LVwG-650516/5/BR

Linz, 09.12.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erkennt durch seinen Richter Mag. Dr. Bleier über die Beschwerde des A B, geb. x,  vertreten durch K - Verein für S und R, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich -  Polizeikommissariat Steyr, vom 2.10. 2015, GZ: 15/343994,

 

zu Recht:

 

 

I. Gemäß § 28 Abs.1 VwGVG  wird der Beschwerde stattgegeben; dem Beschwerdeführer ist im Umfang der ihm in Tschechien erteilten Lenkberechtigung  ein österreichischer Führerschein auszustellen.

 

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs.4 B-VG zulässig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

 

 

I. Der Beschwerdeführer hat an die Landespolizeidirektion Oberösterreich-  Polizeikommissariat Steyr, im Rahmen einer Niederschrift  am 1.10.2015 den Antrag auf Austausch seines tschechischen Führerscheines auf einen österreichischen Führerschein gestellt. 

Die belangte Behörde hat folglich diesen Antrag mit dem hier angefochtenen Bescheid auf Austausch des ausländischen EWR-Führerscheines für die Kl. C1 und C vom 01.10.2015, gestützt auf § 15 Abs.3 1. Satz FSG 1997, abgewiesen.

 

 

 

II.  Begründend führte die Behörde folgendes aus:

„Gemäß § 15 Abs.3, 1. Satz FSG 1997 kann der Besitzer einer in einem EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung die Ausstellung eines neuen Führerscheines beantragen, wenn er seinen Wohnsitz nach Österreich verlegt hat.

Sie stellten am 01.10.2015 den Antrag auf Austausch Ihres ausländischen EWR-Führerscheines für die Kl. C1 und C. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens wurde festgestellt, dass Sie seit 10.08.2000 durchgehend mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet sind. Da Sie Ihren Wohnsitz in Österreich nie aufgegeben haben, konnten Sie ihn zwangsläufig auch nicht nach Österreich verlegen, weshalb die Ausstellung eines österreichischen Führerschei­nes aufgrund Ihrer in Tschechien erworbenen Lenkberechtigung nicht möglich ist.

Ein Verlegen des Wohnsitzes nach Österreich setzt voraus, dass der Antragsteller vorher seinen Wohnsitz außerhalb Österreichs gehabt hatte, weil nur in diesem Fall ein „Verlegen" nach Österreich möglich ist (siehe VwGH vom 25.04.2006, 2006/11/0022, sowie Erkenntnis UVS (nunmehr Landesverwaltungsgericht) vom , 05.02.2009, VwSen-522140/5/Zo/La).

Der obige Sachverhalt wurde Ihnen anlässlich Ihrer persönlichen Vorsprache am 29.09.2015, bei der Sie sich über die Möglichkeit zur Umschreibung erkundigten, mündlich zur Kenntnis gebracht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“

 

 

 

II.1. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit der durch die von ihm per 29.10.2015 bevollmächtigte Rechtsvertreterschaft (K – Verein)  fristgerecht erhobenen nachfolgenden Beschwerde:

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Im Namen unseres Mitglieds, Herrn A B, geb. x legen wir Beschwerde mit folgender Begründung ein:

 

Herr B hat nach bestem Gewissen den Führerschein Kl. C1 und C 2007 in Tschechien erworben, in der Annahme, den Führerschein gemäß § 15 Abs.3 FSG bei Bedarf Umschreiben lassen zu können, da Tschechien ein EU Staat ist.

 

Nun besteht Bedarf, da Herr B, laut beigefügter Bestätigung, eine Stelle als LKW Fahrer bei der der Fa. M Erdbau GmbH in Aussicht hat. Um die Stelle zu erhalten, muss Herr B die Berufskraftfahrerausbildung C95 absolvieren, für diese ist der umgeschriebene Führerschein eine Voraussetzung. Herr B würde diese Arbeit dringend benötigen, da er eine Familie mit einer erst zwei Wochen alten Tochter zu versorgen hat.

Wir wissen von anderen Fällen, dass Führerscheinumschreibungen möglich waren, obwohl der Wohnsitz dauerhaft in Österreich war. Wenn es also im Ermessen der Behörde liegt, bitten wir Sie eindringlich, dem Antrag von Herrn B auf Umschreibung seines Führerscheins stattzugeben.

