LVwG-600576/36/KH

Linz, 03.12.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin        Mag. Katja Hörzing über die Beschwerde des Herrn G F, vertreten durch G K L Rechtsanwälte OG, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft von Urfahr-Umgebung vom 16. Oktober 2014, VerkR96-2622-2014, betreffend die Abweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 19. August 2014,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid insofern abgeändert, als dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattgegeben und Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheids ersatzlos behoben wird.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.

1. Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft von Urfahr-Umgebung (im Folgenden: belangte Behörde) vom 10. Juli 2014, VerkR96-2622-2014, wurde über Herrn G F (im Folgenden: Beschwerdeführer - Bf), wegen Übertretungen des Kraftfahrgesetzes 1967 Geldstrafen in der Höhe von insgesamt 730 Euro verhängt.    

 

Zugestellt wurde die Strafverfügung laut dem Behördenakt beiliegenden RSb-Aufgabeschein am 14. Juli 2014.

 

2. Am 19. August 2014 brachte der Bf, mittlerweile vertreten durch G K L Rechtsanwälte OG, einen Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß § 71 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) ein. Begründet wurde dieser damit, dass der Rechtsvertreter des Bf am 21. Juli 2014 den Einspruch gegen die oben zitierte Strafverfügung der belangten Behörde vom 10. Juli 2014, VerkR96-2622-2014, innerhalb der 14-tägigen Einspruchsfrist zur Post gegeben habe.

 

3. In der Folge erging am 16. Oktober 2014 der beschwerdegegenständliche Bescheid der belangten Behörde, VerkR96-2622-2014, mit dem der Antrag des Bf auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet abgewiesen wurde. Im zuvor abgeführten Ermittlungsverfahren war Frau B R, eine Angestellte der Kanzlei des Rechtsvertreters des Bf, zeugenschaftlich einvernommen worden.

 

4. Mit Schreiben vom 27. Oktober 2014 erhob der Bf Beschwerde gegen den abweisenden Bescheid der belangten Behörde vom 16. Oktober 2014.

 

Begründend wurde darin ausgeführt, dass die belangte Behörde den Bf vor der Erlassung nicht von den Verfahrensergebnissen, nämlich vom Inhalt der Zeugen-aussage von Frau B R, in Kenntnis gesetzt und ihm auch keine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt habe. Dadurch sei das Recht des Bf auf Parteiengehör verletzt und der Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.

 

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG sei im Wiedereinsetzungsantrag das Vorliegen der behaupteten Wiedereinsetzungsgründe bloß glaubhaft zu machen, es sei nicht der volle Beweis zu erbringen. Der im Wiedereinsetzungsantrag dargetane Sachverhalt hätte bei richtiger Beweiswürdigung der belangten Behörde als ausreichend bescheinigt angesehen werden müssen. Der bekämpfte Bescheid enthalte keinerlei Feststellungen oder Ausführungen zur Glaubwürdigkeit der Zeugin.

Es komme auch gelegentlich vor, dass ein Poststück auch bei der Behörde in Verlust gerate, was die belangte Behörde jedoch überhaupt nicht in ihre Erwägungen miteinbeziehe.

Das unterfertigte und mit 21. Juli 2014 datierte Einspruchsformular sei ein wesentliches Beweisergebnis, das die belangte Behörde übergehe, obwohl dessen Vorhandensein deren Abfertigung zur Post naheläge.

Ein Organisationsverschulden, wie u.a. von der belangten Behörde in der Bescheidbegründung behauptet, käme nur in Frage, wenn die rechtzeitige Postaufgabe aus einem in der Sphäre der Anwaltskanzlei liegenden Umstand unterblieben sei, was gegenständlich jedoch nicht der Fall sei, da gerade keine Säumnis der Kanzlei, sondern eine rechtzeitige Postaufgabe behauptet worden sei.

Die Kanzlei überwache sehr wohl die Einhaltung von Fristen, jeder Anwalt führe einen Fristenkalender, in den er seine Fristen persönlich eintrage.

Dass der rein manipulative Vorgang der Postaufgabe nicht gesondert überwacht werde, das Poststück nicht eingeschrieben zur Post gegeben worden sei und kein eigenes Postbuch geführt werde, hindere nach ständiger Judikatur die Wiedereinsetzung nicht. Das Führen eines Postbuchs sei in größeren Anwalts-kanzleien nicht zu praktizieren und werde auch nicht praktiziert, da es bei einem Aktenbestand von über Zwanzigtausend laufenden Akten schlicht untunlich sei, ein solches zu führen. Auch der Eintrag in einem Postbuch würde die Postaufgabe nicht bescheinigen.

Zum Beweis des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts wurde in der Beschwerde die zeugenschaftliche Einvernahme von Dr. R G, Rechtsanwalt, beantragt. Weiters werde zum Beweis des bisherigen Vorbringens ein Deckungsschreiben der Rechtschutzversicherung vom 21. Juli 2014 zur Vorlage gebracht, was ebenfalls ein Indiz für die erfolgte Einspruchserhebung sei.

Zum Beweis, dass die Post keineswegs so zuverlässig sei wie die belangte Behörde vermeine, waren dem Schriftsatz Korrespondenzen der Anwaltskanzlei mit der Post betreffend erfolgte Zustellfehler beigelegt.

 

5. Am 26. Jänner 2015 führte das Landesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der Rechtsanwalt Dr. R G als Zeuge einvernommen wurde. Mit der Ladung zur öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde dem Rechtsvertreter des Bf die Niederschrift über die Zeugenaussage von Frau B R vor der belangten Behörde vom 23. September 2014 übermittelt.

