahlung der Pflege-(Sonder-) Gebührenrechnung Nr. 9004338504, datiert mit 10.4.2013, in der Höhe von 10.812,30 Euro vorgeschrieben.

 

Begründend führte die belangte Behörde – nach Schilderung des Sachverhalts und der maßgeblichen Rechtsvorschriften – im Wesentlichen aus, dass die Pflegegebühren Herrn Dr. G mit Rechnung vom 10.4.2013 als Vater zur Zahlung vorgeschrieben worden wären, da für die Zeit des stationären Aufenthaltes im Landeskrankenhaus Vöcklabruck seiner Tochter keine Krankenversicherung vorgelegen wäre. Die Tochter habe mitgeteilt, dass sie niemals in der Lage sein werde, die Forderung auch nur teilweise abzudecken. Laut Aktenlage wäre Frau G A jedenfalls zur Zeit des Krankenhausaufenthaltes und der Rechnungslegung aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht selbsterhaltungsfähig gewesen. Im Hinblick auf die von Frau A G selbst geäußerte Zahlungsunfähigkeit, die durchaus glaubhaft sei und auch von Herrn Dr. G eingeräumt werde, würde der formelle Versuch der Eintreibung im Exekutionswege nur zu zusätzlichen Kosten führen und sei daher der Gespag nicht zumutbar.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die am 23. März 2015 rechtzeitig bei der belangten Behörde eingebrachten Beschwerde. Darin wird begründend im Wesentlichen vorgebracht, dass die Schlussfolgerung der erstinstanzlichen Behörde, dass Frau G nicht selbsterhaltungsfähig sei, unzutreffend sei. Aus dem Schreiben der A G vom 27.3.2013 sei zu entnehmen, dass sie damals Arbeitslosenentschädigung bezogen habe und sich zur Annahme einer Ganztagesbeschäftigung außer Stande gesehen habe. Eine vorübergehende Arbeitslosigkeit bedeute aber keineswegs eine mangelnde Selbsterhaltungsfähigkeit. Ebenso wenig begründe der Umstand, dass jemand nur einer Teilzeitbeschäftigung nachgehe, zwangsläufig, dass er nicht selbsterhaltungsfähig sei. Vor der bedingt durch den Ruhestand des Dienstgebers eingetretenen Arbeitslosigkeit habe A G gemäß ihrem Schreiben 500 Euro monatlich bezogen. Als ehemaliger Dienstgeber könne ich bestätigen, dass dies richtig sei. Allerdings wäre A nur für 13 Wochenstunden beschäftigt gewesen, da meinerseits kein Bedarf an Mehrarbeit bestanden habe. Sie wäre nicht gezwungen gewesen bei mir zu arbeiten, sie hätte ohne weiteres in einer anderen Anwaltskanzlei beispielsweise für 20 Wochenstunden ein Gehalt von 800 bis 900 Euro beziehen können. Dies entspreche im Wesentlichen dem Existenzminimum. Aus dem Akteninhalt ergebe sich nicht, dass A G ohne Verschulden nicht in der Lage gewesen wäre, schon seit 2008 ein Einkommen zu erzielen, welches Selbsterhaltungsfähigkeit begründe. Im Übrigen führe auch eine tatsächlich vorliegende fehlende Selbsterhaltungsfähigkeit nicht zwangsläufig zu einem Unterhaltsanspruch. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergebe sich nicht, dass sich die Erstbehörde mit den Grundsätzen in der Rechtsprechung zu den unterhaltsrechtlichen Bestimmungen des ABGB auseinandergesetzt habe. Dies treffe insbesondere auf die von mir aufgeworfene Frage der Verwirkung des Unterhaltsanspruches und die Gründe dafür zu. Entgegen der im angefochtenen Bescheid vertretenen Auffassung ergebe sich also aus der Aktenlage keineswegs, dass A G nicht selbsterhaltungsfähig sei, ebenso wenig, dass sie im Fall eines tatsächlichen Vorliegens einer Selbsterhaltungsunfähigkeit einen Unterhaltsanspruch mir gegenüber gehabt hätte. Der bereits mit Schreiben vom 14.8.2013 erhobene Verjährungseinwand beziehe sich auf die geltend gemachten Ersatzansprüche. Die geltend gemachten Ersatzansprüche stützten sich auf § 55 Abs. 2 Oö. KAG 1997, wonach unterhaltspflichtige Personen heranzuziehen wären und § 47 des Oö. Sozialhilfegesetzes 1998 sinngemäß anzuwenden sei. Ersatzansprüche nach den §§ 46 bis 48 Oö. SHG, also auch Ersatzansprüche im Sinne des § 47 leg.cit, würden gemäß § 51 Abs. 1 Oö. SHG verjähren, wenn seit dem Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Hilfe geleistet worden sei, mehr als drei Jahre verstrichen wären. Dies wäre spätestens am 1.1.2012 der Fall gewesen. Die Anspruchsgeltendmachung gegen mich sei erstmals im Laufe des Jahres 2013 erfolgt, der Anspruch sei daher verjährt und rechtswidrig. Es werde der Antrag gestellt, der Beschwerde Folge zu geben, den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben. Es werde ferner beantragt, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.  