 

Wir bitten Sie auch deswegen um Unterstützung, da die Familie B unter dem NS Regime zu leiden hatte. Der Großvater von Herrn B wurde sogar geköpft. Die Akte liegt seit über 17 Jahre im Verein Ki auf.

 

Außerdem setzten wir uns verstärkt für Aus- und Weiterbildung unserer Volksgruppenangehörigen ein, diese Umschreibung schadet niemanden, im Gegenteil, sie hilft einem jungen Mann sich am Arbeitsmarkt zu integrieren und seine Familie zu versorgen zu können, ohne dem Staat zur Last zu fallen.

 

Mit der Bitte um einen positiven Bescheid für Herrn B verbleiben wir

 

mit freundlichen Grüßen(N S, Vereinstampiglie und Unterschrift)

 

 

II.2. Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht!

 

 

 

II.3. Den Verfahrensakt hat die Behörde mit Vorlageschreiben vom 06.11.2015 dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt.

 

 

 

III. Eine amtswegige Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war gemäß § 24 Abs.1 VwGVG nicht erforderlich.

Gemäß § 28 Abs.2 VwGVG hat das Landesverwaltungsgericht grundsätzlich in der Sache zu entscheiden.

Die Erkundigung im Wege der belangten Behörde betreffend den rechtmäßigen Erwerb der Lenkberechtigung in Tschechien führte zu keinem Ergebnis, welche die Annahme dessen Unrechtmäßigkeit erweislich scheinen ließe.

 

 

 

 

 

 

 

IV. Feststellungen aus dem Behördenakt:

 

Der Beschwerdeführer hat am 1.10.2015 einen Antrag auf Ausstellung eines österreichischen Führerscheins für alle Klassen gestellt. Dies unter Hinweis auf einen ausländischen EWR-Führerschein.

Aus einem Email der Behörde vom 30.4.2015 geht die Bestätigung des Erwerbes der Klasse C am 22.10.2007 durch das Ministerium in Prag hervor.

Im Akt findet sich eine bei der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems am 26.8.2008, AZ: 08/212813 mit dem Beschwerdeführer aufgenommene Niederschrift. Darin erklärt der Beschwerdeführer in der Zeit von 20.10.2007 bis 20.4.2008 mit Zweitwohnsitz in Tschechien wohnhaft gewesen zu sein, sich jedoch an die genaue Anschrift nicht mehr erinnern zu können. Er sei bis zum Jahr 2000 bei einer Firma in S. als Glasschleifer tätig gewesen.

Laut einer in dieser Niederschrift erwähnten ZMR-Anfrage sei der Beschwerdeführer damals seit 10.8.2000 in S. in der S.straße wohnhaft gewesen.

Eine weitere Niederschrift mit dem Beschwerdeführer dieser Bezirkshauptmannschaft findet sich vom 23.10.2008 im Akt. Dieser zufolge sei der Beschwerdeführer freiwillig bei der Behörde erschienen sei und habe mitgeteilt, dass ihm in Österreich bereits am 21.6.1988 eine Lenkberechtigung für die Klasse B erteilt worden sei. Nach Rechtsbelehrung habe der Beschwerdeführer dann seinen Antrag auf Ausstellung eines österreichischen Führerscheins zurückgezogen.

Des Weiteren findet sich ein Aktenvermerk vom 17.9.2015 der nunmehr belangten Behörde im Akt. Darin gelangt zum Ausdruck, der Beschwerdeführer habe laut Rücksprache mit einer Beamtin der Bezirkshauptmannschaft Zell am See einen Antrag auf „Ausdehnung“ der Lenkberechtigung CE auf Grund seiner tschechischen Lenkberechtigung gestellt. Dies sei jedoch auf Grund fehlender Voraussetzungen nicht möglich gewesen.  Er habe sodann den Antrag (auch dort) zurückgezogen. Auch von der Sachbearbeiterin der belangten Behörde sei ihm laut diesem Vermerk bereits wiederholt mitgeteilt worden, dass eine Umschreibung wegen fehlender Voraussetzungen nicht möglich wäre.

