LVwG-470010/2/Gf/Mu

Linz, 09.12.2015

B E S C H L U S S

 

 

 

 

Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat durch seinen Einzelrichter Dr. Alfred Grof aus Anlass der auf Art. 130 Abs. 1 Z. 3 B-VG gestützten Säumnisbeschwerde des A K, vertreten durch die RAe Mag. K L u.a., wegen Abschreibung von auf Grund der Wassergebührenordnung und der Kanalgebührenordnung der Gemeinde Enns nachgeforderter Wasserbezugs- und Kanalbenützungsgebühren für die Jahre 2010, 2011 und das erste Quartal des Jahres 2012

 

 

b e s c h l o s s e n:

 

 

I. Die Beschwerde wird gemäß § 17 VwGVG i.V.m. § 1 Abs. 1 und § 50 zweiter Satz BAO mit dem Auftrag an den Stadtrat der Gemeinde Enns weitergeleitet, über den Antrag auf gänzliche oder teilweise Abschreibung der Wasserbezugsgebühren für das Jahr 2010, für das Jahr 2011 und das erste Quartal des Jahres 2012 innerhalb einer Frist von drei Monaten, d.i. bis zum 4. März 2016, eine Sachentscheidung zu treffen oder bis zu diesem Zeitpunkt bekannt zu geben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt.

 

II. Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den        Verwaltungsgerichtshof gemäß § 25a VwGG nicht zulässig.


 

 

 

B e g r ü n d u n g

 

 

 

I.

 

 

1. Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers wurde ihm mit einer bei ihm am 16. März 2012 eingelangten Rechnung der Gemeinde Enns die Zahlung von Wasserbezugs- und von Kanalbenützungsgebühren für die Jahre 2010 und 2011 sowie für das erste Quartal des Jahres 2012 vorgeschrieben.

 

In der Folge habe er am 10. September 2012 einen Antrag auf Gewährung eines Nachlasses gestellt.

 

2. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Enns vom 6. November 2012 seien die Wassergebühren für den fraglichen Zeitraum mit 65.420,08 Euro und die Kanalbenützungsgebühren mit 95.988,68 Euro festgesetzt worden.

 

Gegen diesen Bescheid habe er rechtzeitig Berufung erhoben.

 

3. Mit Bescheid vom 31. Jänner 2013 sei dieser im Wege einer Berufungsvorentscheidung zunächst stattgegeben, hierauf jedoch die Gebühren mit Bescheid vom 22. März 2013 neuerlich in gleicher Höhe festgesetzt worden.

 

Dagegen habe er wiederum Berufung erhoben.

 

4. Mit Bescheid des Gemeinderates vom 5. Juli 2013 sei diese zunächst zur Gänze abgewiesen worden.

 

5. Der dagegen eingebrachten Vorstellung sei jedoch in der Folge mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich vom 16. Juni 2014, LVwG-450005/19/ER/PP, insoweit Folge gegeben worden, als die Kanalbenützungsgebühr für den fraglichen Zeitraum mit 0,00 Euro festgesetzt wurde.

 

6. Ungeachtet dessen, dass in der Begründung dieser Entscheidung unzutreffend darauf hingewiesen worden sei, dass über seinen Antrag auf Nachlassgewährung bzw. Abschreibung von Abgaben nicht der Gemeinderat, sondern der Gemeindevorstand (Stadtrat) zu entscheiden hätte, liege bislang trotz mehrfacher Urgenz noch immer keine Entscheidung einer Behörde der verfahrensgegenständlichen Gemeinde vor, obwohl eine solche gemäß § 284 Abs. 1 BAO längstens binnen sechs Monaten hätte ergehen müssen.

 

7. Daher wird in der verfahrensgegenständlichen, am 4. Dezember 2015 hg. eingelangten und auf Art. 130 Abs. 1 Z. 3 B‑VG gestützten Säumnisbeschwerde beantragt, das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich möge über den Antrag des Rechtsmittelwerbers vom 10. September 2012 entscheiden und ihm „einen entsprechenden Nachlass der Wasserbezugsgebühren“ gewähren.

 

 

 

II.

