LVwG-150809/2/EW/FE
Linz, 12.11.2015
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Elisabeth Wiesbauer über die Beschwerde (vormals Vorstellung) des K W, wohnhaft x, vertreten durch x, Rechtsanwalt, x, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Waldneukirchen vom 7. März 2012 (Beschluss vom 1. März 2012) in Verfolgung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. September 2015, Zl. 2015/05/0002-11, den
B E S C H L U S S
gefasst:
I. Der Beschwerde wird stattgegeben. Der Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Waldneukirchen vom 7. März 2012 (Beschluss vom 1. März 2012) wird aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG an den Gemeinderat der Gemeinde Waldneukirchen zurückverwiesen.
II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang, Sachverhalt:
I.1. Mit Eingabe vom 7. April 2011 beantragte der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) die Erteilung einer Baubewilligung für einen Dachgeschoßausbau im bestehenden Wohnhaus S x, x. Mit Bescheid vom 4. Oktober 2011 wurde dieser Antrag von der Baubehörde erster Instanz abgewiesen, da das zu bebauende Grundstück Nr. x, KG W, im gültigen Flächenwidmungsplan als "eingeschränktes gemischtes Baugebiet" ausgewiesen sei. Der Einbau von zusätzlichen Wohnräumen sei daher widmungswidrig, da der Flächenwidmungsplan lediglich Betriebswohnungen ermögliche und es sich bei den gegenständlichen Wohnräumen aber zweifelsfrei um solche handeln würde, die einer "betriebsfremden Wohnung" zuzuordnen seien. Gegen diesen Bescheid erhob der Bf fristgerecht Berufung durch seinen Rechtsvertreter mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2011.
Mit dem nun angefochtenen Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Waldneukirchen wurde die Berufung des Bf als unbegründet abgewiesen und der Bescheid des Bürgermeisters bestätigt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Bf durch seinen Rechtsvertreter Vorstellung, in der im Wesentlichen vorgebracht wurde, dass es in der Gemeinde amtsbekannt sei, dass die Liegenschaft des Bf irrtümlicherweise von Wohngebiet auf eingeschränktes gemischtes Baugebiet umgewidmet worden sei. Dieser Fehler der Behörde müsse amtlich korrigiert werden, um den Bf vor finanziellen Schäden zu schützen. Weiters werde auf § 33 Oö. Raumordnungsgesetz 1994 verwiesen, wonach die Eigentümer jener Grundstücke, an deren Flächenwidmung oder Bebaubarkeit sich Änderungen durch die Flächenwidmungsplanänderung ergeben, von der Planauflage nachweislich zu verständigen seien. Da dies nicht geschehen sei, liege ein grober Verfahrensmangel vor, der ebenfalls durch die Behörde zu sanieren sei.
Mit Bescheid vom 11. Oktober 2012, Zl. IKD(BauR)‑014452/1-2012-Ma/Wm, wies die Oö. Landesregierung die Vorstellung als unbegründet ab.
I.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bf Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Aus Anlass des Beschwerdefalles beantragte dieser beim Verfassungsgerichtshof u.a. die Feststellung, dass die Verordnung betreffend die Änderung des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Waldneukirchen (Flächenwidmungsplan Nr. x) gemäß den Beschlüssen des Gemeinderates vom 17. April 1997 bzw. 19. März 1998, aufsichtsbehördlich genehmigt durch den Bescheid der Oö. Landesregierung vom 28. Oktober 1998,
Zl. BauR‑P‑417034/10-1998/Gm/Ef, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde Waldneukirchen vom 9. November 1998 bis 23. November 1998, rechtswirksam ab 24. November 1998, gesetzwidrig war. Mit Erkenntnis vom 18. Juni 2015, V 68/2015‑10, stellte der Verfassungsgerichtshof fest, dass der angeführte Flächenwidmungsplan, soweit er für jene Flächen, welche im Osten von dem im Plan als "S" ausgewiesenen Straßenzug begrenzt und von einer in westlich-östlicher Richtung verlaufenden als "OKA 30 kv" ausgewiesenen Hochspannungsleitung durchzogen wird, die Widmung als "eingeschränktes gemischtes Baugebiet" ("MB") vorsieht, gesetzwidrig war. Der Verwaltungsgerichtshof erkannte daher, dass durch die Anwendung des als gesetzwidrig erkannten Flächenwidmungsplanes der Bf in seinen Rechten verletzt worden sei, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben gewesen sei.