In einem Aktenvermerk vom 29.9.2015 wird auf die an diesem Tag seitens des Beschwerdeführers abermals eingeholten Erkundigung betreffend Umschreibung hingewiesen. Er sei aufgeklärt worden, dass dies mangels eines dort nachgewiesenen Wohnsitzes während der Erteilung der von Tschechien erteilten Lenkberechtigung nicht möglich wäre. Er hatte gegenüber der Behörde erklärt den Führerschein dort aus Kostengründen gemacht zu haben und hierfür ein paarmal nach Tschechien gefahren zu sein.

Dem Aktenvermerk sind eine Farbkopie des tschechischen Führerscheins und eine Kopie des Reisepasses des Beschwerdeführers beigefügt.

Am 2.10.2015 hat die Behörde den nun angefochtenen Bescheid erlassen, wogegen der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 24.10.2015 durch dessen ausgewiesene und bevollmächtigte Rechtsvertreterschaft Beschwerde erhoben hat. Diese langte bei der Behörde am 29.10.2015 ein, wobei dieser eine Bestätigung einer Firma angeschlossen worden sein dürfte. Dieser zufolge würde der Beschwerdeführer als LKW-Fahrer beschäftig werden, wenn der Beschwerdeführer seinen Führerschein umschreiben lasse und eine C 95 Ausbildung absolviere.

 

 

 

IV.1. Seitens des Landesverwaltungsgerichtes wurde mit der Vertreterin der Behörde betreffend eine behördlicherseits gestellte Anfrage bei der tschechischen Behörde zur Wohnsitzfrage getätigt. Dies wurde verneint, jedoch die Nachholung einer derartigen Anfrage an das Tschechische Transportministerium in Aussicht gestellt und bereits am 12.11.2015 per Email an die tschechische Behörde gerichtet.

Die  tschechische Behörde beantwortet die Anfrage mit einem Email an die Behörde  mit inhaltlich nachfolgender Mitteilung in englischer Sprache vom 27.11.2015:

 

Vec: A B - verification of driving licence

Dear Sir/Madam,

In reply to your letter dated 12th November 2015, Ref 15/343994, regarding Driving Licence of A B, born on x, we inform you as follows.

Driving Licence of A B, born on x was issued in a legal manner under No ED 109146 on 22.10.2007by local authority Mestsky üfad Jindfichüv Hradec and it is still valid. Driving Licence is limited for ten years period, due to the lifespan of the plastic card - 22.10.2017. Driving entitlement "B" was transferred from Austrian Driving Licence No 07377785. Driving entitlement "C" were acquired after passing the final exam.

The category of driving entitlement B is not limited (from 21.06.1988). The category of driving entitlement C is not limited (from 22.10.2007).

Mr. B had valid permanent stay on the territory of the Czech Republic at the time of the issue of the driving licence, which was substantiated with statutory declaration. For more information in this case we recommend contacted local authority Mestsky üfad Jindfichüv Hradec (e-mail:x).

Yours sincerely,

K B

director

Department of Agendas of Drivers“

 

 

V. Das Landesverwaltungsgericht Oö. hat erwogen:

 

§ 15 Abs.3 FSG lautet:

Der Besitzer einer in einem EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung kann unbeschadet des § 23 Abs. 3a die Ausstellung eines neuen Führerscheines beantragen, wenn er seinen Wohnsitz (§ 5 Abs.1 Z1 ) nach Österreich verlegt hat. Anlässlich dieser Neuausstellung ist jedenfalls die Frist gemäß § 17a Abs.1 vom Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung zu berechnen und in den Führerschein einzutragen, die in § 17a Abs.2 genannten Klassen dürfen nach Wunsch des Antragstellers entweder bis zu dem im ausländischen Führerschein eingetragenen Zeitpunkt befristet werden (§ 20 Abs.5) oder gemäß § 17a Abs.2 aufgrund einer Wiederholungsuntersuchung neu berechnet und eingetragen werden. Vor Ausstellung des neuen Führerscheines hat die Behörde im Ausstellungsstaat und in dem Staat, in dem der Antragsteller zuletzt wohnhaft war (Herkunftsstaat), anzufragen, ob dort Gründe gegen die Ausstellung vorliegen und allenfalls die Ausstellung zu verweigern, insbesondere dann, wenn keine gültige Lenkberechtigung vorliegt. Wurde der EWR-Führerschein auf Grund einer in einem Nicht-EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung ausgestellt, so ist eine Lenkberechtigung nach Maßgabe des § 23 zu erteilen.

