LVwG-600333/18/MZ
Linz, 27.11.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde des M E, geb. x 1974, vertreten durch die Sachwalterin Mag. M E, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 11.4.2014, GZ VerkR96-42303-2012, betreffend die Zustellung eines Straferkenntnisses
zu Recht e r k a n n t :
I. Der Beschwerde wird insofern stattgegeben, als der angefochtene Bescheid behoben und festgestellt wird, dass das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 27.11.2012, GZ VerkR96-42303-2012, nicht rechtswirksam erlassen wurde.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. a) Mit (mündlich verkündetem) Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 27.11.2012, GZ VerkR96-42303-2012, wurde dem Beschwerdeführer (in Folge: Bf) zur Last gelegt, am 17.11.2012 um 02.59 Uhr anlässlich einer Verkehrsunfallaufnahme auf der Dienststelle der Polizeiinspektion Bad Ischl gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht die Durchführung der Atemluftprobe verweigert zu haben, obwohl er verdächtig gewesen sei, unmittelbar vorher das Motorfahrrad mit dem amtlichen Kennzeichen x auf der L546 in St. Wolfgang auf Höhe Strkm 11.300 in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben.
Er habe dadurch § 5 Abs 2 StVO 1960 verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von 1.600,- Euro verhängt wurde.
Der Bf begehrte daraufhin eine schriftliche Ausfertigung des Straferkenntnisses und gab einen Rechtsmittelverzicht ab.
b) Mit Schreiben vom 18.12.2013 beantragte Frau Mag. M E als nunmehrige Sachwalterin des Bf im Umgang mit Behörden und Gerichten die Neuzustellung des ggst Straferkenntisses.
Den Antrag begründend führt Frau Mag. E in diesem Schreiben sowie in folgenden Eingaben unter Beilegung von Kopien diverser Urkunden aus, dass der Bf mittlerweile im Umgang mit Behörden und Gerichten aufgrund einer leichten Intelligenzminderung mit Gedächtnis-, Merkfähigkeits- und Konzentrationsstörungen und einer leichtgradigen Herabsetzung der intellektuellen Merkfähigkeit und Verhaltensstörungen besachwaltert worden sei. Der Bf sei auch im Zeitpunkt der Zustellung des Straferkenntnisses (sprich: im Zeitpunkt der mündlichen Verkündung) bereits nicht prozessfähig gewesen und die Zustellung (gemeint wohl: die Bescheiderlassung) rechtsunwirksam.
c) Mit dem nun hier verfahrensgegenständlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 11.4.2014, GZ VerkR96-42303-2012, wurde der Antrag des Bf auf Neuzustellung des Straferkenntnisses vom 27.11.2012 abgewiesen.
Die belangte Behörde begründet ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass im Rahmen der Strafverhandlung keine Bedenken hinsichtlich der Prozessfähigkeit des Bf entstanden seien. Für die Prozessfähigkeit des Bf spreche zudem, dass er, da mit ihm die Zahlung der verhängten Strafe in Raten vereinbart worden sei, in Folge einen Dauerauftrag eingerichtet habe.
d) Gegen die unter Punkt c) dargestellte abweisende Erledigung erhob der Bf rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde.
Er beantragt, den Bescheid der belangten Behörde vom 11.4.2014 ersatzlos zu beheben, dem Antrag auf Neuzustellung stattzugeben und der erstinstanzlichen Behörde die Neuzustellung des Strafbescheides vom 27.11.2012 aufzutragen.
II. a) Die belangte Behörde hat die Beschwerde samt Verfahrensakt mit Schreiben vom 13.5.2014 dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Eine Beschwerdevorentscheidung wurde nicht erlassen. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.
b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt sowie Einschau in einen Teil des im Sachwalterschaftsverfahren eingeholten Gutachtens.
c.1) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von dem in Punkt I. dargestellten, unstrittigen Sachverhalt aus.
