LVwG-600956/11/KLi/HK

Linz, 14.12.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Dr. Lidauer über die Beschwerde vom 21. Juli 2015, der H A-P, geb. x, W, vertreten durch deren Sachwalter, Dr. J R, Rechtsanwalt, W, L, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding, vom 23. Juni 2015, GZ: VerkR96-7542-2013, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung (StVO) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 27. November 2015

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.          Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

 

 

II.         Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat die Beschwerdeführerin einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von 12 €  zu leisten.

 

 

III.        Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision der Beschwerdeführerin an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4   B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 23. Juni 2015, GZ: VerkR96-7542-2013 wurde der Beschwerdeführerin vorgeworfen, sie habe als wartepflichtige Lenkerin des angeführten Fahrzeuges, Skoda Roomster, blau, Kennzeichen: SD-x am 11.10.2013 um 12:45 Uhr in der Gemeinde Haibach ob der Donau, B 130 Nibelungenstraße bei Strkm 14,610 (Kreuzungsbereich mit der L 525 Michaelnbach-Stauff-Straße) durch Kreuzen auf der Kreuzung vor der sich das Vorrangzeichen „Vorrang geben“ befindet, einem im Vorrang befindlichen Fahrzeug den Vorrang nicht gegeben und dieses dadurch zu unvermitteltem Bremsen genötigt. Es sei zum Zusammenstoß mit dem bevorrangten Fahrzeug gekommen. Die Beschwerdeführerin habe dadurch § 19 Abs.7 iVm Abs.4 StVO verletzt.

 

Über sie werde gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO eine Geldstrafe von 60 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 28 Stunden verhängt. Ferner werde die Beschwerdeführerin verpflichtet, einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 10 Euro zu leisten.

 

Begründend führt die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe am 11.10.2013 um 12:45 Uhr den auf ihren Gatten zugelassenen PKW mit dem amtlichen Kennzeichen SD-x im Gemeindegebiet Haibach ob der Donau auf der L525 Michaelnbach-Stauff-Straße von Haibach/Donau kommend in Richtung St. Agatha gelenkt. Zur selben Zeit habe D K den auf sie zugelassenen PKW, Seat, mit dem amtlichen Kennzeichen EF-x auf der
B 130 Nibelungenstraße von Schlögen kommend in Richtung Hartkirchen gelenkt. Neben der L 525 sei vor der Kreuzung mit der B 130 deutlich sichtbar das Vorschriftszeichen „Vorrang geben“ aufgestellt. Aufgrund dieses Nachrangs der
L 525 zur B 130 hätte die Beschwerdeführerin vor der Kreuzung angehalten. Die Sicht sei bei der Einmündung, Höhe Ordnungslinie, nach links frei gewesen; nach rechts sei diese durch ein aufgestelltes Scherengitter samt dem Vorschriftszeichen „Fahrverbot in beiden Richtungen“ mit den Zusatztafeln „bis Schlögen frei“ und „bis Gasthaus Schlager frei“ als auch dem Hinweiszeichen „Umleitung“ eingeschränkt gewesen.

 

Aufgrund dieser eingeschränkten Sicht habe die Beschwerdeführerin eben erstmalig ein Stück vor der Ordnungslinie, das zweite Mal dann so, dass kein Teil ihres PKW in die B 130 hinein geragt habe, angehalten und sie habe durch das Scherengitter Durchsicht nach rechts gehabt. Schließlich habe sie in weiterer Folge die Kreuzung überquert (gekreuzt), in gerader Richtung in einem Zug nach St. Agatha. Dabei habe sie das von D K gelenkte KFZ übersehen, welches in den Kreuzungsbereich mit einer Geschwindigkeit von nicht mehr als 50 km/h eingefahren sei.

 

Folglich sei es zu einer rechtwinkligen Kollision der beiden Fahrzeuge gekommen, wobei die Fahrzeuge stark beschädigt worden seien. Sowohl die Unfallgegnerin als auch die Beschwerdeführerin seien bei diesem Unfall leicht verletzt worden. Die Dauer der Gesundheitsschädigung von D K habe jedenfalls 14 Tage nicht überschritten.

 

Diese Sachverhaltsfeststellungen würden im Wesentlichen auf die Angaben im Verkehrsunfallbericht (Abschlussbericht) der Polizeiinspektion Aschach an der Donau samt angefertigten Lichtbildern sowie den gemachten Angaben gegenüber der Polizei am 16.10.2013 von D K und am 17.10.2013 von der Beschwerdeführerin gründen. Darüber hinaus würden diese auf den Angaben im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung am Bezirksgericht Eferding am 3.3.2014 gründen. Die Angaben der Unfallgegnerinnen im Zuge der Einvernahme vor der Polizei und als Zeugin vor Gericht seien glaubwürdig und seien auch unter Wahrheitspflicht gemacht worden. Es würden sich für die Behörde keine Widersprüchlichkeiten in den Angaben in der Anzeige sowie den Aussagen der Zeugin finden. Obige Sachverhaltsfeststellungen hätten daher im Wesentlichen problemlos getroffen werden können.