 

 

Hierüber hat das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich erwogen:

 

1. Der Rechtsbehelf gegen eine Säumnis der Behörde wurde mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle BGBl I 51/2012 insofern neu konzipiert, als nunmehr – entgegen der früheren Rechtslage – auch in Abgabensachen im Falle einer Verletzung der gesetzlichen Entscheidungsfrist durch die (letztinstanzliche) Behörde die Zuständigkeit zur Sachentscheidung nicht unmittelbar auf die gerichtsförmige Rechtsmittelinstanz übergeht: Vielmehr ordnet § 284 Abs. 2 BAO insoweit an, dass das Verwaltungsgericht der Abgabenbehörde aufzutragen hat, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden und gegebenenfalls eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt; diese Frist kann einmal verlängert werden, wenn die Abgabenbehörde das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Entscheidung unmöglich machen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, so ist das Verfahren einzustellen.

 

Weiters legt § 284 Abs. 3 BAO sogar ausdrücklich fest, dass die Zuständigkeit zur Entscheidung erst dann auf das Verwaltungsgericht übergeht, wenn die nach § 284 Abs. 2 BAO festgesetzte Frist abgelaufen ist oder wenn die Abgabenbehörde vor Ablauf der Frist mitteilt, dass keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliegt.

 

Innerhalb dieser Zusatzfrist stellt sich also die rechtliche Situation so dar, dass die Zuständigkeit zur Bescheiderlassung – und damit zur „Führung der Verwaltung“ – noch nicht auf die Staatsfunktion „(Verwaltungs-)Gerichtsbarkeit“ devolviert, sondern weiterhin bei der Behörde verbleibt; dem Verwaltungsgericht kommt während dieses Zeitraumes sohin gleichsam nur die Aufgabe eines „Überwachungsorganes“ ohne eigenständige Sacherledigungsbefugnisse zu.

 

2. Gemäß § 56 Abs. 1 Z. 8 der Oberösterreichischen Gemeindeordnung, LGBl 91/1990 i.d.g.F. LGBl 41/2015 (im Folgenden: OöGemO), obliegt dem Gemeindevorstand die gänzliche oder teilweise Abschreibung von Abgaben gemäß den §§ 235 und 236 BAO, sofern die Höhe der abzuschreibenden Abgabe 0,5% der Einnahmen des ordentlichen Gemeindevoranschlags des laufenden Haushaltsjahres nicht übersteigt, jedenfalls aber bis zu einer Höhe von jeweils 5.000 Euro, höchstens jedoch bis zu einer Höhe von jeweils 50.000 Euro.

 

Daraus, dass in dieser Norm das laufende Haushaltsjahr als zuständigkeitsbegründender Bezugspunkt apostrophiert wird, ergibt sich, dass im Falle einer den Zeitraum mehrerer Haushaltsjahre umfassenden Gebührenvorschreibung keine Zusammenrechnung, sondern vielmehr eine entsprechende Separation vorzunehmen ist.

 

Davon ausgehend, dass im vorliegenden Fall die Höhe der vorgeschriebenen Wasserbezugsgebühren

 

für das Jahr 2010 25.203,64 Euro

für das Jahr 2011 31.616,44 Euro und

für das erste Quartal des Jahres 2012 8.600,00 Euro

 

beträgt und diese zeitraumbezogen sohin jeweils innerhalb der durch § 56 Abs. 1 Z. 8 OöGemO festgelegten Betragsgrenze („höchstens jedoch bis zu einer Höhe von jeweils 50.000 Euro“) liegt, ergibt sich (wie bereits im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich vom 16. Juni 2014, LVwG-450005/19/ER/PP, festgestellt [vgl. S. 17]), dass die Entscheidung über die gänzliche bzw. teilweise Abschreibung dieser Abgaben jeweils in den Kompetenzbereich des Gemeindevorstandes, der in Städten gemäß § 3 Abs. 2 OöGemO – wie dies für die verfahrensgegenständliche Gemeinde zutrifft – die Bezeichnung „Stadtrat“ führt, (und nicht, wie der Beschwerdeführer meint, in jenen des Gemeinderates) fällt.

 

3. Vor diesem Hintergrund war daher die vorliegende, gemäß § 284 Abs. 1 erster Satz BAO zutreffend beim Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich eingebrachte Säumnisbeschwerde nach § 284 Abs. 2 BAO mit dem Auftrag an den Gemeindevorstand („Stadtrat“) der Gemeinde Enns weiterzuleiten, innerhalb einer Frist von drei Monaten, d.i. bis zum Ablauf des 4. März 2016, über den Antrag des Rechtsmittelwerbers auf gänzliche oder teilweise Abschreibung der Wasserbezugsgebühren für das Jahr 2010, für das Jahr 2011 und das erste Quartal des Jahres 2012 zu entscheiden bzw. bis zu diesem Zeitpunkt bekannt zu geben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt.