 

 

V.1. Der § 23 FSG besagt wiederum, dass dem Besitzer einer in einem Nicht-EWR-Staat oder sonstigem Gebiet erteilten Lenkberechtigung ab Vollendung des 18. Lebensjahres auf Antrag eine Lenkberechtigung im gleichen Berechtigungsumfang zu erteilen ist, wenn:

1.   der Antragsteller nachweist, dass er sich zum Zeitpunkt der Erteilung der ausländischen Lenkberechtigung in dem betreffenden Staat während mindestens sechs Monaten aufhielt oder dort seinen Wohnsitz (§ 5 Abs.1 Z1) hatte; dieser Nachweis entfällt, wenn der Antragsteller die Staatsbürgerschaft des Ausstellungsstaates des Führerscheines besitzt und bei Begründung des Wohnsitzes (§ 5 Abs.1 Z1) in Österreich die ausländische Lenkberechtigung bereits besessen hat und die Behörde keine Zweifel am tatsächlichen Vorliegen des Wohnsitzes (§ 5 Abs.1 Z1) oder sechsmonatigem Aufenthaltes in dem betreffenden Staat zum Zeitpunkt des Erwerbes der Lenkberechtigung hat.

 

 

V.2. Mit dieser vom Gesetzgeber in den zitierten Rechtsvorschriften  festgelegten Aufenthalts- bzw. Wohnsitzerfordernis in der Dauer von sechs Monaten im Ausstellungsstaat will wohl dem sogenannten Führerscheintourismus entgegen gewirkt werden.

Vor diesem Hintergrund ergibt sich nur unschwer begreifbar ein Spannungsfeld zu den aus dem Gemeinschaftsrecht resultierenden Grundfreiheiten.    

Gemäß der zwischenzeitig gesicherten Rechtsprechung über die Gültigkeit der in einem EWR-Staat erteilten Lenkberechtigungen scheint es unzulässig die Gültigkeit einer Lenkberechtigung an die Aufgabe des österreichischen Wohnsitzes  zu binden, wenn andererseits die Voraussetzungen vorlagen, in einem anderen Mitgliedstaat die Lenkberechtigung erworben zu haben.  Widrigenfalls hätte ihm dort die Lenkberechtigung nicht erteilt werden dürfen. Es liegen keine Informationen  aus Tschechien vor die auf einen Verweigerungsgrund hindeuten würden. Unzulässig ist es auf Grund der gesicherten Judikatur aus österreichischer Sicht den Erwerb am Wohnsitzkriterium gleichsam als unzulässig zu unterstellen.

Faktum ist hier jedoch, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz in Österreich offenbar belassen hatte und diesen daher nach der Erteilung seiner tschechischen Lenkberechtigung im engeren Wortsinn nicht nach Österreich (zurück)“verlegen“ konnte. Demnach bliebe dem Beschwerdeführer keine andere Wahl als mit dem tschechischen Führerschein das Auslangen zu finden, wenn ihm ein inländischer Führerschein am damaligen Wohnsitzkriterium für immer versagt bleiben müsste. Dagegen spricht insbesondere auch der Art.11 Z5 der RL 2006/126. Diesem zufolge darf etwa bei Verlust oder Diebstahl  ein Ersatz nur bei den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats erlangt werden, in dem der Führerscheininhaber seinen ordentlichen Wohnsitz hat; diese nehmen die Ersetzung anhand der ihnen vorliegenden Informationen oder gegebenenfalls anhand einer Bescheinigung der zuständigen Behörden des Mitgliedstaats vor, die den ursprünglichen Führerschein ausgestellt haben.

Der Inhaber eines Führerscheins [machte] von dem den Unionsbürgern durch Art 21 Abs-1 AEUV Art 21 AEUV - 01.12.2009 bis ... Art 21 AEUV - 01.01.1995 bis 30.11.2009 Art 21 AEUV - 01.12.2009 bis ... Art 21 AEUV - 01.01.1995 bis 30.11.2009 verliehenen und von den RL 91/439 und 2006/126 anerkannten Recht Gebrauch, sich im Mitgliedsstaat  frei zu bewegen und aufzuhalten, wenn er seinen Wohnsitz in Tschechien zu dem Zweck errichtete, hinsichtlich der Bedingungen für die Ausstellung des Führerscheins von weniger strengen Vorschriften zu profitieren (vgl. Urteil Akyüz, Rn 76 mit Hinw auf EuGH 9.3.1999, C-212/97, Centros Rn 27).