 

In rechtlicher Hinsicht habe die Behörde darüber wie folgt erwogen:

 

Gemäß § 19 Abs.4 StVO hätten, wenn vor einer Kreuzung das Vorschriftszeichen „Vorrang geben“ oder „Halt“ angebracht sei, sowohl die von rechts als auch von links kommenden Fahrzeuge den Vorrang. Sei jedoch auf einer Zusatztafel ein besonderer Verlauf einer Straße mit Vorrang dargestellt, so hätten die Fahrzeuge, die auf dem dargestellten Straßenzug kommen, den Vorrang unabhängig davon, ob sie dem Straßenzug folgen, oder ihn verlassen; ansonsten gelte Abs.1. Beim Vorschriftszeichen „Halt“ sei überdies anzuhalten. Gemäß § 19 Abs.7 StVO dürfe, wer keinen Vorrang habe (der Wartepflichtige), durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen.

 

Wenn die Beschwerdeführerin im Zuge des Verfahrens vorbringe, dass eine Sichtbehinderung aufgrund des genannten Scherengitters samt Verkehrszeichen vorgelegen habe, so könne diese Ansicht behördlicherseits nicht geteilt werden. Schließlich habe sie bei Gericht angegeben, beim zweiten Anhalten vor der Kreuzung durch das Scherengitter Durchsicht nach rechts gehabt zu haben. Folglich sei die Sicht – wenn überhaupt – lediglich gering eingeschränkt gewesen. Auch habe die Unfallgegnerin das Tagfahrlicht eingeschaltet gehabt. Die Beschwerdeführerin sei daher jedenfalls in der Lage gewesen, zu erkennen, dass gegenüber einem anderen Fahrzeug eine Wartepflicht bestanden habe.

 

Eines Gutachtens eines technischen Sachverständigen bedürfe es dazu nach Ansicht der Behörde nicht. Aber selbst bei Vorliegen eingeschränkter Sicht wäre damit nichts gewonnen, solange der Kreuzungsbereich unübersichtlich sei, müsse der Wartepflichtige mit dem jederzeitigen Erscheinen eines PKW in der bevorrangten Straße rechnen und dürfe daher nur mit einer solchen Geschwindigkeit fahren, die es ihm tatsächlich erlaube, jederzeit sein Fahrzeug anzuhalten.

 

Das Tatbild des § 19 Abs.7 StVO sei verwirklicht, wenn der Vorrangberechtigte zur Vermeidung eines Zusammenstoßes jäh bzw. rasch bzw. stark bzw. plötzlich bremsen müsse. Der Wartepflichtige habe sich bei schlechten Sichtverhältnissen äußerst vorsichtig zur Kreuzung und auf dieser vorzutasten, bis er die notwendige Sicht gewinne. „Vortasten“ bedeute in der Regel ein schrittweises oder zentimeterweises Vorrollen in mehreren Etappen bis zu einem Punkt, von dem aus die Sicht möglich ist. Ein langsames Einfahren in einem Zuge in eine Kreuzung durch den Wartepflichtigen bedeute bei schlechten Sichtverhältnissen eine Vorrangverletzung.

 

Bezüglich des Vorbringens, die Unfallgegnerin habe eine überhöhte Geschwindigkeit eingehalten, könne dem behördlicherseits ebenso wenig etwas abgewonnen werden, gebe doch die Zeugin unter Wahrheitspflicht an, eine Geschwindigkeit von höchstens 50 km/h eingehalten zu haben. Angesichts der vorliegenden Verhältnisse (Witterung, Sicht u. dgl.) könne diese Geschwindigkeit nicht als überhöht angesehen werden.

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wäre dies (allenfalls überhöhte Geschwindigkeit der Unfallgegnerin) ohnehin bei der Beurteilung des strafbaren Verhaltens des Wartepflichtigen nicht von rechtlicher Bedeutung. Auch müsse der Wartepflichtige den bevorrangten Verkehr gehörig beobachten und sich auf ihn in seiner tatsächlichen Gestaltung – also selbst dann, wenn das sich im Vorrang befindliche Fahrzeug eine unzulässig hohe Geschwindigkeit einhalten sollte – derart einstellen, dass die im Vorrang befindlichen Verkehrsteilnehmer nicht zu einem unvermittelten Bremsen oder Auslenken gezwungen würden; so lange er nicht die volle Sicherheit habe, einen solchen verpönten Erfolg bei der Einfahrt ausschließen zu können, müsse er seine Wartepflicht einhalten; diese Sicherheit sei nach der tatsächlichen Gestaltung des Verkehrs zu beurteilen und könne keinesfalls unter Verzicht auf ausreichende eigene Feststellungen bloß aus dem Vertrauen auf ein vorschriftsgemäßes Verhalten des sich im Vorrang befindlichen Verkehrsteilnehmers abgeleitet werden.

 

Zum Verschulden sei auszuführen, dass gemäß § 5 Abs.1 VStG, wenn eine Verwaltungsvorschrift nichts anderes bestimme, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genüge. Fahrlässigkeit sei bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgen eines Gebotes dann ohne Weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehöre oder der Täter nicht glaubhaft mache, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe.

 

Umstände, welche das Verschulden an der Verletzung der gegenständlichen Verwaltungsvorschrift ausschließen würden, seien im Verfahren nicht wirksam vorgebracht worden und hätten sich auch sonst nicht ergeben. Die Beschwerdeführerin habe daher die im Spruch dieses Straferkenntnisses angeführte Übertretung, eine Vorrangverletzung, sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht verwirklicht. Gegenständlich sei jedenfalls von fahrlässigem Verhalten auszugehen.