 

 


 

III.

 

 

Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision nicht zulässig, weil es sich zum einen hierbei bloß um eine verfahrensleitende Verfügung i.S.d. § 31 Abs. 2 VwGVG handelt und zum anderen im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, da eine Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bzw. des Verwaltungsgerichtshofes zu den im vorliegenden Fall zu lösenden Rechtsfragen weder fehlt (vgl. z.B. VwGH vom 27. Mai 2015, Ra 2015/19/0075) noch diese uneinheitlich ist noch mit der gegenständlichen Entscheidung von dieser abgewichen wurde.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

 

Gegen diesen Beschluss kann eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Beschlusses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

Gegen diesen Beschluss kann innerhalb derselben Frist auch eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden, die durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und beim Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich einzubringen ist; die Eingabegebühr von 240 Euro ist hingegen unmittelbar an den Verwaltungsgerichtshof zu entrichten.

 

 

 

 

 

Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich

 

 

Dr.  G r o f

 

 

 

 

 

LVwG-470010/2/Gf/Mu vom 9. Dezember 2015

 

Beschluss

 

Normen:

Art. 130 Abs. 1 Z. 3 B-VG

§ 17 VwGVG

§ 1 BAO

§ 50 BAO

§ 284 BAO

§ 3 OöGemO

§ 56 OöGemO

 

Rechtssätze:

 

* Der Rechtsbehelf gegen eine Säumnis der Behörde wurde mit der Verwal-tungsgerichtsbarkeits-Novelle BGBl I 51/2012 insofern neu konzipiert, als nunmehr – entgegen der früheren Rechtslage – auch in Abgabensachen im Falle einer Verletzung der gesetzlichen Entscheidungsfrist durch die (letztinstanzliche) Behörde die Zuständigkeit zur Sachentscheidung nicht unmittelbar auf die gerichtsförmige Rechtsmittelinstanz übergeht: Vielmehr ordnet § 284 Abs. 2 BAO insoweit an, dass das Verwaltungsgericht der Abgabenbehörde aufzutragen hat, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten zu entscheiden, und § 284 Abs. 3 BAO legt sogar ausdrücklich fest, dass die Zuständigkeit zur Entscheidung erst dann auf das Verwaltungsgericht übergeht, wenn die nach § 284 Abs. 2 BAO festgesetzte Frist abgelaufen ist; innerhalb dieser Zusatzfrist stellt sich also die rechtliche Situation so dar, dass die Zuständigkeit zur Bescheiderlassung – und damit zur „Führung der Verwaltung“ – noch nicht auf die Staatsfunktion „(Verwaltungs-)Gerichtsbarkeit“ devolviert, sondern weiterhin bei der Behörde verbleibt; dem Verwaltungsgericht kommt während dieses Zeitraumes sohin gleichsam nur die Aufgabe eines „Überwachungsorganes“ ohne eigenständige Sacherledigungsbefugnisse zu;

 

* Daraus, dass in § 56 Abs. 1 Z. 8 OöGemO das laufende Haushaltsjahr als zuständigkeitsbegründender Bezugspunkt apostrophiert wird, ergibt sich, dass im Falle einer den Zeitraum mehrerer Haushaltsjahre umfassenden Gebührenvorschreibung keine Zusammenrechnung, sondern vielmehr eine entsprechende Separation vorzunehmen ist. Somit fällt dann, wenn die Höhe der vorgeschriebenen Gebühren jährlich jeweils innerhalb der durch diese Norm festgelegten Betragsgrenze („höchstens jedoch bis zu einer Höhe von jeweils 50.000 Euro“) liegt, die Entscheidung über die gänzliche bzw. teilweise Abschreibung dieser Abgaben jeweils in den Kompetenzbereich des Gemeindevorstandes (der in Städten gemäß § 3 Abs. 2 OöGemO die Bezeichnung „Stadtrat“ führt) und nicht in jenen des Gemeinderates.

 

Schlagworte:

 

Säumnis; Einbringung; Zuständigkeitsübergang; Verwaltungsführung; Weiterleitung; Beschluss, verfahrensleitender; Gemeindevorstand – Gemeinderat - Zuständigkeitsabgrenzung.