 

I.3. Mit Schreiben vom 16. April 2015, eingegangen beim
Oö. Landesverwaltungsgericht (LVwG) am 22. April 2015, übermittelte die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck dem Oö. LVwG die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt.

 

I.4. Das Oö. LVwG hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde sowie durch Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 29. Oktober 2015.

 

 

II. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Frau A G, geb. 23.12.1978, wurde vom 21.5.2008 bis zum 12.6.2008 im Landeskrankenhaus Vöcklabruck stationär behandelt. Ihr wurden für diese stationäre Behandlung vom Landeskrankenhaus Vöcklabruck mit Rechnung vom 24.10.2008 Pflege-(Sonder-)gebühren in der Höhe von 10.812,30 Euro vorgeschrieben, da keine Pflichtversicherung in diesem Zeitraum vorlag. Die Rechnungsbeträge blieben trotz mehrmaliger Zahlungsaufforderungen unbeglichen, da A G in etlichen Schreiben mitteilte, dass sie aufgrund ihrer finanziellen Verhältnisse niemals in der Lage sein wird, die Forderung zu begleichen.

Da rechtskräftig festgestellt wurde, dass für Frau A G jedenfalls während ihres stationären Spitalsaufenthaltes keine Pflichtversicherung bestand und sie auch die Kosten für den Aufenthalt nicht bezahlen konnte, wurden dem Bf als Vater der Patientin die ausständigen Pflegegebühren vorgeschrieben.

Dr. G erhob rechtzeitig Einspruch gegen die Pflegegebührenvorschreibung.

 

Das Landeskrankenhaus Vöcklabruck legte der BH Vöcklabruck mit Schreiben vom 23. Mai 2013 den Einspruch zur Entscheidung vor.

 

Daraufhin wurde letztlich der bekämpfte Bescheid erlassen.

 

Aufgrund eines Versicherungsdatenauszuges betreffend A G sind u.a. folgende Eintragungen ersichtlich:

 

Dienstgeber Dr. E G:                         16.7.2008 bis 30.9.2010

                                                                              4.11.2004 bis 30.9.2007

 

In der Zeit vom 1.10.2007 bis 15.7.2008 finden sich keine Eintragungen über Vorliegen eines Dienstverhältnisses von Frau A G.

 

In der mündlichen Verhandlung legte der Bf seine als Dienstgeber erstellten Auszahlungsjournale von März bis Dezember 2008 vor.

Darin sind an seine Tochter A G unter anderem folgende Auszahlungsbeträge ausgewiesen:

März 2008: 140 Euro bar

April 2008: 600 Euro bar

Mai 2008: 370 Euro bar

Juni 2008: 49,99 Euro bar

 

Jedenfalls im Juni 2008 wurde A G der im Journal aufscheinende Auszahlungsbetrag nicht ausgehändigt.

 

Im Zuge der mündlichen Verhandlung konnte anhand der mündlichen Aussagen des Bf nachvollzogen werden, dass A G sich um ihre minderjährige Tochter nicht ausreichend gekümmert hat. Sie verschwand teilweise ohne Angabe ihres Aufenthaltsortes und hinterließ ihre minderjährige Tochter (geb. x 2004) in der Obhut der Großeltern, die für den Unterhalt der Enkelin aufkamen. Schließlich wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes Frankenmarkt im Jahr 2013 dem Bf und seiner Gattin als Großeltern das Sorgerecht für die minderjährige Enkelin übertragen.