 

Ein Anwendungsfall des § 99 Abs.6 lit.c StVO liege gegenständlich nicht vor, zumal der Strafantrag der Staatsanwaltschaft vom 4.6.2014 gemäß § 227 Abs.1 StPO mangels Vorliegen einer Gesundheitsschädigung von mehr als 14 Tagen der Unfallgegnerin zurückgezogen worden sei. Somit liege keine Bestrafung durch ein Gericht vor und falle daher in die Zuständigkeit der Behörde.

 

Im Verwaltungsvorstrafenregister der Bezirkshauptmannschaft Schärding seien gegen die Beschwerdeführerin keine Vorstrafen evident. Verwaltungsstrafrechtlich gelte sie daher als unbescholten und stelle dies einen Milderungsgrund dar. Erschwerungsgründe seien nicht gefunden worden.

 

Zum Unrechtsgehalt der Übertretung sei auszuführen, dass es durch Nichtbeachtung der Vorrangregeln erfahrungsgemäß immer wieder zu teils schweren Verkehrsunfällen, schlimmstenfalls mit tödlichem Ausgang, komme. Derartigen Übertretungen sei daher ein beträchtlicher Unrechtsgehalt beizumessen.

 

Auch unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse (monatliches Nettoeinkommen von 1.000 Euro, keine Sorgepflichten, kein Vermögen) sei die verhängte Geldstrafe unter Bedachtnahme auf den gesetzlichen Strafrahmen nicht als überhöht zu betrachten, sondern tat- und schuldangemessen. Die verhängte Geldstrafe bewege sich im untersten Bereich des Strafrahmens und betrage lediglich ca. 8% der möglichen Höchststrafe. Einer weiteren Herabsetzung der in der Strafverfügung verhängten Geldstrafe seien general- und spezialpräventive Überlegungen entgegengestanden.

 

 

I.2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die Beschwerde vom 21.7.2015, mit welcher formelle Rechtswidrigkeit aufgrund Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie materielle Rechtswidrigkeit aufgrund unrichtiger Sachverhaltsfeststellung und rechtlicher Beurteilung geltend gemacht werden.

 

Begründend führt die Beschwerdeführerin aus, sie habe im Verfahren I. Instanz ausdrücklich die Einholung eines Gutachtens aus dem Fachgebiet KFZ-Wesen und die Durchführung eines Ortsaugenscheines beantragt, dies jeweils zum Beweis dafür, dass die Beschuldigte zu einem Zeitpunkt in die bevorrangte Straße eingefahren sei, als noch kein bevorrangtes Fahrzeug im objektiven Sichtbereich gewesen sei und somit keine Vorrangverletzung durch die Beschuldigte vorgelegen sei. Die belangte Behörde habe diesem Beweisantrag nicht entsprochen und somit weder einen Ortsaugenschein durchgeführt noch ein
SV-Gutachten aus dem Kraftfahrwesen eingeholt.

 

Dennoch werde zum Nachteil der Beschuldigten die Feststellung getroffen, dass sie das von der Unfallgegnerin gelenkte KFZ übersehen habe, welches in den Kreuzungsbereich mit einer Geschwindigkeit von nicht mehr als 50 km/h eingefahren sei, wodurch es zu einer rechtwinkligen Kollision der beiden Fahrzeuge gekommen sei. In der Begründung zu diesem Sachverhalt führe die belangte Behörde aus, dass obige Sachverhaltsfeststellungen problemlos getroffen werden hätten können.

 

Tatsächlich hätten diese Feststellungen, die von der Beschuldigten ausdrücklich bekämpft würden, nicht ohne die Aufnahme der beantragten Beweise getroffen werden können, zumal es dazu der Einholung eines Weg-Zeit-Diagrammes bedürfe, um einerseits die Sichtweite festzustellen, andererseits die Einfahrstrecke der Beschuldigten und andererseits die Fahrtstrecke der Beschuldigten und die Fahrtstrecke der Unfallgegnerin ab dem Zeitpunkt des Eintauchens in den objektiven Sichtbereich, unter Berücksichtigung der jeweiligen Ausgangsgeschwindigkeit, die durch die Kollisionsgeschwindigkeit rückgerechnet bzw. ermittelt werden könne.

 

Nachdem dies im Verfahren I. Instanz unterblieben sei, dennoch Feststellungen zum Nachteil der Beschuldigten getroffen worden seien, welche ausdrücklich bekämpft würden, sei unzulässiger Weise in die Verfahrensrechte der Beschuldigten eingegriffen worden. Es liege eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor. Zur materiellen Rechtswidrigkeit verweise die Beschuldigte zunächst einleitend zu diesem Beschwerdegrund auf die vorzitierten Feststellungen im angefochtenen Straferkenntnis, die im Rahmen dieses Beschwerdegrundes ausdrücklich als unrichtig bekämpft würden.

 

Die belangte Behörde begründe im angefochtenen Straferkenntnis, warum es eines Gutachtens eines technischen Sachverständigen nicht bedürfe, würde sich dabei aber Sachverständigenwissen anmaßen, das einer Überprüfung nicht standhalte, zumal es für die Beurteilung, in wie weit eine Sichtbeeinträchtigung bzw. -einschränkung vorläge und welches Zeit-Weg-Diagramm der Berechnung zugrunde zu legen sei, der Durchführung eines Ortsaugenscheines, entsprechender Vermessungen und der Einholung eines SV-Gutachtens bedürfe.