 

6. In der Folge erging am 11. Februar 2015 das Erkenntnis LVwG-600576/12, mit dem die Beschwerde des Bf als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid der belangten Behörde vom 16. Oktober 2014, mit welchem der Antrag des Bf auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen worden war, vollinhaltlich bestätigt wurde.

 

7. Gegen dieses Erkenntnis erhob der Bf außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof, welcher mit Erkenntnis vom 13. Juli 2015, Ra 2015/02/0050, das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 11. Februar 2015, 600576/12, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behob.

 

8. Das Landesverwaltungsgericht führte im weiteren Ermittlungsverfahren am 21. Oktober 2015 eine mündliche Verhandlung durch, in der Frau B R, welche in der Kanzlei des Rechtsvertreters des Bf angestellt ist, zeugenschaftlich einvernommen wurde.

 

Befragt zur Aufgabe des gegenständlichen Einspruchs vom 21. Juli 2014 sagte die Zeugin aus, dass sie sich an die Aufgabe des Einspruchs deshalb erinnern könne, weil sie ihn selber geschrieben und Dr. G anschließend zur Unterschrift vorgelegt habe. Nach der Unterschrift durch diesen wurde der Einspruch kuvertiert und gemeinsam mit anderen Poststücken zur Post gebracht. Der Einspruch wurde nicht eingeschrieben bei der Post aufgegeben. Auf die Frage, warum sie sich angesichts der Vielzahl an Akten und Schriftstücken, die in der Kanzlei bearbeitet werden, konkret an diesen Einspruch erinnern könne, antwortete die Zeugin, dass dies deshalb der Fall sei, weil betreffend den Bf zwar mehrere Zivilrechtsakten, aber nur ein Verwaltungsakt in der Kanzlei geführt werde.

 

Der Rechtsvertreter des Bf merkte dazu weiters an, dass es in der Kanzlei eine Dienstanweisung gibt, dass alle Aktenstücke, die bis 16:00 Uhr unterschrieben werden, noch am selben Tag zu kuvertieren und zur Post zu bringen seien. Dies sei auch beim gegenständlichen Einspruch der Fall gewesen.

 

 

II. Zusätzlich zu dem oben beschriebenen Sachverhalt steht folgender Sachverhalt fest:

Der Einspruch des Bf vom 21. Juli 2014 gegen die Strafverfügung der belangten Behörde vom 10. Juli 2014, VerkR96-2622-20141, wurde vom Rechtsvertreter des Bf fristgerecht zur Post gegeben.

 

 

III. In dem vor dem Landesverwaltungsgericht weiter geführten Ermittlungsverfahren wurde Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der belangten Behörde und in einer am 21. Oktober 2015 durchgeführten mündlichen Verhandlung.

Aufgrund der Aussage der befragten Zeugin in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht konnte in diesem konkreten Einzelfall nicht festgestellt werden, dass der Einspruch vom 21. Juli 2014 nicht fristgerecht zur Post gegeben wurde.

 

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht wie folgt erwogen:

 

1.

§ 71 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) lautet wie folgt:

 

„§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

      

1.   die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2.   die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

 

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

 

(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

 

(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

 

(5) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt.

 

(6) Die Behörde kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen.

 

(7) Der Wiedereinsetzungsantrag kann nicht auf Umstände gestützt werden, die die Behörde schon früher für unzureichend befunden hat, um die Verlängerung der versäumten Frist oder die Verlegung der versäumten Verhandlung zu bewilligen.“

 

2. Durch die verspätete Einbringung des mit 21. Juli 2014 datierten Einspruchs des Bf gegen die Strafverfügung der belangten Behörde vom 10. Juli 2014, VerkR96-2622-2014, wurde die Frist zur Erhebung eines Rechtsmittels gegen die erwähnte Strafverfügung versäumt.

Da jedoch davon auszugehen ist, dass der Einspruch rechtzeitig vom Rechtsvertreter des Bf zur Post gegeben wurde und erst in der Folge verloren gegangen ist, liegt ein unabwendbares Ereignis im Sinn des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG vor.

Im Lichte der Entscheidung des VwGH vom 13. Juli 2015, Ra 2015/02/0050, in welcher dieser ausführt, dass der Verlust eines nicht eingeschriebenen Briefes auch für einen beruflichen Parteienvertreter kein den minderen Grad des Versehen übersteigendes Verschulden darstellt, weil auch ohne diese besondere Form der Postaufgabe mit dem Einlangen des Schriftstücks bei der Behörde gerechnet werden kann, muss somit festgehalten werden, dass die nicht eingeschriebene Postaufgabe des gegenständlichen Einspruchs vom 21. Juli 2014 den minderen Grad des Versehens nicht übersteigt. Somit sind die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes im Sinn des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG als gegeben anzusehen.

 

3. Folglich ist der Beschwerde des Bf vom 27. Oktober 2014 gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 16. Oktober 2014, VerkR96-2622-2014, stattzugeben und der angefochtene Bescheid insofern abzuändern, als dem Antrag auf Wiedereinsetzung stattgegeben und der Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides betreffend die Zurückweisung des Einspruchs des Bf aufgehoben wird. Das Verfahren tritt dadurch in die Lage zurück, in der es sich vor Eintritt der Versäumung der Frist befunden hat. Die belangte Behörde hat sich somit mit dem Einspruch des Bf vom 21. Juli 2014 gegen die Strafverfügung der belangten Behörde vom 10. Juli 2014 auseinanderzusetzen und ein diesbezügliches Ermittlungsverfahren durchzuführen.

 

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Katja Hörzing

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