Des Weiteren von Entscheidungsrelevanz ist ein Teil des im Sachwalterschaftsverfahren von Herrn Dr. E G am 7.11.2014 erstellten Gutachtens, welches der belangten Behörde in Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht wurde. Dieser lautet:
„Folgt man den Angaben des Herrn E, so bestehen diese Auffälligkeiten mit hoher Wahrscheinlichkeit seit Geburt. Dies erlaubt den vorsichtigen Schluss, dass es bei Herrn E zu einer prä- bzw. intrapartalen Schädigung gekommen ist (eine Schädigung während der Schwangerschaft bzw. im Rahmen der Geburt).“
Eine E-Mail von Herrn Dr. G an Frau Mag. E vom 14.9.2015 lautet:
„Zu Ihrer Anfrage bezüglich M E darf ich auf mein Gutachten vom 7.11.2014 (BG Bad Ischl) verweisen, aus dem hervorgeht, dass die bei Herrn E vorliegende eine [sic] leichte Intelligenzminderung unter Berücksichtigung der neurologischen Symptomatik mit hoher Wahrscheinlichkeit seit Geburt besteht.
Eine nähere Aussage diesbezüglich ist nicht möglich.“
c.2) Die belangte Behörde hielt im Rahmen des gewährten Parteiengehörs fest, dass aus dem Befund des Dr. G vom 7.11.2014 nicht hervorgehe, ob beim Bf grundsätzlich Deliktsfähigkeit gegeben bzw eingeschränkt ist. Auf Basis des vorliegenden Gutachtens könnten seitens der Bezirkshauptmannschaft Gmunden keine die Schuld ausschließenden Gründe erblickt werden, weshalb die Ergänzung des Gutachtens mit entsprechender Fragestellung beantragt werde.
Dieser Beweisantrag ist als unbegründet abzuweisen, da es für die hier zu klärende Frage, ob das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 27.11.2012, GZ VerkR96-42303-2012, rechtswirksam erlassen wurde, ausreicht festzustellen, ob der Bf prozessfähig war.
III. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:
a) Der Bf bringt vor, zum Zeitpunkt der Verkündung des diesem Verfahren zugrundeliegenden Straferkenntnisses nicht prozessfähig gewesen zu sein.
Dass dem Bf zum jetzigen Zeitpunkt eine Sachwalterin für den Umgang mit Behörden und Gerichten zur Seite gestellt ist, steht außer Streit. Fraglich ist jedoch, ob der Bf auch im Zeitpunkt der Verkündung des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 27.11.2012, GZ VerkR96-42303-2012, nicht in der Lage war, die Bedeutung und Tragweite des behördlichen Verfahrens zu erfassen.
Den Ausführungen des Herrn Dr. G in seinem Gutachten vom 7.11.2014, welches in Folge zur Besachwalterung des Bf im Umgang mit Behörden und Gerichten führte, kann entnommen werden, dass „diese Auffälligkeiten mit hoher Wahrscheinlichkeit seit Geburt“ bestehen, jedoch „[e]ine nähere Aussage diesbezüglich … nicht möglich [ist].“
Legt man diese Ausführungen für die Beurteilung des ggst Falles zugrunde, gelangt man zum Ergebnis, dass, trotz des keine Zweifel an der Prozessfähigkeit nahe legenden Auftretens bzw Verhaltens des Bf vor der Behörde und der Einrichtung eines Dauerauftrages für die Begleichung der verhängten Strafe in Raten, auch im Zeitpunkt der Verkündung des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 27.11.2012, GZ VerkR96-42303-2012, der Bf nicht in der Lage war, die im in Rede stehenden Verfahren sich ereignenden prozessualen Vorgänge zu erkennen, zu verstehen und sich den Anforderungen eines derartigen Verfahrens entsprechend zu verhalten.
Da das Straferkenntnis aufgrund der bereits stattfindenden Ratenzahlung bereits faktische Wirkungen entfaltet, ist der Antrag des Bf zulässig und wäre diesem vor dem Hintergrund obiger Ausführungen zu entsprechen gewesen. Der Beschwerde war daher stattzugeben, der angefochtene Bescheid zu beheben und festzustellen, dass das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 27.11.2012, GZ VerkR96-42303-2012, nicht rechtswirksam erlassen wurde.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da der Frage, ob der Bf im Zeitpunkt der Erlassung des diesem Verfahren zugrundeliegenden Straferkenntnisses in der Lage war, die Bedeutung und Tragweite des behördlichen Verfahrens zu erkennen und zu verstehen, keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Markus Zeinhofer