 

Die Begründung sei zudem unzureichend, zumal einerseits festgestellt werden müsse, welche Kollisionsgeschwindigkeit beide Fahrzeuge aufgewiesen hätten, andererseits festgestellt werden müsse, welche Ausgangsgeschwindigkeit beide Fahrzeuge eingehalten hätten und des Weiteren festgestellt werden hätte müssen, welche Wegstrecken jeweils ab dem Eintauchen in den objektiven Sichtbereich zurückgelegt worden seien.

 

Erst unter Bekanntsein dieser Umstände hätte beurteilt werden können, ob objektiv eine Vorrangverletzung vorliege und in weiterer Folge sei zu prüfen, sollte objektiv eine Vorrangverletzung vorliegen, was ausdrücklich bestritten werde, ob diesbezüglich eine Vorwerfbarkeit vorliege.

 

Ohne Einholung eines Gutachtens und Durchführung eines Ortsaugenscheines sei diese Beurteilung zu Lasten der Beschuldigten nicht möglich, weshalb die erstinstanzliche Beweiswürdigung unrichtig sei und als solche auch ausdrücklich bekämpft werde.

 

Die belangte Behörde gehe auch ohne Überprüfung davon aus, dass die Behauptung der Unfallgegnerin, nicht schneller als höchstens 50 km/h gefahren zu sein, der Richtigkeit entspreche, das ebenfalls von der Beschuldigten ausdrücklich bekämpft werde.

 

Die Behauptung der Unfallgegnerin sei durch ein Gutachten zu überprüfen, die Geschwindigkeit werde von der Beschuldigten mit 50 km/h ausdrücklich bestritten, zumal die Unfallgegnerin deutlich schneller unterwegs gewesen sei, was seitens der belangten Behörde überhaupt nicht berücksichtigt worden sei.

 

Bei objektiver und ausgewogener Beweiswürdigung könne daher unter Berücksichtigung der bisherigen Verfahrensergebnisse und der vorliegenden Lichtbilder nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit von einer Vorrangverletzung der Beschuldigten ausgegangen werden, weshalb die vorzitierten Sachverhaltsfeststellungen ausdrücklich als unrichtig bekämpft würden und wäre daher im Zweifel das Verwaltungsstrafverfahren gegen die Beschuldigte einzustellen gewesen.

 

Die Beschuldigte stelle daher den Beschwerdeantrag, das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich möge der Beschwerde Folge geben, das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos beheben und das Verfahren einstellen.

 

 

 

 

II. Nachfolgender Sachverhalt steht fest:

 

II.1. Am 11.10.2013 um 12:45 Uhr lenkte die Beschwerdeführerin den auf ihren Gatten zugelassenen PKW, Skoda Roomster, blau mit dem amtlichen Kennzeichen SD-x im Gemeindegebiet von Haibach ob der Donau auf der
L 525 Michaelnbach-Stauff-Straße von Haibach/Donau kommend in Richtung
St. Agatha. Sie hatte das Abblendlicht eingeschaltet.

 

Zur selben Zeit lenkte die Unfallgegnerin D K den auf sie zugelassenen PKW, Seat, weiß, mit dem amtlichen Kennzeichen EF-x auf der B 130 Nibelungenstraße von Schlögen kommend in Richtung Haibach. Sie hatte das Tagfahrlicht eingeschaltet.

 

Zur Tatzeit regnete es und die Fahrbahn war nass.

 

Neben der L 525 Michaelnbach-Stauff-Straße war vor der Kreuzung mit der
B 130 Nibelungenstraße das Vorschriftszeichen „Vorrang geben“ aufgestellt. Auf der B 130 Nibelungenstraße war aus Sicht der Beschwerdeführerin auf der rechten Seite und aus Sicht der Unfallgegnerin auf der linken Fahrbahnhälfte ein Scherengitter aufgestellt. Darüber hinaus war das Vorschriftszeichen „Fahrverbot in beiden Richtungen“ mit den Zusatztafeln „bis Schlögen frei“ und „bis Gasthaus Schlager frei“ sowie ein Hinweiszeichen „Umleitung“ angebracht. Die Sicht der Beschwerdeführerin war durch dieses Scherengitter samt Verkehrszeichen die Sicht je nachdem wie sie ihr Fahrzeug aufstellte, teilweise eingeschränkt bzw. nicht eingeschränkt.

 

II.2. Die Beschwerdeführerin lenkte ihr Fahrzeug von der L 525 Michaelnbach-Stauff-Straße kommend in die bevorrangte B 130 Nibelungenstraße ein und wollte diese in gerader Richtung nach St. Agatha überqueren. Zur selben Zeit fuhr die Unfallgegnerin mit ihrem PKW auf der B 130 Nibelungenstraße von Schlögen kommend in Richtung Hartkirchen.

 

Die Unfallgegnerin hielt damals eine Geschwindigkeit von 50 km/h ein. Technisch wäre es auch möglich, dass sie eine höhere – aber jedenfalls 70 km/h nicht überschreitende – Geschwindigkeit eingehalten hat. Dies kann objektiv nicht festgestellt werden.

 

II.3. Das Fahrzeug der Unfallgegnerin gelangte zumindest aus einer Entfernung von 87 m in den Sichtbereich der Beschwerdeführerin, wenn man davon ausgeht, dass sie ihr Fahrzeug im Bereich des Scherengitters so aufgestellt hat, dass sie durch dieses hindurchblicken konnte. Geht man davon aus, dass das Fahrzeug der Unfallgegnerin schon sichtbar ist, wenn der Dachbereich im Sichtbereich der Beschwerdeführerin erkennbar wird, so wäre eine Strecke von 125 m gegeben.