Diese Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes langte am 23. Oktober 2015 zuständigkeitshalber beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ein.
II. Beweiswürdigung:
Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und insbesondere aus dem bezughabenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. September 2015, Zl. 2015/05/0002-11.
III. Maßgebliche Rechtslage:
Vorweg ist festzuhalten, dass das gegenständliche Baubewilligungsverfahren durch die Aufhebung des vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides der Oö. Landesregierung vom 11. Oktober 2012 (Anlassfall) in jene Lage zurücktritt, in der es sich vor Fällung des angefochtenen Bescheides befunden hat. Die Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof wirkt somit ex tunk, als ob der angefochtene Bescheid nie erlassen worden wäre (vgl. VwGH 28.04.2015, Ro 2015/18/0001 mwN; analoge Anwendung des § 42 Abs. 3 VwGG aF). Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. September 2015, Zl. 2015/05/0002-11, bewirkt somit, dass über die ursprünglich an die Oö. Landesregierung gerichtete Vorstellung neuerlich zu entscheiden ist. Gemäß Art. 155 Abs. 51 Z 9 B‑VG ist die Zuständigkeit zur Weiterführung dieses Verfahrens auf das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich übergegangen. Die (wieder unerledigte) Vorstellung ist folglich als Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich im Sinn des VwGVG zu werten.
Die Bestimmung des §25 Oö. BauO 1994, LGBl. Nr. 66/1994, in der hier maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 34/2013 lautet auszugsweise:
„§ 24
Bewilligungspflichtige Bauvorhaben
(1) Folgende Bauvorhaben bedürfen einer Bewilligung der Baubehörde (Baubewilligung), soweit die §§ 25 und 26 nichts anderes bestimmen:
1. der Neu-, Zu- oder Umbau von Gebäuden; [...]“
IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat im Rahmen des durch die §§ 27 und 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG normierten Prüfungsumfanges erwogen:
IV. 1. Mit dem bereits erwähnten Erkenntnis vom 18. Juni 2015, V 68/2015, hob der Verfassungsgerichtshof aus Anlass des Antrages des Verwaltungsgerichtshofes den Flächenwidmungsplan betreffend das gegenständliche Baugrundstück, in folgendem Umfang auf:
„1. Es ist daher auszusprechen, dass der Flächenwidmungsplan der Gemeinde Waldneukirchen in der Fassung der Beschlüsse des Gemeinderats der Gemeinde Waldneukirchen vom 17. April 1997 und vom 19. März 1998, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom
28. Oktober 1998, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel am
9. November 1998, soweit er für jene Fläche, welche im Osten von dem im Plan als "S" ausgewiesenen Straßenzug begrenzt und von einer in west-östlicher Richtung verlaufenden, als "OKA 30 kV" ausgewiesenen Hochspannungsleitung durchzogen wird, die Widmung als eingeschränktes gemischtes Baugebiet ("MB") vorsieht, gesetzwidrig war.“
Der Verfassungsgerichtshof begründet seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass sich aus den Ausführungen des Bürgermeisters der Gemeinde Waldneukirchen und aus den Akten des Verordnungserlassungsverfahrens eindeutig ergibt, dass die Änderung der Widmungskategorie von "Wohngebiet" in "eingeschränktes gemischtes Baugebiet" hinsichtlich des Baugrundstücks
Nr. x, KG W, im Flächenwidmungsplan Nr. x durch den Gemeinderat weder begründet wurde noch im Verordnungserlassungsverfahren eine entsprechende Grundlagenforschung oder Interessenabwägung vorgenommen wurde. Der angefochtene Flächenwidmungsplan Nr. x, soweit er für jene Fläche, welche im Osten von dem im Plan als "S" ausgewiesenen Straßenzug begrenzt und von einer in west-östlicher Richtung verlaufenden, als "OKA 30 kV" ausgewiesenen Hochspannungsleitung durchzogen wird, die Widmung als eingeschränktes gemischtes Baugebiet ("MB") vorsieht, widerspricht daher § 36 Abs. 6 OÖ ROG 1994.