 

 

III. Beweiswürdigung:

 

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich nachvollziehbar durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde und aufgrund der am 29. Oktober 2015 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung. Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurden vom Bf die genannten Auszahlungsjournale  betreffend das Dienstverhältnis der Tochter zu ihm als Dienstgeber (Rechtsanwaltskanzlei) vorgelegt. Ferner wurde aufgrund der Schilderungen des Bf für glaubhaft empfunden, dass A G ihre minderjährige Tochter ohne Bekanntgabe ihres eigenen Aufenthaltsortes in der Obhut der Großeltern (Bf und Gattin) zurückgelassen hat. Gestützt wird diese Feststellung auch durch die nachträgliche gerichtliche Sorgerechtsübertragung des minderjährigen Kindes auf die Großeltern.

Da vom Bf in der Verhandlung die Auszahlungsjournale hinsichtlich seiner Tochter im betreffenden Zeitraum vorgelegt wurden und im Versicherungsdatenauszug der Tochter keine anderen Dienstverhältnisse ersichtlich sind, ist die Einkommenssituation der Tochter im betreffenden Zeitraum ausreichend nachgewiesen. Der genannte gerichtliche Beschluss über die Sorgerechtsübertragung belegt das vernachlässigende Verhalten von A G. Aus diesen Gründen war von einer Einvernahme von Frau A G abzusehen.

 

IV. Rechtliche Beurteilung:

 

 

ad A.)Zur Zurückweisung des Antrages auf aufschiebende Wirkung:

 

Gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG hat eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Ziffer 1 B-VG aufschiebende Wirkung. Nach
§ 13 Abs. 2 VwGVG kann die Behörde die aufschiebende Wirkung mit Bescheid unter gewissen Voraussetzungen ausschließen.

Der angefochtene Bescheid enthält keinen Ausspruch über einen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung. Die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde hatte damit bereits von Gesetzes wegen gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG aufschiebende Wirkung, eine Zuerkennung ist weder möglich, noch nötig. Der Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, war daher mangels Grundlage als unzulässig zurückzuweisen.

 

 

 

 

 

 

Ad B.)

 

§ 55 und 56 Oö. Krankenanstaltengesetz 1997 – Oö. KAG 1997, LGBl. 132 idF LGBl. 91/2015 lauten auszugsweise wie folgt:

 

 

 

 

 

                                                      § 55

                      Pflegegebühren, Sondergebühren; Verpflichtete

 

(1) Zur Bezahlung der in einer Krankenanstalt aufgelaufenen Pflege-(Sonder-) gebühren ist in erster Linie der Patient selbst verpflichtet, sofern nicht eine andere physische oder juristische Person auf Grund sozialversicherungsrechtlicher Bestimmungen, sonstiger gesetzlicher Vorschriften oder vertraglich ganz oder teilweise dazu verpflichtet ist oder dafür Ersatz zu leisten hat.

(2) Können die Pflege-(Sonder-)gebühren nicht beim Patienten selbst oder bei den sonstigen im Abs. 1 genannten Personen hereingebracht werden, sind zum Ersatz die für ihn unterhaltspflichtigen Personen heranzuziehen. § 47 Abs. 3 Z. 1 und 2 des Oö. Sozialhilfegesetzes 1998 gilt sinngemäß.

...

 

                                                      § 56

                       Pflegegebühren, Sondergebühren; Einbringung

 

(1) Die Pflege-(Sonder-)gebühren sind mit dem Entlassungstag oder nach Bedarf mit dem letzten Tag des Monats abzurechnen und, soweit sie nicht im Vorhinein entrichtet worden sind, ohne Verzug mittels Pflege-(Sonder-)gebührenrechnung zur Zahlung vorzuschreiben. Die Pflege-(Sonder-)gebühren sind mit dem Tag der Vorschreibung fällig. Nach Ablauf von sechs Wochen ab dem Fälligkeitstag sind Verzugszinsen in der Höhe von 8,5% zu berechnen. In der Pflege-(Sonder-) gebührenrechnung ist der Verpflichtete aufzufordern, den ausgewiesenen Betrag binnen zwei Wochen zu bezahlen. Ferner ist ein Hinweis auf die Verzugszinsenregelung und auf die Regelung der Abs. 4 und 7 aufzunehmen.

...