 

Im Bereich der für die Beschwerdeführerin angebrachten Ordnungslinie und einer Fahrgeschwindigkeit im Schritttempo der Beschwerdeführerin oder einem im Stillstand befindlichen Fahrzeug der Beschwerdeführerin ist das Fahrzeug der Unfallgegnerin aus einer Entfernung von 87 m jedenfalls erkennbar.

 

Geht man von den 87 m aus, die auf alle Fälle erkennbar sind und geht man davon aus, dass der Skoda der Beschwerdeführerin bei der dort markierten Ordnungslinie im Schritttempo gefahren ist, oder gestanden ist und dann beschleunigend die Fahrbahn überqueren wollte, so ergibt sich für den Skoda etwa eine Zeit von 2 Sekunden vom Wegfahren bis zum Kollisionsort. Und wenn man davon ausgeht, dass zu diesem Zeitpunkt der bevorrangte Verkehr noch nicht sichtbar war, würde das bedeuten, dass der bevorrangte Verkehr die 87 m in 2 Sekunden zurücklegen hätte müssen. Das würde einer Fahrgeschwindigkeit von rund 156 km/h entsprechen.

 

Geht man von dieser Annahme aus, dass der bevorrangte Verkehr mit rund 156 km/h gefahren ist, nach einer Reaktionszeit von einer Sekunde eine Notbremsung eingeleitet hat und dabei die Geschwindigkeit um max. 30 km/h verringert hätte, so wäre die Kollisionsgeschwindigkeit immer noch im Bereich von 120 km/h gelegen. Die Auslaufsituation, die Fahrzeugbeschädigungen aber auch die beschriebenen Verletzungsbilder lassen in keiner Weise den Schluss zu, dass es bei einer derart hohen Geschwindigkeit zur Kollision gekommen ist. Geht man von der Beschreibung der Bevorrangten aus, dass sie mit etwa 50 km/h gefahren ist, so ist festzuhalten, dass diese theoretische Berechnung eine Plausibilität für diese Aussage ergibt, wobei die Fahrgeschwindigkeit des bevorrangten Verkehrs aufgrund der sehr ungenauen Spurenlage zwischen
50 und 70 km/h zu beurteilen wäre.

 

II.4. Die damals vorhandenen Schilder stellen keine wesentliche Sichtbeeinträchtigung dar. Würde die Beschwerdeführerin tatsächlich so stehen geblieben sein, dass diese Schilder eine wesentliche Sichteinschränkung darstellen, so hätte sie die schlechtest mögliche Anhalteposition gewählt. Selbst dann kann aber nicht nachvollzogen werden, dass ein ankommendes Fahrzeug mit einer Spiegelbreite von etwa 1,90 m bis 2 m gar nicht erkennbar ist. Es kann dann auch aufgrund des Lokalaugenscheines und in Hinblick auf die Abmessungen der Schilder nicht nachvollzogen werden, dass die Beschwerdeführerin eine derartige Fahrlinie gewählt hätte. Im Hinblick auf eine übliche Fahrlinie, wenn man davon ausgeht, dass der Skoda die Fahrbahn gerade überqueren wollte, ist anzunehmen, dass er einige Meter von den Schildern entfernt war. Würde er sich sehr nahe an diesen Schildern befunden haben, so müsste er in einem Bogen die Fahrbahn überqueren, um in die Fahrtrichtung St. Agatha fahren zu können.

 

Tatsächlich stellt aber das Scherengitter, wie es im Bereich der Unfallstelle aufgestellt war, praktisch keine Sichtbehinderung im Hinblick auf den aus Sicht der Beschwerdeführerin von rechts kommenden Verkehr dar.

 

II.5. Die Beschwerdeführerin verfügt über ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 560 Euro aus einer Invaliditätspension. Sie hat kein Vermögen und keine Sorgepflichten. Die Beschwerdeführerin hat Schulden in Höhe von ca. 20.000 bis 30.000 Euro aus verschiedensten Forderungen.

 

Zwischenzeitig wurde für die Beschwerdeführerin der nunmehrige Beschwerdeführervertreter als Sachwalter bestellt. Die Beschwerdeführerin befindet sich in einem Pflegeheim und war ihr aus gesundheitlichen Gründen die Teilnahme an der Verhandlung nicht möglich. Die Notwendigkeit einer Sachwalterschaft hat sich erst im Laufe der letzten Wochen ergeben.

 

 

III. Beweiswürdigung:

 

III.1. Die Fahrwege der Beschwerdeführerin und der Unfallgegnerin ergeben sich aus dem Akt der belangten Behörde. Diese werden auch von keiner der Parteien bestritten und stehen somit außer Streit. Sie konnten ohne weitere Erhebungen – aufgrund des Behördenaktes – festgestellt werden.

 

III.2. Die Feststellungen zur Unfallsörtlichkeit, insbesondere zum dort befindlichen Scherengitter und zu den dortigen Verkehrszeichen ergeben sich aus dem Akt der belangten Behörde und sind überdies auf den Lichtbildern im Polizeiakt ersichtlich. Auch diesbezüglich liegen keine Bestreitungen vor.

 

III.3. Zum Unfallshergang wurde ein KFZ-technisches Sachverständigengutachten des Amtssachverständigen Dipl-HTL-Ing. R H eingeholt. Der Sachverständige hat einen Ortsaugenschein durchgeführt. Im Zuge des Ortsaugenscheines hat der Sachverständige ein Scherengitter der Straßenmeisterei aufgestellt, um möglichst authentische Verhältnisse nachstellen zu können. Der Sachverständige hat darüber hinaus mit seinem eigenen Dienstfahrzeug die Fahrlinien der Beschwerdeführerin und der Unfallgegnerin nachgestellt. Der Sachverständige hat dazu auch ein Video angefertigt, welches im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 27. November 2015 vorgeführt wurde.