Wie oben schon festgestellt steht die Tatsache des in Österreich zu keinem Zeitpunkt aufgegebenen Hauptwohnsitzes, dem zuletzt Gesagten nicht entgegen.

Das Unionsrecht stellt "Mindestvoraussetzungen, insbesondere hinsichtlich [...] Wohnsitz- und Fahreignung" auf, die jeder Ausstellermitgliedstaat einzuhalten hat. "Es steht den Mitgliedstaaten daher frei, [...] strengere Vorschriften beizubehalten oder zu erlassen".

"Der Umstand, dass ein Mitgliedstaat gemäß Anhang III Nr 5 RL 91/439 für jede Erteilung eines Führerscheins strengere als die in diesem Anhang beschriebenen ärztlichen Untersuchungen vorschreiben kann, [berührt] nicht die Verpflichtung dieses Mitgliedstaates [...], Führerscheine, die in anderen Mitgliedstaaten im Einklang mit dieser Richtlinie ausgestellt wurden, anzuerkennen" und demnach wohl auch dann umzutauschen, selbst wenn der Wohnsitz während des Erwerbes der Lenkberechtigung im Mitgliedsstaat  (hier in Österreich) nicht aufgelassen wurde. Das allenfalls dem Führerscheintourismus entgegen wirkende Erfordernis einer Wohnsitzaufgabe in Österreich gleichsam als Bedingung für die Anerkennung (Anerkennbarkeit) einer in einem anderen Mitgliedsstaat erworbenen Lenkberechtigung, kann mit dem Grundsatz der Freizügigkeit in der Gemeinschaft nicht in Einklang gebracht werden bzw. steht eine Auslegung des § 15 Abs.3 FSG am Wortlaut dem vorrangigen Gemeinschaftsrechts  entgegen.

Im Sinne der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteil Klapper) darf der Aufnahmemitgliedstaat unter keinen Umständen die Einhaltung des Wohnsitzerfordernisses im Ausstellermitgliedstaat überprüfen.

Der Gerichtshof verweist ihn (in diesem Fall Österreich) - wenn er [der Mitgliedsstaat] aus "ernsthaften Gründen die Ordnungsmäßigkeit eines oder mehrerer von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheine" bezweifelt,  auf das zwischenstaatliche Instrumentarium des "Art 12 Abs.3 RL 91/439" (nunmehr Art 15 RL 2006/126) und auf "ein Verfahren nach Art 227 EG" (nunmehr Art 259 AEUV Art 259 AEUV - gegen den Ausstellermitgliedstaat.

Diese strikte Haltung wurde jedoch vom Gerichtshof im Urteil Wiedemann und Funk relativiert, "wenn auf der Grundlage von Angaben in diesem Führerschein oder anderen vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen feststeht, dass zum Zeitpunkt der Ausstellung dieses Führerscheins sein Inhaber [...] seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet des Ausstellermitgliedstaates hatte", darf der Aufnahmemitgliedstaat die Anerkennung verweigern.

(Bei Herrn F. schien im tschechischen Führerscheindokument als Wohnort eine deutsche Stadt auf (Hinweis auf EuGH 22. 11. 2011, C-590/10, Köppl Rn 18 oder Apelt Rn 19 zugrunde liegenden Sachverhalten).

In der oben zitierten Mitteilung aus Tschechien gilt vielmehr der Beweis erbracht, dass die Lenkberechtigung in diesem EWR-Staat legal erworben wurde.    

 

Im Urteil B. A. v. 1.3.2012, C 467/10 definiert der Gerichtshof den Anwendungsbereich dieser im positiven Unionsrecht nicht vorgesehenen, von ihm jedoch gebilligten Ausnahme vom Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung abschließend.

Der Aufnahmemitgliedstaat kann seine Verweigerung der Anerkennung wegen Nichterfüllung des Wohnsitzerfordernisses im Ausstellermitgliedstaat nur auf Angaben im Führerschein selbst oder andere von Behörden des Ausstellermitgliedstaats herrührenden unbestreitbaren Informationen stützen.