(7) Gegen die Vorschreibung (Abs. 1) steht demjenigen, gegen den sie sich richtet, der Einspruch zu, der binnen zwei Wochen nach Zustellung schriftlich bei der Stelle einzubringen ist, die die Pflege-(Sonder-)gebührenrechnung ausgestellt hat. Wird innerhalb dieser Frist nicht Einspruch erhoben, so gilt die in der Pflege-(Sonder)gebührenrechnung festgehaltene Zahlungsverpflichtung als endgültig festgelegt. Ansuchen um Gewährung eines Zahlungsaufschubes oder von Teilzahlung (Abs. 3) gelten nicht als Einspruch. Falls dem Einspruch vom Rechtsträger der Krankenanstalt nicht voll Rechnung getragen wird, ist er vom Rechtsträger der Bezirksverwaltungsbehörde vorzulegen, die die Pflege-   (Sonder-)gebühren dem Verpflichteten mit Bescheid vorzuschreiben hat. Dem Rechtsträger der Krankenanstalt kommt im Verfahren Parteistellung zu. Ergibt sich bei der behördlichen Vorschreibung eine Differenz gegenüber dem mit der Pflege-(Sonder-)gebührenrechnung vom Rechtsträger der Krankenanstalt vorgeschriebenen Betrag und wurde ein Betrag bereits erlegt oder die Forderung gemäß Abs. 3 und 4 vollstreckt, so ist im Bescheid zwar die Höhe der Pflege-(Sonder-)gebühren zu bestimmen, jedoch lediglich die Differenz zur Zahlung vorzuschreiben.

 

§ 231 ABGB regelt unter der Überschrift „Kindesunterhalt“ Folgendes:

 

(1) Die Eltern haben zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach Kräften anteilig beizutragen.

(2) Der Elternteil, der den Haushalt führt, in dem er das Kind betreut, leistet dadurch seinen Beitrag. Darüber hinaus hat er zum Unterhalt des Kindes beizutragen, soweit der andere Elternteil zur vollen Deckung der Bedürfnisse des Kindes nicht im Stande ist oder mehr leisten müsste, als es seinen eigenen Lebensverhältnissen angemessen wäre.

(3) Der Anspruch auf Unterhalt mindert sich insoweit, als das Kind eigene Einkünfte hat oder unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse selbsterhaltungsfähig ist.

 

Im vorliegenden Fall handelt es sich um Pflege-(Sonder-)gebühren, die gemäß
§ 55 Abs. 1 Oö. KAG 1997 grundsätzlich vom Patienten selbst zu tragen sind. Können die Pflege-(Sonder-)gebühren nicht beim Patienten selbst hereingebracht werden, sind zum Ersatz die für ihn unterhaltspflichtigen Personen heranzuziehen.

 

Die Regelung des § 55 Abs. 1 und 2 Oö. KAG deckt sich inhaltlich mit § 35 Abs. 1 und 2 Oö. KAG in der Stammfassung des § 35 Abs. 1 und 2 des Oö. KAG, LGBl. Nr. 19/1958. Im Erkenntnis vom 25. Februar 1975, Z. 959, 1993/73 hat der VwGH dazu Folgendes ausgesprochen:

 

„In seinem Erk. vom 9.5.1967, Z. 1747/66, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass der rechtliche Gehalt des § 35 Abs. 2 Oö. KAG sich nicht in der Festlegung desjenigen Personenkreises erschöpft, der zum Ersatz des Pflegegebührenaufwandes herangezogen werden soll, sondern dass er auch das Ausmaß der Heranziehung zur Ersatzleistung begrenzt, so zwar, dass die Ersatzpflicht zur Deckung aufgelaufener Pflegegebühren den Umfang der Unterhaltspflicht nicht übersteigen darf. Auf dem Boden dieser Rechtsanschauung ist bei den folgenden rechtlichen Überlegungen also davon auszugehen, dass die bezogene Gesetzesstelle die an die Unterhaltspflicht gebundene Ersatzpflicht ebenso wie deren Umfang nicht abstrakt bestimmt. Vielmehr folgt aus ihr, dass die rechtliche Möglichkeit, eine gegenüber dem Pflegling zur Unterhaltsleistung verpflichtete Person zum Pflegegebührenersatz heranzuziehen, dort ihre Schranken findet, wonach den besonderen Verhältnissen die Unterhaltspflicht etwa auf die Leistung des notdürftigen Unterhaltes (wozu zweifelsohne auch der Ersatz der Kosten notwendiger ärztlicher Hilfe und Anstaltspflege zu zählen wäre) beschränkt oder überhaupt aufgehoben ist.“

 

Folglich begrenzt § 55 Abs. 2 Oö. KAG 1997 das Ausmaß der Leistungspflicht so, dass der Pflegegebührenersatz den konkreten Umfang der Unterhaltspflicht nicht übersteigen darf.