 

Darüber hinaus war es dem Rechtsvertreter und Sachwalter der Beschwerdeführerin möglich, Fragen zur Gutachtenserörterung an den Sachverständigen zu richten.

 

III.4. Der Sachverständige führte zur Sichtbehinderung im Unfallsbereich Nachfolgendes aus:

 

„Es wurde ein Scherengitter aufgestellt, um die Sichtsituation des Lenkers des Skoda möglichst gut darzustellen. Dabei ist festzustellen, dass das Scherengitter an sich praktisch keine Sichtbehinderung im Hinblick auf den aus Sicht des Skoda-Fahrers von rechts kommenden Verkehr darstellt. Zumindest auf eine Entfernung von 87 m, beim Lokalaugenschein wurde ein VW-Polo verwendet, ist der VW-Polo praktisch komplett sichtbar. Der bevorrangte Verkehr fährt bergauf und das Fahrzeug kommt daher schrittweise in das Sichtbild des benachrangten Fahrzeuglenkers. Wenn man davon ausgeht, dass ein Fahrzeug schon erkennbar ist, wenn nur der Dachbereich des Fahrzeuges erkennbar ist, so wäre beim gegenständlichen VW-Polo die Sichtweite schon bei 125 m gegeben. Dabei muss man aber ganz genau schauen und wie beim Lokalaugenschein auch auf diese Stelle fokussiert sein.“ (Protokoll Seite 4, Abs.3)

 

 

Auch die Fahrgeschwindigkeit der Unfallgegnerin wurde im Zuge der Gutachtenseinholung erörtert:

 

Geht man von den 87 m aus, die auf alle Fälle erkennbar sind und geht man davon aus, dass der Skoda bei der dort markierten Ordnungslinie im Schritttempo gefahren ist oder gestanden ist und dann beschleunigend die Fahrbahn überqueren wollte, so ergibt sich für den Skoda etwa eine Zeit von 2 Sekunden vom Wegfahren bis zum Kollisionsort. Und wenn man davon ausgeht, dass zu diesem Zeitpunkt der bevorrangte Verkehr noch nicht sichtbar war, würde das bedeuten, dass der bevorrangte Verkehr die 87 m in 2 Sekunden zurücklegen hätte müssen. Das würde einer Fahrgeschwindigkeit von rund 156 km/h entsprechen. Geht man von dieser Annahme aus, dass der bevorrangte Verkehr mit über 156 km/h gefahren ist, nach einer Reaktionszeit von einer Sekunde eine Notbremsung eingeleitet hat und dabei die Geschwindigkeit um max. 30 km/h verringert hätte, so wäre die Kollisionsgeschwindigkeit immer noch im Bereich von 120 km/h gewesen. Die Auslaufsituation, die Fahrzeugbeschädigungen aber auch die beschriebenen Verletzungsbilder lassen in keiner Weise den Schluss zu, dass es bei einer derart hohen Geschwindigkeit zur Kollision gekommen ist.“ (Protokoll Seite 4, Abs.3).

 

 

Letztendlich wurde auch noch die Frage einer Sichtbehinderung durch die damals vorhandenen Schilder erörtert. Der Sachverständige führte dazu aus:

 

„Auf Befragung der Rechtsvertretung, ob die damals vorhandenen Schilder entsprechend Lichtbildbeilage 4 der Polizeifotos eine wesentliche Sichteinschränkung darstellen: Dazu ist festzuhalten, wenn man genauso stehen bleibt, dass man die schlechtest mögliche Anhalteposition wählt, dann verursachen natürlich die aufgestellten Schilder eine Sichteinschränkung nach rechts wobei aber festzuhalten ist, dass auch dabei nicht nachvollziehbar ist, dass ein ankommendes Fahrzeug mit einer Spiegelbreite, also Breite des Fahrzeuges zwischen den Außenspiegeln im Bereich von 1,90 m bis 2 m üblicher PKW-Breite zwischen den Außenspiegeln, gar nicht erkennbar ist, kann aufgrund des Lokalaugenscheins und in Hinblick auf die Abmessungen der Schilder nicht nachvollzogen werden. In Hinblick auf eine übliche Fahrlinie, wenn man davon ausgeht, dass der Skoda die Fahrbahn gerade überqueren wollte, ist anzunehmen, dass er einige Meter von den Schildern entfernt war. Würde er sich sehr nahe an diesen Schildern befunden haben, so müsste er in einem Bogen die Fahrbahn überqueren, um in die Fahrtrichtung St. Agatha fahren zu können. Auf dem Lokalaugenschein wurde festgestellt, dass die Fahrzeuge, die vorhaben links abzubiegen oder geradeaus zu fahren, wie das der Skoda ursprünglich vorgehabt hatte, sich eher im Kreuzungsmittenbereich einordnen, anhalten und dann ihre Fahrt fortsetzen.“ (Protokoll, Seite 5, Abs.3).

 

III.5. Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin ergeben sich aus der Verhandlung am 27. November 2015. Die Angaben dazu stammen vom Rechtsvertreter und Sachwalter der Beschwerdeführerin, welcher ihre persönlichen Verhältnisse kennt. Diese Aussagen konnten den Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen daher zugrunde gelegt werden.