"Die Aufzählung [...] ist [...] abschließend und erschöpfend" "Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung steht einer auf irgendeine andere Information gestützten Weigerung entgegen."

Im bezeichneten Urteil erinnert der Gerichtshof in diesem Zusammenhang auch daran, dass der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine, der den Schlussstein des mit der Richtlinie 91/439 eingeführten Systems darstellt, geradezu negiert würde, hielte man einen Mitgliedstaat für berechtigt, die Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins unter Berufung auf seine nationalen Vorschriften unbegrenzt zu verweigern (Hinweis in diesem Sinne auf Urteil vom 29. April 2004, Kapper, C‑476/01, Slg. 2004, I‑5205, Rn. 77, und Beschluss vom 28. September 2006, Kremer, C‑340/05, Rn. 30).

Gemäß Art 2 Abs.1 der RL 2006/126 werden die von den Mitgliedsstaaten ausgestellten Führerscheine gegenseitig ohne jede Formalität anerkannt. Der von einem anderen MS ausgestellte Führerschein ist Beweis dafür, dass der Inhaber zum Zeitpunkt der Ausstellung alle Voraussetzungen für die Ausstellung des Führerscheins erfüllte.

Eine Beurteilung und Bewertung, ob der Führerscheininhaber zum Ausstellungszeitpunkt seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet des Ausstellermitgliedstaats hatte, darf nur aufgrund von Behörden des Ausstellermitgliedstaats herrührenden Informationen erfolgen. Sie können "den etwaigen Umstand berücksichtigen, dass die vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden Informationen darauf hinweisen, dass sich der Inhaber des Führerscheins im Gebiet dieses Staates nur für ganz kurze Zeit aufgehalten und dort einen rein fiktiven Wohnsitz allein zu dem Zweck errichtet hat, der Anwendung der strengeren (und allenfalls auch teureren) Bedingungen für die Ausstellung eines Führerscheins im Mitgliedstaat seines tatsächlichen Wohnsitzes zu entgehen".

Als nicht unzulässig gilt es jedoch, dass von den Einwohnermeldebehörden des Ausstellermitgliedstaates erlangte Informationen als solche Informationen angesehen werden können, hingegen könnten Erläuterungen oder Informationen, die der Inhaber des Führerscheins im Verwaltungsverfahren oder im gerichtlichen Verfahren in Erfüllung einer ihm nach dem innerstaatlichen Recht des Aufnahmemitgliedstaates obliegenden Mitwirkungspflicht erteilt hat, nicht als solche vom Ausstellermitgliedstaat herrührende unbestreitbare Informationen qualifiziert werden, die beweisen, dass der Inhaber zum Zeitpunkt der Ausstellung seines Führerscheins seinen Wohnsitz nicht in diesem Mitgliedstaat hatte (abermals Hinweis auf das Urteil Akyüz, Rz 69f mwN).

Nur für den Fall, "dass auf der Grundlage von Angaben in diesem Führerschein oder anderen vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen feststeht, dass zum Zeitpunkt der Ausstellung dieses Führerscheins sein Inhaber [...] seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet des Ausstellermitgliedstaates hatte", darf der Aufnahmemitgliedstaat die Anerkennung verweigern.

Schließlich sieht nach ständiger Rechtsprechung des EuGH Art. 1 Abs.2 der Führerscheinrichtlinie, wie schon dieselbe Bestimmung der Vorgängerrichtlinie, die gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine ohne jede Formalität vor (vgl. VwGH 16.12.2014, Ra 2014/11/0084). Diese Bestimmung legt den Mitgliedstaaten eine klare und unbedingte Verpflichtung auf, die keinen Ermessensspielraum in Bezug auf die Maßnahmen einräumt, die zu erlassen sind, um dieser Verpflichtung nachzukommen. Es ist Aufgabe des Ausstellermitgliedstaates zu prüfen, ob die im Unionsrecht aufgestellten Mindestvoraussetzungen, insbesondere die Voraussetzungen in Art. 7 Abs.1 der Führerscheinrichtlinie hinsichtlich des Wohnsitzes und der Fahreignung, erfüllt sind und ob somit die Erteilung einer Fahrerlaubnis gerechtfertigt ist (s. abermals Urteil, Akyüz, unter Berufung auf die Urteile vom 19.2.2009, Schwarz C-321/07, Slg. 2009, I-1113, Rz 75, und vom 19.5.2011, Grasser, C-184/10, Slg. 2011, I-4057, RZ1 9).