 

 

Da das Oö. KAG 1997 den Unterhaltsbegriff nicht näher definiert bzw. diesbezüglich keine eigenen Regelungen enthält, sind zur Auslegung die Bestimmungen des ABGB heranzuziehen.

 

In Rummel, ABGB, Kommentar, 3. Auflage, Manz, Stabentheiner in Rummel,       § 140 (nunmehr § 231 ABGB), RZ12, wird die Selbsterhaltungsfähigkeit dahingehend ausgeführt, dass Selbsterhaltungsfähigkeit gegeben ist, wenn das Kind die zur Bestreitung seiner Bedürfnisse nötigen Mittel selbst erwirbt oder bei zumutbarer Beschäftigung selbst erwerben könnte. Sie kann vor oder nach der Volljährigkeit eintreten. Dabei richtet sich der Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit nach den Lebensverhältnissen des Kindes und der Eltern. Eine teilweise Selbsterhaltungsfähigkeit in Folge tatsächlich erzielten Einkommens wird besser als Minderung des Unterhaltsanspruches durch Eigeneinkommen verstanden. Selbsterhaltungsfähigkeit bedeutet die Fähigkeit zur eigenen angemessenen Bedürfnisdeckung auch außerhalb des elterlichen Haushaltes. Für die Frage, ab welchen Eigeneinkünften des Kindes Selbsterhaltungsfähigkeit vorliegt, bietet nach der ständigen Rechtsprechung für einfache bis durchschnittliche Lebensverhältnisse die Höhe der Mindestpension nach § 293 Abs. 1 lit.a sublit. bb und lit.b ASVG (bei deren Unterschreiten Ausgleichszulage zusteht) eine Orientierung (vgl. auch OGH vom 21. Mai 1992, 8Ob541/92). Bei überdurchschnittlichen Lebensverhältnissen hat das Kind auch über diesen Orientierungswert hinaus Anspruch auf Teilhabe. Der Richtsatz nach § 293 Abs. 1 lit.a sublit.bb ASVG beträgt für das Jahr 2008 € 747.

 

Der Verlust der einmal erlangten Selbsterhaltungsfähigkeit kann in jedem Lebensalter des Kindes eintreten (zB. durch Erwerbsunfähigkeit in Folge Krankheit oder Langzeitarbeitslosigkeit ohne Arbeitslosengeld), was mangels Verschuldens des Kindes nach den Lebensverhältnissen der Eltern zum Wiederaufleben des Unterhaltsanspruches führt. Bloße Einkommensminderung bis zu den oben erwähnten Grenzen (zB. Mindestpension) bedeutet noch nicht Verlust der Selbsterhaltungsfähigkeit, ebenso wenig bloß vorübergehende Minderung des Einkommens.

 

Weil die Pflege-(Sonder-)gebühren gemäß § 56 Abs. 1 Oö. KAG mit dem Entlassungstag abzurechnen und ohne Verzug zur Zahlung vorzuschreiben sind sowie mit dem Tag der Vorschreibung fällig sind, ist die Selbsterhaltungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Spitalsentlassung (12.6.2008) zu beurteilen (vgl. VWSen 590298/9/Gf/Rt).

 

 

Zum maßgeblichen Zeitpunkt, dem 12.6.2008, kann daher aufgrund der vorgelegten Unterlagen nicht von einer Selbsterhaltungsfähigkeit von A G ausgegangen werden. Das von Frau G bezogene Einkommen liegt deutlich unter dem genannten Richtsatz. Es ist daher zu diesem Zeitpunkt nicht davon auszugehen, dass A G selbsterhaltungsfähig war.

 

Im gegenständlichen Fall macht der Bf jedoch konkret geltend, dass die Tochter durch ihr Verhalten ihren Unterhaltsanspruch verwirkt hat.

 

Nach ständiger Rechtsprechung ist im österreichischen Unterhaltsrecht eine Verwirkung des Unterhaltsanspruches des Kindes in Folge mangelnden Wohlverhaltens fremd (ÖAV 1992, 94; JBl 1977, 594 ua).

 

Aus den erbrechtlichen Bestimmungen der §§ 768, 770 und 795 ABGB wird allerdings geschlossen, dass eine Beschränkung des gesetzlichen Unterhaltsanspruches auf das Maß des notdürftigen Unterhaltes eintrete, wenn das Kind eine Handlung begeht, welche die Entziehung des Pflichtteils rechtfertigt oder wenigstens ähnliches Gewicht hat (vgl. JBl 1997, 594; iFslg 32.978 f, 42.737 f u.a., 7 Ob 526/88, 5 Ob 520/90; Pichler in Rummel, AGBG, RZ 15 zu    § 140).