 

 

IV. Rechtslage:

 

IV.1. § 19 Abs.4 StVO regelt, dass dann, wenn vor einer Kreuzung das Vorschriftszeichen „Vorrang geben“ oder „Halt“ angebracht ist, sowohl die von rechts als auch die von links kommenden Fahrzeuge den Vorrang haben. [...].
§ 19 Abs.7 StVO regelt, dass, wer keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige), durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen darf.

 

IV.2. Gemäß § 99 Abs. 3 lit.a StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist.

 

 

V. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat hiezu erwogen:

 

V.1. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich in rechtlicher Hinsicht der gegen die Beschwerdeführerin im Straferkenntnis der belangten Behörde vom 23. Juni 2015, VerkR96-7542-2013 erhobene Vorwurf. Die Beschwerdeführerin hat demnach als wartepflichtige Lenkerin des Fahrzeuges Skoda Roomster, blau, SD-x in der Gemeinde Haibach ob der Donau, B 130 Nibelungenstraße bei Strkm 14,610, Kreuzungsbereich mit der L 525 Michaelnbach-Stauff-Straße durch Kreuzen auf der Kreuzung vor der sich das Vorschriftszeichen „ Vorrang geben“ befindet dem im Vorrang befindlichen Fahrzeug der D K, Seat, weiß, EF-x, den Vorrang nicht gegeben und dieses dadurch zu unvermitteltem Bremsen genötigt. Es kam zum Zusammenstoß mit dem bevorrangten Fahrzeug.

 

Die Beschwerdeführerin hat insofern gegen § 19 Abs.7 iVm Abs.4 StVO verstoßen und die vorgeworfene Vorrangverletzung begangen.

 

V.2. Anhand des eingeholten Sachverständigengutachtens ergibt sich ferner, dass die Unfallgegnerin eine verschuldensrelevante überhöhte Geschwindigkeit nicht eingehalten hat. Die Zeugin hat selber in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich glaubwürdig angegeben, eine Geschwindigkeit von 50 km/h eingehalten zu haben. Diese Geschwindigkeit konnte auch vom KFZ-technischen Sachverständigen als plausibel berechnet werden. Wenngleich der Sachverständige eine gewisse Ungenauigkeit von bis zu 70 km/h ebenso plausibel dargelegt hat, konnte eine derartige (überhöhte) Geschwindigkeit nicht festgestellt werden. Insbesondere steht nämlich die Aussage der Zeugin auch im Einklang mit den Schadensbildern an den Fahrzeugen und den Verletzungen der Unfallbeteiligten.

 

Selbst dann, wenn die Zeugin tatsächlich eine höhere Geschwindigkeit von maximal 70 km/h eingehalten haben sollte, wäre diese Geschwindigkeitsüberschreitung nicht derart eklatant, dass von einem Verschulden der Beschwerdeführerin nicht mehr ausgegangen werden könnte. Sollte es nämlich tatsächlich so gewesen sein, dass die Unfallgegnerin beim Einfahren der Beschwerdeführerin in die Kreuzung noch nicht in deren Sichtbereich war, so hätte diese eine Geschwindigkeit von 156 km/h einhalten müssen, was vollkommen auszuschließen ist. Eine derartige Geschwindigkeit wäre mit den Schadens- und Verletzungsbildern in keiner Weise in Einklang zu bringen. Darüber hinaus ist außerdem – nach dem Sachverständigengutachten – auch auszuschließen, dass die Unfallgegnerin mit ihrem Fahrzeug und dessen Bauartgeschwindigkeit überhaupt eine derartige Geschwindigkeit an der Unfallstelle erreichen hätte können.

 

Die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Geschwindigkeitsübertretung der Unfallgegnerin liegt insofern nicht vor.

 

V.3. Darüber hinaus hat sich auch die von der Beschwerdeführerin behauptete Sichtbehinderung nicht erwiesen. Tatsächlich hat der Sachverständige ausgeführt, dass durch das aufgestellte Scherengitter eine Sichtbehinderung nicht gegeben war und man durch dieses Scherengitter hindurch den herannahenden, von rechts kommenden, Verkehr rechtzeitig wahrnehmen konnte.

 

Selbst dann, wenn man davon ausgehen wollte, dass die Beschwerdeführerin ihr Fahrzeug im Bereich der Verkehrszeichen angehalten hätte, wäre eine vollständige Sichtbehinderung nicht gegeben gewesen, da ein Fahrzeug bei einer Breite von 1,90 m bis 2 m, auch dann noch sichtbar gewesen wäre. Darüber hinaus wäre der Beschwerdeführerin dann in jedem Fall vorzuwerfen, dass sie sich selber in eine Position gebracht hätte, aus welcher eine Sicht auf den bevorrangten Verkehr nicht möglich war.

 

Die Auswahl einer schlechten Sichtposition kann nicht dazu führen, dass der Beschwerdeführerin eine daraus resultierende Vorrangverletzung nicht vorwerfbar wäre.

 

V.4 Die belangte Behörde hat in ihrem Erkenntnis zutreffend den relevanten Sachverhalt vollständig und richtig festgestellt. Diesen Sachverhaltsfeststellungen kann daher mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht entgegengetreten werden. Auch hat die belangte Behörde eine vollständige Beweiswürdigung vorgenommen, aus welcher sich der festgestellte Sachverhalt schlüssig ergibt.