Angesichts all dieser aus dem Gemeinschaftsrecht abzuleitenden rechtlichen Aspekte haben diese Anerkennungsgrundsätze auch für den Fall der Umschreibung iSd § 15 Abs.3 FSG zu gelten. Selbst ein fortwährender Hauptwohnsitz im Inland darf insbesondere mit Blick auf das Sachlichkeitsgebot einer Ausstellung eines (Umschreibung auf einen)  österreichischen Führerschein(s) im Umfang der vom Mitgliedsstaat erteilten Berechtigung dann nicht entgegenstehen, wenn die Ausstellungskriterien des Mitgliedsstaates erfüllt waren. Davon muss hier angesichts gegensätzlicher vom Ausstellungsstaat stammender Informationen ausgegangen werden.

 

VI.  Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil, soweit dies überblickbar ist,  eine die Umschreibung eines EWR-Führerscheins betreffende Rechtsprechung zum Erfordernis  einer dezidierten Wohnsitzaufgabe in Österreich zum Zeitpunkt der Erteilung der von einem anderen EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung als Bedingung für die Umschreibung auf einen österreichischen Führerschein fehlt. Die Klärung auch dieser Frage reicht über den Einzelfall hinaus  und harrt einer endgültig gesicherten inländischen höchstgerichtlichen Klarstellung.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

 

 

 

 

LVwG-650516/5/BR vom 9. Dezember 2015

 

Erkenntnis

 

Rechtssatz

 

§ 5 Abs.l Zl FSG

§ 15 Abs.3 FSG

§ 23 FSG

Art 2 Abs. l RL 2006/126/EG

Art.  12 RL 2006/126/EG

Art.  7 Abs.  1 lit. b RL 91/439/EG

 

Betreffend eine in Tschechien erworbene Lenkberechtigung ist auch dann ein dem Umfang der in diesem Mitgliedsstaat erteilten Berechtigung entsprechender österreichischer Führerschein auszustellen, wenn der Wohnsitz in Österreich nicht aufgegeben war.

Dies gilt auch dann, wenn vom Ausstellungsstaat (Tschechien) keine Informationen dahin vorliegen, dass der Bf. dort keinen Wohnsitz begründet hatte.

 

Die sich aus dem § 15 Abs.3 FSG ergebende Wohnsitzregel als Bedingung für die Umschreibung ist auf Grund des Vorranges des Unionsrechts nicht anwendbar.

 

 

Beschlagwortung:

 

Führerschein; Lenkberechtigung; Umschreibung; Austausch; Wohnsitzaufgabe; Wohnsitzbegründung; Tschechien

 

 

 

LVwG-650516/5/BR vom 9. Dezember 2015

 

Erkenntnis

 

Rechtssatz

 

§ 5 Abs.l Zl FSG

§ 15 Abs.3 FSG

§ 23 FSG

 

Art 2 Abs.l und Art.  12 RL 2006/126/EG v.  20.12.2006 –

Art.  7 Abs.  1 Buchst, b der RL 91/439/EG

Urteil EuGH Baris Akyüz 1.3.2012,  C 467/10

 

 

Betreffend eine in Tschechien erworbene Lenkberechtigung ist auch dann ein im Umfang des in diesem Mitgliedsstaates erteilten Berechtigung österreichischer Führerschein auszustellen,  wenn der Wohnsitz in Österreich nicht aufgegeben war.

Dies für den Fall, wenn vom Ausstellungsstaat  (Tschechien) keine Informationen vorliegen,  dass der antragstellende Beschwerdeführer dort keinen Wohnsitz begründet hatte.

 

Der sich aus dem § 15 Abs.3 FSG ergebende Wohnsitzregel als Bedingung für die Umschreibung ist vom Gemeinschaftsrecht suspendiert.

 

RIS ja

 

Beschlagwortung:

 

Wohnsitzaufgabe; Wohnsitzbegründung; Umschreibung; Austausch; Lenkberechtigung; Tschechien