Als derartige Handlung macht der Bf geltend, dass sich seine Tochter nicht ausreichend um ihr Kind gekümmert hat und häufig auswärts war, ohne ihren Aufenthaltsort bekannt zu geben, was zur Folge hatte, dass die Sorgepflicht des minderjährigen Kindes mit gerichtlichem Beschluss im Jahr 2013 auf den Bf und seine Gattin als Großeltern übertragen wurden (siehe auch Schreiben des Bf vom 18.11.2013).

In Anbetracht der obigen Ausführungen kommt als Grund für die Herabsetzung zumindest auf den notdürftigen Unterhalt § 768 Ziffer 4 ASVG in Betracht: Das beharrliche Führen einer gegen die öffentliche Sittlichkeit anstößigen Lebensart.

Die Frage, wann ein Verstoß gegen die öffentliche Sittlichkeit nach § 768 Ziffer 4 ABGB vorliegt, stellt eine Frage des Einzelfalles dar (RIS-Justiz in RS0106221).

Die Tochter hat durch das Zurücklassen ihres minderjährigen Kindes bei den Großeltern ohne Bekanntgabe ihres Aufenthaltsortes ein unweigerlich öffentlich bekannt gewordenes Verhalten gesetzt, das eindeutig nicht den allgemeinen Wertevorstellungen unserer Gesellschaft entspricht. Die Tochter hat diese Verhaltensweise auch bewusst geführt und gewollt an ihr festgehalten. Der Bf schilderte in der Verhandlung, dass er seine Tochter öfters ersucht hat, nach Hause zurückzukehren und in seiner Anwaltskanzlei zu arbeiten, damit die Tochter ihren Sorgepflichten nachkommen kann. Dies war jedoch nicht von dauerhaftem Erfolg begleitet, wie man auch aus dem Beschluss des Bezirksgerichtes auf Übertragung der Sorgerechtspflichten auf die Großeltern ersehen kann.

Durch dieses Verhalten hat die Tochter des Bf ein Verhalten gesetzt, welches die Entziehung des Pflichtteils rechtfertigt oder wenigstens ähnliches Gewicht hat (vgl. 50b 520/90), das eine Beschränkung des gesetzlichen Unterhaltsanspruches auf das Maß des notdürftigen Unterhaltes zur Folge hat.

 

Da der VwGH in seinem Erkenntnis vom 25. Februar 1975, Z. 959, 1993/73, ausgesprochen hat, dass die an die Unterhaltspflicht gebundene Ersatzpflicht dort ihre Schranken findet, wo nach den besonderen Verhältnissen die Unterhaltspflicht etwa auf die Leistung des notdürftigen Unterhaltes beschränkt oder überhaupt aufgehoben ist, wurde der Bf von der belangten Behörde zu Unrecht zur Zahlung der Pflege-(Sonder-)gebührenrechnung für seine Tochter herangezogen.

 

Dem Verjährungseinwand bezüglich der Ersatzansprüche, gestützt auf § 55
Abs. 2 Oö. KAG iVm § 51 Abs. 1 Oö. SHG ist Folgendes entgegen zu halten:

Der Verweis in § 55 Abs. 2 Oö. KAG bezieht sich auf die sinngemäße Heranziehung des § 47 Abs. 3 Ziffer 1 und 2 des Oö. Sozialhilfegesetzes 1998 (Oö. SHG 1998). Nach dieser letztgenannten Bestimmung sind bestimmte Gruppen zum Ersatz nicht heranzuziehen sind. Es geht in diesen Fällen des Abs. 3 des § 47 Oö. SHG  somit um Befreiungen, die unter keinen Umständen zu einer Ersatzpflicht führen.

Die Verjährungsbestimmung des § 51 Oö. SHG bezieht sich einerseits auf die Ersatzansprüche nach §§ 46 bis 48 Oö. SHG (und nicht auf Befreiungstatbestände), andererseits enthält das Oö. KAG keinerlei Verweis auf die Anwendung der Verjährungsbestimmung des § 51 Oö. SHG. Die vom Bf eingewendete Verjährungsbestimmung des § 51 Oö. SHG kommt daher nicht zur Anwendung.

 

Aus den angeführten Gründen war daher der Beschwerde Folge zu geben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

 

 

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshofes und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Gabriele Saxinger