 

Darüber hinaus ist den rechtlichen Erwägungen der belangten Behörde beizupflichten. Die dazu ergangene Rechtsprechung der Höchstgerichte wird von der belangten Behörde richtig wiedergegeben.

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wäre diese (allenfalls überhöhte Geschwindigkeit der Unfallgegnerin) ohnehin bei der Beurteilung des strafbaren Verhaltens des Wartepflichtigen, also der Beschwerdeführerin nicht von rechtlicher Bedeutung (VwGH 19.11.1963, 974/62, ZVR 1964/218). Auch muss der Wartepflichtige den bevorrangten Verkehr gehörig beobachten und sich auf ihn in seiner tatsächlichen Gestaltung – also selbst dann, wenn das sich im Vorrang befindliche Fahrzeug eine unzulässig hohe Geschwindigkeit einhalten sollte – derart einstellen, dass die im Vorrang befindlichen Verkehrsteilnehmer nicht zu einem unvermittelten Bremsen oder Auslenken gezwungen werden; solange er nicht die volle Sicherheit hat, einen solchen verpönten Erfolg ausschließen zu können, muss er seine Wartepflicht einhalten; diese Sicherheit ist nach der tatsächlichen Gestaltung des Verkehrs zu beurteilen und kann keinesfalls unter Verzicht auf ausreichende eigene Feststellungen bloß aus dem Vertrauen auf ein vorschriftsmäßiges Verhalten des sich im Vorrang befindlichen Verkehrsteilnehmers abgeleitet werden (OGH 7.9.1977,  8 Ob112, 113/77, ZVR 1978/146).

 

Aber selbst bei Vorliegen eingeschränkter Sicht wäre damit nichts gewonnen, solange der Kreuzungsbereich unübersichtlich ist, muss der Wartepflichtige mit dem jederzeitigen Erscheinen eines PKWs in der bevorrangten Straße rechnen und darf daher nur mit einer solchen Geschwindigkeit fahren, die es ihm tatsächlich erlaubt, jederzeit sein Fahrzeug anzuhalten. Das Tatbild des § 19 Abs.7 StVO 1960 ist verwirklicht, wenn der Vorrangberechtigte zur Vermeidung eines Zusammenstoßes jäh bzw. rasch bzw. stark bzw. plötzlich bremsen muss (VwGH 16.3.1978, 822/77).

 

 

Der Wartepflichtige hat sich bei schlechten Sichtverhältnissen äußerst vorsichtig zur Kreuzung und auf dieser vorzutasten, bis er die notwendige Sicht gewinnt. „Vortasten“ bedeutet in der Regel ein schrittweises oder zentimeterweises Vorrollen in mehreren Etappen bis zu einem Punkt, von dem aus die Sicht möglich ist. Ein langsames Einfahren in einem Zuge in eine Kreuzung durch den Wartepflichtigen bedeutet bei schlechten Sichtverhältnissen eine Vorrangverletzung (OGH 26.2.1980, 2Ob2/80, ZVR 1980/337; ähnlich VwGH 15.12.2003, 2001/03/00457).

 

V.5. Zusammengefasst war daher das Straferkenntnis der belangten Behörde vom 23. Juni 2015, VerkR96-7542-2013 dem Grunde nach zu bestätigen und der Beschwerde insofern keine Folge zu geben.

 

V.6. Im Hinblick auf die Strafzumessung bildet gemäß § 38 VwGVG iVm § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Im ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

V.7. Gegenständlich ist die strafrechtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin als mildernd zu werten; Die Beschwerdeführerin ist verwaltungsstrafrechtlich bislang noch nicht in Erscheinung getreten. Mildernd ist auch die lange Verfahrensdauer. Die Tat wurde am 11.10.2013 begangen, sodass mittlerweile über 2 Jahre vergangen sind. Erschwerungsgründe liegen nicht vor.

 

Im Hinblick auf eine Ermahnung ist auszuführen, dass § 38 VwGVG iVm § 45 Abs.1 Z 4 VStG eine Ermahnung nur dann zugelassen ist, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind. Dass Vorrangverletzungen zu den schwersten und gröbsten Verstößen gegen die Verkehrssicherheit zählen und dadurch ein besonders hohes Unfallpotential vorhanden ist, steht außer Zweifel. Im vorliegenden Fall zeigt sich dies schon darin, dass es tatsächlich zu einem Verkehrsunfall mit Personen- und Sachschäden gekommen ist. Insbesondere das Rechtsgut der körperlichen Integrität aller Verkehrsteilnehmer stellt ein besonders hohes Rechtsgut dar. Schon deshalb kann gegenständlich nicht mit einer Ermahnung vorgegangen werden.

 

Im Hinblick auf eine Herabsetzung der Geldstrafe von 60 Euro (bzw. der Ersatzfreiheitsstrafe von 28 Stunden) bleibt auch unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin kein Raum. Die verhängte Strafe liegt bei in etwa 8% der vorgesehenen Strafe und ist deshalb im alleruntersten Bereich liegend zu qualifizieren.

 

V.8. Zusammengefasst war daher der Beschwerde keine Folge zu geben, diese abzuweisen und das angefochtene Straferkenntnis zu bestätigen. Die Kosten gründen auf § 52 Abs.1 und 2 VwGVG.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Für den Beschwerdeführer ist die Möglichkeit zur Revisionserhebung gemäß
§ 25a Abs. 4 VwGG ex lege ausgeschlossen.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde / der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Dr. Lidauer