IV.2. Gemäß Art. 139 Abs. 6 B-VG ist eine vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Verordnung im Anlassfall nicht mehr anzuwenden. Diese Anlassfallwirkung bezieht sich nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich sowohl auf den (vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 29.September 2015, Zl. 2005/05/0002-11, bereits aufgehobenen) Bescheid der Oö. Landesregierung vom 11. Oktober 2012 als auch auf den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Waldneukirchen vom 7. März 2012, mit welchem dem Bf im gemeindebehördlichen Instanzenzug die Baubewilligung für den Dachgeschoßausbau eines bestehenden Wohngebäudes auf Grundstück
Nr. x, KG W, mit der Widmung „eingeschränktes gemischtes Baugebiet“ versagt wurde. Mit der Aufhebung der angeführten Verordnungen durch den Verfassungsgerichtshof wurde somit die für den nunmehr angefochtenen Bescheid des Gemeinderates maßgebliche Rechtsgrundlage beseitigt. Die Aufhebung bewirkt folglich auch die in der Beschwerde (vormals Vorstellung) relevierte Rechtswidrigkeit des Bescheides des Gemeinderates (vgl. VwGH 24.4.2007, 2007/05/0043, mwN). Durch die Anwendung des gegenständlichen als gesetzwidrig erkannten Teiles des Flächenwidmungsplanes wurde der Bf im Ergebnis in seinen Rechten verletzt, weshalb der bekämpfte Bescheid des Gemeinderates vom 7. März 2012 nunmehr rechtswidrig ist.
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ist gemäß § 28 VwGVG grundsätzlich zur meritorischen Entscheidung verpflichtet. Dies gilt gemäß Abs. 2 Z 1 leg. cit. jedoch nicht, wenn der maßgebliche Sachverhalt nicht feststeht. Da der Verfassungsgerichtshof den gegenständlichen Flächenwidmungsplan im dargestellten Umfang als gesetzwidrig aufgehoben hat, wurde – wie ausgeführt – dem bekämpften Bescheid die Rechtsgrundlage entzogen. Der Wegfall dieser Grundlage bewirkt, dass die darauf bezogenen Sachverhaltsannahmen der Baubehörde nunmehr unzutreffend sind. Damit steht auch der für eine Sachentscheidung des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich maßgebliche Sachverhalt nicht (mehr) fest.
Bemerkt wird, dass eine Sachentscheidung des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich unter der Sachverhaltsannahme, dass für das hier relevante Grundstück Nr. x, KG W, nunmehr keine Flächenwidmung gilt (mit der Folge, dass der gegenständliche Dachgeschoßausbau jedenfalls nicht im Widerspruch zu einer Flächenwidmung stehen würde, vgl. VwGH 24.2.2004, 2002/05/0005), schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil bei einer solchen Rechtsanschauung im Ergebnis die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes im Verordnungsprüfungsverfahren sowie im Anlassfall unterlaufen werden würden.
Abschließend wird festgehalten, dass die Bestimmung des § 28 Abs. 2 Z 2 VwGVG auf einen Fall wie den gegenständlichen nicht anwendbar ist, weil der für eine allfällige Sachentscheidung des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich maßgebliche Sachverhalt schon aus kompetenzrechtlichen Gründen nicht festgestellt werden könnte. Es wird vielmehr Aufgabe des Gemeinderates als Verordnungsgeber sein, hinsichtlich des hier relevanten Grundstückes der Bauwerber eine Flächenwidmung zu erlassen, die der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes Rechnung trägt. Erst wenn eine solche Flächenwidmung vorliegt, kann der darauf bezogene für die gegenständliche Rechtssache maßgebliche Sachverhalt im Sinne des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG (wieder) festgestellt werden, sodass in weiterer Folge eine neue Sachentscheidung der Baubehörde getroffen werden kann.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
V. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist zulässig, da eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es liegt keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage vor, ob die Bestimmung des § 28 Abs. 3 2. Satz iVm mit Abs. 2 Z 1 VwGVG das Verwaltungsgericht zu einer kassatorischen Entscheidung berechtigt, wenn die für eine meritorische Entscheidung des Verwaltungsgerichts maßgebliche Grundlage durch ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (hier: Aufhebung des für das Wohnbauvorhaben relevanten Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes) nachträglich wegfällt.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Elisabeth Wiesbauer